In Zeiten des "War for Talent" ist der Arbeitsmarkt mehrheitlich von den Bewerberinnen und Bewerbern bestimmt. Demnach ist es für Unternehmen besonders wichtig, einen durchweg positiven Eindruck bei den gewünschten Kandidatinnen und Kandidaten zu erwecken. Dazu zählt auch der Rekrutierungsprozess selbst. Unternehmen setzen daher zunehmend auf das „Candidate Experience Management“. In Auswahlprozessen spielt daher auch vermehrt die soziale Validität eine bedeutende Rolle. Welchen Beitrag kann das Candidate Experience Management zu einem erfolgreichen Rekrutierungsprozess leisten? Diese Frage versucht die vorliegende Arbeit zu beantworten.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anlagenverzeichnis
1. „War for Talents“
1.1 Herausforderungen für Unternehmen im „War for Talents“
1.1.1 Demographischer Wandel
1.1.2 Globaler Wandel und Diversität
1.1.3 Veränderung der Beschäftigungsstruktur durch Wertewandel
1.2 Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen von Kandidaten und Unternehmen im Rekrutierungsprozess
1.2.1 Geschwindigkeit
1.2.2 Transparenz
1.2.3 Wertschätzung
1.3 Candidate Experience und deren Auswirkung auf Unternehmen
2. Candidate Journey: „Die Reise eines Bewerbers“
2.1 Definition Candidate Journey
2.2 Idealtypischer Prozess einer Candidate Journey
2.3 Implikationen der Candidate Journey für das Personalmarketing
2.4 Die Rolle der digitalen Medien und Recrutainment
2.5 Beispiele aus der Unternehmenspraxis
3. Soziale Validität
3.1 Das Konzept der sozialen Validität nach Schuler & Stehle
3.2 Wie können Unternehmen den Kriterien der sozialen Validität gerecht werden?
3.3 Welchen Beitrag kann das Candidate Experience Management zu einem erfolgreichen Rekrutierungsprozess leisten?
Anlagen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Gegenüberstellung: bevorzugte Bewerbungswege bei Unternehmen und Bewerbern
Abb. 2: Phasen und Touchpoints einer idealtypischen Candidate Journey
Abb. 3: Targo Bank Tour: Einblicke in die Ausbildung
Abb. 4: Targo Bank Tour: Beispiel kognitive Leistungsfähigkeit
Abb. 5: Targo Bank Tour: Beispiel für die simulative Aufgabe: Budgetplanung
Abb. 6: E.ON Phasenprüfer: Beispiel kognitive Leistungsfähigkeit
Abb. 7: Bewertung der sozialen Validität von Bewerbungsgesprächen und Assessment Centern
Abb. 8: Mittelwertunterschiede in der Bewertung der sozialen Validität von Bewerbungsgesprächen und Assessment Centern
Abb. 9: Vergleich der Abbruchquoten zwischen Offline- und Online-Gruppe
Abb. 10: Gestaltungsempfehlungen für die optimale Auswahlsituation aus Bewerbersicht
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Gegenüberstellung der Bedürfnisse von Unternehmen und Bewerbern Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen
Tab. 2: Rangreihe der Akzeptanz von Personalauswahlverfahren mit mittlerem 24 Akzeptanzwert von 10 Personalauswahlverfahren
Anlagenverzeichnis
Anlage 1: Generationen auf dem Arbeitsmarkt Babyboomer - Generation Z
1. „War for Talents“
1.1 Herausforderungen für Unternehmen im „War for Talents“
1.1.1 Demografischer Wandel
Soziokulturelle und ökonomische Entwicklungen haben zu einem verstärkten Wettbewerb der Betriebe um geeignete Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt geführt, dem sog. „War for Talents“ („Kampf“ um Talente) (Hansen & Hauff, 2019, S. 36). Im Zuge dieser Entwicklung muss sich das Personalmanagement bei der Suche nach qualifizierten Fach- und Führungskräften neuen Herausforderungen stellen, um mit einem positiven Gesamteindruck als „Employer of Choice“ (Arbeitgeber der Wahl) hervorzugehen (Ruthus, 2013, S. 35). Der demographische Wandel in den Industrieländern wird als maßgebliche Ursache für den „War for Talents“ angesehen (Armutat, Bartholomäus, Franken, Herzig, Helbich, 2018, S. 25). Die Vorausberechnung des statistischen Bundesamtes 2019 hat trotz der hohen Zuwanderung durch Migranten ergeben, dass