Die Arbeit beschäftigt sich mit der sich ausbreitenden Gewaltanwendung von Mädchen. Im Zentrum steht dabei die Frage, welche Ursachen dem Verhalten zugrunde liegen. Alle vergangenen und gegenwärtigen Gesellschaften mit ihren unterschiedlichsten Ausprägungen und Erscheinungsformen hatten ebenso mannigfaltige Erscheinungsformen von Gewalt zum Bestand. Das Ideal einer gewaltfreien Gesellschaft konnte – nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Gewaltforschung – noch nie erreicht werden.
Gewalt existiert auf allen gesellschaftlichen Ebenen, in engen sozialen Beziehungen sowie zwischen Staaten und Staatengemeinschaften, in Institutionen oder im öffentlichen Raum. Sie wird in organisierter, institutionalisierter, unbewusster oder vorsätzlicher Form verübt. Öffentliche Diskurse, wissenschaftliche Debatten und Forschungsprojekte befassen sich daher vorrangig mit dem veränderten Auftreten von Gewalt. Dabei sind es vor allem ansteigende Gewalttaten, das Auftreten neuer Gewaltformen oder die verstärkte Betroffenheit bestimmter sozialer Gruppen oder Personen, die neue Debatten initiieren. Das vorrangige Ziel der Teilnehmer dieser Diskussionen ist, Erklärungen zu finden, wie es zu den Veränderungen gekommen ist, welche Ursachen ihnen zugrunde liegen und welche Entstehungsbedingungen zu den Veränderungen beigetragen haben.
Solche Debatten wurden in den letzten Jahren auch durch das für neu wahrgenommene Phänomen Mädchengewalt ausgelöst. In teils dramatisch aufbereiteten Medienbeiträgen wurde über Mädchen und junge Frauen berichtet, die im öffentlichen Raum durch exzessive Gewalttaten auffielen. In den Beiträgen wurde geschildert, dass ein massiver Anstieg von Mädchen verursachten Gewaltfällen zu verzeichnen sei. Als ursächlich werden, je nachdem, staatliche Versäumnisse, soziale, familiale oder personale Mängel gehandelt. Obwohl diese Art von Gewalthandeln grundsätzlich als für eine moderne Gesellschaft unwürdig erachtet wird, löst es noch größeres Unverständnis aus, wenn Mädchen und junge Frauen Akteurinnen dieser Form von Gewalt sind. Doch wie stellt sich das Phänomen Mädchengewalt wirklich dar? Welche Ursachen liegen ihm zugrunde und welche Rolle nimmt Gewalt dabei für die Mädchen ein?
Essay
Zur Diskussion des Phänomens Mädchengewalt
Alle vergangenen und gegenwärtigen Gesellschaften mit ihren unterschiedlichsten Ausprägungen und Erscheinungsformen hatten ebenso mannigfaltige Erscheinungsformen von Gewalt zum Bestand. Das Ideal einer gewaltfreien Gesellschaft konnte - nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Gewaltforschung - noch nie erreicht werden. Gewalt existiert auf allen gesellschaftlichen Ebenen, in engen sozialen Beziehungen sowie zwischen Staaten und Staatengemeinschaften, in Institutionen oder im öffentlichen Raum. Sie wird in organisierter, institutionalisierter, unbewusster oder vorsätzlicher Form verübt. Öffentliche Diskurse, wissenschaftliche Debatten und Forschungsprojekte befassen sich daher vorrangig mit dem veränderten Auftreten von Gewalt. Dabei sind es vor allem ansteigende Gewalttaten, das Auftreten neuer Gewaltformen oder die verstärkte Betroffenheit bestimmter sozialer Gruppen oder Personen, die neue Debatten initiieren. Das vorrangige Ziel der Teilnehmer dieser Diskussionen ist, Erklärungen zu finden, wie es zu den Veränderungen gekommen ist, welche Ursachen ihnen zugrunde liegen und welche Entstehungsbedingungen zu den Veränderungen beigetragen haben. Solche Debatten wurden in den letzten Jahren auch durch das für neu wahrgenommene Phänomen Mädchengewalt ausgelöst. In teils dramatisch aufbereiteten Medienbeiträgen wurde über Mädchen und junge Frauen berichtet, die im öffentlichen Raum durch exzessive Gewalttaten auffielen.1 In den Beiträgen wurde geschildert, dass ein massiver Anstieg von von Mädchen verursachten Gewaltfällen zu verzeichnen sei. Als ursächlich werden, je nach dem, staatliche Versäumnisse, soziale, familiale oder personale Mängel gehandelt. Obwohl diese Art von Gewalthandeln grundsätzlich als für eine moderne Gesellschaft unwürdig erachtet wird, löst es noch größeres Unverständnis aus, wenn Mädchen und junge Frauen Akteurinnen dieser Form von Gewalt sind. Doch wie stellt sich das Phänomen Mädchengewalt wirklich dar? Welche Ursachen liegen ihm zugrunde und welche Rolle nimmt Gewalt dabei für die Mädchen ein?
