Ziel des Referates ist die Darstellung der Grundzüge des Sozialstaates nach bundesrepublikanischer Prägung. Dabei wurden das Sozialstaatsgebot aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet, in seinen verschiedenen Ausprägungen interpretiert und die zuständigen administrativen Ebenen bei der Verwirklichung des Sozialstaatsgebotes beschrieben.
Im zweiten Teil des Referates wurde ausführlich auf die neuen gesetzlichen Regelungen der 630-DM-Jobs und der so genannten Scheinselbstständigen eingegangen und Stellung zur aktuellen politischen Debatte bezogen.
Inhaltsverzeichnis
1.0 EINLEITUNG
2.0 GRUNDZÜGE DES SOZIALSTAATES
2.1 Der Sozialstaat als Verfassungsgrundsatz
2.2 Soziale Grundwerte
2.3 Verfassungsinterpretationen des Sozialstaates
2.3.1 Der konfliktreduzierende Ansatz
2.3.2 Notmindernder und gerechtigkeitsorientierter Ansatz Fehler! Textmarke nicht definiert.
2.3.3 Demokratieidentischer Ansatz
2.3.4 Der steuerungspolitische Ansatz
2.4 Die Verwirklichung des Sozialstaatsgebot
2.4.1 Zuständigkeiten
3.0 GERINGFÜGIGE BESCHÄFTIGTE - EIN MASSENPHÄNOMEN?
3.1 Neuregelung der sogenannten 630 DM-Jobs
3.2 Scheinselbstständige und arbeitnehmerähnliche Selbstständige
3.2.1 Scheinselbstständige ArbeitnehmerIn
3.2.2 Arbeitnehmerähnliche Selbstständige und Handelsvertreter
3.3.3 Fazit
4.0 ZUSAMMENFASSUNG
5.0 SCHRIFTENVERZEICHNIS
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Sozialstaates
1.0 Einleitung
Ziel des Referates ist die Darstellung der Grundzüge des Sozialstaates nach bundesrepublikanischer Prägung. Dabei wurden das Sozialstaatsgebot aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet, in seinen verschiedenen Ausprägungen interpretiert und die zuständigen administrativen Ebenen bei der Verwirklichung des Sozialstaatsgebotes beschrieben.
Im zweiten Teil des Referates wurde ausführlich auf die neuen gesetzlichen Regelungen der 630-DM-Jobs und der so genannten Scheinselbstständigen eingegangen und Stellung zur aktuellen politischen Debatte bezogen.
2.0 Grundzüge des Sozialstaates
Um den Sozialstaat bundesrepublikanischer Prägung wird in der öffentlichen Diskussion seit Jahrzehnten heftig gerungen. Auf der einen Seite mahnen Konservative und Liberale an, dass er Ursache wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fehlentwicklungen ist, weil er immer und überall helfend einspringen will und so die Bereitschaft und Fähigkeit zur eigenen, individuellen Anstrengung schwächt. Auf der anderen Seite geht er vielen Linken in seiner Ausprägung nicht weit genug. Sie beklagen die bestehenden Unterschiede in den Lebensbedingungen und fordern ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit. Ursprünglich handelte es sich bei dem Sozialstaatsgedanken um einen Staat, der seine Mitverantwortung und Mitgestaltungsmacht auf die Überwindung sozialer Schäden und die Befriedung von existierenden Gegensätze innerhalb des Volkes erstreckt (Informationen zur politischen Bildung 1990). Der Sozialstaat versucht durch eine durchgreifende Sozialreform eine "soziale Revolution" infolge zunehmender sozialer Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die den sozialen Frieden in einem Staat gefährden, zu vermeiden. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland sieht den Sozialstaat in der Form des sozialen Rechtsstaates vor. Die rechtlichen Grundlagen sind im Grundgesetz in den Artikeln 20 (Verfassungsgrundsätze) und 28 (Bundesgarantie der Länderverfassungen) niedergeschrieben.
