Vorwort
Mit der Gründung des 1. Delisch-attischen Seebundes machte Athen den ersten Schritt zum Aufbau seiner Macht. 478 als gleichberechtigtes Bündnis zwischen den Städten und Inseln der Ägäis gegründet, veränderte der Seebund schon bald sein Gesicht zum mit harter Hand geführten Machtapparat der Athener.
In meiner Arbeit will ich vor allem auf die Beweggründe beider Seiten eingehen, die sie dazu brachten dieses Bündnis abzuschließen, wobei sich hier die Frage ergibt wieso die Bündner die drohende Gefahr nicht sahen, daß sie lediglich den Herrscher wechselten und nicht die erhoffte Freiheit erlangten. Danach werde ich kurz aufzeigen welche Entwicklung der Seebund in der Anfangszeit nahm und wie es Athen schaffte sich zum Herrscher über die Bundesgenossen aufzuschwingen. Die Handlungsweise Athens bei etwaigen Abfallversuchen werde ich am Beispiel Thasos kurz umreißen. Auf die Frage ob die Athener diesen Weg der Machtübernahme bereits im Vorfeld der Gründung so geplant hatten oder ob sie es nur verstanden die gegebenen Verhältnisse geschickt zu ihrem Vorteil und eigenem Machtgewinn auszunutzen, werde ich hier nicht erörtern. Hier sei auf die Arbeiten von Steinbrecher, Rawlings und Meyer auf der einen Seite, und Petzold auf der anderen Seite verwiesen, die eine lebhafte Diskussion führen ob es denn nun eine ,,längerfristige Konzeption" Athens mit dem Ziel der Machtausübung über die Bündner gegeben hatte oder nicht. Bei meiner Darstellung stütze ich mich hauptsächlich auf das Werk von Thukydides, hier vor allem das 1. und 3. Buch. Als Hilfen dienen vor allem die Werke von W. Schuller und H. D. Meyer, die das von mir ausgeführte Thema ausführlicher und komplexer behandeln als es mir in diesem Rahmen möglich ist.
Um zu verstehen wie es dazu kam, daß im Jahr 478 der 1. Delisch-attische Seebund gegründet wurde ist es wichtig sich die Ausgangslage zu vergegenwärtigen. Nachdem die Griechen im Hellenenbund vereint, die Perser auf heimischen Boden geschlagen hatten, waren sie sich uneinig darüber ob es sinnvoll wäre nachzurücken und Persien den entscheidenden, letzten Stoß zu geben. Sparta, innenpolitisch geschüttelt von Unruhen entschied sich dagegen. In dieser Situation mußte Sparta Pausanias, der in Byzanz wie ein Tyrann regierte von dort abziehen und vor Gericht stellen. Hier nun erklärte sich Athen bereit auf Bitte der kleinasiatischen Städte hin die Führung bei der weiteren Bekämpfung der Perser zu übernehmen. Wieso sich die Städte aber ausgerechnet an Athen wandten wirft die Frage nach den Motiven für die Bündner auf.
A. Die Interessenslage der Bündner
1. Wirtschaftliche Interessen
Betrachtet man einmal die ausschlaggebenden Gründe der Bündner warum sie den Seebund gründeten oder ihm beitraten, so sieht man daß dies zunächst wirtschaftliche waren. Trotz des geringen Materials zu diesem Aspekt wird klar, daß Athen seine Bündner nicht wirtschaftlich ausgebeutet hatte1, vielmehr macht Meiggs sogar wahrscheinlich, daß es den Städten unter athenischer Herrschaft gut gegangen ist.2 Obwohl dies sicher zum einen an der Erschließung neuer Märkte, wie beispielsweise des athenischen und ägyptischen Marktes lag, war ein weit wichtigerer wirtschaftlicher Aspekt der, der Bekämpfung der Piratengefahr durch die athenische Flotte. Zur Anfangszeit des Bundes bestand eine große Piratengefahr in der Ägäis, ausgehend vor allem von den Dolopern auf Skyros. Dementsprechend zielte eine der ersten militärischen Aktionen des neugegründeten Bündnisses genau auf diese Insel ab.3 Plutarch geht sogar soweit, zu behaupten Kimon hätte die Ägäis von Piraten gesäubert.4 Auch wenn diese Leistung bestimmt nicht auf Kimon allein beschränkt war und außerdem übertrieben erscheint, gibt die Behauptung Plutarchs doch die athenischen Anstrengungen in dieser Richtung wieder.5 Mögliche Erwägungen von einzelnen Städten, sich freiwillig unter athenische Herrschaft zu stellen um sich gefahrlos dem ägäischen Handelsverkehr anzuschließen, wie sie Schuller beschreibt6, fanden erst in den dreißiger Jahren statt und können hier außer acht gelassen werden, da diese Vorteile in der Gründungszeit des Bundes so wohl noch nicht gesehen und gewürdigt wurden. Alles in allem dürfte sich die athenische Herrschaft aber positiv auf die wirtschaftliche Lage, vor allem der kleineren Städte unter den Bündnern bemerkbar gemacht haben.
