Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit beschäftigt sich damit, ob und welchen Effekt der Zins bzw. ein Niedrigzinsumfeld auf den Effekt des Underpricings hat. Zunächst geht der Autor auf zwei wesentliche Elemente eines IPO-Prozesses ein: das Platzierungsverfahren und die Unternehmensbewertung als Ausgangspunkt zur Festlegung des Emissionspreises. Beide Elemente sind von Bedeutung für das Underpricing. Neben den gängigen Platzierungsverfahren, wie v. a. Festpreis- und Bookbuildingverfahren, geht dieses Kapitel abschließend kurz auf die gängigen Verfahren zur Bewertung eines Unternehmens ein.
Im dritten Kapitel erfolgt die Definition für das Underpricing im Sinne dieser Arbeit. Ferner erfolgt ein Überblick über Erklärungsansätze des Effektes generell, d. h. losgelöst vom Zinssatz. Der Fokus liegt auf der Darstellung von theoretischen und empirischen Forschungsergebnis-sen. Es werden Studien, die das Underpricing der Höhe nach analysierten sowie Erklärungsansätze vorgestellt. Entsprechend des Forschungsstands liegt der Schwerpunkt hier auf der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen den im Wesentlichen involvierten Parteien, dem Emittenten, den Investoren und den Emissionsbanken.
Der vierte Abschnitt widmet sich der Problemstellung. Hierzu wird die Emissionsrendite bei 225 Börsengänge im Zeitraum der Jahre 2001 bis 2019 analysiert. Die Stichprobe wird hierbei initial in zwei Teilstichproben unterteilt. Diese Ausarbeitung untersucht, ob der Effekt des Underpricings in beiden Zeiträumen existiert, signifikant ist und ob sich die Stärke des Effektes zwischen den Teilstichproben unterscheidet. Ferner wird mit einer Regressionsanalyse überprüft, ob das Zinsniveau einen Beitrag zur Erklärung des Underpricings leistet oder ob ausgewählte andere Faktoren einen Erklärungsbeitrag leisten können.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
2 Börsengänge (IPOs): Platzierungsverfahren und Bewertung
2.1. Platzierungsverfahren
2.1.1. Festpreisverfahren
2.1.2. Bookbuildingverfahren
2.1.3. Auktionsverfahren
2.2. Bewertung von Unternehmen
2.2.1 Discounted Cash Flow (DCF)- Verfahren
2.2.2 Multiplikatorverfahren
3 Underpricing
3.1. Einleitung und Definition
3.2. Studien zum Underpricing
3.3. Erklärungsansätze
3.3.1. Gleichgewichtsorientierte Erklärungsansätze
3.3.1.1. Informationsasymmetrien zwischen Emittent und Investoren
3.3.1.2. Informationsasymmetrien zwischen Emittenten und Emissionsbank
3.3.1.3. Informationsasymmetrien zwischen Investoren
3.3.2. Ah hoc / Sonstige Erklärungsansätze
3.3.2.1. Prospekthaftung
3.3.2.2. Kurspflegemaßnahmen
3.3.2.3. Herdenverhalten
4. Empirische Analyse
4.1. Umfang der Stichprobe und verwendete Daten
4.2. Signifikanz des Underpricings
4.3. Einfluss des Zinsniveaus auf das Underpricing
4.3.1. Zins als einzige erklärende Variable
4.3.2. Mehrfachregression unter Einbezug weiterer Variablen
5 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung des EZB Leitzinses zwischen 1999 und März 2020
Abbildung 2: Konzept zur indirekten Ermittlung des Free Cash Flows
Abbildung 3: Funktionsweise von Multiplikatoren
Abbildung 4: Überblick Erklärungsansätze
Abbildung 5: Anzahl der IPOs pro Jahr und Unterteilung der Stichprobe
Abbildung 6: OECD kurzfristige Geldmarktsätze, Deutschland, 2009-2019
Abbildung 7: Histogramm: Anzahl IPOs nach Höhe des Underpricings
Abbildung 8: Lineare Regressionsanalyse mit Zins als erklärender Variable
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Studien zum Underpricing mit Bezug zum deutschen Aktienmarkt
Tabelle 2: Höhe des Underpricings nach Untersuchungsjahr
Tabelle 3: Börsengänge mit einer Emissionsrendite <> 50%
Tabelle 4: Kolmogorov-Smirnov-Test: Überprüfung der Stichproben auf Normalverteilung
Tabelle 5: Teststatistik zur Prüfung der Signifikanz des Underpricings
Tabelle 6: F-Test: Überprüfung der Standardabweichungen
Tabelle 7: T-Test: Vergleich des durchschnittlichen Underpricings
Tabelle 8: Mann-Whitney-U-Test: Vergleich des durchschnittlichen Underpricings
Tabelle 9: Zusammenfassung der Ergebnisse der linearen Regression
Tabelle 10: Zusammenfassung der Ergebnisse der linearen Regression
Tabelle 11: Ergebnisse der Mehrfachregression
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Die Weltwirtschaft wurde zwischen 2007 und 2009 von einer globalen Banken- und Finanzkrise erschüttert. Zur Begrenzung der negativen Effekte auf die Konjunktur haben weltweit die Zentralbanken den Leitzins gesenkt und damit eine Niedrigzinsphase begründet. Was zunächst als kurz- bis mittelfristige Unterstützung angedacht war, erstreckt sich mittlerweile auf einen Zeitraum von über zehn Jahren.