Im Zusammenhang des Sozialstaatsgedankens kann der Wohlfahrtsstaat nicht ausgespart bleiben. Der Wohlfahrtsstaat, oder auch Versorgungsstaat genannt, nimmt zur Erlangung der sozialen Sicherheit der unteren und mittleren Schichten die volle Macht der Sozialgestaltung für sich in Anspruch; und das nicht nur in Diktaturen und totalitären Staaten, sondern auch in westlichen Verfassungs- und Rechtsstaaten. Im Vergleich der beiden staatlichen Prinzipien versucht der soziale Rechtsstaat Sicherheit und Freiheit gleichgeordnet miteinander zu verbinden. Beim Wohlfahrtsstaat besteht dagegen die Gefahr, dass die persönliche Freiheit der sozialen Sicherheit untergeordnet wird.
Die heutige Gestalt des Sozialstaates ergibt sich aus den vielfältigsten rechtlichen Regelungen, mit denen soziale Sicherheit und ein sozialer Ausgleich erreicht werden soll.
Überwiegend fallen sie in die traditionellen Bereiche der Sozialpolitik: Schutz- und Mitwirkungsrechte der ArbeitnehmerInnen, soziale Sicherung, Wohnungs- und Familienpolitik, Jugend- und Altenhilfe, Mittelstandspolitik, Bildungs- und Vermögenspolitik (Informationen zur politischen Bildung 1990).
2.1 Der Sozialstaat als Verfassungsgrundsatz
Nach den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges musste das Staatswesen selbst und das Verhältnis zwischen den BürgerInnen und dem Staat von den politischen Akteuren neu geordnet werden. Der parlamentarische Rat, der die verfassungsrechtlichen Regelungen auszuarbeiten hatte, griff dabei auf die Erfahrungen zurück, die man seit dem 19. Jahrhundert und insbesondere in und nach der Weimarer Republik gemacht hatte. In der Bundesrepublik Deutschland liefert das Grundgesetz, das bis zur endgültigen Vereinigung der beiden deutschen Staaten ein Provisorium sein sollte, die verfassungsrechtlichen Grundlagen für den Sozialstaat. Es enthält daher eine Reihe von Vorschriften, die dem Staat soziales Handeln ermöglichen. Diese lassen sich in zwei Kategorien zusammenfassen: Erstens in das allgemeine Sozialstaatsprinzip und zweitens in die sozialen Grundwerte. Letztere sind vor allem in der Form von Grundrechten des Bürgers gegenüber dem Staat festgelegt (Informationen zur politischen Bildung 1990).
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schreibt den Sozialstaat als Verfassungsgrundsatz zwingend vor. Dort heißt es: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat" (Artikel 20 Abs. 1 GG) und weiter "Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen" (Artikel 28 Abs. 1 GG). Man bezeichnet die Formulierung in Artikel 20 GG und ergänzend jene in Artikel 28 GG als Sozialstaatsprinzip.
Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat auf zwei allgemeine Ziele:
1. Sozialer Ausgleich:
Der Staat soll vorhandene Unterschiede zwischen sozial schwachen und sozial starken Personen oder Personengruppen nicht tatenlos hinnehmen, sondern möglichst verringern. Das Bundesverfassungsgericht spricht von der Pflicht des Staates, "für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen."
2. Soziale Sicherheit:
Der Staat soll die Existenzgrundlagen seiner Bürgerinnen und Bürger sichern und möglichst auch fördern. Er soll unabhängig von seiner Pflicht zum sozialen Ausgleich Daseinsvorsorge betreiben, beispielsweise durch geeignete Maßnahmen im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie in anderen Bereichen der Sozialpolitik und der Wirtschaftspolitik. Das "Sozialstaatsprinzip" war in der Verfassungsrechtslehre lange umstritten und wird auch heute noch kontrovers diskutiert. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der Staat zwei Dinge gleichzeitig tun kann: Erstens die individuelle Freiheit seiner BürgerInnen sichern und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Zweitens eine Sozialpolitik zu betreiben, die maßgebend für die Verwirklichung des Sozialstaates ist.
