Wie genau funktioniert die Einzelfallhilfe? Welche Aufgaben und Ziele werden verfolgt? Und mit welchen Problemsituationen werden Fachkräfte konfrontiert? Zunächst erklärt der Autor, woher die Einzelfallhilfe kommt, wie sie entstanden ist, in welchem Stand es heute steht und worum es bei der Einzelfallhilfe wirklich geht. Daraufhin folgt das Phasenmodell des „Dreischritts“, woran sich Konzepte des Fallverstehens in der Praxis der Sozialen Arbeit orientieren. Anschließend geht es um das Begriff Case Management, ein Konzept zur geplanten Unterstützung von Einzelnen und Familien, welches in der Einzelfallhilfe einen hohen Stellenwert erlangt hat. In Erstgesprächen werden Fachkräfte mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert. Durch die veränderten Lebenslagen der Menschen, der belastenden Problemsituationen und durch den gestiegenen rechtlichen Anspruch auf professionelle Hilfestellungen werden die Anforderungen an die Einzelfallhilfe immer höher. Zum Schluss der Arbeit wird anhand eines Fallbeispiels eine schwierige Erstgesprächssituation zwischen einer Klientin und Sozial Arbeiterin dargestellt.
Einzelfallhilfe ist neben sozialer Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit eine der drei grundlegenden sozialpädagogischen Interventionsformen zur Lösung psychischer, materieller, gesundheitlicher oder sozialer Probleme. Ihre spezifischen Strategien zur Bewältigung dieser Probleme setzen dabei speziell am Individuum, dem Klienten, an.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Einzelfallhilfe
2.1 Geschichte
2.2 Rechtliche Grundlagen
3 Phasenmodell des „Dreischritts“
4 Das diagnostische, psychosoziale, funktionalistische Konzept
5 Case Management
6 Erstgespräche
7 Fallbeispiel
8 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Einzelfallhilfe ist neben sozialer Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit eine der drei grundlegenden sozialpädagogischen Interventionsformen zur Lösung psychischer, materieller, gesundheitlicher oder sozialer Probleme. Ihre spezifischen Strategien zur Bewältigung dieser Probleme setzen dabei speziell am Individuum, dem Klienten, an. Im Mittelpunkt der Arbeit der Einzelfallhilfe, steht der einzelne soziale Problemfall. Alle Konzepte der Einzelfallhilfe gehen davon aus, dass in einer Stärkung des Individuums die erfolgreichste Strategie zur Lösung seiner Probleme zu suchen ist. Mit „Hilfe zur Selbsthilfe“ soll das Ziel einer emanzipierten, authentischen und verantwortlichen Persönlichkeit erreicht werden, die anschließend keiner weiteren professionellen Unterstützung mehr bedarf. Aber wie genau funktioniert die Einzelfallhilfe? Welche Aufgaben und Ziele werden verfolgt? Und mit welchen Problemsituationen werden Fachkräfte konfrontiert?
Zunächst erkläre ich in dieser Hausarbeit, woher die Einzelfallhilfe überhaupt kommt, wie sie entstanden ist, in welchem Stand es heute steht und worum es bei der Einzelfallhilfe wirklich geht. Daraufhin folgt das Phasenmodell des „Dreischritts“, woran sich Konzepte des Fallverstehens in der Praxis der Sozialen Arbeit orientieren. Der klassische Ansatz in der Einzelfallhilfe gliedert sich in Anamnese, soziale Diagnose und Intervention. Diese hat Alice Salomon (1926) zufolge der Arbeiten von Mary Richmond (1917) im deutschen Sprachraum für Soziale Arbeit eingeführt. Anschließend geht es um das Begriff Case Management, ein Konzept zur geplanten Unterstützung von Einzelnen und Familien, welches in der Einzelfallhilfe einen hohen Stellenwert erlangt hat. In Erstgesprächen werden Fachkräfte mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert. Durch die veränderten Lebenslagen der Menschen, der belastenden Problemsituationen und durch den gestiegenen rechtlichen Anspruch auf professionelle Hilfestellungen werden die Anforderungen an die Einzelfallhilfe immer höher. Zum Schluss der Arbeit wird anhand eines Fallbeispiels eine schwierige Erstgesprächssituation zwischen einer Klientin und Sozial Arbeiterin dargestellt.
