Islamischer Fundamentalismus
Definition des Wortes „Fundamentalismus“: Allgemein bezeichnet „Fundamentalismus“ das radikale und kompromißlose eintreten für politische oder religiöse Grundsätze (Fundus:Grund). Im engeren Sinne werden Ströme des amerikanischen Protestantismus Ende des 19. Jahrhunderts, sowie solche der Katholiken als „Fundamentalismus“ bezeichnet. In nichtmuslimischen Ländern werden jene Bewegungen des Islam als fundamentalistisch bezeichnet, die für strikte undwörtlicheEinhaltung des Korans eintreten. Diese Menschen richten ihr Leben also völlig nach dem Koran, dem Heiligen Buch des Islam, und leiten aus ihm die Ablehnung der westlichen Zivilisation und ihrer Lebensweise ab.
Der Islamische Fundamentalismus als politische Protestbewegung
Der Begriff „Fundamentalismus“ hat sich in der Wahrnehmung der Medien von seinem ursprünglichen Bedeutungszusammenhang so abgelöst, daß er hierzulande oft als Synonym für den Islam erscheint.
Deshalb spricht man, setzt man sich mit dem politischen Islam auseinander, auch von „Islamismus“ oder „Integrismus“. Jedoch nennen sich „Fundamentalisten“ zunehmend selbst so.
Diese Fundamentalisten,usuliyun, orientieren sich an denusul, den „Wurzeln“ bzw. dem „Grundstock“ ihrer Religion - nicht anders als Anfang des Jahrhunderts in den USA jene Protestanten, die den Begriff prägten, als sie durch Industrialisierung, Urbanisierung und Migration Sozialordnung und Wertvorstellungen bedroht sahen und deswegen aus ihrem Bibelverständnis fundamentale, unaufgebbare Prinzipien, ableiteten.
Die Orientierung an denusul al-din, den Grundlagen der Religion, ist in muslimischen Traditionen tief verwurzelt. Der Wunsch der Gläubigen, in jeder konkreten Situation und insbesondere im Konfliktfall möglichst genau zu wissen, was denn Gottes Wille sei, führte zu dem Versuch, mit immer neuen Interpretationen des Offenbarungstextes richtiges Verhalten zu konstruieren. Muslime, die in dieser Tradition stehen, sind damit aber keineswegs gleich Fundamentalisten. Denn für diese ist diecommunitas perfectagerade nicht mehr die Summe dessen, was Menschen zu verschiedenen Zeiten als gottgewollt erfahren und immer neu interpretiert haben. Vielmehr überspringen sie die Tradition - ja, verurteilen zum Teil die 1400 Jahre seit der Offenbarung als Irrweg - und lassen nur noch Koran und Sunna, die Praxis der Urgemeinde, gelten.
Schon ihre vielzitierten Behauptungen, der Islam sei "Religion und Staat" (din wa-daula) und böte ein umfassendes, alle Fragen regelndes System (nizam), erweisen sich bei näherer Untersuchung als moderne Ideologien, deren Schlüsselbegriffe „daula“ und „nizam“ weder im Koran noch in der frühen Tradition auftauchen.
Die vielfältigen fundamentalistischen Bewegungen sind also ideologisch motivierte politische Bewegungen, mit denen Menschen auf für sie unerträgliche Konsequenzen rapiden sozialen Wandels reagieren. Das haben sie gemeinsam mit den protestantischen Fundamentalisten. Das haben sie aber auch gemeinsam mit den ideologischen Massenbewegungen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, mit denen sie zugleich die Vielfalt der Formen teilen, in denen einzelne Gruppen das gemeinsame Ziel verstehen und die Wege dorthin interpretieren. Gemeinsam haben sie zudem, daß die Bewegungen um so radikaler - bzw. im angestrebten politischen System totalitärer - werden, je verbohrter ihre Führer mit ihrer als sicher gewußten Wahrheit umgehen. Wo immer muslimische Fundamentalisten in halbwegs offenen Wahlen antreten konnten, haben sie kaum 20 Prozent der Stimmen bekommen - selbst in Algerien nicht, wo sie nur aufgrund des Wahlsystems gewonnen hätten. Wo sie mit Repression von der Partizipation ausgeschlossen werden, wächst zugleich die Gewaltbereitschaft. Doch daraus läßt sich weder rückschließen, daß alle Muslime Fundamentalisten, noch daß alle Fundamentalisten Terroristen sind.