2.2 Soziale Grundwerte
Neben dem ausdrücklichen, aber sehr allgemeinen Gebot zum sozialen Handeln enthält das Grundgesetz eine Reihe von Normen, die den Staat in allgemeiner oder spezieller Form auf bestimmte soziale Grundwerte verpflichten. Zu diesen Normen gehört als erstes die in Artikel 1 Absatz 1 GG ausgesprochene Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Aus ihr ergibt sich die ganz praktische Pflicht, bedürftigen StaatsbürgerInnen ein materielles Existenzminimum zu sichern. Die Tabelle 1 verdeutlicht, dass diese Pflicht in einem unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit der Pflicht zur Daseinsvorsorge und zum sozialen Ausgleich steht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Sozialstaates
2.3 Verfassungsinterpretationen des Sozialstaates
Das Grundgesetz hat besonders im wirtschaftlichen und sozialen Bereich keine konkreten Regelungen getroffen, sondern die Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Rahmens für das politisch-demokratische Kräftespiel zwischen den unterschiedlichen Interessen offen gehalten. Die Verfassungsinterpretationen des Sozialstaats können dabei in vier wesentliche Interpretationsgruppen mit unterschiedlichen Ansätzen eingeteilt werden. (Informationen zur politischen Bildung 1990).
2.3.1 Der konfliktreduzierende Ansatz
Dieser Ansatz zielt auf ein geordnetes und möglichst konfliktarmes Zusammenleben der Menschen ab. Hier werden altliberale Vorstellungen von der "Selbstregulierung gesellschaftlicher Prozesse" vertreten. Der Staat hat lediglich den Rahmen zu setzen innerhalb dessen sich das gesellschaftliche Leben ungehindert entfalten kann.
Dies läuft auf ein Sozialverständnis hinaus, nach dem der einzelne intensive Pflichten gegenüber der Allgemeinheit hat, aber der vom Schicksal hart Betroffene dafür Ansprüche gegen die Allgemeinheit geltend machen kann.
2.3.2 Notmindernder und gerechtigkeitsorientierter Ansatz
Eine zweite Meinungsgruppe interpretiert den Sozialstaat als soziale Verpflichtung des Staates, die verschiedenen Formen der Not zu beheben oder zumindest zu lindern und dem Prinzip der Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen. Die VertreterInnen dieses Ansatzes verlangen für die bisher in ihren Lebenschancen weniger begünstigten Bevölkerungsschichten eine überproportionale Förderung insbesondere in der Ausbildung und im Beruf.
2.3.3 Demokratieidentischer Ansatz
Eine dritte Meinungsgruppe der Sozialstaatsinterpretation stellt eine historisch begründete Verbindung zwischen Demokratieprinzip und Sozialstaat her. Sie geht davon aus, dass der demokratische Gedanke sich in rechtsstaatlicher Weise in die Wirtschafts- und Sozialordnung projiziert oder besser projizieren soll. Sozial wird hier synonym mit demokratisch in allen nicht-staatlichen Systemen verwendet. Diese demokratieidentische Sozialstaatsinterpretation hebt auf eine Alternative zum herrschenden Sozialstaatsverständnis ab.
2.3.4 Der steuerungspolitische Ansatz
Eine vierte Interpretationsgruppe des Sozialstaates stellt auf die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe in die Wirtschaftsabläufe ab. Der Sozialstaat kann in diesem Ansatz seine mannigfachen Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn die politischen Prozesse nach bestimmten sozialen Kriterien gesteuert werden.