sich die Bevölkerung von 83 Millionen Menschen (Stand 2019) bis zum Jahr 2060 auf 74 Millionen verringern wird. Die anhaltend niedrige Geburtenrate (1,55 Kinder pro Frau bis 2060) bewirkt zudem, dass die Zahl der Jugendlichen im ausbildungsrelevanten Alter erheblich sinkt (Statistisches Bundesamt, 2019a). Die Zahl der Personen im erwerbstätigen Alter (20 bis 65 Jahre) ist bedingt durch die anhaltend niedrige Geburtenrate, den Anstieg der Lebenserwartung und die damit verbundene Alterung der Bevölkerung stark rückläufig und evoziert eine erheblich eingeschränkte Verfügbarkeit von Arbeitnehmern (Stotz & Wedel-Klein, 2013, S. 45). Die Analyse des statistischen Bundesamt 2019 kam zu dem Ergebnis, dass die erwerbsfähige Bevölkerung bis zum Jahr 2035 ohne Nettozuwanderung um 9 Millionen auf ca. 44 Millionen sinken wird (Statistisches Bundesamt, 2019). Durch den Engpass an Berufsanfängern sowie qualifizierten Fach- und Führungskräften im erwerbsfähigen Alter, stehen Unternehmen vor der Herausforderung, offene Vakanzen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen (Armutat et al., 2018, S. 25).
1.1.2 Globaler Wandel und Diversität
Die Globalisierung bewirkt eine Verschärfung des „War for Talents“ (Stock-Homburg & Groß, 2019, S. 9). Diese meint nicht nur die unbegrenzte Mobilität von Waren, Dienstleistungen oder Informationen, sondern umfasst auch eine weltweite Mobilität von Menschen über Landes- und Kulturgrenzen hinweg (Bechler & Woodward 2009, S. 273285). Dadurch sind Unternehmen gefordert, nicht nur auf nationalem, sondern auch auf internationalem Wege Bewerber zu gewinnen (Farndale, Raghuram, Gully, Liu, Phillips, Vidovic, 2017, S. 1625). Der sog. „Brain Gain“ (Gewinnung von Fachkräften auf dem globalen Arbeitsmarkt) gestaltet sich jedoch äußerst komplex und setzt durch die Internationalisierung im Personalmanagement ein entsprechendes Fachwissen und einen gewissen Professionalisierungsstandard voraus. Vor diesem Hintergrund birgt die Globalisierung das Risiko des sog. „Brain Drain“, d. h. einer Abwanderung von Fachoder Führungskräften aufgrund besserer Arbeits- und Lebensbedingungen in anderen Ländern. Dadurch wird der Fachkräftemangel noch weiter verstärkt und Betriebe müssen sich erneut mit der erfolgreichen Rekrutierung und Bindung von qualifizierten Fachkräften auseinandersetzen (Berg, 2006, S. 215-232).
1.1.3 Veränderung der Beschäftigungsstruktur durch Wertewandel
Von hoher Relevanz für die Verfügbarkeit von Nachwuchsfachkräften ist zudem die Veränderung der Beschäftigungsstruktur. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat gezeigt, dass seit 1983 ein stetiger Rückgang der Arbeitslosenquote bei Akademikern zu verzeichnen war, der im Jahr 2016 2,3 Prozent betrug. Es konnte ein geringer Einfluss der Digitalisierung auf das Gesamtniveau der Beschäftigung nachgewiesen werden. Parallel zum demographischen Wandel hat sich das Bildungsniveau hin zu akademischen Bildungsabschlüssen verändert. Der demografisch bedingte Rückgang jüngerer Arbeitskräfte und die Verschiebung der Qualifikationsstruktur bewirken dadurch einen Rückgang an Erwerbspersonen aus der mittleren Qualifikationsebene (Zika, Helmrich, Maier, Weber, Wolter, 2018, S. 2). Während auf der mittleren Qualifikationsebene ein Abgang von ca. 11,5 Millionen prognostiziert wird, liegt der Neuzugang lediglich bei ca. 7 Millionen. Im akademischen Bereich (IT, naturwissenschaftliche Berufe) hingegen wird ein größerer Zulauf (ca. 4,9 Millionen) als Abgang (ca. 3,2 Millionen) angenommen. Zudem wird der Bedarf an gering Qualifizierten um 12,6 Prozent sinken (Helmrich, Zika, Kalinowski, Wolter, 2012, S. 3). Die veränderte Berufswahl wird dadurch in verschiedenen Arbeitsmarktsegmenten eine allgemeine Verknappung an Fachkräften bewirken, wobei in einzelnen Branchen stärkere Engpässe auftreten werden als bei anderen (Werding, 2019, S. 11).