2. Militärische Interessen
Ein klareres Bild der Interessen der Bündner haben wir in militärischer Hinsicht. Wie bereits zu Anfang erwähnt, kamen die kleinasiatischen Städte auf Athen zu und baten um Hilfe gegen das ihnen übermächtig erscheinende Persien oder auch um Schutz gegen Barbareneinfälle. In dieser Hinsicht wurden wohl auch die athenischen Kolonien in Thrakien und am Hellespont als Schutzmaßnahme vor den Barbaren begrüßt. Dies läßt den Schluß zu, daß ein Eigeninteresse der Bündner dazu führte sich der athenischen Herrschaft freiwillig zu unterwerfen.7
Warum aber wandten sich die Städte ausgerechnet an Athen und nicht an Sparta, ihren bisherigen Schutzherren? Dies liegt vor allem daran, daß Sparta kein großes Interesse mehr daran hatte weiterhin in Kleinasien tätig zu sein. Vor Ausbruch des Peloponnesischen Krieges rechtfertigten die Athener ihre Arché damit, daß sie sie nicht gewaltsam an sich gerissen hatten, sondern die Bundesgenossen sie um die Führung gebeten hätten, weil die Spartaner nicht dableiben wollten um den Rest der persischen Streitmacht zu bekämpfen8. Die Lesbier bestätigen diesen Ablauf bei ihrer Rede 428 in Olympia mit den Worten ,,Wir und Athen schlossen das Bündnis, als ihr euch aus dem Perserkrieg zurück zogt, jene aber ausharrten, um das, was noch übrig war zu tun"9. Diese Schilderung deckt sich auch mit der Darstellung der Vorgänge, wonach die Verbündeten zu den Athenern ,,übertraten"10. Dies zeigt, daß sich in dem Vorgang des Hegemoniewechsels jede Art von Gewaltanwendung zurückweisen läßt. Aber nicht nur das mangelnde Interesse der Spartaner, den Krieg mit Persien fortzuführen war ausschlaggebend dafür, daß sich die Städte an Athen wandten. Der unmittelbare Grund für die Bevölkerung war das herrische Auftreten des Pausanias unter dem die Städte zu Leiden hatten. Thukydides beschreibt das Auftreten des Pausanias als das eines Tyrannen und weniger als das eines Feldherren.11 Kurz danach betont er zweimal den Haß, den die verbündeten Pausanias entgegenbrachten und der sie dazu trieb sich freiwillig und aus eigener Initiative Athen zuzuwenden. Die Tatsache, daß die Spartaner anstelle des Pausanias einen gewissen Dorkis sendeten und diesem eine nur kleine Streitmacht mitgaben, zeigt wie wenig Interesse Sparta an einer Weiterführung des Krieges hatte. Die gleiche Tendenz läßt sich daran ausmachen, daß die Lakedaimonier danach keine anderen Feldherren mehr entsandten, ,,weil sie sich von der Last des Perserkrieges befreit wünschten und Athen für den Oberbefehl geeignet hielten"12.
