1. Einleitung
In Zeiten schneller und tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen kommt vor allem den politischen Institutionen eine große Bedeutung zu. Das Parlament spielt in diesem Veränderungsprozeß eine relevante Rolle, weil es als gesetzgebende Gewalt und als Repräsentation des Volkes die rechtlichen Rahmenbedingungen für das gesellschaftliche Zusammenleben vorgibt. Kein anderes Staatsorgan steht so sehr im Zentrum des politischen Gestaltungsprozesses eines demokratischen Regierungssystems wie das Parlament. Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern das Parlament überhaupt handlungsfähig agieren kann. Genauer ausgedrückt: Behindert oder begünstigt die Struktur des politischen Systems die Handlungsfähigkeit des Parlaments?
Im folgenden soll diese Frage am Beispiel des Gesetzgebungsverfahrens in den USA und der Bundesrepublik Deutschland geklärt werden. Beide Staaten als Prototypen des Präsidialsystems bzw. des Parlamentarismus eignen sich deshalb für einen Vergleich, weil den zwei Systemen zwar die pluralistische Demokratie gemein ist, sie jedoch unterschiedliche Verfassungsstrukturen aufweisen.
Pluralistische Demokratien wie die USA oder die Bundesrepublik Deutschland stehen allerdings scheinbar vor einem Dilemma: Einerseits existieren verschiedene Interessen, zum anderen besteht die notwendige "Fähigkeit, rechtlich erhebliche Handlungen vorzunehmen"1. Welchen Einfluß haben Interessensgruppen auf die Entscheidungsfindung im Gesetzgebungsverfahren? Wird durch die konträren Positionen die Handlungsfähigkeit behindert?
In dieser Arbeit soll es jedoch nicht darum gehen, die Handlungsfähigkeit oder gar die Qualität der policy outputs zu messen.
2. Struktur und Kompetenz der Legislativen im Vergleich
Um die Gesetzgebungsverfahren in Deutschland und den Vereinigten Staaten nachzuvollziehen, ist die Darstellung der jeweiligen Struktur und Kompetenz der gesetzgebenden Organe notwendig.
Für Deutschland muß neben dem Bundestag auch der Bundesrat "verfassungspraktisch (als) eine zweite Kammer unter dem gemeinsamen Dach des Bonner Bundeshauses" gesehen werden.2 In den USA bilden Senat und Repräsentantenhaus den Kongreß, das gemeinsame Gehäuse für zwei deutlich unterschiedliche, insgesamt aber doch politisch gleichwertige Kammern.
2.1. US-Kongreß
Im präsidentiellen Regierungssystem der Vereinigten Staaten von Amerika ist der Kongreß als Ganzes traditionell der Gegenspieler des Präsidenten. Beide Gewalten werden in getrennten Wahlen bestimmt, die Regierung geht also nicht aus dem Parlament hervor. Für die Stellung und Bedeutung des Kongresses sind folgende verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Regelungen von Bedeutung:
a.) Weder Präsident noch Mitglieder der Regierung dürfen einen Sitz im Senat oder Repräsentantenhaus haben. Die amerikanische Verfassung hat die Staatsgewalt zwischen Legislative und Exekutive durch ein System kontrollierender Kompetenzen geteilt ("checks and balances"): Der Präsident kann den Kongreß nicht auflösen. Repräsentantenhaus und Senat wiederum obliegt die Gesetzgebung, bei der die Exekutive einwirkt, indem sie unterzeichnet oder ein Veto einlegt, das erst nach nochmaliger Abstimmung durch eine Zweidrittelmehrheit überwunden werden kann.
b.) Die strenge Trennung von Parlament und Regierung zwingt die Parlamentarier, sich selber Informationen und Unterlagen zu beschaffen, um Gesetzesvorlagen zu erstellen und die Verwaltung der Gesetze sowie die notwendig werdenden Ausgaben überprüfen zu können. Jedes gewählte Mitglied des Kongresses verfügt über einen großen Mitarbeiterstab, der 1980 im Durchschnitt 15 Personen für Repräsentanten und 31 für Senatoren umfaßt. Das Schwergewicht der Arbeit liegt deshalb nicht bei der Debatte - Kritik, Kontrolle und Verteidigung der Regierungsarbeit. Der amerikanische Kongreß ist ein "Arbeitsparlament".
c.) Die Parteien und ihre Fraktionen kennen keine strenge Fraktionsdisziplin. Die Kongreßmehrheit steht nicht vorbehaltlos zur Regierungspolitik. Kritik und Kontrolle der Regierung obliegt dem Kongreß als Ganzem, nicht nur den Oppositionsparteien.
d.) Zur Bewältigung dieser Gesetzes- und Kontrollarbeit gibt es eine Vielzahl von Ausschüssen und Unterausschüssen.
e.) Durch die Zustimmung der Ausschüsse für bestimmte Verwaltungszweige und ihr Recht der Geldbewilligung ist ihr Einfluß auf die Verwaltungstätigkeit beträchtlich. Der vom Präsidenten jährlich vorgelegte einheitliche Haushaltsvoranschlag muß vom Kongreß genehmigt werden. Die Parlamentarier können die Bewilligung von Geldern mit Auflagen verbinden.