Was ist Gewalt? Hinführung und Definition
Auch nach zahlreichen breiten und teils sehr kontrovers geführten Diskussionen in den Sozialwissenschaften, aber auch in der (inter-) nationalen Politik und im Recht existiert nach wie vor kein allgemein gültiger Begriff von Gewalt. Es existieren unterschiedliche Ansichten darüber, welche Formen von Gewalt legitim und welche illegitim sind, darüber wem die Deu- tungs- oder die Definitionsmacht zugebilligt wird oder darüber auf welche Ziele Gewalt gerichtet sein kann.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Gewaltbegriff vorrangig negativ konnotiert ist, weshalb Gewaltformen, die soziale oder politische Akzeptanz finden meist nicht direkt als Gewalt bezeichnet werden. In kriegerischen Auseinandersetzungen beispielsweise wer- den getötete Zivilisten nicht als Opfer von Gewalt bezeichnet, sondern als Kollateral- oder Begleitschäden. Die Akzeptanz bzw. die Bewertung von Gewalt wird dabei von der sozialen Nähe zu den ausführenden Akteuren beeinflusst. Was etwa für mache Demonstranten deutlich als Polizeigewalt identifiziert werden würde, würde aus Sicht von Einsatzleitern, der Polizeigewerkschaft, Innenministern und -Senatoren nicht mit gleichem Maß als solche bewertet werden. Hinzu kommt der situative Kontext bei der Beurteilung von Gewalt: Denn den unterschiedlichen sozialen, historischen oder kulturellen Kontexten entsprechend, können gleiche Handlungsabläufe als gewalttätig, sportlich, verteidigend oder unterhaltend eingestuft werden. Die Auffassung über Gewalt hat sich auch durch gesellschaftliche und historische Prozesse gewandelt. In den westlichen Gesellschaften hat - bezogen auf das Alltagsverständnis zur Gewalt - auf allen Ebenen eine erhebliche Sensibilisierung stattgefunden und folglich hat sich eine starke Ausweitung des Gewaltbegriffs vollzogen. So waren beispielsweise sogenannte körperliche Züchtigungen von Lehrern/-innen gegenüber ihren Schülern/- innen lange Zeit eher die Regel als die Ausnahme und sogar bis 1973 in Deutschland rechtlich erlaubt, was heute kaum mehr denkbar ist. Daher ist grundsätzlich festzuhalten, dass der Gewaltbegriff kein festes Konstrukt ist, sondern anhand gesellschaftlicher und politischer Aushandlungsprozesse definiert wird, veränderbar ist und somit ein von gesellschaftlichen Normen geprägter Begriff darstellt.2
Gewalt kann und wird hinsichtlich einer Vielzahl von Kriterien unterschieden: Während der Gewaltbegriff lange Zeit vorrangig auf die physische Schädigung einer Person eingeschränkt war, verursacht durch eine direkte physische Angriffshandlung einer anderen Person, gab es Erweiterungen bezüglich des Opfers bzw. des Angriffsobjektes (neben anderen Menschen auch die eigene Person, Tiere und Gegenstände), bezüglich der ausführenden Akteure (neben Menschen auch staatliche und gesellschaftliche Strukturen sowie Institutionen) und schließlich bezüglich der Angriffsform (neben physischen nun auch psychische).3