Warum aber ließen sich die Städte auf ein Bündnis ein, bei dessen Gründung weder als direktes Ziel die Vernichtung der Perser oder zumindest ein bestimmter Zeitraum festgelegt wurde, noch diverse Schutzmechanismen gegen einen Ausbau der athenischen Macht innerhalb des Bündnisses eingerichtet wurden? H.D. Meyer ist der Auffassung, daß sich die Verbündeten hatten irreführen lassen. Aristeides soll den Bündnern die weitere Bekämpfung der Perser als Zweck des Delisch-attischen Bundes zugesichert haben, sie aber mit Bedacht nicht vertraglich fixiert haben. Demnach hatte der Bund formal keine bestimmte Aufgabe. 13 Außerdem lag die Entscheidung, wer Freund oder Feind im Sinne des Bundeseides sei, bei Athen. Ebenso wurden die Verwalter der Bundeskasse auf Delos, die Hellenotamiai, von den Athenern gestellt. Die Tatsache, daß diese herausragende Position später dazu benutzt wurde um zum einen die Austrittsversuche von Bündnern zu vereiteln, zum anderen die Gelder der Kasse rücksichtslos im Sinne Athens einzusetzen, wertet Meyer als Indiz dafür, daß Athen bereits bei Bündnisschluß die Absicht der Unterdrückung der Bündner hatte.14 Betrachtet man sich den Bundesabschluß aus dieser Perspektive, muß man sich auch nach den Gründen für die Athener fragen, die sie dazu bewegt haben dieses Bündnis in dieser Art und Weise abzuschließen.
B. Die Interessenslage Athens
1. Wirtschaftliche Interessen
Sieht man sich die wirtschaftliche Lage Athens in den Jahren 480-478 an, so sieht man das ein immenses Maß an Geld für die Kriegführung und die Flotte aufgewendet werden mußte. Insbesondere die Flottenpolitik war eine längerfristig angelegte Konzeption und mußte schließlich finanziert werden. Allein schon um diese Investition zu rechtfertigen und weiter zu finanzieren war Athen dazu gezwungen weiter Krieg zu führen. Athen konnte sich auf Dauer eine so gewaltige Flotte allein nicht leisten, deshalb war es früher oder später auf die Hilfe zahlender Bündner angewiesen wenn es das Flottenprogramm weiter fortsetzen wollte. Später war es dann die Flotte selbst die die nötigen Gelder zur Eigenfinanzierung eintrieb. Dann nämlich wenn sie zur Rückführung abtrünniger und zahlungsunwilliger Bündner benutzt wurde.15 Nicht nur die Flotte aber hatte gestiegenes Bedürfnis nach Geld, auch die Bevölkerung Athens strebte nach mehr Reichtum und neuen Märkten. Ähnlich wie für die Städte und Inseln der Ägäis lag ein besonderes Interesse Athens in der Erweiterung seiner Märkte. Zum einen waren das die neuen Absatzmärkte in den Kleinasiatischen Städten, zum anderen die Märkte in den neugegründeten Kolonien in Thrakien und Kleinasien. Hand in Hand ging damit der Wunsch nach der Sicherung dieser neuen Märkte und der dazugehörigen Transportwege auf der Ägäis einher. Die Gründung der attischen Bürgerkolonie auf Skyros und die Sicherung der Getreideroute zum Schwarzen Meer sind erste Schritte diese Zielsetzung konsequent zu verfolgen.16 Für Steinbrecher, ein Vertreter der ,,längerfristigen Konzeption der Athenischen Politik", sind diese Schritte ein Anzeichen dafür, daß Athen bereits mit Beginn des Delisch-attischen Seebundes ,,konsequent den weg zur Arché beschritten hat".17 Die, sicherlich auch für Athen günstige, Vertreibung der Piratenbevölkerung sieht er als einzige Handlung im Sinne der offiziellen Zielsetzung des Seebundes.18 Stellt sich hier die Frage, inwieweit sich die militärische Zielsetzung der Bündner mit der der Athener deckte.
