Nachdem das Vereinigte Königreich als erstes größeres Land 1821 zum Goldstandard übergegangen war, setzte sich dieser Währungsstandard gegenüber dem Bimettalismus (Gold-Silber-Währung) bzw. dem reinen Silberstandard in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch. Seit ungefähr 1880 bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges gehörten praktisch alle wirtschaftlich bedeutenden Länder dem Goldstandard an. Dieser internationale Goldstandard war dadurch geprägt, dass einzelne Länder eine Parität ihrer Währung zum Gold herstellten. Zu dieser Parität mussten dann die jeweiligen Währungsbehörden Gold gegen ihre heimische Währung eintauschen.
Die Zeit des klassischen Goldstandards (etwa 1880 bis 1914) war mit Beginn des ersten Weltkrieges beendet. Im Gegensatz zum System von Bretton Woods und dem Europäischen Währungssystem, die ebenfalls Festkurssysteme darstellen, führten somit keine Systemdefekte zu dessen Zusammenbruch. Dies wirft die Frage auf, ob der Goldstandard ein stabilitätsgerechtes Festkurssystem darstellt. Ziel dieser Arbeit ist es, diese Frage zu untersuchen.
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem System von Bretton Woods und dem System des Floating wurden folgende Mindestanforderungen an ein stabilitätsgerechtes Festkurssystem formuliert:
Kriterium I: In allen beteiligten Ländern sollten die Auswirkungen von Interventionen in Bezug auf die Geldbasis nicht sterilisiert werden, damit die Geldbasis durch Interventionen ceteris paribus in der Summe nicht zunimmt.
Kriterium II: Die Regeln des Systems müssen gewährleisten, dass es nicht zu einer inflationären Zunahme der Weltgeldbasis kommen kann und dass ein deflationärer Druck auf die Weltwirtschaft im Ganzen vermieden wird.
Um den Goldstandard unter Stabilitätsgesichtspunkten zu untersuchen, wird in dieser Arbeit wie folgt vorgegangen: In Abschnitt 2 wird auf grundlegende Merkmale des Goldstandards eingegangen. Darauf aufbauend wird in Abschnitt 3 die theoretische Funktionsweise des Goldstandards dargestellt; dadurch soll insbesondere geklärt werden, ob im Goldstandard die formulierten Mindestanforderungen erfüllt waren. Eine diesbezügliche Bewertung des Goldstandards sowie eine Zusammenfassung erfolgen abschließend in Abschnitt 4.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Historischer Hintergrund
2 Grundlegende Merkmale des Goldstandards
3 Theoretische Funktionsweise des Goldstandards
3.1 Der Goldautomatismus
3.2 Die Geldwertstabilität
3.3 Der Geldmengen-Preismechanismus
3.4 Die monetäre Zahlungsbilanztheorie
4 Abschließende Bewertung des Goldstandards unter Stabilitätsgesichtspunkten
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Die Erscheinungsformen des Goldstandards
Abb. 2: Der Goldimport- und der Goldexportpunkt
Abb. 3: Der Anpassungsprozess des Geldmengen-Preismechanismus
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Historischer Hintergrund
Nachdem das Vereinigte Königreich als erstes größeres Land 1821 zum Goldstandard übergegangen war, setzte sich dieser Währungsstandard gegenüber dem Bimettalismus (Gold-Silber-Währung) bzw. dem reinen Silberstandard in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts durch. Seit ungefähr 1880 bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges gehörten praktisch alle wirtschaftlich bedeutenden Länder dem Goldstandard an (Dürr 1981, S. 700 f.). Dieser internationale Goldstandard war dadurch geprägt, dass einzelne Länder eine Parität ihrer Währung zum Gold herstellten. Zu dieser Parität mussten dann die jeweiligen Währungsbehörden Gold gegen ihre heimische Währung eintauschen (Görgens/Ruckriegel/Seitz 2004, S. 52).