Seit 2008 sank der Leitzinssatz der europäischen Zentralbank fast kontinuierlich von damals 4,25 % auf heute 0 %. Aufgrund der im ersten Quartal 2020 aufgetretenen Corona-Pandemie ist auch zukünftig von einem weiter niedrigen Zinsniveau auszugehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung des EZB Leitzinses zwischen 1999 und März
Quelle: Eigene Darstellung; Daten: o.V. (2020)
In erster Linie soll seitens der Europäischen Zentralbank mithilfe von Leitzinsen die Preisstabilität gewährleistet werden.1 Geringere Zinsen - und damit Finanzierungskosten für Unternehmen - fördern und erleichtern auch die Aufnahme von Kapital durch Unternehmen. Auf diese Weise schaffen sie einen Anreiz für Investitionen. Unternehmen können auf unterschiedliche Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung zurückgreifen. Eine Variante ist der Börsengang. An der Börse wird die Nachfrage nach Kapital durch das Unternehmen mit dem Angebot von Investoren zusammengeführt. Erleichternd für Unternehmen wirkt in diesem Zusammenhang u. a., dass Investoren in einem Niedrigzinsumfeld weniger Alternativen mit attraktiver Rendite zur Verfügung stehen. Nachteile des Börsengangs sind v. a. die damit verbundenen Kosten. Einerseits entstehen direkt mit der Vorbereitung und Durchführung des IPO Kosten für u. a. Rechtsanwälte, Beratungsgesellschaften, Wirtschaftsprüfer, Investmentbanken sowie Registrierungsgebühren und Roadshows. Dieser Kostenblock macht etwa 5 bis 10 % des Emissionsvolumens aus.2 Weitere Kosten für sich anschließende Publizitätspflichten, wie Zwischenberichterstattungen und Ad-hoc-Veröffentlichungen bei kursrelevanten Ereignissen sowie organisatorische Aufwendungen für die Hauptversammlung sind hier noch nicht berücksichtigt.3
Ferner können durch den Börsengang auch indirekte Kosten entstehen, zu denen auch das Underpricing zählt. Underpricing bezeichnet den Unterschiedsbetrag zwischen dem Emissionspreis und dem gehandelten Börsenkurs am Ende des ersten Handelstages.4 Liegt der Kurs am Ende des ersten Handelstages oberhalb des Emissionspreises, ist der Gesellschaft zusätzliches Kapital entgangen, d. h., durch einen höheren Emissionspreis hätte das Unternehmen theoretisch mehr Kapital beschaffen können. In einer Studie wurde ermittelt, dass Unternehmen hierdurch im Durchschnitt 9,1 Millionen US-Dollar entgehen. Dieser Wert ist doppelt so hoch wie die Kosten für Berater und Banker.5 Exemplarisch ging am 25. Mai 2020, im Rahmen des ersten Börsengangs in Frankfurt 2020, die Exasol AG an die Börse. 87,5 Millionen Euro wurden inklusive Ausübung einer Greenshoe-Option platziert. Ausgehend von einem Emissionspreis von 9,50 Euro, lag der erste Handelspreis bei 14,00 Euro, der Schlusskurs sogar bei 14,30 Euro. Das Unternehmen hätte somit theoretisch etwa 50 % mehr Kapital aus der Emission generieren können.6
Die Ursachen des Underpricings sowie dessen Höhe wurden in unterschiedlichen Studien untersucht. Bis dato konzentriert sich ein Großteil der Forschung auf Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten als Ursache. Darüber hinaus wurden Faktoren untersucht, die in engem Zusammenhang mit den Beteiligten stehen, wie Haftungsfragen für den Emittenten, Reputation der Banken und Herdenverhalten der Investo- ren.7 Weniger analysiert wurden bis dato exogene, z. B. volkswirtschaftliche Faktoren. Es stellt sich folglich die Frage, ob das Zinsniveau einen Effekt auf die Höhe des Underpricings und damit auf die Kosten eines Börsengangs eines Unternehmens hat. Ein möglicher Ansatz wäre, dass geringere Leitzinsen dazu führen, dass Banken auf Basis einer höheren Nachfrage mehr Kapital den Marktteilnehmern zur Verfügung stellen.8 Darüber hinaus führen geringere Kapitalkosten c. p. zu höheren Unternehmensbewertungen und steigenden Marktkapitalisierungen. Dieses Marktumfeld erhöht die Attraktivität eines Börsengangs für Unternehmen und lässt die Anzahl der IPOs steigen.9 In der Folge wäre es denkbar, dass das Underpricing in diesem Umfeld geringer ausfällt. Mit einer höheren Anzahl an Börsengängen wählen schließlich auch Unternehmen den Weg der Finanzierung über die Börse, die mitunter noch kein profitables oder nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell vorweisen können. Investoren wären bei diesen Unternehmen mitunter nicht bereit, eine Art Premium auf den Emissionspreis zu zahlen, um in jedem Fall Anteile zu bekommen, wenn die Generierung einer nachhaltigen positiven Rendite schwerer abzuschätzen ist.
Ergänzend zu den genannten Punkten kann der Grund eines geringen Underpricings auch darin begründet liegen, dass v. a. erfolgreichen Unternehmen nun mehrere Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Auch Fremdkapital ist beispielsweise günstig zu beschaffen, sodass diese Unternehmen ein potentielles Underpricing und damit verbundene Kosten nicht akzeptieren würden.