2.4 Die Verwirklichung des Sozialstaatsgebotes
Der Sozialstaat ist im Grundgesetz nur andeutungsweise und vor allem in seiner Zielrichtung geregelt. Die Verwirklichung des Sozialstaates nach dem Grundgesetz wird erst durch die politische Entscheidungen der handelnden Akteure realisiert, die das Sozialstaatsgebot inhaltlich konkretisieren. Diese Entscheidungen sind nicht auf einen bestimmten Politikbereich beschränkt. Sie sind vielmehr grundsätzlicher Art und haben wie bereits erwähnt die Angleichung unterschiedlicher Lebenschancen und die Sicherung oder Verbesserung der Lebensbedingungen zum Ziel.
Für die Bereiche sozialstaatlichen Handelns schreibt das Grundgesetz einige Hinweise vor. Die Artikel 73 und 74 GG enthalten einen ganzen Katalog von Gesetzgebungsbereichen, der von öffentlicher Fürsorge, Sozialversicherung, Arbeitsrecht einschliesslich Betriebsverfassung bis hin zum Verkehrswesen, Gesundheitswesen, Umweltschutz und zur Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellungen reicht. Zusätzlich genannte Staatsaufgaben beziehen sich auf den Bildungsbereich, die regionale Wirtschaftsstruktur und die Agrarstruktur (Artikel 91 a, b) und die Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Artikel 109 Abs. 2 ff.).
Die inhaltliche Offenheit des Sozialstaatsprinzipes gibt in besonderem Maße den Parteien die Möglichkeit ihre Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit zur Geltung zu bringen. Ihre sozialstaatlichen Vorstellungen sind regelmäßig in Parteiprogrammen niedergelegt, die in Form von Grundsätzen, Leitlinien oder Orientierungsrahmen die Wählerinnen und Wähler informieren und der politischen Tagesarbeit eine längerfristige Ausrichtung geben sollen.
2.4.1 Zuständigkeiten
Beim Gesetzesvollzug gibt es innerhalb des staatlichen Bereichs einen großen Kreis zuständiger Stellen. Die Bundesregierung hat in ihrer Rolle als Exekutive teilweise weit reichende Befugnisse zum Erlass von Rechtsverordnungen. Zuständig sind die einzelnen Bundesminister, die im Rahmen der allgemeinen Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ihren Geschäftsbereich selbstständig und in eigener Verantwortung leiten; die zentrale Position hat hier der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Die 16 Bundesländer sind verpflichtet, Bundesgesetze entweder als eigene Angelegenheit (Artikel 30 und 83 GG) oder im Auftrag des Bundes (Artikel 85 GG) auszuführen. Auf Grund dieser Verpflichtung werden zahlreiche Sozialgesetze des Bundes von den Landesregierungen und den Landesverwaltungen durchgeführt (z. B. Sozialämter, Landeswohlfahrtsverbände, Jugendämter).
Innerhalb der Länder sind es auf der regionalen Ebene die Landkreise und auf der lokalen Ebene die Gemeinden, die mit dem Vollzug sozialpolitischer Bundes- und Landesgesetze betraut sind.
Sozialgesetze werden aber auch außerhalb des staatlichen Bereichs, nämlich von den Selbstverwaltungsorganen, durchgeführt. In diesen Organisationen sind die betroffenen sozialen Gruppen unmittelbar selbst vertreten. Die größten Organisationen sind in diesem Zusammenhang die Bundesanstalt für Arbeit, mit ihren regionalen und lokalen Arbeitsämtern, und die Sozialversicherungsträger mit ihren traditionellen Zweigen der gesetzlichen Kranken, Unfall- und Rentenversicherung.
Hinter dieser Mischung aus zentraler Gesetzgebung und dezentralem Vollzug steht eine wichtige Idee: Man will zum einen gleiche rechtliche Möglichkeiten für soziale Sicherung und sozialen Ausgleich schaffen, zum anderen sollen bei der Anwendung der Gesetze die teilweise recht verschiedenen Lebensumstände berücksichtigen werden, um so ein sachgerechtes und bedürfnisorientiertes Handeln zu ermöglichen.