Neben der Schädigungsabsicht werden vor allem die Schädigungsfolgen, die aus einer Handlung resultieren als Definitionskriterien für Gewalt herangezogen: Dabei beschreibt der Begriff der physischen Gewalt eine durch den Einsatz physischer Mittel direkte physische Schädigung von Menschen oder Menschengruppen bzw. die Androhung einer physischen Schädigung. Dieser Gewaltbegriff dominiert nach wie vor im nationalen und internationalen Recht, in der Forschung sowie im Alltagsverständnis. Die psychische Gewalt hingegen meint eine bewusste oder unbewusste Anwendung von Gewaltformen, die eine Person auf der psychisch-emotionalen Ebene nachhaltig schädigen können. Hierzu zählen beispielsweise anhaltende Beleidigungen, üble Nachrede oder Mobbing. Bedeutend in diesem Zusammenhang ist auch die relationale Aggression. Sie beschreibt Verhaltensformen, die die soziale Zugehörigkeit eines Individuums zu schädigen versucht bzw. eine Schädigung androht. Bei der indirekten Aggression, werden in indirekter Weise, ohne direkten Kontakt, beispielsweise mit der Zuhilfenahme von dritten Personen oder medialen Netzwerken Reputationsschädigungen einer Person intendiert.4
Werden die Folgen von Verletzungen und Leid an einem Individuum in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Formen zur konstituierenden Bedingung bei der Definition von Gewalt, ergibt sich allerdings die Problematik, dass das Ausmaß von vor allem psychischen Gewalthandlungen nur sehr schwer unabhängig von subjektiven Wahrnehmungsempfindungen des Opfers beurteilt werden kann. Aber auch bei physischen Übergriffen sind nicht zwangsweise Folgen am Opfer erkennbar und demnach Situationen nicht immer eindeutig hinsichtlich ihres Gewaltgehalts zu beurteilen.
Im deutschen Sprachraum ist unmittelbar mit dem Begriff der Gewalt auch das Wort Aggression verbunden. Es leitet sich vom lateinischen Wort aggredi ab, was so viel bedeutet wie ,angreifen‘, ,herangehen‘. Hillmann (1994) beschreibt Aggression als „allg. jede Form feindseligen Verhaltens oder feindseliger, angriffsbereiter Einstellung"5. Diese kann sich sowohl nach außen, an andere Lebewesen und Sachgegenstände sowie nach innen, gegen das eigene Selbst - sogenannte Autoaggressionen - z.B. in Form von Essstörungen richten. Die Begriffe Aggression und Gewalt werden im deutschen Sprachraum, im Gegensatz zum angelsächsischen, meist synonym verwendet.
Da sich viele Gewaltformen in ihrem Auftreten nur sehr schwer erfassen lassen, beziehen sich die meisten Debatten und Untersuchungen auf das Auftreten physischer Gewalt. Durch vergleichsweise gute Beobachtungsmöglichkeiten, die physische Gewaltformen bieten, machen sie eine zuverlässige Erfassbarkeit am wahrscheinlichsten. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch andere Gewaltformen vorhanden sind, die Menschen nachhaltig schädigen können und in ähnlicher Weise wissenschaftlicher und öffentlicher Aufmerksamkeit bedürfen.