Entgegengesetzt lässt sich anführen, dass auf Investorenseite im Niedrigzinsumfeld attraktive Anlagemöglichkeiten begrenzt sind. Unternehmensbeteiligungen sind demnach attraktiv und die Bereitschaft, bei Börsengängen einen Aufschlag zu zahlen, ist höher. Dieser Effekt könnte sich durch mehr Unternehmen, die einen Börsengang anstreben, weiter verstärken. Eine Euphorie, die den Effekt des Underpricings erhöhen würde, könnte entstehen.
1.2. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit beschäftigt sich damit, ob und welchen Effekt der Zins bzw. ein Niedrigzinsumfeld auf den Effekt des Underpricings hat.
Der zweite Abschnitt geht in diesem Zusammenhang zunächst auf zwei wesentliche Elemente eines IPO-Prozesses ein: das Platzierungsverfah- ren und die Unternehmensbewertung als Ausgangspunkt zur Festlegung des Emissionspreises. Beide Elemente sind von Bedeutung für das Underpricing. Das Verfahren regelt die Zuteilung und damit den Zugang für die Investoren zu Anteilen des Unternehmens. Die Bewertung versucht, den ermittelten Wert des Unternehmens in Einklang mit dem Preis zu bringen, den Investoren zu zahlen bereit sind. Aus diesem Grund wird die Preisfindung bei Neuemissionen erläutert. Neben den gängigen Platzierungsverfahren, wie v. a. Festpreis- und Bookbuilding- verfahren, geht dieses Kapitel abschließend kurz auf die gängigen Verfahren zur Bewertung eines Unternehmens ein.
Im dritten Kapitel erfolgt die Definition für das Underpricing im Sinne dieser Arbeit. Ferner erfolgt ein Überblick über Erklärungsansätze des Effektes generell, d. h. losgelöst vom Zinssatz. Der Fokus liegt auf der Darstellung von theoretischen und empirischen Forschungsergebnissen. Es werden Studien, die das Underpricing der Höhe nach analysierten sowie Erklärungsansätze vorgestellt. Entsprechend des Forschungsstands liegt der Schwerpunkt hier auf der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen den im Wesentlichen involvierten Parteien, dem Emittenten, den Investoren und den Emissionsbanken.
Der vierte Abschnitt widmet sich der unter 1.1. genannten Problemstellung. Hierzu wird die Emissionsrendite bei 225 Börsengängen im Zeitraum der Jahre 2001 bis 2019 analysiert. Die Stichprobe wird hierbei initial in zwei Teilstichproben unterteilt. Ein Teil umfasst den Zeitraum von 2001 bis 2008 und der andere Teil die Jahre 2009 bis 2019. Die Unterscheidung wurde vorgenommen, da sich mit der Finanzmarktkrise 2008 auch das Zinsumfeld, wie eingangs dargestellt, signifikant verändert hat. Diese Ausarbeitung untersucht, ob der Effekt des Underpricings in beiden Zeiträumen existiert, signifikant ist und ob sich die Stärke des Effektes zwischen den Teilstichproben unterscheidet. Ferner wird mit einer Regressionsanalyse überprüft, ob das Zinsniveau einen Beitrag zur Erklärung des Underpricings leistet oder ob ausgewählte andere Faktoren einen Erklärungsbeitrag leisten können.
2. Börsengänge (IPOs): Platzierungsverfahren und Bewertung
2.1. Platzierungsverfahren
Im Rahmen dieser Arbeit werden ausschließlich Initial Public Offerings (IPO) betrachtet. Hierbei handelt es sich um Börsengänge, bei denen das Unternehmen neues Kapital aufnimmt und ein öffentliches Angebot mit Prospektpflicht macht. In diesem Zusammenhang wird auch von Neuemissionen gesprochen.10
Ein wesentliches Element des IPO Prozesses ist die Festlegung des Emissionspreises. Neben Fragen der Preisermittlung durch Bewertungsmethoden wie Fundamentalverfahren oder Multiplikatorverfahren (siehe auch Kapitel 2.2.), sind die unterschiedlichen Zielsetzungen der beteiligten Parteien im Rahmen einer Neuemission zu berücksichtigen. Altaktionäre wollen ihr Vermögen maximieren und präferieren entsprechend einen höheren Emissionskurs. Neue Investoren wollen zu möglichst geringeren Preisen einsteigen. Die Präferenz der involvierten Emissionsbank ist zweigeteilt: Ein hoher Emissionspreis sichert der Bank eine hohe Provision, aber andererseits ist es für die Reputation wichtig, dass möglichst alle Aktien erfolgreich am Markt platziert werden können.11
Den unterschiedlichen Interessen trägt auch die Auswahl des Platzierungsverfahrens Rechnung, welches frühzeitig im Prozess festgelegt werden muss. Hierbei wird zwischen dem Festpreis-, dem Auktions- und dem Bookbuildingverfahren unterschieden. Auf das z. T. in der Literatur angeführte Windhundverfahren wird aufgrund seiner geringen Bedeutung im Zusammenhang mit der zu untersuchenden Fragestellung nicht weiter eingegangen.
2.1.1. Festpreisverfahren
Grundlage aller Verfahren ist die Bewertung des Unternehmens auf Basis einer Planungsrechnung. Diese Planungsrechnung wird i. d. R. im Rahmen einer Financial Due Diligence detaillierten Plausibilitätsprüfungen durch z.B. eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterzogen. Die Bewertung umfasst u. a. auch eine Kapitalmarkt- und Wettbewerbsanalyse. Kennzeichnend und abgrenzend zu den im Folgenden beschriebenen Verfahren ist jedoch, dass es keine PreMarketing-Phase gibt. Das heißt, Emissionsbank und Emittent legen zusammen den Preis fest. Potentielle Investoren und deren Feedback sind bei diesem Verfahren der Preisfindung außen vor. Sie melden nur die gewünschte Anzahl der Aktien.12
Banken kommt hier eine bedeutende Rolle zu. Mehrere Banken bilden in der Regel ein Übernahmekonsortium und geben dem Emittenten eine Übernahmegarantie für die Anteile. Ihre Rolle geht somit über die eines reinen Kommissionärs hinaus.