2 Die Einzelfallhilfe
Die Einzelfallhilfe, die auch die soziale Einzelfallhilfe genannt wird, ist einer der vielen Methoden der Sozialen Arbeit. Neben der sozialen Gruppenarbeit und der Gemeinwesenarbeit gehört die Einzelfallhilfe zu den drei grundlegenden sozialpädagogischen Interventionsformen zur Lösung von psychischen, materiellen gesundheitlichen oder sozialen Problemen. Darüber hinaus kommt die Einzelfallhilfe in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit zur Anwendung; zum Beispiel in Beratungen wie die Schuldnerberatung oder Konfliktberatung, in Vermittlung materieller Hilfen wie die Wohnungslosenhilfe oder in der Einleitung und Durchführung präventiven, unterstützenden, therapeutischen oder rehabilitierenden Maßnahmen wie die Behindertenhilfe und Familienhilfe. Im Mittelpunkt der Arbeit steht der einzelne soziale Problemfall, ein einzelner Mensch oder Familien, die in irgendeiner Form persönliche Hilfe benötigen. Je nach Problemlage können auch weitere Problembeteiligte in die Einzelfallhilfe einbezogen werden.
2.1 Geschichte
Die Einzelfallhilfe, auch soziale Einzelhilfe oder Casework, gilt als die älteste Methode der Sozialen Arbeit. Sie wurde ab 1890 in den USA in der Phase der beginnenden Verberuflichung der Sozialen Arbeit entwickelt. Buchhalterin Mary Richmond (1861-1928), bemühte sich besonders viel als eine Mitarbeiterin einer Wohlfahrtsorganisation um eine offizielle Mittelverteilung in der Armenpflege. Armut und weitere andere psychosoziale Probleme sollten nun systemisch untersucht werden, um sowohl kostensparender als auch wirksamer helfen zu können (Kreft 2010: S.59ff).
2.2 Rechtliche Grundlagen
In Deutschland sind viele sozialstaatliche Leistungen im Sozialgesetzbuch verankert. Die Einzelfallhilfe wird z.B. gewährt als Leistung für Menschen in besonderen Lebenslagen, dazu gehört auch die Wohnungslosenhilfe nach § 67, § 68 SGB XII, für Personen mit einer Behinderung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 53, § 54 SGB XII und für Jugendliche, die einer intensiven Unterstützung bei der sozialen Integration bedürfen nach § 35 SGB VIII (Kreft 2010: S.60f).
3 Phasenmodell des „Dreischritts“
In der Praxis der Sozialen Arbeit orientieren sich Konzepte des Fallverstehens am Phasenmodell des „Dreischritts“. Diese hat Alice Salomon (1926) zufolge der Arbeiten von Mary Richmond (1917) im deutschen Sprachraum für Soziale Arbeit eingeführt. Der klassische Ansatz in der Einzelfallhilfe gliedert sich in Anamnese, soziale Diagnose und Intervention.