Erklärungsansätze
Um die Entstehung und die Ursachen von Gewalt zu erläutern, werden verschiedene Erklärungsansätze herangezogen. Aus soziologischer Sicht herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass Gewalthandeln auf das komplexe Zusammenspiel zahlreicher Faktoren zurückzuführen ist. Es sind vorrangig mittel- und längerfristige Prozesse, die auf ein Individuum einwirken müssen, damit es (delinquentes) Gewalthandeln zeigt. Sozialwissenschaftliche Analysen versuchen die Entstehungsbedingungen des Phänomens Jugendgewalt auf verschiedenen Ebenen zu erfassen:6 Zur ersten Ebene zählen individuell wirkende Einflussfaktoren, wie das Alter, Geschlecht, kognitive Dispositionen und soziale Kompetenzen im Zusammenspiel mit mikrosozialen Faktoren, wie beispielsweise familiäre Verhältnisse und die Einstellungen von Gleichaltrigengruppen. Eine weitere Ebene stellt die Mesoebene dar, die vor allem den Einfluss des Schulumfeldes untersucht. Andere Untersuchungen wiederum, beziehen sich auf die Einflüsse und Veränderungen der Makroebene, wie beispielsweise wirtschaftliche oder sozial- und arbeitsmarktpolitische Einflusssphären, die auf Chancenstrukturen einwirken. Dabei gelten die familiäre Frühsozialisation und weitere soziale Umgebungseinflüsse wie Peers und das Wohnumfeld als besonders einflussreich bei der Herausbildung individueller gewaltförmiger Bewältigungsmuster und Handlungsstrategien. Hinzu kommen situative Anlässe, die zur Umsetzung einer konkreten Gewalthandlung mit beitragen.7 Die Erklärungstheorien und -Ansätze für das Gewalthandeln von Individuen sind neben den Sozialwissenschaften auch in der Psychologie (z.B. kognitive Informationsverarbeitungsprozesse) und der Biologie (z.B. genetische Dispositionen, Vererbbarkeit, hormonelle Regulation) zu finden. Der Einfluss biochemischer und genetischer Prozesse sowie die Fähigkeit soziale Informationen adäquat zu verarbeiten werden ebenfalls als bedeutende Faktoren bei der Entstehung aggressiven Verhaltens gesehen.8 Trotz möglicher aggressionsfördernder genetischer oder hormoneller Dispositionen, wird allerdings vorrangig davon ausgegangen, dass Sozialisationsfaktoren gegenüber den biologisch-anthropologischen weit größeren Einfluss auf das Handeln von Personen haben.9
Zum Phänomen Mädchengewalt
Zunächst sollte geklärt werden, inwieweit Mädchen und jungen Frauen durch Gewalttaten überhaupt auffallen und ob der mediale Aufschrei, der einen radikalen Anstieg von Mädchengewalt abbildet gerechtfertigt ist. Seit 1985 bis 2007 wurde insgesamt eine erhöhte Kriminalitätsbelastung bei Mädchen und jungen Frauen festgestellt.10 Die Deutsche Tatverdächtigtenbelastungszahl (TVBZ) der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die das Verhältnis der Tatverdächtigten deutscher Nationalität zur altersgleichen Bevölkerung misst, zeigt, dass sich von 1987 bis zum Jahr 2009 ein stetiger Anstieg bei der Altersgruppe der acht bis 21-jährigen Mädchen und jungen Frauen beim Delikt der Körperverletzung vollzogen hat.11 Im Zeitraum von 1993 bis 2007 sind die TVBZ bezogen auf Gewalttaten12 bei den weiblichen Jugendlichen im Alter von 14 - 18 Jahren um das Dreifache gestiegen, bei den männlichen Jugendlichen im gleichen Zeitraum um das Doppelte.13 Die teils dramatisch wirkenden Anstiege, lassen sich allerdings auf die sehr niedrige Zahl der Ausgangsfälle bei den weiblichen Verdächtigten zurückführen.14 Schließlich zeigen die TVBZ von männlichen und weiblichen Jugendlichen, wenn der absolute Abstand zwischen ihnen betrachtet wird, dass sich dieser seit 1993 stetig vergrößert hat und 2007 einen Höchststand erreichte.15 Somit ist zwar anhand der PKS ein Anstieg der Gewalttaten, die von weiblichen Jugendlichen verübt wurden zu verzeichnen. In der Gesamtbetrachtung der Gewalttaten von männlichen und weiblichen Jugendlichen zeigt sich allerdings, dass Gewalttaten, die von den weiblichen Jugendlichen verübt werden, nach wie vor ein Randphänomen bei der Gewaltdelinquenz Jugendlicher darstellen.16