Der Vorteil dieses Verfahrens für den Emittenten ist, dass sich die involvierten Konsortialbanken zur Abnahme des Emissionsvolumens zum Festpreis verpflichten. Nachteilig ist vor allem, dass die involvierten Banken, die dahinterstehenden Investoren nicht publizieren, sodass keine Aussagen über die Qualität, d. h. exemplarische Angaben zur erwarteten Haltedauer und der tatsächlichen Nachfrage gemacht werden können. Sollte das Volumen exemplarisch nicht vollständig platziert worden sein, kann dies die Performance am Sekundärmarkt beeinträchtigen. Ferner wird die Möglichkeit zur Reaktion auf Marktveränderungen außer Kraft gesetzt.13
2.1.2. Bookbuildingverfahren
Das Bookbuildingverfahren ist international verbreitet und auch in Deutschland inzwischen führend. Bei dieser Variante gibt es eine sogenannte Pre-Marketing-Phase. Während dieser Phase ermitteln Emissionsbank sowie Emittent zunächst eine Preisspanne und spiegeln diese mit potentiellen Kern-Investoren. Anschließend wird die Spanne publiziert und in der Marketing Phase werden weitere Investoren umworben. Interessierte Investoren lassen ihre Nachfragemenge und den ihrerseits maximal zu zahlenden Preis, der sich innerhalb der vorab definierten Spanne bewegt, im Orderbuch festhalten. Am Ende der Phase wird der Emissionspreis anhand der vorliegenden Gebote im Orderbuch festgelegt. Dies gibt dem Verfahren seinen Namen. Die Gebote oberhalb des Emissionspreises werden bedient. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, erfolgt eine quotale Zuteilung. Neben dem gebotenen Preis und dem angefragten Volumen kommen hierbei auch weitere Zuteilungskriterien wie die Investorenstruktur in die Betrachtung.14
Der wesentliche Unterschied und Vorteil gegenüber dem Festpreisverfahren ist die Berücksichtigung der Nachfrage, auf die besser reagiert werden kann. Für die Banken bedeutet dies ferner, dass diese, anders als im Festpreisverfahren, nicht zwingend ihre Konsortialquote erhalten. Des Weiteren sind die Investoren bekannt, sodass sich Rückschlüsse auf die mögliche Haltedauer und auf die Interessen ziehen lassen.
2.1.3. Auktionsverfahren
Im ersten Schritt des Verfahrens werden ein Mindestpreis festgesetzt und Gebote von Investoren eingesammelt. Die Verteilung der Anteile erfolgt dann entweder nach dem Amerikanischen Verfahren, d. h., der Höchstbietende erhält zuerst Anteile, zahlt aber auch einen höheren Preis, oder nach dem Holländischen Verfahren, bei dem im Gegensatz zu einem Einheitspreis abgerechnet wird.15
Ein positiver Aspekt des Verfahrens ist, dass die Preissetzung im Vergleich zum Bookbuilding-Verfahren nicht nur innerhalb einer Spanne erfolgt, sondern Investoren nach eingehender, ggf. besserer Recherche, eine Preisindikation abgeben, die marktnäher ist bzw. den fairen Preis des Unternehmens widerspiegelt. Dies könnte im Umkehrschluss den in dieser Arbeit analysierten Effekt des Underpricings verringern. Von Nachteil ist, dass in diesem Verfahren seitens des Emittenten und der Banken kein Einfluss auf die Aktionärsstruktur bzw. auf den Investorenkreis genommen werden kann.16 In der Praxis hat dieses Verfahren eine geringere Bedeutung und, um es vorwegzunehmen, fand dieses bei keiner der in der Stichprobe untersuchten Neuemissionen Anwendung.
2.2. Bewertung von Unternehmen
Unternehmen besitzen an sich keinen Wert. Der Unternehmenswert ergibt sich vielmehr aus dem Bewertungszweck. Unterschieden werden kann nach Bewertungen für die Vorbereitung von eigene oder fremden Entscheidungen, zur Unterstützung von Argumentationen oder in Streitfällen. Ferner wird auch bei der Bemessung von Besteuerungsgrundlagen und der Ermittlung von Bilanzwerten auf Bewertungsverfahren zurückgegriffen.17
Ferner ist zwischen Wert und Preis eines Unternehmens zu differenzieren. In Abhängigkeit von dem angewendeten Verfahren, resultiert der Wert z. B. aus der Diskontierung zukünftiger Nutzenzuflüsse. Die Erwartung hinsichtlich der Zuflüsse ist wiederum an den individuellen Nutzen und Bewertungszweck gekoppelt. Der Preis dagegen ist der Geldbetrag, der exemplarisch bei einem Eigentümerwechsels von einer Partei tatsächlich zu zahlen ist.18 Es wird deutlich, dass es nicht den „einzig wahren“ Wert eines Unternehmens gibt19 und es zu unterschiedlichen Werten durch die Bewertenden, hier Emittent und potentieller Investor, kommen kann. In der Folge kann der Emissionspreis von der Zahlungsbereitschaft der Investoren abweichen.