2.2. Deutscher Bundestag / Bundesrat
Neben der Aufgabe der Regierungsbildung und Kontrolle obliegt dem Bundestag die Gesetzgebung. Institutionell ist der Bundestag das wichtigste Organ im Gesetzgebungsverfahren: Ohne seine Beschlußfassung kommt kein Gesetz zustande. Er hat neben dem Bundesrat (und der Bundesregierung) das Recht der Gesetzesinitiative, legt den Gesetzestext fest und erteilt ihm in der Schlußabstimmung den Gesetzesbefehl.
a.) Die Legitimation des Bundestags besteht in einer demokratischen Wahl durch das Volk. Die Parlamentsmehrheit wählt aus ihren Reihen den Bundeskanzler, der die Mitglieder seines Kabinetts bestimmt. Es liegt eine Gewaltenvermischung vor, weil Mitglieder der Exekutive gleichzeitig der Legislative angehören.
b.) Durch diese Gewaltenvermischung stehen sich im deutschen Parlamentarismus nicht mehr Exekutive und Legislative gegenüber, sondern de facto Regierungsmehrheit und parlamentarische Opposition ("neuer Dualismus").
c.) Dem Anspruch wie dem Selbstverständnis nach ist der Bundestag weder ein Redeparlament noch ein Arbeitsparlament, sondern eine Mischform beider Parlamentsformen.3 Die in einem parlamentarischen System notwendige Geschlossenheit und Wirksamkeit bei der Unterstützung der Regierung bzw. ihrer Kritik wird durch eine Fraktionsdisziplin erreicht, die vom Grundgesetz weder verboten noch ausdrücklich gefordert wird. Sie gehört jedoch zu den wesentlichen Bestandteilen eines arbeitsfähigen parlamentarischen Regierungssystems. Abgeordnete agieren demnach unter dem Dach der Fraktionen, die über öffentlich besoldete Angestellte verfügen. Jeder Abgeordnete kann zudem öffentlich besoldete Hilfskräfte einstellen.
d.) Die Hauptarbeit der Parlamentarier findet in den Fachausschüssen statt. Diese Ausschüsse bearbeiten Vorgänge, um dem Bundestagsplenum fertige Entwürfe zur anschließenden Entscheidung vorzulegen.
e.) "'Kontrolle' darf nicht mit Handeln gleichgesetzt werden", deshalb beschränkt sich die Funktion des Bundestags auf laufende Überprüfungen des Handelnden.4 Die Wirkung der Kontrolle 'des Handelnden' durch den Bundestag wird jedoch durch den "neuen Dualismus" eingeschränkt, weil die Exekutive aus der Parlamentsmehrheit hervorgeht.
Die wichtigste Aufgabe des Bundesrates besteht bei der Mitwirkung bei der Gesetzgebung, der Verordnungstätigkeit und der Verwaltung des Bundes. Somit obliegt es der Länderkammer administrative Gesichtspunkte in den Entscheidungsprozeß des Bundes einzubringen und den Föderalismus gegen eine Aushölung durch den Bundesgesetzgeber abzuschirmen.5
2.3. Unterschiede US-Kongreß - Deutscher Bundestag / Bundesrat
Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen präsidentiellem und parlamentarischem Regierungssystem ist darin zu sehen, daß im Parlamentarismus die Regierung vom Parlament abberufen werden kann. Die Regierung bleibt nur so lange im Amt, wie sie von einer parlamentarischen Mehrheit getragen wird. Im präsidentiellen System kann die Regierung auch dann im Amt bleiben, wenn die parlamentarische Mehrheiten wechseln oder nicht geschlossen handeln. Der Präsident besitzt die Möglichkeit, sein Programm notfalls mittels ad-hoc-Mehrheiten durchzusetzen.