Insgesamt können die amtlichen Kriminalstatistiken häufig nur ein unscharfes Abbild der Kriminalitätslage geben. Dies liegt einerseits an den breit angelegten Deliktkategorien, die eine Vielzahl unterschiedlicher Kriminalitätsphänomene erfassen. Dadurch werden detailliertere Auswertungen geschlechtsbezogener Differenzen und Gemeinsamkeiten in den Deliktkategorien verhindert.17 Andererseits kommt hinzu, dass die Delikte selbst in nicht ausreichend differenziertem Maß erfasst werden. Das Schädigungsausmaß der begangenen Kör- perverletzungen, Erst- oder Wiederholungstäterschaften oder ob die Tat von einer Gruppe oder Einzeltätern verübt wurde, wird häufig nicht ersichtlich.18 Schließlich wird der in den letzten Jahren verzeichnete Anstieg der TVBZ bezogen auf Gewalttaten generell relativiert, da von einer gewachsenen Anzeigebereitschaft der Bevölkerung ausgegangen wird. Weshalb das Bundeskriminalamt (BKA) im Abgleich mit Dunkelfelderhebungen - entgegen den TVBZ - angibt, auch im Bereich von jugendlichen Gewalttätern/-innen von insgesamt rückläufigen Gewalttaten auszugehen.19 Schließlich muss angemerkt werden, dass sich seit 2009 auch in den TVBZ Rückgänge bei den von Jugendlichen beider Geschlechter verübten Gewalttaten abbilden.20
Die wenigen Dunkelfelderhebungen, die sich explizit auf Phänomen Mädchengewalt beziehen, kommen auf teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse:21 Dies liegt unter anderem an den unterschiedlichen Erhebungsregionen (Großstädte, Stadtteile, Bundesländer), zeitliche und altersspezifische Differenzen sowie vor allem an den unterschiedlichen Gewaltdefinitionen, die den Untersuchungen zu Grunde liegen.22 Dennoch zeichnet sich anhand einiger Dunkelfeldstudien ab, dass sich die Abstände zwischen den Geschlechtern bei den im Jugendalter verübten Gewalttaten verringern und Mädchen und junge Frauen somit im Verhältnis häufiger delinquente Gewalttaten begehen.
Die mangelnde Datenlage bei Dunkelfelderhebungen und die zahlreichen Interpretationsspielräume der amtlichen Statistiken machen es dennoch schwer, klare Aussagen zu einem deutlich veränderten Auftreten von von Mädchen verübten Gewalttaten zu machen. Auf Basis der vorhandenen Ergebnisse dürfen die Dramatisierungen in den Medien über das Phänomen Mädchengewalt zwar keinesfalls bagatellisiert, sie müssen aber dennoch relativiert werden.
Zum Gewalthandeln von männlichen und weiblichen Jugendlichen
Delinquentes Handeln im Allgemeinen und delinquentes Gewalthandeln im Speziellen, sind sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Tätern bzw. Täterinnen ein vorrangig passa- geres Phänomen, das vor allem in der Adoleszenz, ab dem zehnten bis zwölften Lebensjahr beginnt und spätestens nach dem 21. Lebensjahr wieder abnimmt.23 Mädchen und junge Frauen zeigen bei nur einem Prozent der Fälle über die Adoleszenz hinaus delinquentes Gewalthandeln. Bei männlichen Gewalttätern sind das immerhin zehn Prozent.24 Außerdem zeigen junge Frauen und Mädchen in weit geringerem Maß wiederholendes und regelmäßiges Gewalthandeln und die Deliktschwere fällt bei ihnen meist geringer aus.25 Dies spiegelt sich beispielsweise in den Zahlen zum Jugendstrafvollzug wider. Bei den Strafgefangenen, die nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurden, waren bei den 14 bis 21-jährigen im Jahr 2011 96 Prozent männlich und 4 Prozent weiblich.26 Wobei Diebstahls- und Körperverletzungsdelikte, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, die überwiegenden Straftatbestände bei Jugendlichen darstellen.27
Anhand der unterschiedlichen Ausprägungen im delinquenten Gewalthandeln von weiblichen und männlichen Jugendlichen wird deshalb danach gefragt, weshalb sich das Gewaltverhalten von weiblichen und männlichen Jugendlichen unterscheidet bzw. weshalb Mädchen und junge Frauen nach wie vor in weitaus geringerem Maß durch Gewalttaten auffallen? Denn wie an den angeführten Zahlen deutlich wird, sind männliche Jugendliche in Hell- als auch in Dunkelfeldstatistiken am dominantesten vertreten.