In der Praxis finden unterschiedliche Verfahren zur Bewertung eines Unternehmens Anwendung. Zu unterscheiden ist zwischen den Einzelbewertungs- und den Gesamtbewertungsverfahren. Zu den Einzelbewertungsverfahren gehören der Substanz- und Liquidationswertansatz, die im Rahmen von Börsengängen jedoch keine Rolle spielen. Zur Ermittlung eines Wertes im Rahmen eines Börsengangs stehen stattdessen die Ertragswertmethode, zu der auch das Discounted Cash Flow (DCF)-Verfahren zählt, und das Multiplikatorverfahren als Bestandteil der Gesamtbewertungsverfahren im Vordergrund und werden im Folgenden betrachtet.20
2.2.1 Discounted Cash Flow (DCF)- Verfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das auf Rappaport21 zurückzuführende DCF-Verfahren beruht auf der Diskontierung zukünftiger Cash Flows. Allgemein lässt sich der Unternehmenswert danach durch die folgende Formel berechnen.
Das DCF-Verfahren ermittelt den Unternehmenswert durch Abzinsung einer mehrjährigen, prognostizierten, d. h., mit Hilfe einer Detailplanung entwickelten Cash Flow Reihe, sog. Free Cash Flows. Diese werden mit einem gewichteten Kapitalisierungszinssatz auf den Betrachtungszeitpunkt diskontiert. Hierbei kann auf unterschiedliche Ansätze zurückgegriffen werden, wobei die Unterschiede einerseits in der Ermittlung der FCFs und des Kapitalisierungszinses sowie andererseits in der Anwendung des Equity-(Netto-) bzw. Entity- Ansatzes22 (Bruttoansatzes) liegen. Im Folgenden wird auf die Bestandteile des WACC-Ansatzes (Bruttoverfahren) zurückgegriffen,23 der bei Investmentbanken am weitesten verbreitet ist.24
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Free Cash Flow ermittelt sich entweder direkt als zahlungsstromorientierte Differenz aus tatsächlichen Ein- und Auszahlungen oder in der Praxis vornehmlich indirekt durch die Herausrechnung nicht zahlungswirksamer Erträge und Aufwendungen aus dem Betriebs-ergebnis. Auf diese Weise ist z. B. das Betriebsergebnis um die Höhe der Abschreibungen zu erhöhen, da diese nicht zahlungswirksam sind.25
Schematisch berechnet sich der Free Cash Flow wie folgt:26
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Konzept zur indirekten Ermittlung des Free Cash Flows
Quelle: in Anlehnung an Wöhe/Döring (2008), S. 572
Auf Basis der Annahme der Unternehmensfortführung (Going Concern), der Vermögenserhaltung und der Berücksichtigung möglicher Expansion, sind ferner die Investitionen in das Anlage- und Veränderungen des Umlaufvermögens zu berücksichtigen, um die Ertragskraft des Unternehmens aufrecht zu erhalten.27
Cash Flows, die von nicht betriebsnotwendigem Vermögen generiert werden, finden regelmäßig keine Berücksichtigung in den antizipierten Cash Flows. Abschließend ist daher der Marktwert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens dem bis dato ermittelten Unternehmenswert hinzuzurechnen.28
Die Ermittlung der Kapitalkosten erfolgt bei der Bruttomethode durch den sogenannten WACC-Ansatz (Weighted Average Cost of Capital), d. h., durch die getrennte Ermittlung der Eigen- und Fremdkapitalkosten sowie deren anschließende Gewichtung. Im WACC-Diskontierungszinsatz spiegeln sich die Opportunitätskosten des eingesetzten Kapitals wider. Er errechnet sich aus den im Folgenden beschriebenen Kosten des Eigenkapitals (Fremdkapitals) gewichtet mit dem Anteil des Eigenkapitals (Fremdkapitals) am Gesamtkapital, wobei die Kapitalwerte zu Marktwerten angesetzt werden. Die Fremdkapitalkosten werden darüber hinaus durch das sog. Tax Shield um die Unternehmenssteuern gesenkt, da Fremdkapitalzinsen als Aufwand steuerlich abzugsfähig sind.29
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Kosten des Eigenkapitals werden oftmals mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) ermittelt.30 Das populäre Modell geht dabei vom risikoaversen Anleger aus, der seine Investitionsentscheidung auf Basis des Erwartungswertes über die Rendite und der Volatilität trifft. Der Anleger wird eine risikoreichere Anlage nur vor dem Hintergrund einer erwarteten höheren Rendite einer Alternative vorziehen. Das Model teilt die geforderte Rendite in zwei Komponenten, die Rendite einer risikolosen Anlage (rf) und einer mit dem Beta-Faktor (ß) gewichteten Marktrisikoprämie (rm-rf) für die Aufnahme des Risikos. Durch die Marktrisikoprämie wird jedoch nur das systematische Risiko, d. h. das Risiko des Gesamtmarktes, vergütet. Das unsystematische Risiko, das ausschließlich im Investitionsobjekt begründet ist, kann hingegen durch Anlagestreuung diversifiziert werden, weshalb es auch z. T. als diversifizierbares Risiko bezeichnet wird.31
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der risikolose Zinssatz orientiert sich in der Regel an einer risikolosen Alternativanlage am Kapitalmarkt. In der Praxis wird meist auf eine Anlage in Staatsanleihen mit guter Bonität und langer Laufzeit abgestellt, auch wenn dies unter der Prämisse der dauerhaften Unternehmensfortführung (Going Concern) lediglich eine Approximation darstellt. Die Marktrisikoprämie ergibt sich aus der Differenz einer durchschnittlichen, länderspezifischen Marktrendite und dem risikolosen Zinssatz. Die Marktrendite orientiert sich dabei an einem Portfolio aller handelbaren Aktien, wobei aus praktischen Gründen in der Regel auf Renditen eines Indizes abgestellt wird. Der Beta-Faktor beschreibt, wie sich die Unternehmensrendite in Abhängigkeit von der Kursentwicklung zur Wertentwicklung des Gesamtmarktes entwickelt. Dies liegt in der Annahme eines linearen Zusammenhangs zwischen dem Beta-Faktor und dem Risiko einer Aktie begründet. Der Beta-Faktor des Gesamtmarktes beträgt demnach immer eins.