Auf die Parlamentsarbeit hat dies folgende Auswirkungen:
Im deutschen Parlamentarismus muß das Verhalten der Fraktionen auch vor dem Hintergrund parteipolitischer Gesichtspunkte gesehen werden, weil sich Regierungsmehrheit und parlamentarische Opposition gegenüberstehen. Die Bundesregierung ist auf das Vertrauen der Parlamentsmehrheit angewiesen, den Oppositionsparteien obliegt die Kontrolle. Hinzu kommt auch "eine zunehmende Blockadewirkung des Bundesrates", wenn es keine dem Bundestag entsprechende Bundesratsmehrheit gibt.6 Außerdem dürfen trotz der parteipolitischen Fronten im Bundesrat nicht die spezifischen Landesinteressen übersehen werden.
Dem präsidentiellen System der USA fehlt dagegen der wichtigste Antrieb für partei- taktisches Verhalten: Dem Parlament kommt nicht die Aufgabe zu, stabile Mehrheiten zu bilden; der Abgeordnete agiert "im wesentlichen als 'Einzelgänger'".7 Aufgrund der geringen Relevanz von Parteien handelt sich vielmehr um eine personenbezogene Politik, bei der die Wahlentscheidung beim Gros der Wähler meist nicht auf politischen Streitfragen oder Parteiprogrammen beruht, sondern auf image und Kompetenz des Kandidaten, der die Wählerinteressen vertritt.8 "Wie viele Untersuchungen belegen, spiegelt der Entscheidungsprozeß individuelle und gruppenspezifische Interessen wider, die nicht entlang der Parteiachse gelagert sind."9
Somit ist anzunehmen, daß die Struktur der USA ("alter Dualismus") und Deutschlands ("neuer Dualismus") Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des jeweiligen Parlamente hat.
3. Gesetzgebungsverfahren
Inwiefern die Struktur Einfluß auf die Handlungsfähigkeit des Parlaments besitzt, soll im folgenden am Beispiel des Gesetzgebungsverfahren überprüft werden. Dabei ist allerdings die Rolle der Interessengruppen als Ausdruck des Pluralismus zu bedenken. Es darf aber nicht übersehen werden, daß es sich beim sogenannten Lobbying durchaus um eine wechselseitige Beziehung handelt: Verbände verfolgen ihre Interessen, Politiker stützen sich auf die Verbände als Ideenlieferanten.
3.1. Rolle des US-Kongresses und der Verbände bei der Gesetzgebung
Gemäß der Verfassung liegt die Gesetzesinitiative ausschließlich beim Kongreß. Entwürfe dagegen können auch von der Exekutive kommen.
Im Normalfall sendet der Speaker einen oder mehreren Fachauschüssen die Gesetzesvorlage zu, die dann wiederum zu hearings, Informationsbeschaffung und Ausformulierung an Unterausschüsse weitergeleitet werden. Der Unterausschuß sendet seine Empfehlungen an den vollen Ausschuß, in dem darüber entschieden wird, ob die Vorlage das Plenum zur Abstimmung erreicht. Schließlich durchläuft die Vorlage die andere Kammer, bei Erstbehandlung im Senat das Repräsentantenhaus und umgekehrt.
Beim legislativen Verfahren spielt die Geschäftsordnung der einzelnen Kammer eine Rolle. Im Senat ist die Verfahrensweise wesentlich informeller und flexibler als im Repräsentantenhaus. Viele der Senatstätigkeiten beruhen auf einstimmiger Zustimmung; schon eine einfache Mehrheit kann eine Vorlage ins Plenum bringen. Allerdings ist die Redezeit eines jeden Senators unbegrenzt. Dieser sogenannte Filibuster wird nicht selten zur Verhinderung einer Entscheidung genutzt.
Im häufig eintretenden Fall, daß Repräsentantenhaus und Senat unterschiedliche Versionen der gleichen Gesetzesvorlagen verabschieden, wird ein Vermittlungsausschuß eingesetzt. Das breite Spektrum an Verhandlungs- und Kompromißmöglichkeiten wird jedoch durch die Notwendigkeit beschränkt, die gemeinsam erarbeitete Kompromißlösung in beiden Kammern für die Mehrheit aktzeptabel zu gestalten.
Die Erfüllung der gesetzgeberischen Funktion erfordert daher ein Maß an Kooperation innerhalb des Kongresses. Allerdings wird dies erschwert durch die verfassungsmäßig bedingte Gleichberechtigung der beiden Kammern, dem Fehlen einer Fraktionsdisziplin und dem Einfluß der Interessenverbände.
Die wichtige Rolle der Lobbies im Gesetzgebungsverfahren der USA ist auf das präsidentielle Regierungssystem zurückzuführen, in dem gesetzgebende und ausführende Gewalt klar getrennt sind und die Gesetzesinitiative von dem einzelnen Abgeordneten ausgeht. Lobbyisten versuchen daher, direkt über den einzelnen Abgeordneten ihre Interessen zu verfolgen, d.h. sie bearbeiten den einzelnen Parlamentarier und versuchen, die entsprechenden Mitarbeiter der Parlamentarier für ihre Anliegen zu interessieren.