1.2 Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen von Kandidaten und Unternehmen im Rekrutierungsprozess
In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Anspruch der Kandidaten im Hinblick auf Gestaltung, Inhalt sowie Art und Weise der Kommunikation mit einem potentiellen Arbeitgeber fundamental verändert (Rath & Salmen, 2012, S. 27). Bei der Besetzung sämtlicher Positionen im Unternehmen sind heutzutage die Kriterien Geschwindigkeit, Transparenz und persönliche Wertschätzung als grundlegende Erfolgsfaktoren für das strategische Management anzusehen (Trost, 2012, S. 23).
1.2.1 Geschwindigkeit
Bei der Betrachtung der Bewerbungsform bevorzugen laut der Studie „Recruiting in Deutschland 2015“ 72,3% der befragten Personaler die Bewerbung per Online-Formular. Damit wollen Unternehmen eigene Recruitingziele besser und schneller realisieren (Weitzel et al., 2015). Organisationen vertreten die Ansicht, dass Bewerber, die nicht bereit sind, 20-40 Minuten in das Ausfüllen eines Bewerbungsformulars zu investieren, über kein ernsthaftes Interesse verfügen. Unternehmen sehen den Bewerber hierbei in der Bringschuld. Im Gegensatz dazu setzen Bewerber auf eine einfache Handhabbarkeit. Vier von fünf Bewerbern ziehen eine Bewerbung per E-Mail einem Online-Formular vor (Abb. 1) (Weitzel, Eckhardt, Laumer, von Stetten, Maier, 2013). Damit präferieren Bewerber ebenfalls einen schnellen, jedoch einfachen Bewerbungsprozess (Petschar & Zavrel, 2016, S. 97).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Gegenüberstellung: bevorzugte Bewerbungswege bei Unternehmen und Bewerbern
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an T. Verhoeven (2016c), S. 19
Zudem hat die Online Recruiting Studie 2014 von Softgarden ergeben, dass lediglich 48% der Befragten 10-20 Minuten als angemessene Eingabedauer der Bewerberdaten über ein System erachten. Lediglich 4% der befragten Bewerber sind willens, 30 Minuten oder mehr in eine Onlinebewerbung zu investieren (Eisele & Weller-Hirsch, 2014). Insbesondere Vertreter der jüngeren Generationen sind eine schnelle Kommunikation durch Social Media (soziale Medien) gewohnt. Die Generation Z (Geburtsjahr ab 1996) erwartet nicht nur von ihren Freunden, sondern auch von ihren Kommunikationspartnern anderer Generationen einen zügigen Informationsaustausch (Mangelsdorf, 2015, S. 13). Zwar ist den Bewerbern bewusst, dass eine Entscheidung innerhalb eines Bewerbungsprozesses etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen kann, jedoch erwarten 90% der Kandidaten eine erste Reaktion in Form einer Eingangsbestätigung innerhalb einer Woche. Für den nächsten weiteren Schritt in Form einer Einladung oder Absage wünschen sich die Befragten innerhalb von 1-2 Wochen eine verbindliche Reaktion (Eisele & Weller-Hirsch, 2014). In der Praxis sind unverbindliche Aussagen ganz alltäglich (z. B. „Wir melden uns so bald wie möglich.“). In den Zeiten des Fachkräftemangels bewirken professionelle Antworten innerhalb kürzester Zeit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz (Trost, 2012, S. 147).