2. Militärisches Interesse
Ein Interesse an der Weiterführung des Perserkrieges dürften nicht nur die von Persien abgefallenen Städte Kleinasiens gehabt haben, sondern auch Athen. Thukydides nennt neben der Ehre und dem Nutzen auch die Furcht als Grund für Athener, die Herrschaft über die Bündner übernommen zu haben.19 Diese Furcht war auch durchaus berechtigt, wenn man bedenkt daß es doch die Athener waren die beim Ionischen Aufstand den abgefallenen Städten eine nicht unwesentliche, zumindest moralische Unterstützung zukommen ließen. Und war doch bereits der Xerxeszug eigentlich ein Rachefeldzug um Athen dafür zu bestrafen. Dies meint auch Meiggs wenn er schreibt, ,,fear was one of the motives for the Athenian decision to accept the responsibilities of leadership, because Athens knew that she more than any other Greek state might have to face renewed attack from Persia."20 So ist es nur verständlich, daß Athen ein ebenso großes Interesse an der Vernichtung oder zumindest der weiteren Bekämpfung des Perserreiches hatte wie es die Kleinasiatischen Städte auch hatten. Dies war aber nicht der einzige Grund weswegen Athen ein Engagement in Kleinasien anstrebte. Ein weiterer wesentlicher Grund war die im 5 Jahrhundert in Griechenland verbreitete Art über Rache zu Denken. Thukydides nennt bei 1,96,1 als offiziellen Grund ,,Rache für erlittenes Unrecht" und gibt damit eine ,,retaliatory justification so characteristic for fifth century thought". Die Rechtfertigung war die Praxis, das Land des Königs zu verwüsten.21 R. Sealey ist der Meinung, daß sich die Verbündeten nur deshalb zusammenschlossen um das königliche Land zu verwüsten und so Rache zu nehmen. Dies bringt ihn zu dem Statement ,,The original purpose of the League was piratical."22 Obwohl auch andere Historiker der Meinung sind, daß der Rachegedanke einen unmittelbaren Beweggrund zur Gründung des Seebundes darstellten, so ging sein Zweck doch weiter. Da der Seebund formal auf ewige Zeiten ausgelegt war, kann der Grund nicht allein das relativ kurzlebige Rachemotiv gewesen sein.23 Das weitere Ziel des Bundes war wohl die endgültige Befreiung und Aufrechterhaltung der Freiheit der griechischen Städte in Kleinasien. Läßt man die Tatsache beiseite, daß es sich bei der Ansprache der Mytilenier um eine Verteidigungsrede handelte,24 so kann man auch hier als Motiv die Befreiung von den Persern erkennen. Doch es gibt einen weiteren Grund der direkt mit den Perserkriegen zusammenhängt. Für Athen war mit der Auseinandersetzung mit Persien ein immenser Material- und Geldaufwand verbunden. Diese Verluste auszugleichen strebte Athen, da es sich nun in einer vorteilhaften Position befand an. Da es zu jener Zeit wohl nicht üblich war Reparationsforderung bei Friedensverhandlungen durchzusetzen und zu diesem Zeitpunkt sowieso noch nicht an Verhandlungen mit Persien zu denken war,25 versuchte Athen diese Reparationen gewaltsam in Persien einzutreiben.26 Diese Möglichkeit muß für die Athener verlockend gewesen sein, bedenkt man wie überwältigend der Reichtum der Perser auf die Griechen hatte wirken müssen.27
Alle diese Überlegungen und Motive sind für beide Seiten verständlich und politisch gesehen durchaus logisch. Wie aber konnte es dazu kommen, daß es Athen schaffte zur allein bestimmenden und herrschenden Stadt innerhalb des Bundes aufzusteigen?