Die Zeit des klassischen Goldstandards (etwa 1880 bis 1914) war mit Beginn des ersten Weltkrieges beendet. Im Gegensatz zum System von Bretton Woods und dem Europäischen Währungssystem, die ebenfalls Festkurssysteme darstellen, führten somit keine Systemdefekte zu dessen Zusammenbruch (Jarchow/Rühmann 2000, S. 12 ff.). Dies wirft die Frage auf, ob der Goldstandard ein stabilitätsgerechtes Festkurssystem darstellt. Ziel dieser Arbeit ist es, diese Frage zu untersuchen.
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem System von Bretton Woods und dem System des Floating wurden folgende Mindestanforderungen an ein stabilitätsgerechtes Festkurssystem formuliert (Bofinger 1985, S. 180):
Kriterium I: In allen beteiligten Ländern sollten die Auswirkungen von Interventionen in Bezug auf die Geldbasis nicht sterilisiert werden, damit die Geldbasis durch Interventionen ceteris paribus in der Summe nicht zunimmt.
Kriterium II: Die Regeln des Systems müssen gewährleisten, dass es nicht zu einer inflationären Zunahme der Weltgeldbasis kommen kann und dass ein deflationärer Druck auf die Weltwirtschaft im Ganzen vermieden wird.
Um den Goldstandard unter Stabilitätsgesichtspunkten zu untersuchen, wird im Weiteren wie folgt vorgegangen: In Abschnitt 2 wird auf grundlegende Merkmale des Goldstandards eingegangen. Darauf aufbauend wird in Abschnitt 3 die theoretische Funktionsweise des Goldstandards dargestellt; dadurch soll insbesondere geklärt werden, ob im Goldstandard die formulierten Mindestanforderungen erfüllt waren. Eine diesbezügliche Bewertung des Goldstandards sowie eine Zusammenfassung erfolgen abschließend in Abschnitt 4.
2 Grundlegende Merkmale des Goldstandards
Hinsichtlich der Ausgestaltung des Goldstandards lassen sich die Goldumlaufswährung und die Goldbarrenwährung unterscheiden (vgl. Abb. 1). Bei der Goldbarrenwährung lösen Währungsbehörden Noten in Goldbarren ein und kaufen Gold gegen Abgabe von Noten. Es befinden sich somit keine vollwertigen Goldmünzen im Umlauf. Im Gegensatz hierzu besteht bei der Goldumlaufswährung in reiner Form der Zahlungsmittelumlauf nur aus vollwertigen Münzen. Bei der gemischten Goldumlaufswährung sind sowohl vollwertige Goldmünzen als auch Banknoten im Umlauf. Die umlaufenden Banknoten können vollständig oder teilweise durch die Goldreserven der Währungsbehörden gedeckt sein. Bei der teilweisen Deckung können grundsätzlich zwei Systeme unterschieden werden: das Fiduziärsystem und das Proportionalsystem. Beim Fiduziärsystem ist eine bestimmte Notengeldmenge (das „Vertrauenskontingent“) ungedeckt, während die darüber hinausgehende Notengeldmenge zu 100 v. H. durch Gold gedeckt ist. Beim Proportionalsystem wird dagegen ein bestimmter Teil der gesamten Notengeldmenge durch Gold gedeckt. Empirisch fanden beide Systeme der teilweisen Deckung in der Zeit des Goldstandards Anwendung, da mit einer vollständigen Deckung u. a. hohe Ressourcenkosten verbunden gewesen wären (Bordo 1981, S. 4; Dürr 1981, S. 700; Jarchow/Rühmann 2000, S. 16).
Abb. 1: Die Erscheinungsformen des Goldstandards
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Jarchow/Rühmann 2000, S. 16.