1.2.2 Transparenz
Ein weiterer Aspekt, der bei der Besetzung von vakanten Stellen an Bedeutung gewinnt, ist das Thema Transparenz (Kanning, 2016, S. 99). Früher konkurrierten Unternehmen ausschließlich an den Tagen untereinander, an denen Bewerber die einschlägigen Ausgaben z. B. der Frankfurter Allgemeine oder den Süddeutschen Zeitung kauften und die darin veröffentlichen Stellenausschreibungen verglichen. Heute unterliegen Unternehmen einem deutlich gestiegenen Wettbewerbsdruck. Im Zeitalter des Web 2.0 gestatten digitale Dienste und Medien (soziale Medien) den Kandidaten, tausende von Stellenanzeigen im Internet zu finden und gegen weitere tausende von Ausschreibungen gegenüberzustellen (Bruhn, 2014, S. 238, Trost, 2012, S. 9). Um vielversprechende talentierte Kandidaten der Generation Y (Geburtsjahre 1980-1995) und Z (ab 1996) für sich zu gewinnen, müssen Unternehmen in den Zeiten der Angebotsvielfalt und des Fachkräftemangels nicht nur schnell oder gar schneller sein als die Konkurrenz, sondern auch die nötige Transparenz bieten (Klaffke, 2014, S. 64). Aus unternehmerischer Sicht wird es als ausreichend empfunden, wenn das Anforderungsprofil einer vakanten Stelle (Zusammenstellung von Anforderungen, die für eine Position relevant sind) über die Stellenausschreibung klar kommuniziert wird. Häufig wird dabei verzichtet, auf die Vorzüge eines Unternehmens aufmerksam zu machen; Firmen beschränken sich oftmals auf die Leistungsanforderungen, die von dem Kandidaten gefordert werden (Trost, 2012, S. 151). In einem professionellen Rekrutierungsprozess wird jedoch aus Mitarbeiterperspektive u. a. eine transparente Kommunikation erwartet. Diese beinhaltet sowohl regelmäßige Informationen über den Status ihrer Bewerbung als auch, dass konkrete und verbindliche Aussagen über das weitere Vorgehen und den Verfahrensablauf getroffen werden. Strukturiertes Feedback kann somit verhindern, dass Bewerber nicht vorzeitig das Interesse verlieren (Bauer, 2020, S. 146). Auch die Transparenz über Entwicklungsmöglichkeiten und Qualifizierungsangebote kann dazu beitragen, dass potenziellen Mitarbeitern Ängste vor neuen Kompetenzanforderungen genommen werden (Armutat et al., 2018, S. 59).
1.2.3 Wertschätzung
Im Rahmen der Personalgewinnung stellt die Wertschätzung das Wichtigste der drei Kriterien dar (Trost, 2012, S. 147). Im Großteil der Unternehmen sind Bewerbungsgespräche immer noch von einer hoch formalen Exklusivität geprägt, wobei der Bewerber zu beweisen hat, dass er der geeignete Kandidat für die ausgeschriebene Stelle ist. Die Vertreter der Personalabteilung agieren dabei mit kommunikativer Distanz als Entscheidungsträger, mit Rangordnung und erheblichem Machtgefälle zwischen den Gesprächspartnern. Lediglich im Topmanagement erscheint den Unternehmen ein gewisses Maß an Wertschätzung in einer sozialen Interaktion als angemessen (Truschkat, 2008, S. 272-273). Bewerber hingegen erwarten von ihrem potenziellen Arbeitgeber persönliche Wertschätzung, indem das Unternehmen ihnen „auf Augenhöhe“ begegnet. Durch den Mangel an Fachkräften konkurriert heute eine Vielzahl von Firmen um Potentialträger, so dass letztendlich nicht das Unternehmen alleine die Entscheidung trifft, sondern in erster Linie Kandidaten sich für das Unternehmen entscheiden, das ihnen am meisten zusagt (Trost, 2012, S. 147). Selbst wenn einem guten Bewerber kein Stellenangebot unterbreitet werden kann, wird durch eine hohe Wertschätzung der Bewerbung die positive Mundpropaganda durch den Kandidaten begünstigt (Arnold, 2015, S. 26). Tabelle 1 stellt zusammenfassend die Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen zwischen den Vorstellungen und Bedürfnissen des Unternehmens und der Bewerber dar.