Ist der Islamische Fundamentalismus so gefährlich, wie ihn die Medien suggerieren?
Zum Islam bekennen sich weltweit 1,2 Milliarden Menschen. Von den 7,3 Mio. in der BRD lebenden Ausländern sind 2,5 Millionen Moslems. 40000 von ihnen sind fundamentalistischen Organisationen zuzurechnen (Statistisches Bundesamt).
Bereits nach dem Tod Mohammeds vollzog sich infolge des Streits um seine rechtmäßige Nachfolge eine erste Spaltung in die Glaubensrichtung derSunnitenund derSchiiten.
DieSunnitensind die Anhänger der Sunna, sie bilden heute die große Mehrheit der Moslems in der Welt. Für die Sunniten beginnt die Nachfolge des Propheten mit dem Schwiegervater Mohammeds, Abu Bakr. Die Herkunft aus dem Stamm des Propheten ist ausreichend, es gibt heute 800 Millionen Sunniten.Schiiten:Nach dem Tod des Propheten Mohammed kam es zum Streit über seine rechtmäßige Nachfolge. Während die Mehrheit für eine Wahl eintrat, forderte eine starke Minderheit die Blutsverwandtschaft des Nachfolgers. Sie ergriffen Partei für Ali (arabisch:Schiat Ali, daher die Ableitung Schiiten), den Schwiegersohn und Vetter Mohammeds. Die Schiiten halten bis heute am Grundsatz der blutmäßigen Abstammung fest. Nur Ali und seine Nachkommen (Imame) wird die Führung der islamischen Gemeinde anerkannt, es sind heute 200 Millionen Menschen.
Wie bei den anderen großen Weltreligionen gibt es beim Islam eine Vielzahl von Strömungen bis hin zur Sektenbildung. Vergleichbar dem Christentum kennt der Islam orthodoxe und liberale, reformistische wie eben auch fundamentalistische Strömungen. Von „dem Islam“ kann man also nicht sprechen.
Islamische Fundamentalisten, wollen die Rückkehr zur ursprünglichen islamischen Ordnung basierend auf dem „Koran“, „Scharia“(Das auf Mohammed zurückgehende, alle Lebensbereiche erfassende Gesetz des Islam. Die Scharia ist religiöses und staatliches Recht) und „Sunna“(Sammlung von Aussagen, die dem Propheten Mohammed zugeschrieben werden sowie Überlieferungen über sein Leben und Wirken). Sie treten für die Errichtung eines islamischen „Gottesstaates“ ein. Der Islamische Fundamentalismus bildet nach Meinung seiner Anhänger zudem ein Gegengewicht zur westlichen „dekadenten“ Lebensweise, wird aber nur von einem kleinen Teil der Moslems akzeptiert.
Um ihre Heimatländer in islamische Gottesstaaten umzuwandeln, schrecken manche Gruppierungen nicht vor Gewaltanwendung zurück. Militante Islamische Fundamentalisten haben erstmals in den achtziger Jahren Terrorakte verübt. Überwiegend richteten sich die Anschläge gegen andere Moslems. Neuerdings werden auch gezielt Touristen angegriffen. Nachdem vor kurzem die Islamische Armee des Heils (AIS), eine der fundamentalistischen Gruppen in Algerien, einen Gewaltverzicht erklärt hat, droht jetzt die Terrororganisation Gia(Groupe islamique armée,Bewaffnete Islamische Gruppe) mit der Ausweitung ihres Kampfes gegen die Regierung des nordafrikanischen Landes. Die Gia gilt als die militanteste islamistische Gruppe in Algerien. Sie wurde 1989 gegründet und nahm Anfang 1992 den Kampf gegen den algerischen Staat auf, nachdem das Militär die Parlamentswahlen abgebrochen hatte, weil sich ein Sieg der religiösen Partei Islamische Heilsfront (Fis) abzeichnete. Der Führer der verbotenen Partei, Abassi Madani, appellierte an “alle meine Brüder, die Waffen zu tragen” und sich der Initiative anzuschließen.