Wird nun der Frage nachgegangen, was den Goldstandard definiert, richtet sich das Augenmerk auf die im letzten Abschnitt bereits erwähnte Goldparität. Für die Entstehung eines internationalen Goldstandards ist es erforderlich, dass die Regierungen der beteiligten Länder den Goldwert der nationalen Geldeinheit, die sog. Goldparität, ein für alle Mal festlegen und Gold zu dieser Parität eintauschen. Die Regeln des Goldstandards erfordern überdies, dass jedes Land den ungehinderten Import und Export von Gold zulässt. Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich aus der Fixierung von Goldparitäten fixe Wechselkurse zwischen sämtlichen Währungen. Wenn beispielsweise Paritäten von 1 Mark = 1/2790 kg Feingold und 1 Pfund = 1/136,57 kg Feingold wie zur Zeit des klassischen Goldstandards bestehen, dann gilt 1 kg Feingold = 2790 Mark = 136, 57 Pfund. Daraus resultiert 1 £ = 20,43 M[1] als sog. Parikurs zwischen den beiden Währungen (Jarchow/Rühmann 2000, S. 16 f.; Krugman/Obstfeld 2006, S. 603).
Zu den traditionellen Vorstellungen über den internationalen Goldstandard gehört schließlich, dass sog. „rules of the game“ (deutsch: Spielregeln) befolgt werden. Der Ausdruck “rules of the game” wird häufig auf Keynes zurückgeführt. Dennoch hat er nicht wörtlich aufgeführt, was seiner Meinung nach die wichtigen Spielregeln waren (Bloomfield 1964, S. 47; McKinnon 1993, S. 1). Da der internationale Goldstandard nicht durch ein von mehreren Staaten gezielt geplantes und gemeinsam vereinbartes Vertragswerk geschaffen wurde,[2] bestehen weder international fixierte Regeln noch eine feststehende Auffassung der „rules of the game“ (Bofinger 1991, S. 276 f.). Dies spiegelt sich in der Literatur dadurch wider, dass sich völlig übereinstimmende Definitionen der Spielregeln nicht finden lassen. Im Wesentlichen können die von Argy (1981) genannten drei Regeln festgehalten werden:
I. In allen beteiligten Ländern muss der Preis der heimischen Währung bezüglich des Goldes festgelegt sein.
II. Freier Import und Export von Gold muss gewährleistet sein.
III. Keines der beteiligten Länder nimmt im Fall von Goldzuflüssen oder -abflüssen eine Sterilisierungspolitik vor, sodass Geldmengenänderungen möglich sind.
Die ersten beiden Regeln entsprechen den beschriebenen Voraussetzungen, aus denen sich feste Wechselkurse ergeben. Die dritte Regel wird von einigen Autoren durch eine mehr aktive Interpretation ergänzt: Währungsbehörden heben bei einer Verschlechterung der Metalldeckung der Banknoten ihren Diskontsatz an und senken ihn bei einer Verbesserung. Hierdurch werden die Zinsänderungen akzentuiert, die sich bei Goldzuflüssen oder -abflüssen aufgrund von Geldmengenänderungen ergeben (Argy 1981, S. 11; Bloomfield 1964, S. 47; Bordo 1993, S. 162; Jarchow/Rühmann 2000, S. 25; McKinnon 1993, S. 3 f.).
Hinsichtlich der Rolle der Währungsbehörde im Goldstandard beschränken die „rules of the game“ diese auf diejenige einer „Hüterin“ der Goldwährungsparität. Währungsbe-hörden sichern die Parität gegen kurzfristig wirksame Ungleichgewichte durch die kurzfristige Variation ihrer Zinssätze. Darin bestand auch die Hauptaktivität der Währungsbehörden in der Zeit des Goldstandards. Sie wurden somit von der Aufgabe entbunden, Preisstabilität zu gewährleisten und damit die Geldmenge zu kontrollieren (Barro 1979, S. 31; Streissler 1990, S. 122).
3 Theoretische Funktionsweise des Goldstandards
3.1 Der Goldautomatismus
Der Goldautomatismus bezeichnet den Kursstabilisierungsmechanismus, der dem Gold-standard innewohnt (Seeger 1968, S. 16).[3] In diesem Abschnitt soll somit auf die Frage eingegangen werden, wie feste Wechselkurse durch den Goldstandard gewährleistet werden.