Im erfolgreichen Recruitingprozess geht es im Kern darum, schnell, transparent und wertschätzend zu agieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Gegenüberstellung der Bedürfnisse von Unternehmen und Bewerbern: Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen
Quelle: Eigene Darstellung
1.3 Candidate Experience und deren Auswirkung auf Unternehmen
Wie in Tabelle 1 dargestellt, bestimmen die drei aufgezeigten Kriterien Geschwindigkeit, Transparenz und persönliche Wertschätzung maßgeblich sowohl schriftlich, verbal als auch über Onlinekanäle das Bewerbererleben und die Bewerbererfahrung (Candidate Experience) (Trost, 2012, S. 146, Konschak, 2014, S. 97). Die Candidate Experience bezeichnet die Summe an Erfahrungen, die ein Bewerber entlang des Bewerbungsprozesses im Rahmen der Prozesse des Personalmarketings, des Recruitings und darüber hinaus vom potenziellen Arbeitgeber und dessen Vertretern sammelt (Bewerb er erfahrung) (Athanas & Wald, 2014, S. 37). Eine Studie der Unternehmensberatung Esch und der Recruiting Plattform Softgarden (2015) hat ergeben, dass 91% der Bewerber als Multiplikatoren der Außendarstellung von Unternehmen fungieren, indem sie über ihre Erlebnisse berichten (Esch & Faber, 2015).
Die Candidate Experience stellt deshalb einen ernstzunehmenden Faktor im „War for Talents“. Der Gesamteindruck eines Bewerbers über einen potenziellen Arbeitgeber ist daher entscheidend, da die Erfahrungen gravierende Auswirkungen auf die Attraktivität eines Arbeitsgebers und damit einhergehend auf den Recruitingerfolg haben können. Eine positive bzw. negative Candidate Experience generiert sowohl direkte als auch indirekte Effekte, woraus ein erheblicher Wettbewerbsvor- bzw. -nachteil resultieren kann (Verhoeven, 2016a, S. 12-14). Positive direkte Effekte zeigen sich in einer erhöhten Motivation, dass ca. 95% der abgelehnten Bewerber das Unternehmen bei einer positiven Candidate Experience erneut als Arbeitgeber in Erwägung ziehen würden. Zudem war bereits 2013 die Hälfte aller Bewerber bereit, positive Erfahrungen über soziale Medien zu teilen. Knapp 97% der Kandidaten zeigten Bereitschaft, das Unternehmen über Mundpropaganda an Bekannte zu empfehlen (Crispin et al., 2014, S. 40-44). Dies führt indirekt zu einem Imagezuwachs und übt nachhaltigen Einfluss auf die spätere Mitarbeiterbindung aus. Eine positive Candidate Experience stellt für Kandidaten ein zentrales Entscheidungskriterien dar, um das Jobangebot tatsächlich anzunehmen oder sich im Falle einer Ablehnung erneut zu bewerben (Athanas & Wald, 2014). Crispin et al. (2014) konnte zeigen, dass ca. 33% aller Bewerber mit einer negativen Candidate Experience ihre Erfahrungen privat als auch in den sozialen Medien teilen (S. 40-44). Dies führt zu einer Schädigung der Reputation des Arbeitgebers, d. h. es kommt sowohl zu einer Beeinträchtigung des Arbeitgeberimages als auch der Arbeitgebermarke (Kanning, 2016, S. 178). Langfristig gesehen entsteht daraus ein fataler Wettbewerbsnachteil, weil es zu einer Reduzierung der Bewerberzahlen sowie zu einer verminderten Qualität der Bewerber kommt. Eine neutral oder negativ bewertete Bewerbererfahrung führte bei 4 von 10 Bewerbern dazu, innerhalb eines Jahres nach Arbeitsbeginn einen Arbeitsgeberwechsel in Betracht zu ziehen (Athanas & Wald, 2014).