Die Fremdkapitalkosten werden aus dem Fremdkapitalzinssatz abzüglich abzugsfähiger Ertragssteuern ermittelt. Der Fremdkapitalzinssatz entspricht dem für erstklassige Kreditnehmer, wobei ein Aufschlag bei höherem Leverage-Risiko zugerechnet wird. Es wird folglich nicht auf die unternehmensindividuellen Fremdkapitalkosten, sondern auf die am Markt zu zahlenden abgestellt.32 33 Nimmt das Unternehmen jedoch neben der Kreditverschuldung andere Fremdkapitalinstrumente, wie z. B. Anleihen, in Anspruch, so müssen die Kosten für diese separat ermittelt und die Fremdkapitalkosten unter Berücksichtigung einer Gewichtung der einzelnen Faktoren bestimmt werden.34
2.2.2 Multiplikatorverfahren
Beim Multiplikatorverfahren erfolgt die Unternehmensbewertung anhand von Vergleichsobjekten. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die dem Bewertungsobjekt auf Basis von vorab definierten Kriterien, wie dem Industriezweig oder der Größe, ähneln. Das Vergleichsobjekt wird identifiziert und dessen Unternehmenswert bspw. auf Basis der Marktkapitalisierung oder einer erfolgten Unternehmenstransaktion ermittelt. Anschließend wird der ermittelte Wert ins Verhältnis zu Bezugsgrößen gesetzt. Dies können einerseits Wertgrößen, wie z. B. der Umsatz oder das EBIT sein, andererseits kommen auch Mengengrößen, wie die Anzahl der Kunden, in Frage.35 Der Quotient aus dem Unternehmenswert und der Bezugsgröße ergibt den sogenannten Multiplikator. In der Regel wird auf mehrere Bezugsgrößen zurückgegriffen, sodass im Resultat eine Bandbreite an Multiplikatoren vorliegt. Durch Multiplikation mit der deckungsgleichen Bezugsgröße des Bewertungsobjektes ergibt sich entsprechend eine Bandbreite für den Unternehmenswert des Bewertungsobjektes (vgl. Abbildung 3).35
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Funktionsweise von Multiplikatoren
Quelle: in Anlehnung an Schultze (2003), S. 15836
Auch Investoren nutzen vielfach das Multiplikatorverfahren und greifen hierbei auf Börsendaten zurück, um abweichende Bewertungen, z.B. innerhalb einer Branche, zu identifizieren und eine Einschätzung zum Wert des Emittenten treffen.37
Bei Rückgriff auf Vergleichstransaktionen ist hingegen Sorgfalt geboten. Bei Unternehmensübernahmen oder dem Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen wird oftmals eine Prämie durch den Erwerber gezahlt. Hierbei handelt es sich um eine Art „control premium“ als Aufschlag auf den Unternehmenswert, wie ihn ein Dritter ermitteln würde.
Möglichkeit zur Kontrolle des erworbenen Unternehmens führt zu einem für den Käufer höheren Nutzwert und damit zur Bereitschaft zur Zahlung eines Aufschlages. An der Börse wird eher ein „fairer“ Marktwert unter der „Going Concern“-Prämisse ermittelt.
3 Underpricing
3.1. Einleitung und Definition
Den in Kapitel 2 dargestellten Platzierungsverfahren ist gemein, dass die Preissetzung vor dem offiziellen Handel am Sekundärmarkt stattfindet. Übersteigt die Nachfrage im Vorfeld das Angebot, so findet eine quotale Allokation ggf. unter Berücksichtigung einer Greenshoe- Option38 statt. Bei einem übersteigenden Angebot wird dieses mitunter von der Investmentbank übernommen und später am Sekundärmarkt veräußert. Folglich wird erst mit dem offiziellen Handel deutlich, inwiefern der vorgelagerte Prozess, inklusive der Ermittlung des Unternehmenswerts, mit den Erwartungen des breiten Investorenkreis in Einklang steht. Darüber hinaus vertreten die involvierten Parteien, vor allem der Emittent, die Investmentbank und die Investoren unterschiedliche Interessen. Im Ergebnis handelt es sich demnach um einen iterativen Auktionsprozess zwischen den involvierten Parteien. Der Prozess führt meist nicht zum exakten Ergebnis, sondern endet im Resultat oftmals mit einem Unterschiedsbetrag zwischen dem festgelegten Emissionspreis und dem Kurs am Sekundärmarkt nach Aufnahme des Handels.39
Dieser Unterschiedsbetrag kann sowohl positive als auch negative Werte annehmen. Aufgrund einer Vielzahl an Studien (siehe auch Kapitel 3.2.), die darlegen, dass der Emissionspreis statistisch niedriger ist, als der Preis am Sekundärmarkt nach Aufnahme des Handels, wird dieser Unterschiedsbetrag auch als „Underpricing“ bezeichnet. Weitere, auch z. T. in dieser Arbeit verwendete, Bezeichnungen sind u. a. Emissionsrendite, Initial Return, Überrendite, Excess Return oder Abnormal Return.