Im Bereich der Arbeitsbeziehungen können Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Sozialpartner ihre Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit autonom, das heißt unabhängig von Weisungen staatlicher Stellen verwirklichen. Sie regeln innerhalb eines gesetzlich festgelegten Rahmens (Tarifautonomie) die Ausgestaltung von Löhnen, Arbeitszeiten und sonstigen Arbeitsbedingungen. Die Verbände können hier tarifvertragliche Vereinbarungen treffen, deren Inhalte für ihre Mitglieder unmittelbar verbindlich sind (Informationen zur politischen Bildung 1990).
3.0 Geringfügige Beschäftigte - ein Massenphänomen?
Fehlender Sozialversicherungsschutz ist nach Bäcker & Ebert (1996) kein Massenproblem, sondern konzentriert sich im Wesentlichen auf fünf Problembereiche:
- Der Zugang zur Sozialversicherung führt in aller Regel über die abhängige Beschäftigung bzw. über den Familienschutz, den Beschäftigte in der Sozialversicherung für ihre Angehörigen erwerben. Ausgeschlossen sind in aller Regel Personen, deren Erwerbsfähigkeit von Jugend an wegen Krankheit oder Behinderung so eingeschränkt ist, dass sie niemals Zugang zum Arbeitsmarkt haben.
- In der Arbeitslosenversicherung ist der Schutz zweifach eingeschränkt, nämlich einmal durch das Erfordernis vorausgegangener beitragspflichtiger ArbeitnehmerInnentätigkeit, zum anderen durch zeitliche Befristung der Leistungen (beim Arbeitslosengeld gestaffelt je nach Beitragsdauer bis maximal 32 Monate; bei der originären Arbeitslosenhilfe seit 1.1.1994 begrenzt auf 12 Monate).
- Der Tatbestand ,,Alleinerziehung kleiner Kinder" als Lebenslage macht die Einkommenssicherung unabdingbar erforderlich und wird in der Sozialversicherung nicht berücksichtigt.
- So genannte ,,geringfügig beschäftige" ArbeitnehmerInnen sind nicht sozialversicherungspflichtig.
- Selbstständige sind in der Regel ebenfalls nicht sozialversicherungspflichtig.
3.1 Neuregelung der so genannten 630-DM-Jobs
Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung ist im Wesentlichen Folgendes vorgesehen: Es wird eine Steuerbefreiung eingeführt, die an folgende Voraussetzungen geknüpft wird (Bund der Steuerzahler 1999).
- Der/die ArbeitnehmerIn darf aus sämtlichen Arbeitsverträgen einschließlich Betriebsrenten, Pensionen u. ä. im Monat höchstens einen Lohn von 630 DM beziehen. Lohn des Ehegatten zählt nicht.
- Der/die ArbeitnehmerIn darf keine anderen Einkünfte erzielen unabhängig von deren Höhe, also z. B. keine Einkünfte aus Kapitalvermögen (bei Einhaltung des Sparerfreibetrages von 6.000 DM bleiben Kapitaleinkünfte unberücksichtigt) oder Vermietung. Einkünfte des Ehegatten bleiben unberücksichtigt.
- Der/die ArbeitnehmerIn hat dem/der ArbeitgeberIn monatlich mitzuteilen, dass er/sie im Kalenderjahr keine anderen Einkünfte erzielt und keinen Arbeitslohn aus anderen Arbeitsverhältnissen bezieht oder die Arbeitslöhne insgesamt nicht mehr als 630 DM betragen. Diese Erklärung ist für den/die ArbeitgeberIn maßgebend, d. h. er/sie braucht keine weiteren Ermittlungen anzustellen.
- Der Arbeitslohn ist, obwohl steuerfrei, in die Lohnsteuerkarte bzw. -bescheinigung einzutragen.
- Der/die ArbeitgeberIn hat für diese Beschäftigungsverhältnisse 10 % Pauschalbeitrag für die Krankenversicherung und 12 % an die Rentenversicherung zu zahlen und zwar von der ersten Mark an.