Als Ziele des Lobbying sind auszumachen: der Zugang zum zuständigen Kongreßausschuß oder -unterausschuß und zu Behörden, das Veto gegen eigenen Interessen zuwiderlaufenden Entscheidungen und die positive Durchsetzung der spezifischen Interessen.
3.2. Rolle von Bundestag, Bundesrat und Interessengruppen im Gesetzgebungsverfahren
Nach dem deutschen Grundgesetz stehen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung die Gesetzesinitiative zu. Der Schwerpunkt der Gesetzgebung liegt allerdings beim Bundestag, der die Gesetzgebung entweder allein (nicht zustimmungspflichtige Gesetze) oder gemeinsam mit dem Bundesrat (zustimmungspflichtige Gesetze) ausübt.
Gesetze werden meist von der Bundesregierung eingebracht. Am Anfang des Verfahrens steht üblicherweise ein Referentenentwurf im zuständigen Ministerium. Nach Abstimmungen innerhalb des Ministeriums und des Kabinetts, der Beratung im Bundesrat und einer Stellungnahme der Bundesregierung wird der Entwurf im Bundestag eingebracht, der ihn in der ersten Lesung an die zuständigen Ausschüsse überweist. Danach erfolgen die Berichte der Ausschüsse, die zweite und dritte Lesung und wenn nötig die erneute Befassung des Bundesrates und bei kontroverser Beschlußfassung des Vermittlungsausschusses. Interessengruppen spielen in diesem Entscheidungsprozeß eine untergeordnete Rolle. Die Methode des Lobbying ist in Deutschland weit weniger erfolgreich, da der einzelne Parlamentarier der Parteidisziplin unterworfen ist. Vielmehr versuchen die Interessengruppen auf den den Regierungsbereich Einfluß zu nehmen, wo ein Großteil der Gesetzsvorlagen entsteht.
3.3. Rolle von Parlament und Interessengruppen im Vergleich
Gesetzesvorlagen im US-amerikanischen Präsidialsystem werden mehrheitlich von den einzelnen Kongreßabgeordneten erstellt, während Vorlagen im bundesdeutschen Parlamentarismus meist im Regierungsbereich entstehen. U.a. diese strukturell bedingte Verfahrensweise hat zur Folge, daß den Interessengruppen in beiden Systemen eine unterschiedliche Bedeutung zukommt.
Aufgrund der geringen Relevanz von Parteien können US-Lobbies Einfluß auf den einzelnen Abgeordneten nehmen, während diese Methode in Deutschland wegen der hohen Parteienstaatlichkeit und der Praxis der Fraktionsdisziplin weit weniger erfolgreich ist. Während also das amerikanische Gesetzgebungsverfahren von dem Spannungsverhältnis Exekutive-Legislative unter Einbeziehung der Interessengruppen bestimmt ist, entfällt letztgenannte Komponente in Deutschland weitgehend. Umgekehrt spielt im Parlamentarismus die Opposition eine entscheidend wichtigere Rolle im legislativen Entscheidungsprozeß.
4. Schlußbemerkung
Die vorausgegangenen Untersuchungen des Gesetzgebungsverfahrens im US-amerikanischen Präsidialismus und im deutschen Parlamentarismus machen vor allem eines deutlich: Es besteht ein elementarer Einfluß der Struktur des jeweiligen Systems auf die Handlungsfähigkeit der Legislative.
Grundsätzlich kann gesagt werden, daß die bundesdeutsche Verfassungsstruktur die Handlungsfähigkeit der Legislative behindert. Im Parlamentarismus ist parteitaktisches Verhalten strukturell bedingt. Dies hat negativen Einfluß auf die Effizienz. Für den US-Kongreß ist eine Bewertung schwieriger. Die Verfassungsstruktur hat weder positiven noch negativen Einfluß auf die Handlungsfähigkeit von Repräsentantenhaus und Senat. Vielmehr begünstigt das präsidentielle Regierungssystem die Einflußnahme von Interessengruppen auf das Gesetzgebungsverfahren. Insofern wirkt die Struktur indirekt und hemmend auf die Handlungsfähigkeit des Kongresses.