Zum Teil wird in Analysen nicht nur auf den Kurs am ersten Handelstag abgestellt, sondern auch weitere Zeitpunkte und Zeiträume einbezogen (z. B. nach zwei oder 20 Tagen).
Zu unterscheiden ist ferner zwischen dem ex-ante Underpricing und dem ex-post Underpricing. Ein ex-ante Underpricing liegt vor, wenn bereits vorab rational zu erwarten ist, dass der Emissionskurs niedriger ist als der Sekundärmarktkurs. In diesem Fall handelt es sich zwar um für den Emittenten zu berücksichtigende Kosten, die jedoch kaum messbar sind.40
Der Fokus dieser Arbeit liegt primär auf dem ex-post Underpricing. Dieses berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Sekundärmarktkurs (Et), im Rahmen dieser Arbeit dem Schlusskurs am ersten Handelstag und dem Emissionspreis (Eo). Die Differenz wird in Relation zum Emissionspreis gesetzt und in Prozent ausgegeben. Streng genommen würde der Eröffnungskurs den Unterschied zwischen Emissionspreis und tatsächlichem ersten Marktpreis noch besser abbilden. So wird in einer Studie exemplarisch der „initial return“ in ex-ante und ex-post danach eingeteilt, ob der Eröffnungs- oder Schlusskurs bei der nachfolgend beschriebenen Berechnung verwendet wurde. Bei dem ermittelten ex-ante Underpricing handelt es sich laut den Autoren Düsterlho, Momtaz und Zaeh folglich eher um einen beobachtbaren als um einen theoretischen Wert.41
Der Rückgriff auf den Schlusskurs hat sich jedoch in vielen Studien durchgesetzt und führt auch zu keinen wesentlichen Abweichungen.42 In einem zweiten Schritt wird der ermittelte Wert um die periodengerechte Rendite eines Vergleichsportfolios gemindert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nur hierdurch kann festgestellt werden, ob es sich tatsächlich um einen „excess return“ handelt oder ob die im ersten Schritt ermittelte Rendite durch die Marktentwicklung zwischen der zeitlichen Festlegung des Emissionspreises und dem ersten Handel erklärt wird. Diese Bereinigung findet in wissenschaftlichen Studien nur zum Teil statt. Andere Studien verzichten auf die Bereinigung mangels fehlender empirischer Relevanz.43 So konnten Loughran und Ritter ein Underpricing von 14 % feststellen, verzichteten aber auf eine Bereinigung um die Marktrendite, da diese im Durchschnitt nur 0,05 % pro Tag ausmacht.44 Andere Studien nehmen die Bereinigung nicht anhand des tatsächlichen Zeitraums zwischen Ende der Zeichnungsfrist und erstem Handelstag vor, sondern orientieren sich an der durchschnittlichen Zeitspanne zwischen den Tagen, ca. vier Tage.45
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwegnehmend ergibt sich auch im Rahmen der empirischen Analyse dieser Arbeit kein wesentlicher Effekt für die Ergebnisse, d. h., die Ergebnisse sind mit und ohne Bereinigung um die Marktrendite vergleichbar. Die Bereinigung ist somit in erster Linie bei der Analyse längerfristiger Analysen von Börsengängen unerlässlich.
3.2. Studien zum Underpricing
Ibbotson veröffentlichte 1975 als einer der ersten in einer viel zitierten Studie, dass bei Börsengängen zwischen 1960 und 1969 eine durchschnittlich positive Emissionsrendite von 11,4 % erzielt werden kann. Er selektierte hierbei zufällig einen Börsengang pro Monat und verglich den Angebotspreis mit dem Preis am Ende des ersten Handelsmonats. Im weiteren untersuchten Zeitraum von 59 Monaten war die Überrendite nicht mehr zu beobachten. Es handelt sich um eine rechtsschiefe Verteilung mit hohen positiven Ausschlägen. Absolut ist die Anzahl zwischen IPOs mit positiver und negativer Emissionsrendite fast gleich. Die Ursache des Effektes konnte laut Ibbotson nicht abschließend geklärt werden und er bezeichnete diese als „Mystery“.46 In einer weiteren Studie verglichen Ibbotson und Jaffe die Performance von Neuemissionen im Vergleich zur Performance eines Benchmarks, dem S&P 500. Es wurde eine Überrendite von 16,8 % im ersten Monat ausgemacht.47 Eine der umfangreichsten, verfügbaren und oftmals herangezogenen Studien führte Ritter durch. Für den Zeitraum zwischen den Jahren 1960 und 1982 wurden mehr als 5.000 Börsengänge in den USA analysiert und ein Underpricing von 18,8 % ausgewiesen. Fokus der Analyse war, ob das Underpricing von Marktzyklen abhängt. So betrug das Underpricing im Zeitraum von 1977 bis 1982 16,3 % und in einer 15monatigen Phase beginnend im Januar 1980 („Hot Issue Market“) 48,4 %. Zur Ermittlung des Underpricings wurde der Schlusskurs am ersten Handelstag dem Emissionskurs gegenübergestellt. Es wurde keine Bereinigung um eine Marktrendite vorgenommen.48
Darüber hinaus existiert eine Vielzahl weiterer Studien und Publikationen. Diese unterscheiden sich unter anderem in Bezug auf den analysierten Markt (geographisch), Zeitraum, Anzahl der Unternehmen und Untersuchungsschwerpunkt wie z. B. Branchen oder Erklärungsansätze. Ferner gibt es methodische Unterschiede hinsichtlich des verwendeten ersten Handelskurses und der Bereinigung um die Marktrendite (siehe auch Kapitel 3.2.). Den Studien ist jedoch gemein, dass das Phänomen an allen Kapitalmärkten weltweit zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlicher Ausprägung zu beobachten ist. So betrug die Überrendite gemäß einer von Kaserer und Kempf veröffentlichen Übersicht weltweiter Studien zwischen 4,1 % und 51,9 %. Die Autoren selbst untersuchten alle Erstemissionen am deutschen Kapitalmarkt zwischen 1983 und 1992. Es handelte sich um 171 Börsengänge mit einem Underpricing im Sinne dieser Arbeit von 14 %.49
Insgesamt ist anzumerken, dass ein Underpricing zwar in den Studien zumeist ermittelt wurde, seine statistische Signifikanz jedoch nicht immer oder zum Teil unterschiedlich (parametrische und nicht-parametrische Tests) überprüft wurde.