C. Veränderung des Machtgefüges innerhalb des Bundes
1. Das Kräfteverhältnis verschiebt sich zu Gunsten Athens
War der Seebund zu Anfang noch mehr oder minder ausgeglichen in der Verteilung der Rechte zwischen Athen und den übrigen Bündnern, so änderte sich dies im Laufe der Jahre doch stark. An dieser Verschiebung in der Machtstruktur waren die Bündner zum Teil selbst schuld. Da es den Bündnern freigestellt war, entweder Schiffe für die Bundesflotte oder eine individuell festgelegte Geldmenge zu stellen, lag es zuerst allein an den Verbündeten selbst, daß Athen mächtiger und mächtiger wurde. Denn viele der Städte, vor allem die kleineren, zogen es vor anstatt Schiffe zu stellen und gemeinsam mit Athen die Kriegführung zu betreiben, einen entsprechenden Phorosbeitrag zu zahlen.28 Dies hatte natürlich die Folge, daß die athenische Flotte durch dieses Geld immer größer und mächtiger wurde. Dahingegen waren die anderen Bündner wenn sie abfielen weder für Kampfhandlungen gerüstet, noch hatten sie die entsprechende Erfahrung in der Kriegführung.29 Die ständige Kriegführung trug auch dazu bei, daß Athen mehr und mehr tatsächliche Macht und Kompetenzen zuwuchsen. Denn nicht nur durch freiwilligen Verzicht der Bündner auf eine eigene Flotte war Athen als einzige Stadt in Besitz einer schlagkräftigen Flotte. Auch die Bestrafung nach einem Abfallversuch sah den Einzug der Schiffe der abgefallenen Stadt vor. Weiterhin diente die Ansiedlung Athenischer Kolonisten zur Herrschaftssicherung. Früher waren diese Kolonien nur in nichtgriechisches Gebiet gelegt worden, doch nun begann man sie auch auf den Territorien abgefallener Bundesgenossen anzulegen. Als Beispiel dient hier Thasos. Die Thasier waren sich mit Athenern über die Nutzung der Handelsplätze im nahegelegen Thrakien und den Schürfrechten des dortigen Goldbergwerkes uneinig. Als Thasos abfiel segelte Athen mit einer Flotte nach Thasos und besiegte die Thasier in einer Seeschlacht. Gleichzeitig versuchten athenische Siedler sich in Thrakien niederzulassen. Dies mißlang und endete mit einer Niederlage des athenischen Kolonialheeres. Als aber die Thasier selbst nach einer Belagerung von drei Jahren die Waffen streckten, bekamen sie die ganze Härte athenischer Bestrafung zu spüren. Sie mußten ihre Mauern schleifen, die Schiffe übergeben, Reparationen zahlen und sich verpflichten künftig Tribut zu zahlen. Außerdem hatten sie ihre Rechte auf das Goldbergwerk und ihr Land in Thrakien verloren.30 Somit war Thasos der zweite abgefallene Bündner, nach Naxos31 der die athenische Vorgehensweise bei jeglichem Emanzipationsversuch am eigenen Leib erfuhr. Die Tatsache, daß die Feldherren des Bundesheeres immer Athener waren, kam Athen nun gegen die eigenen Bundesgenossen zu Gute. Die von ihnen in vielen Städten zurückgelassenen Besatzungen und Kommandanten waren Athener, und je länger diese dort verblieben, um so mehr gingen aus dem Kriegsrecht resultierende politische und gerichtliche Funktionen auf diese Kommandanten über. Die blieben auch nach Abzug der Besatzung am Ort und wurden auch Archonten, d. h. Herrschende oder Regierende genannt.