Die Goldarbitrage stellt sicher, dass der Wechselkurs auf dem Devisenmarkt sich nicht wesentlich vom Parikurs entfernen kann. Kommt es etwa zu einer Aufwertung der ausländischen Währung dergestalt, dass beispielsweise der Pfundkurs wesentlich unter den Parikurs von 20,43 M/£ auf z. B. 20,35 M/£ fällt, lassen sich mit Goldarbitragegeschäften Gewinne erzielen, indem:
- Pfundbeträge auf dem Devisenmarkt gekauft werden (z. B. 1 £ gegen 20,35 M),
- diese gegen Gold an die englische Zentralbank verkauft werden (1 £ gegen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten kg Gold) und
- der erworbene Goldbetrag importiert und an die deutsche Zentralbank verkauft wird (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten kg Gold gegen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten 2790 M = 20,43 M).
Hierbei ergibt sich ein Erlös, der der Differenz zwischen Parikurs und Pfundkurs entspricht; aus dem Goldimport resultiert ein Erlös von 0,08 M (= 20,43 – 20,35).
Zu den dargestellten Arbitragebewegungen kommt es jedoch nur bei Unter- bzw. Überschreiten der sog. Goldpunkte. Diese werden durch die mit Goldbewegungen verbundenen Kosten für Transport und Versicherung sowie entgangenen Zinsertrag bestimmt. Belaufen sich diese Kosten z. B. auf t Mark, bezogen auf eine Goldmenge im Wert von 1 £, dann werden Goldimporte bzw. -exporte erst dann lohnend, wenn der Erlös aus der Goldarbitrage die Kosten in Höhe von t Mark deckt. Somit kann der Wechselkurs am Devisenmarkt nur im Bereich des sog. unteren Goldpunktes bzw. Goldimportpunktes wAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und des sog. oberen Goldpunktes bzw. Goldexportpunktes wAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten um den Parikurs wAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten schwanken (vgl. Abb. 2); die Devisenangebotskurve (S) wird bei Überschreiten von wAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und die Devisennachfragekurve (D) bei Unterschreiten von wAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten völlig elastisch (Görgens/ Ruckriegel/Seitz 2004, S. 52; Jarchow/Rühmann 2000, S. 17 f.).
Abb. 2 : Der Goldimport- und der Goldexportpunkt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Jarchow/Rühmann 2000, S. 19.
In der Realität waren die Goldbewegungen zwischen den Goldstandardländern allerdings erstaunlich gering. Eine wesentliche Erklärung hierfür bieten kurzfristige Kapital-bewegungen im Goldstandard, die Devisenbilanzungleichgewichten nicht nur entgegenwirkten, sondern sie auch gar nicht erst entstehen ließen. Dies liegt in einer stabilisierenden Spekulation begründet, zu der es infolge der Begrenzung der Schwankungsbreite der Wechselkurse durch die Goldpunkte kommt. Bei einer Annäherung z. B. des Pfundkurses an den unteren Goldpunkt, ist mit dessen Steigen in der Zukunft zu rechnen. Es besteht daher ein Anreiz zu Kapitalexporten, da die spätere Liquidierung der Pfundanlagen einen Kursgewinn verspricht. Mit Kapitalexporten geht eine Erhöhung der Pfundnachfrage einher, wodurch der Pfundkurs steigt und sich somit wieder vom unteren Goldpunkt entfernt. Entsprechend regt eine Annäherung des Wechselkurses an den oberen Goldpunkt die Spekulation zu Kapitalimporten an, wodurch der Wechselkurs letztlich wieder sinkt.
[...]
[1] Der Wert 20,43 resultiert aus 2790/136,57.
[2] Dieser entstand gleichsam spontan aus dem Eigeninteresse der beteiligten Länder, die nach und nach die wesentlichen Regeln der britischen Goldwährung in ihren nationalen Währungsverfassungen übernahmen.
[3] An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der in Abschnitt 3.3 beschriebene Geldmengen-Preismechanismus von manchen Autoren (z. B. Krugman/Obstfeld 2006, S. 631 f.) als Goldautomatismus bezeichnet wird.
- Quote paper
- Diplom-Ökonomin Melanie Stahl (Author), 2007, Der Goldstandard (1880-1914) – ein stabilitätsgerechtes Festkurssystem?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94665
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