3.2 Scheinselbstständige und arbeitnehmerähnliche Selbstständige
Am 1. Januar 1999 trat das Vierte Sozialgesetzbuch (SGB IV) in seiner neuen Fassung in Kraft. Der Begriff des Scheinselbstständigen wird im Gesetz nicht erwähnt, doch in der Gesetzesbegründung ist die schnellere und einfachere Erfassung Scheinselbstständiger als Ziel genannt (IHK Friedberg und Giessen 1999).
3.2.1 Scheinselbstständige ArbeitnehmerIn
§ 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV nennt vier Kriterien, die Indiz für eine abhängige Arbeit sind.
1. Es werden keine versicherungspflichtige ArbeitnehmerInnen beschäftigt, sondern lediglich Familienangehörige.
2. Es wird regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber gearbeitet.
3. Der/die ArbeitnehmerIn hat für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen zu erbringen, unterliegt den Weisungen des Auftragebers und ist in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert.
4. Der/die ArbeiternehmerIn tritt nicht-unternehmerisch am Markt auf.
Liegen mindestens zwei der vier der genannten Kriterien vor, wird eine Beschäftigung gegen Entgelt vermutet.
Die Vermutung gilt nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV nicht für Handelsvertreter, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Die gesetzliche Vermutung kann durch den Betroffenen bzw. durch seine Auftraggeber anhand sämtlicher Tatsachen, die die Selbstständigkeit der Tätigkeit belegen, widerlegt werden. Gelingt es nicht die Vermutung zu widerlegen, erhält der Scheinselbstständige Arbeitnehmerstatus. Der/die ArbeitgeberIn muss bis zu einem Zeitraum von vier Jahren die nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend entrichten. Für die Zukunft müssen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn (Scheinselbstständige) ihre Beiträge für alle Sozialversicherungen, also auch für die Rentenversicherung, anteilig zahlen.
3.2.2 Arbeitnehmerähnliche Selbstständige und Handelsvertreter
Wird die gesetzliche Vermutung widerlegt, so gibt die Krankenversicherung die Vorgänge zur weiteren Prüfung an die Rentenversicherung ab. Handelt es sich bei den Betroffenen um arbeitnehmerähnliche Selbstständige und Handelsvertreter, entfällt zwar ihre Pflicht, Krankenversicherungs- und andere Sozialbeiträge zu zahlen, sie bleiben jedoch grundsätzlich rentenversicherungspflichtig.
3.3.3 Fazit
Die Umwandlung von versicherungspflichtige Arbeitsplätze in sog. versicherungsfreie Arbeitsverhältnisse (geringfügige Beschäftigungen) nahmen in den 90er-Jahren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zu. Von 1992 bis 1997 stieg die Zahl der geringfügigen Arbeitsverhältnisse von 4,4 auf 5,6 Millionen Menschen, also um 25 %. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten um 1,8 Millionen zurück. Bis zu 40 % des Personals von Einzelhandelsketten war geringfügig beschäftigt.
Die Umstellung erfolgt in den meisten Fällen auf Grund der Kostenersparnis und Rationalisierung in den Unternehmen. Für die Zeitungsverlage ist es z. B. billiger wenn sie die Zusteller nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigen müssen. Der dadurch ersparte Arbeitgeberanteil bei den Sozialversicherungsabgaben ist aus Sicht der Unternehmen eine enorme Kostenreduktion, die zu höheren Unternehmensgewinnen führt. Des Weiteren wird in der öffentlichen Diskussion verschwiegen, dass in den letzten Jahren ein großer Missbrauch mit den sog. 630-DM-Jobs betrieben wurde, wenn ausgebildete Bäckerlehrlinge von der Bäckerei nicht übernommen wurde, sondern unter mehreren Namen auf 630-DM-Basis weiter in der Bäckerei arbeiteten. Das diese Beschäftigten dann nicht in die Kranken- oder Rentenkassen ihre Beiträge einbezahlten, führte letztendlich zu der heutigen finanziellen Miesere des Sozialversicherungssystems. Und die Ehrlichen sind weiterhin die Dummen, denn wer seine Beiträge oder Steuern korrekt bezahlt, zahlt im Bedarfsfall für die MissbrauchsbetreiberInnen, wenn diese einmal krank werden oder Sozialhilfe erhalten. Einer solchen unsolidarischen Verhaltensweise will die Bundesregierung mit ihrer seit dem 1.4.1999 in Kraft getretenen Gesetzesregelung wirkungsvoll entgegen treten.