2. Organisation und Festigung der Macht
Mit dem Durchbruch der Demokratie in Athen in den Sechziger Jahren ging auch die Unterdrückung der Bündner in eine neue Phase. Dadurch, daß nun nicht mehr die einzelnen führenden Familien mit den Herrschenden der Bündnerstädte in Herrschaftsbeziehungen treten konnten, sondern der Demos als Kollektiv versuchen mußte den Bund zu leiten, war Athen gezwungen den ganzen Bund zu rationalisieren, organisieren und vereinheitlichen. Dies gelang zum einen dadurch, daß in den Städten die sich als politisch unsicher erwiesen hatten mit Hilfe des einheimischen Demos eine Demokratie athenischen Musters eingeführt wurde. Da diese jungen Demokratien normalerweise nicht stabil waren, bedurften sie der ständigen Absicherung durch Athen. Dies sicherte dem athenischen Demos das Verbleiben der jeweiligen Stadt unter seiner Herrschaft. Als nächstes wurden als organisatorische Maßnahme den Archonten der Städte spezielle Beauftragte ausgegliedert, die Episkopoi, die als Aufseher fungierten. Darüber hinaus traf die athenische Volksversammlung nun Verfügungen über die Bundesgenossen in eigener Zuständigkeit. Athen erließ so, unter Bruch der ursprünglichen Verträge Gesetze die für alle Bündner rechtskräftig waren. Dadurch wurden auch die bisher freiwilligen Abgaben der Bundesgenossen zu verpflichtenden Tributzahlungen von Untertanen. Nachdem Athen die Währung, Maße und Gewichte im Bund vereinheitlicht hatte, verlegte es auch noch die Bundeskasse von Delos zu sich auf die Akropolis und ließ die Bundesversammlung einfach nicht mehr zusammentreten. Auch auf religiösem Sektor verstand es Athen, die Bündner an sich zu binden, indem es alle Bündner, auch die nicht-ionischen zu Tochterstädten Athens erklärte und sie so zwang beim Panathenäenzug Gaben zu bringen. Dadurch erreichte es Athen sogar, daß es manchmal gar nicht mehr nötig war Gewalt auf einzelne Bündner auszuüben oder anzudrohen, da sich bereits ein Teil der dortigen Bevölkerung als Athener zu fühlen begann und mangels des wirklichen Bürgerrechts zumindest durch Sprechen des attischen Dialekts den Eindruck erwecken wollte, zur herrschenden Schicht zu gehören. So schaffte es also Athen die Bundesgenossen zu Untertanen zu machen und diese Herrschaft auch zu sichern. Diese endete erst mit der Niederlage im Peloponnesischen Krieg 404 gegen Sparta.
Bibliographie
1. Quellenverzeichnis
- Herodot, Neun Bücher der Geschichte. Übersetzt von Heinrich Stein, bearbeitet und ergänzt von Wolfgang Stammler. Essen 1984.
- Thukydides, Der Peloponnesische Krieg . Übersetzt und herausgegeben von Helmuth Vretska. Stuttgart 1966.
- Plutarch, Vita Kimon . Übersetzt und ergänzt von Otto Seel. Zürich 1976.
2. Literaturverzeichnis
- Amit, M., Athens and the sea. A study in Athenian sea power. Brüssel 1965.
- Balcer, J. M., Sparda by the Bitter Sea. Imperial Interaction in Western Anatolia. ( Brown Judaic Studies 52 ). Chico/Cal. 1984.
- French, A., The tribute list of the allies. In: Historia 21 (1972). S. 1-20.
- Jackson, A.H., The original purpose of the Delian League. In: Historia 18 (1969). S. 12-16.
- Meiggs, R., The Athenian Empire. Oxford 1972.
- Meyer, H.D., Vorgeschichte und Gründung des Delisch-attischen Seebundes. In: Historia 12 (1963). S. 405-446.
- Meyer, H.D., Abfall und Bestrafung von Bündnern im Delisch-attischen Seebund. In: HZ 191 (1961). S. 497-509.
- Petzold, K.-E., Die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes. Element einer imperialistischen Politik Athens I. In: Historia 42 (1993). S. 418-443.
- Petzold, K.-E., Die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes. Element einer imperialistischen Politik Athens II. In: Historia 43 (1994). S. 1-31.
- Rawlings III, H., Thucydides and the purpose of the Delian League. In: Phoenix 31 (1977). S. 1-8.
- Schuller, W., Die Herrschaft der Athener im ersten attische Seebund. Berlin/New York 1974.
- Sealey, R., The origin of the Delian League. In: Ancient Society and Institutions (FS. V. Ehrenberg). Oxford 1966, S. 233-255.
- Steinbrecher, M., Der Delisch-attische Seebund und die athenisch-spartanischen Beziehungen in der Kimonischen Ära (ca. 478/7-462/1). Stuttgart 1985.
[...]