In der ersten Phase der Anamnese geht es um die Sammlung relevanter Daten, wichtige Fakten und Hintergrunde, die zur Bewertung des vorliegenden Falles notwendig sind. Anamnese bedeutet also, die breite Sammlung von Informationen, um zu einem angemessenen Fallverständnis zu gelangen. Dazu gehören unbedingt Informationen zur Problemlage, Lebenssituation, Lebensgeschichte, zum sozialen Umfeld und Milieu, zum sozialen Netzwerk zu Ressourcen und zum kulturellen Orientierungsrahmen. Außerdem gehört dazu auch die Sammlung von Informationen über soziale Auffälligkeiten oder Einschränkungen, sowie die Erhebung von Wissen über die Geschichte des Falles, die Erfahrungen mit dem Fall, dessen Verbindung mit Institutionen. Diese Informationen werden durch Beobachtungen, Gespräche, Fremderzählungen, Fragebögen oder die Erfassung der bisherigen Hilfegeschichten mit all ihren Fehlern gesammelt. Die zweite Phase des Dreischritt Phasenmodells, die soziale Diagnose, bezeichnet man als einer zusammenfassenden und verdichtenden Deutung nach der Untersuchung der gesammelten und festgestellten Ergebnisse. Salomon (1926) meinte mit sozialer Diagnose viel mehr als die Zusammenfassung der ermittelten Informationen: „Der Sozialarbeiter muss die Beobachtungen über Tatsachen und Symptome und die erhaltenen Aussagen prüfen und vergleichen, bewerten und Schlüsse daraus ziehen. Erst dadurch kann er ein möglichst genaues zutreffendes Gesamtbild der sozialen Schwierigkeiten eines Menschen und seiner Familie herstellen, das ihm ermöglicht, einen Plan für die Abhilfe zu fassen. Das ist die sogenannte Diagnose“ (1928, S. 26f). Darüber hinaus verstand Richmond unter soziale Diagnose die mehrsichtige, mehrperspektivische, kulturanalytische, biografisch einfühlsame und szenisch interpretative, wissenschaftlich empirische Untersuchung und Deutung der Lebenssituation der Klienten. Außerdem betonte sie dabei die Notwendigkeit einer besonderen Sensibilität für die Bedeutung von Schlüsselsymbolen, wie z.B. auffällige Metaphern im Sprachgebrauch der Adressaten, ungewöhnliche Beziehungskonstellationen in der Familie, leibliche Symbole etc. (Schütze 1994, S. 197). Die dritte Phase wird als Phase der Intervention beschrieben. Es gibt unterschiedliche Interventionsansätze, die sich jedoch auf zwei Elemente reduzieren lassen: die helfende Beziehung und in ihr das Gespräch (vgl. Galuske 2005, S. 84). Folgende Ansätze hielt Richmond für eine gelungene Intervention für besonders wichtig: Beratung, Herstellung eines Arbeitskontextes, Erarbeitung eines gemeinsamen Behandlungsplans, Wiederherstellung der Gesundheit und des körperlichen Erscheinungsbildes, Erlernen von Haushaltsroutinen, biografische Arbeit, Bildung und Aktivierung des sozialen Umfelds.
Richmond und Salomon verfolgten, in ihren grundlagentheoretischen Arbeiten zum fallbezogenen professionellen Handeln eine wissenschaftliche Fundierung des Sozialarbeiterischen Handelns. Außerdem wollten sie die Soziale Arbeit professionalisieren und die gesellschaftliche Anerkennung für den Beruf fördern. Ihre Lehrbücher sowie das Modell des Dreischritts sollten empirisch fundiertes Wissen und Orientierung vorlegen, das lehr- und lernbar sein sollte. Eine Weiterentwicklung der Einzelfallhilfe fand in den 1950er, 1960er und 1970er Jahre statt (Griesehop, Rätz, Völter 2012: S.12 ff).
4 Das diagnostische, psychosoziale, funktionalistische Konzept
In der Einzelfallhilfe sind mehrere verschiedene Handlungskonzepte aufeinander gebaut. Hierzu gehören das diagnostische, psychosoziale und das funktionalistische Konzept. Beim diagnostischen Konzept wird das ganze Leben als Problembewältigung gesehen, die der Mensch, meist selber lösen kann. Bei diesem Konzept soll ein oder mehrere akute Probleme gelöst werden. Hier gehören zu den Aufgaben der Sozial Arbeiter, Motivation und Stärkung von Ich-Kräften zu aufbauen und mögliche Mitteln zur Problemlösung vorstellen. Es geht also darum, als Sozial Arbeiter dem Klient die Probleme deutlich zu machen, ihm Hilfen und Wege zeigen und ihn über mögliche Konsequenzen aufklärt.
Das psychosoziale Konzept richtet sich auf das System der betroffenen Person und Personen im sozialen Umfeld. Hier soll der Sozial Arbeiter das gesamte Feld des Klienten modifizieren und animieren, über die Situation nachzudenken und daraus Konsequenzen ziehen. Ziel dieses Konzeptes ist die Mobilisierung der persönlichen Stärken des Klienten.