Im einzelnen ist dies wiefolgt zu erklären:
Im US-amerikanischen System steht der einzelne Abgeordnete gegenüber seinen Wählern in der Verantwortung. "Es handelt sich um ein herrschaftsloses System, dessen Funktion auf freiwilliger Kooperation und Unterordnung zur Erfüllung notwendiger Aufgaben beruht."10 Allerdings wird dies vor allem durch den Einfluß der Interessenverbände erschwert. Die Praxis des Lobbying fördert "die Umkehr auf einmal eingeschlagenen Wegen, das Schließen von Kompromissen (und) das Betreiben des reinen Kuhhandels und Verbindungen finanzieller Art".11 Es besteht also eine wechselseitige Abhängigkeit, die der Handlungsfähigkeit der Legislative nicht unbedingt zuträglich ist. Allerdings bewirkt diese Praxis - unabhängig von den Ursachen - weitere politische Reformen, die sich auf Bereiche und Formen der Interessenvertretungen erstrecken.
Der Einfluß der Lobbies ist jedoch nicht durch die Struktur vorgegeben, sondern vielmehr eine zwangsläufige Folgeerscheinung im US-amerikanischen Präsidialsystem. Im deutschen Parlamentarismus dagegen ist die Handlungsfähigkeit bereits durch die Verfassungsstruktur eingeschränkt. Durch das Zusammenspiel von Bundestag und Bundesrat bei der Gesetzgebung besteht innerhalb der Legislative ein System von "checks and balances", d.h. Bundesinteressen stehen Länderinteressen gegenüber, aber vor allem auch konträre Parteiinteressen bei unterschiedlichen Mehrheiten in beiden Kammern. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland konnte eine "erhoffte Effizienz (...) häufig nicht erreicht werden. Vielmehr führt die Beteiligung mehrer politisch-administrativer Instanzen zur Schwerfälligkeit von Verhandlungsprozeduren und zu fragwürdigen Ergebnissen."12
Bundesrat und Bundestag sind zu Arenen parteipolitischer Kampfspiele geworden. Nicht ohne Grund wurde "Reformstau", ein Ausdruck von Handlungsunfähigkeit, zum Wort des Jahres 1997 gewählt.
Im Bundestag wird ein programmatisches Arbeiten vor allem durch die Fraktionsdisziplin behindert. Diese ist zwar nicht verfassungsmäßig vorgesehen, ist aber eine zwangsläufige Folgeerscheinung in einem parlamentarischen System. Andererseits ermöglicht die Fraktionsdisziplin erst ein arbeitsfähiges Parlament, d.h. sie ist die Grundlage für Handlungsfähigkeit, behindert diese aber gleichzeitig.
5. Literaturverzeichnis
Adams, W.P. / Czempiel, E.O. / Ostendorf, B. (Hg.): Die Vereinigten Staaten von Amerika, Bd. 1. Frankfurt / New York 21992.
Andersen, Uwe / Woyke, Wichard (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik. Opladen 31997. S. 94.
Bertelsmann-Lexikon, Bd. 3. Gütersloh 1969. S. 673.
Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 41996. Shell, Kurt L.: Das politische System der USA. Stuttgart 1975.
Steffani, Winfried: Pluralistische Demokratie. Opladen 1980.
Thaysen, Uwe / Davidson, Roger H. / Livingston, Robert G. (Hg.): US-Kongre ß und Deutscher Bundestag. Opladen 1988.
[...]
1 Definition von "Handlungsfähigkeit", nach: Das Bertelsmann-Lexikon, Bd. 3 Gütersloh 1969. S. 673.
2 Albert Pfister, zitiert nach: Thaysen, Uwe / Davidson, Roger H. / Livingston, Robert G. (Hg.): US-Kongreß und Deutscher Bundestag. Opladen 1988. S. 8.
3 Oberreuter, Heinrich: Bundestag, in: Andersen, Uwe / Woyke, Wichard (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 31997. S. 94.
4 Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 41996. S. 239.
5 Vergl. ebd., S. 297.
6 Ebd., S. 304.
7 Vergl. Adams, W.P. / Czempiel, E.O. / Ostendorf B. (Hg.): Die Vereinigten Staaten von Amerika, Bd. 1. Frankfurt / New York 21992. S. 365.
8 Ebd., S. 365.
9 Shell, Kurt L.: Das politische System der USA. Stuttgart 1975. S. 97.
10 Shell: Das politische System der USA. S. 97.
11 Thaysen u.a. (Hg.): US-Kongreß und Deutscher Bundestag. S. 295.
12 Rudzio: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. S. 358.
- Citation du texte
- Martin Reyher (Auteur), 1998, Einfluß der Verfassungsstruktur auf die Handlungsfähigkeit der Legislative im Präsidialismus und Parlamentarismusam Beispiel USA / Bundesrepublik Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94958
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