1 Vgl. Schuller S. 81
2 Vgl. Meiggs S. 265f, 269
3 Thuk. 98,2 Im Gegensatz zu Steinbrecher, Seebund S.115, sieht K. E. Petzold , Gründung II S. 29, die Bekämpfung der Piraten auf Skyros nicht als alleinigen, rechtfertigenden Grund der Athener für den Angriff und die Besiedelung der Insel an. Die Tatsache, daß die Doloper des Festlandes im Perserkrieg dem Xerxes Fußtruppen gestellt und den persischen Herolden Erde und Wasser gegeben hatten, nimmt er als Hinweis darauf, daß die Doloper, auch die, welche auf Skyros ansässig waren, als Kollaborateure galten. Dies wird dadurch bekräftigt, daß der Pammon von Skyros der Persischen Flotte half, eine gefährliche Klippe zu umschiffen. Da die Bestrafung des Medismos ein Teil der Zielsetzung der Hellenensymmachie war, sieht er die Interessen der Bundesgenossen nicht ,, allein durch die Beseitigung der Piraterie gewahrt, sondern auch durch die Bestrafung der Perserfreunde".
4 Plut.Kim. 8,3-5 §5
5 Vgl. Schuller S. 81
6 Vgl. Schuller S. 82
7 Vgl. Schuller S.82
8 Thuk. 1,75,2
9 Thuk. 3,10,2
10 Thuk. 1,95,4
11 Thuk. 1,95,3
12 Thuk. 1,95,7
13 Vgl. Meyer, Vorgeschichte, S.439
14 Vgl. Meyer, Vorgeschichte, S.438f
15 Vgl. Meyer, Vorgeschichte, S.410
16 Von Balcer, Sparda, S.20, wird der Athenische Getreideimport sogar als das Hauptmotiv angesehen
17 Steinbrecher, Seebund, S.115
18 Steinbrecher sieht in dieser Handlung allerdings keine Anzeichen auf die anti-persische Ausrichtung des Seebundes. Zur anti-persischen Zielsetzung vgl. Anm. 13
19 Thuk. 1,75,3. Vgl. auch Petzold, Gründung I, S.421
20 Meiggs, Empire, S.43
21 Sealey, origin, S.237
22 Sealey, origin, S.238
23 Vgl. Larsen, constitution, S.199 Die Tatsache, daß Thukydides bei 1,96,1 die Rache für erlittenes Unrecht als einzigen Grund anführt und die Befreiung der Griechen an dieser Stelle mit keinem Wort erwähnt, sieht Larsen als Indiz dafür, daß das Plündern des Landes des Königs der einzige Zweck des Seebundes war.
24 Thuk. 3,10,3. Die Mytilenier mußten sich verteidigen und gleichzeitig die Athener anklagen, da sie im Jahr 428 ihren Bündnisschwur gebrochen hatten und nun eine gute Rechtfertigung brauchten.
25 Die Friedensverhandlungen der Perserkriegen fanden erst nach der Schlacht am Eurymedon unter der Leitung des Kallias im Jahr 449 statt.
26 Vgl. Sealey, origin, S.240
27 Herodot gibt bei 3, 89-96 eine Liste der Persischen Satrapien und ihrer jährlichen Abgaben. Von den 20 Satrapien zahlten 19 ihren Tribut in Silber und ihre Gesamtabgabe waren 9880 Euböische Talente. Eine Satrapie, Indien, zahlte eine Goldmenge im Wert von 4680 Euböische Talente.
28 Thuk. 1,96,1
29 Thuk. 1,99,3
30 Thuk. 1,100,2 -1,101,3
31 Thuk. 1, 98,4 - 1,99,1 Von Naxos erfahren wir bei Thukydides lediglich, daß es als erstes der Bündner abgefallen war. Die Gründe für diesen Abfallversuch nennt Thukydides hingegen nicht. Allerdings gibt er eine Liste der üblichen Motive. Hier nennt er zum einen Rückstände bei der Entrichtung von Abgaben und Schiffen, zum anderen aber auch die Verweigerung des Kriegsdienstes.
- Quote paper
- Joachim Seidl (Author), 1998, Delisch-attischer Seebund - Grundstein zur Macht Athens im 5. Jh. v. Chr., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94823
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