Die Gewalt der Gia richtet sich nicht nur gegen Vertreter des algerischen Staatsapparates, sondern auch gegen Intellektuelle, Journalisten, Geschäftsleute, Ausländer in Algerien und immer wieder gegen die Landesbevölkerung. Viele der Massaker an Dorfbewohnern, die in dem seit 1992 andauernden Bürgerkrieg verübt wurden, werden der Gia zugeschrieben. Auch das Ausland war von ihrem Terror betroffen. 1994 entführte die Gruppe eine Air France Maschine, eine Serie von Bombenanschlägen in Paris 1995, bei denen mehrere Menschen starben, soll ebenfalls auf das Konto der Gia gehen. Die Organisation besteht aus drei Fraktionen, von denen die brutalste in der Gegend um Algier (Algerien) aktiv sein soll.
Nicht zu unterschätzen ist sicherlich auch die wirtschaftliche Gefahr, die aus der möglichen Willkür derer Unternehmer hervorgeht, die fundamentalistisch gesinnt sind. Berühmtestes Beispiel ist Osama Bin Laden, millionenschwerer saudiarabischer Unternehmer. Für seine Ergreifung hat das US-Außenministerium fünf Millionen Dollar ausgesetzt.
Bin Laden finanziert etliche Terror-Ausbildungslager in Afghanistan. Auf der Liste der zehn meist gesuchten Verbrecher des FBI steht er auf Platz neun. Von solchen Menschen ist quasi die ganze Welt abhängig, da ein Großteil der Welt-Ölreserven in deren Händen sind. Daß der Islamische Fundamentalismus nicht nur stur von Islamisten gegen westliche Staaten und Religionen verübt wird, ist auch an der tiefen Feindschaft zwischen dem Iran und Irak zu sehen, oder zwischen dem Iran und Afghanistan, denn hierbei handelt es sich um Trennungslinien innerhalb des Islams.
Fundamentalisten sind schlicht Fanatiker. Jedoch gib es etliche fanatische Organisationen, die Islamisten sind also nicht die einzigen. Zu bemerken ist aber, daß Islamische Fundamentalisten so gefährlich werden können, weil sie einfach unberechenbar sind. Sie leben in dem Glauben, bei einem Attentat als Märtyrer zu sterben, ließe sie direkt die höchste Stufe der Seligkeit erreichen. Sie haben also keine Scheu, selbst bei einem ihrer Anschläge zu sterben.
„Vielleicht erleben wir in Zukunft einen Kampf zwischen Fundamentalismus und Säkularismus. In vielen Gesellschaften entwickelt sich eine neue Ehrfurcht vor der Religion, wenn man darunter etwas Heiliges versteht, das dem eigenen Leben Bedeutung verleiht.“
(So Daniel Bell in der SZ:„Die neue Weltunordnung“)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quellen:
Süddeutsche Zeitung Nr. 18 vom 23./24.01.1999 Süddeutsche Zeitung Nr.142 vom 24.06.1999
Welt am Sonntag Nr. 24 vom 13.06.1999
Aus Politik und Zeitgeschichte B28/97
Informationen zur politischen Bildung Nr.238/1.Quartal 1993
Friedemann Büttner, Professor für Politische Wissenschaft- Frömmigkeit, Ideologie, Politik Brockhaus Enzyklopädie
Microsoft Encarta 1999
- Citation du texte
- Felix Doeleke (Auteur), 1999, Islamischer Fundamentalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94860