[...]
1 Vgl. Art. 127 AEUV
2 Vgl. Daxhammer/Resch/Schacht (2018), S. 89 f.; Hunger (2005), S. 19; Arlinghaus (2001), S. 27
3 Vgl. Kaserer/Kempf (1995), S. 46
4 Für eine genauere Definition und Spezifikation, siehe Kapitel 3.1.
5 Vgl. Loughran/Ritter (2002), S. 413
6 Vgl. o.V. (2020a)
7 Siehe im Detail in Kapitel 3.3.
8 Vgl. Jobst/Lin (2016), S. 19
9 Vgl. Bordo/Landon-Lane (2013), S. 50 f.
10 Vgl. Weiler (2001), S. 157
11 Vgl. Balz (2001), S. 63 f.
12 Vgl. Hofmaier/Winterhalter/Wiedemann (2018), S. 33; Weiser (2006), S. 85
13 Vgl. Weiler (2001), S. 158
14 Vgl. Hofmaier/Winterhalter/Wiedemann (2018), S. 33; Weiler (2001), S. 158 ff., S. 164
15 Vgl. Hofmaier/Winterhalter/Wiedemann (2018), S. 33
16 Vgl. Weiler (2001), S. 160
17 Vgl. Ballwieser (2007), S. 1
18 Vgl. Born (2003), S. 8
19 Vgl. Nölle (2005), S. 15
20 Vgl. Schultze (2003), S. 72
21 Vgl. Rappaport (1999), S. 40; Rappaport (1995), S. 54
22 Der Equity Ansatz ermittelt direkt den Wert des Eigenkapitals des Unternehmens, während der Entity Ansatz den Gesamtwert des Unternehmens ermittelt und anschließend den Marktwert des Fremdkapitals subtrahiert, um den Marktwert des Eigenkapitals zu erhalten.
23 Bei der Analyse wird lediglich das Modell der Wertermittlung vorgestellt. So wird z.B. auf die Ermittlung zukünftiger Cash Flows verzichtet. Hierzu wird auf die Literatur zur Unternehmensbewertung verwiesen. Siehe u.a. Born (2003), Ballwieser (2007)
23 Vgl. Paiusco/Riffner (2007), S. 329
25 Vgl. Stührenberg/Streich/Henke (2003), S. 10 ff.
26 Vgl. Wöhe/Döring (2008), S. 572; Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 174
27 Vgl. Brühl (2004), S. 378
28 Vgl. Born (2003), S. 131
29 Vgl. Stührenberg/Streich/Henke (2003), S. 23 f.
30 Alternativ kann auf die Arbitrage Pricing Theory zurückgegriffen werden. Das Modell beruht auf dem „Law of one Price“ nachdem zwei homogene Güter keine unterschiedlichen Preise haben können, da sich sonst risikolose Arbitragemöglichkeiten ergeben würden. Vgl. hierzu z.B. Schultze (2003), S. 276
31 Vgl. Schacht/Fackler (2005), S. 192 f.
32 Vgl. Born (2003), S. 112
33 Vgl. Born (2003), S. 111
34 Vgl. Michel (2004), S. 18; Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 259 ff.
35 Vgl. Ballwieser (2003), S. 22
36 Vgl. Schultze (2003), S. 165
37 Vgl. Gaughan (2007), S. 555
38 Hierbei handelt es sich um die Möglichkeit zusätzliche Aktien zuzuteilen und somit die originär anberaumte Anzahl aufgrund z.B. erhöhter Nachfrage anzupassen. Vgl. Rummer (2006), S. 80
39 Vgl. Rock (1986), S. 188
40 Vgl. Kaserer/Kempf (1995), S. 46
41 Vgl. Düsterlho/Momtaz/Zaeh (2013), S. 212
42 Vgl. Holtfort, Meyer (2014), S. 57; Hunger (2005), S. 42 f.
43 Vgl. Holtfort/Mayer (2014), S. 56
44 Vgl. Loughran/Ritter (2002), S. 417
45 Vgl. Hofmaier/Winterhalter/Wiedemann (2018), S. 98; Hunger (2005), S. 108
46 Vgl. Ibbotson (1975), S. 235, 246, 264 f.
47 Vgl. Ibbotson/Jaffe (1975), S. 1028, 1037
48 Vgl. Ritter (1984), S. 215, 217f.
49 Vgl. Kaserer/Kempf (1995), S. 45 f.
- Quote paper
- Jörg Menke (Author), 2020, Börsengänge und Underpricing im Niedrigzinsumfeld, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/947774
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