Anders als bei anderen Konzepten, ist der Klient beim funktionalistischen Konzept eigenverantwortlich, kann selbst entscheiden und seine Persönlichkeit selbst entwickeln. Währenddessen soll der Sozial Arbeiter dem Klienten Hilfen zur Verfügung stellen und den Hilfeprozess kontrollieren (Griesehop, Rätz, Völter 2012: S.83 ff).
5 Case Management
In Theorie und Praxis hat die der Einzelfallhilfe, hat der Begriff Case Management einen hohen Stellenwert erlangt. Caseworker oder Case Manager handeln nicht mehr als „Helfer“, sondern als erfolgskontrollierte Dienstleister nach festgelegten, überprüfbaren professionellen Standards. Case Management ist eine Verfahrensweise in der Einzelfallhilfe zu dem Zweck, bedarfsentsprechend im Einzelfall nötige Unterstützung, Behandlung, Begleitung, Förderung und Versorgung von Menschen angemessen durchzuführen. Darüber hinaus wurde Case Management zunächst als Erweiterung der Einzelfallhilfe in den USA entwickelt und ist zu einer methodischen Neuorientierung in der Sozialen Arbeit geworden. Case Management soll Fachkräfte im Sozial- und Gesundheitswesen befähigen, unter komplexen Bedingungen Hilfemöglichkeiten abzustimmen und die vorhandenen institutionellen Ressourcen im Gemeinwesen oder Arbeitsfeld koordinierend heranzuziehen. Aufgabe des Case Managements ist es, zielgerichtetes System von Zusammenarbeit zu organisieren, zu kontrollieren und auszuwerten, das am konkreten Unterstützungsbedarf der einzelnen Person ausgerichtet ist und deren Herstellung die betroffene Person konkret beteiligt wird.
Die Fallarbeit mit Familien und Einzelnen rückt immer wieder verstärkt in den Mittelpunkt der Fachdiskussion. Durch die veränderten Lebenslagen der Menschen, der belastenden Problemsituationen und durch den gestiegenen rechtlichen Anspruch auf professionelle Hilfestellungen werden die Anforderungen an die Einzelfallhilfe immer höher. Darüber hinaus fordern komplexer gewordene Lebenssituationen und neue handlungstheoretische Erkenntnisse des systemischen Denkmodells die Soziale Arbeit heraus, Konzepte zu entwerfen, in der die durchgängige Fallverantwortung eine besondere Rolle spielt. Daher ist das Konzept des Case Managements, eine qualifizierte Fortschreibung der Soziale Einzelhilfe. Das Konzept Case Management, das nicht nur öko-soziale und strukturelle Gesichtspunkte berücksichtigt, zeichnet sich aus durch:
- Die Notwendigkeit von Beziehungsarbeit
- Große Sensibilität hinsichtlich psychischer Bedürfnisse und Prozesse, die soziale und gesundheitliche Probleme begleiten
- Ein dynamisches Verständnis von den Systemen, in denen sich die Betroffenen und die Case Manager/innen begegnen und sich auseinandersetzen
- Das Nutzbarmachen von persönlichen Ressourcen, Flexibilität und Eigenverantwortung bei Klienten/innen und bei dem sie umgebenden Ressourcensystem
- Nachhaltigkeit und Wirksamkeit in der Fallarbeit
Also bietet Case Management die Chance, einzelfallorientiertes Vorgehen mit personaler Netzwerkarbeit und Sozialraumorientierung allumfassend verbinden zu können. Dies gibt den Betroffenen mehr Sicherheit, in ihren vielsichtigen Problemen differenzierte Hilfestellungen zu finden, Belastungen und Benachteiligungen, in der auf sie zugeschnittenen Form und zum richtigen Zeitpunkt, bei gleichzeitig weniger zu leistenden Anpassungsbemühungen. Ziel des Case Managements ist es, Hilfen anzubieten, die so wenig wie möglich in die bestehende und gewohnte Lebenswelt eingreifen. Für die Hilfen werden die eigenen Ressourcen des Betroffenen und ihn umgebenden sozialen Netze die Ausgangspunkte (Neuffer 2013: S.20f).
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- Quote paper
- Merve Genc (Author), 2019, Einzelfallhilfe in der Sozialen Arbeit. Aufgaben und Ziele, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/946977
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