2. Candidate Journey: „Die Reise eines Bewerbers“
2.1 Definition Candidate Journey
Bedingt durch die exponentielle Zunahme der Informations- und Kommunikationskanäle in den letzten Jahren gestaltet sich der Weg von der ersten Wahrnehmung eines Betriebes bis zur tatsächlichen Einstellung eines Bewerbers nicht nur länger und komplexer, sondern ist zudem für viele Unternehmen nicht mehr ausreichend kontrollierbar. Für eine systematische Strukturierung und Betrachtung des Prozesses erfordert dies eine Analyse der Candidate Journey (Reise eines Bewerbers), um den Einfluss auf die Candidate Experience messen und eine permanente Erfolgskontrolle gewährleisten zu können (Esch, Klein, Knörle, Schmitt, 2016, S. 129). Der Begriff Candidate Journey definiert sich als die Summe an direkten und indirekten Kontakt-/ Berührungspunkten (Touchpoints) eines Kandidaten mit einem potenziellen Arbeitgeber während des Bewerbungsprozesses (vgl. Kap. 2.2). Sie legt offen, wie spezifische Bewerberprofile auf einen Arbeitgeber aufmerksam werden, sich darüber informieren und zeigt die Relevanz für eine Entscheidung des Bewerbers auf (Schöffler, 2019, S. 41). In einem Recruitingprozess variieren die Kontaktpunkte entlang einer Candidate Journey je nach Unternehmen, wodurch jede Candidate Journey individuell und nicht linear erfolgt, sodass jede Candidate Experience verschieden bewertet wird (Athanas & Wald, 2014, S. 15; Schrader, 2020, S. 43). Aufbauend auf den Erkenntnissen über subjektive Erlebnisse während des Recruitingprozesses können darauf strategische Optimierungen in Hinblick auf die Zielgruppe vorgenommen werden (Verhoeven, 2016a, S. 12). Im Fokus dieser „Reise“ steht hierbei das individuelle Empfinden eines Kandidaten (Bruhn & Hadwich, 2012, S. 9). Normalerweise verfügt jede Candidate Journey über eine Vielzahl an Touchpoints, die im Idealfall optimal zusammenwirken, um den Wunschkandidaten von der Annahme des Stellenangebotes überzeugen zu können (Schrader, 2020, S. 43).
2.2 Idealtypischer Prozess einer Candidate Journey
Für eine differenziertere und systematische Betrachtung des kompletten Prozesses der Candidate Experience sollte daher eine Unterteilung der gesamten Prozesskette in einzelne Phasen vorgenommen werden (Verhoeven, 2016, S. 36). Wie in Abbildung 2 ersichtlich, können die einzelnen Touchpoints zwischen Kandidaten und Unternehmen in 6 Phasen untergliedert werden, die wiederum aus 3 zeitlichen Dimensionen bestehen: vor dem Bewerbungsprozess (Phase 1 & 2), während des Bewerbungsprozesses (Phasen 3-5) und nach dem Bewerbungsprozess (Phase 6). Das in Abbildung 2 dargestellte Modell verdeutlicht einen idealtypischen Prozess, den ein potenzieller Kandidat durchlaufen kann (Verhoeven, 2020, S. 56). Das Modell basiert dabei auf dem 4 Phasenmodell von Esch (Esch & Seibel, 2015). Dieses wurde um relevante Berührungspunkte durch Athanas & Wald (2017) erweitert (Athanas & Wald, 2017).
Die erste Phase, die sog. Anziehungsphase oder Prägungsphase (Phase 1), zielt vordergründig darauf ab, Kandidaten beispielsweise durch eine Imageanzeige auf das Unternehmen aufmerksam zu machen. Ist dies dem Unternehmen gelungen, nutzt der Bewerber in der Phase der Orientierung (Phase 2) verschiedenste Kanäle, um z. B. über die Karriere-Webseite, das Kununu-Profil oder durch Gespräche mit Mitarbeitern Informationen über die Firma einzuholen. Entsteht das Bedürfnis sich zu bewerben, reicht der Kandidat eine (Online-)Bewerbung bei dem potenziellen Arbeitgeber ein (Phase 3) und partizipiert idealerweise am Auswahlverfahren (Phase 4: Auswahlverfahren). Dies kann beispielsweise in Form eines Bewerbungsgesprächs, Onlineinterviews oder eines (Online-) Assessment Centers (ohne oder mit Recrutainment, vgl. Kap. 2.4) erfolgen. In der Phase der Entscheidung (5. Phase), kommt es zu einer Absage bzw. zu einem Vertragsangebot, das der Bewerber idealerweise annimmt. Da eine positive Candidate Experience die Grundlage für eine gelungene Mitarbeiterbindung darstellt, muss die Candidate Experience in ein gezieltes Onboarding sowie in eine arbeitnehmerzentrierte Integration übergehen. Die Candidate Journey endet daher nicht mit der Jobzusage, sondern mit der Phase der Einarbeitung (Phase 6: Onboarding) z. B. in Form einer Einführungsveranstaltung (Ullah & Ullah, 2015, S. 8; Verhoeven, 2016, S. 36; Athanas & Wald, 2017).
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- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2020, Candidate Experience. Der erfolgreiche Rekrutierungsprozess auf dem Bewerbermarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/948351
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