Natürlich hätten die Neuregelungen unkomplizierter vorgestellt werden können. Auch hätten die Krankenkassen und Finanzämter besser auf die Umstellung vorbereitet werden müssen. Aber diese Schwächen rechtfertigen in keinster Weise den Sturm der Entrüstung, der vor allem in der öffentlichen Diskussion zu Tage trat. Festzuhalten bleibt, dass eine ganze Reihe von Gewerbezweige ihre ehemals geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in reguläre Teilzeitstellen oder in reguläre Arbeitsplätze (meist Halbtagsstellen) umgestellt haben. Eine überwiegende Mehrheit der ArbeitgeberInnen führt stattdessen die bestehenden 630-DM-Jobs weiter und zahlt an Stelle der pauschalen Steuer jetzt Sozialabgaben für Rente und Krankenkasse. Auch die heutige Regelung zu den Scheinselbstständigen führt bei Nachweis von mindestens zwei der vier genannten Kriterien zur Abgabe von Beiträgen in die Sozialverischerungskassen. Der finanzielle Effekt für das Sozialversicherungssystem besteht darin, dass durch die vermehrten Beitragszahlungen die Finanzierung der Renten- und Krankenversicherung über eine breitere Finanzierungsbasis langfristig gesichert wird.
4.0 Zusammenfassung
1. Die rechtlichen Grundlagen des Sozialstaates sind im Grundgesetz in den Artikeln 20 und 28 festgehalten.
2. Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat auf zwei allgemeine Ziele, nämlich die soziale Sicherheit und den sozialen Ausgleich.
3. Das Sozialstaatsgebot wird von dem Bund, den Ländern und den Gemeinden sowie den jeweiligen staatlichen Behörden und Stellen in die Praxis umgesetzt.
4. Jeder/jede ArbeitnehmerIn darf im Monat nur noch einen 630-DM-Job haben. Die Arbeitgeber müssen keine pauschale Lohnsteuer von 20 % zahlen, sondern 22 % Sozialversicherungsbeiträge.
5. Bei Scheinselbstständigen die mindestens zwei der vier Kriterien aus dem SGB IV erfüllen, müssen AuftraggeberIn (= ArbeitgeberIn) und ArbeiternehmerIn anteilig Beiträge an die Sozialversicherungsträger leisten.
6. Die beiden gesetzlichen Neuregelungen schränken den Missbrauch der geringfügig Beschäftigten in der Vergangenheit effektiv ein und führen zu einer breiteren Finanzierungsbasis der Sozialversicherungen infolge größerer Beitragszahlungen.
5.0 Schriftenverzeichnis
Bäcker, G. & Ebert, T. (1996): Zukunft des Sozialstaates.- Mininsterium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen [Hrsg.]: 582 S.; Düsseldorf.
Beck C. H. (1994): Grundgesetz.- 32: 183 S.; München (dtv).
Bund der Steuerzahler (1999): Sozialversicherungspflicht - Ausweitung auf Selbstständige.3: S. 40; Bonn.
IHK Friedberg und Giessen (1999): Merkblatt "Scheinselbstständige und arbeitnehmerähnliche Selbstständige".- Friedberg.
Informationen zur politischen Bildung (1990): Der Sozialstaat.- 215: 48 S.; Bonn.
- Arbeit zitieren
- Meike Spielmann (Autor:in), 1999, Grundzüge des Sozialstaates unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Diskussion um die 630-DM-Jobs und die Scheinselbstständigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94718
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