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1 Siehe beispielsweise Berichte aus Der Spiegel vom 28.04.2006 "Bist du scheiße, schlachte ich dich". Online im Internet: http://www.spiegel.de/panorama/maedchengewalt-bist-du-scheisse-schlachte-ich-dich-a- 412365.html sowie Focus vom 01.09.2008 „Da habe ich rot gesehen“ Online im Internet: http://www.focus.de/panorama/welt/tid- 1185Vmaedchengewalt-da-habe-ich-rotgesehen_aid_328860.html.
2 Vgl. u.a. Heeg, S. 12f. sowie Heitmeyer/Schröttle, S. 17f.
3 Vgl. Heeg, S. 16.
4 Vgl. ebd. S.18.
5 Hillmann, S. 10.
6 Vgl. v.a. Fuchs et al., S. 33.
7 Vgl. u.a. Silkenbeumer (2011), 327.
8 Vgl. Sturzbecher/Großmann/Reinmuth.
9 Vgl. ebd.
10 Vgl. Silkenbeumer (2011), S. 320.
11 Vgl. Bundeskriminalamt 1987-2011: Polizeiliche Kriminalstatistik. Deutsche Tatverdächtigenbelastungszahl. Online verfügbar unter http://www.bka.de/nn_224658/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/PksZeitreihen/pksZeitreihen n ode.html?__ nnn=true. Stand: 24.09.2012
12 Hierunter wurden Delikte wie Mord/Totschlag, Raub, Vergewaltigung und gefährliche/schwere Körperverletzung erfasst. Delikte der leichten Körperverletzung werden darunter nicht mit erfasst.
13 Vgl. Baier et al., S. 23.
14 Vgl. ebd.
15 Vgl. ebd.
16 2011 wurden insgesamt 26.224 männliche und 5.506 weibliche Tatverdächtigte der Gewaltkriminalität im Alter zwischen 14 und 18 Jahren in den TVBZ registriert. Somit waren rund 17 Prozent weiblich und fast 83 Prozent männlich.
17 Vgl. Silkenbeumer, S. 320.
18 Vgl. u.a. Heeg, S. 21.
19 Vgl. Bundeskriminalamt (2006), S. 2. Dieser Trend wird auch in der Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts KFI von 2009 bestätigt.
20 Vgl. Bundeskriminalamt 1987-2011: Polizeiliche Kriminalstatistik. Deutsche Tatverdächtigenbelastungszahl. Online verfügbar unter http://www.bka.de/nn_224658/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/PksZeitreihen/pksZeitreihen n ode.html?__ nnn=true. Stand: 24.09.2012
21 An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass grundsätzlich nur wenige Dunkelfelduntersuchungen zu von Mädchen verübten Gewalttaten vorhanden sind. Ebenso ist eine mangelnde adäquate geschlechterdifferen- zierten Auswertung und Erfassung der anhand von Dunkelfeldstudien gewonnenen Daten gegeben. Vgl. u.a. Silkenbeumer (2006), 318.
22 Vgl. Bruhns/Wittmann, S. 298.
23 Vgl. Silkenbeumer (2011), S. 321.
24 Vgl. Heeg, S. 26.
25 Vgl. u.a. Heeg, S. 26 sowie Silkenbeumer (2011), S. 320f.
26 Eigene Berechnungen auf Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamtes: Strafvollzug - Demographische und kriminologische Merkmale der Strafgefangenen. Fachserie 10 Reihe 4.1 - 2011. Online im Internet: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/Strafvollzug.html Stand: 25.09.2012.
27 Vgl. Statistisches Bundesamt. Jugendkriminalität in Deutschland. Online im Internet: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/Rechtspflege/2008_1/2008_1Jugendstrafen.html Stand: 26.09.2012. Das Deutsche Jugendinstitut hingegen gibt an: „Gewalttaten (vor allem schwere Körperverletzung und Raub) machen nur einen kleinen Teil der gesamten Jugendkriminalität aus." DJI (2011), S. 3.
- Arbeit zitieren
- Katrin Geier (Autor:in), 2012, Das Phänomen Mädchengewalt in der Jugend, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/949610
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