"Managed Care in der stationären Leistungserbringung: Innovative Integrierte Versorgung als Chance und Perspektive für Krankenhäuser" erklärt, was sich hinter dem Begriff der Integrierten Versorgung verbirgt und warum die Teilnahme an der Integrierten Versorgung und insbesondere die Gründung von Medizinischen Versorgungzentren für Krankenhäuser angesichts der schwierigen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitswesen in Zukunft eine Notwendigkeit darstellt, um überleben zu können. Die dem US-amerikanischen Managed-Care-Ansatz entlehnte Integrierte Versorgung bietet deutliches betriebswirtschaftliches Erfolgspotential, weshalb in diesem Zusammenhang Faktoren aufzeigt werden, die für eine gelungene Umsetzung unbedingt notwendig sind. Zwei Beispiele aus der Praxis verdeutlichen hier, wie solch eine Umsetzung konkret aussehen kann. Da die mit der Integrierten Versorgung einhergehenden Veränderungen nicht ohne Folgen für die Führungsebene und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben, wird im Verlauf auf die besondere Relevanz für das Krankenhausmanagement und die Profession der Pflege eingegangen. Am Ende der Arbeit werden neben aller Euphorie und positiver Aspekte auch die kritischen Seiten und ethischen Spannungsfelder dieser neuen Versorgungsform aufgezeigt. Denn trotz aller Hochgefühle bedarf es immer wieder einer kritischen Begutachtung, um möglichen Fehlentwicklungen rechtzeitig vorbeugen oder entgegen lenken zu können. John Kenneth Gailbraith, ein bekannter amerikanischer Wirtschaftsprofessor bemerkte dazu treffend: "Die Deutschen neigen in Ihrer grenzenlosen Bewunderung der USA dazu, die Vorzüge ihrer sozialen Marktwirtschaft herunterzuspielen. Doch sollten sie sich davor hüten, blindlings alles zu kopieren, was aus Amerika kommt".
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
1.3 Vorgehensweise und Literatur zum Thema
1.4 Motivation zum Thema
2 Managed Care
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Entstehungsgeschichte in den USA
2.3 Versicherungsorientierte Organisationen und –Produkte
2.3.1 Health Maintenance Organization (HMO)
2.3.2 Point-of-Service-Produkte (POS-Produkte)
2.4 Anbieterorientierte Organisationen und –Produkte
2.4.1 Independant Practice Association (IPA)
2.4.2 Preferred Provider Organizations (PPOs)
2.4.3 Provider Sponsored Organizations (PSOs)
2.4.4 Networks
2.4.5 Integrated Delivery Systems (IDS)
2.4.6 Physician Hospital Organizations (PHOs)
2.5 Managed-Care-Instrumente
2.6 Bewertung des amerikanischen Gesundheitssystems
2.7 Entwicklung von Managed Care in Deutschland
2.8 Übertragbarkeit auf das deutsche Gesundheitswesen
3 Integrierte Versorgung
3.1 Begriff und Zielsetzung der Integrierten Versorgung
3.2 Die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen
3.2.1 Gesundheitsreformgesetz
3.2.2 Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG)
3.2.3 Gesundheitsreform 2007 (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz)
3.3 Vertragsparteien, Vertragsarten und Vergütung
3.3.1 Vertragsparteien
3.3.2 Vertragsarten der Integrierten Versorgung
3.3.3 Vergütung zwischen den Vertragsparteien
3.4 Sozialrechtlich und parallel zulässige Versorgungsformen
4 Rahmenbedingungen, Chancen und Erfolgsfaktoren
4.1 Betriebwirtschaftliche Rahmenbedingungen
4.2 Chancen und Perspektiven für Krankenhäuser
4.3 Erfolgsfaktoren zur Umsetzung
4.3.1 Genaue Analyse und vorausschauende Planung
4.3.2 Strategie der umfassenden Kostenführerschaft
4.3.3 Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte
4.3.4 Kooperationen und Netzwerkbildung
4.3.5 Strategische Ergänzung durch ein MVZ
4.3.6 Instrumente und Methoden zur Prozessoptimierung
4.3.6.1 Institutionelle Leitlinien
4.3.6.2 Behandlungspfade
4.3.6.3 Case Management
4.3.6.4 Disease Management
5 Innovative Versorgungsmodelle
5.1 Ein Medizinisches Versorgungszentrum am Krankenhaus
5.1.1 Entstehungsgeschichte
5.1.2 Konzeption der Versorgung
5.1.3 Management und Vergütung
5.1.4 Ergebnisse für das Klinikum und das MVZ
5.2 Vollversorgungsprojekt „Gesundes Kinzigtal“
5.2.1 Einsparcontracting
5.2.2 Leistungsinhalte des Vertrages
5.2.3 Management des Kinzigtal-Vertrages
5.2.4 Informationstechnische Anforderungen und Lösungen
6 Berufsspezifische Relevanz und kritische Aspekte
6.1 Relevanz für das Krankenhausmanagement
6.2 Relevanz für die Profession der Pflege
6.3 Kritische Aspekte und ethische Spannungsfelder
7 Fazit und Ausblick
Glossar
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gesundheitsausgaben
Abbildung 2: Organisationsgrade im Gesundheitssystem
1 Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
Die starren Grenzen zwischen dem ambulanten und stationären Sektor, knapper werdende finanzielle Ressourcen, mangelnde Effizienz, medizinisch-technischer Fortschritt, ein sich veränderndes Krankheitsspektrum und nicht zuletzt die immer älter werdende Bevölkerung und das sich verändernde soziokulturelle Umfeld führen zu wachsenden Problemen im deutschen Gesundheitswesen. Die Suche nach einem Weg aus dieser Krise ist eine der größten sozialpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (vgl. Haubrock u.a. 2000, 11). In der Vergangenheit konnten die Reformbemühungen in Deutschland nur zu kurzfristigen Kostendämpfungen und zu keinen echten Strukturveränderungen führen. Die bisherigen Gesundheitsreformen erschienen mit ihren begrenzt greifenden Maßnahmen wie blinder Aktionismus, während die Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Krankenkassen und die Pharmaindustrie ihre Pfründe und Privilegien verteidigten. Durch die daraus resultierenden Kostendämpfungen wurde das Auseinanderdriften von Einnahmen und Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verhindert. Alle Versuche, die umfassenden Probleme zu lösen, erwiesen sich bisher als wenig erfolgreich (vgl. Haubrock u.a. 2000, 11; Mühlbacher 2002, 16).
Bei der Suche nach neuen Konzepten, Ideen und Organisationsformen der Leistungserbringung wurde der Blick daher auf das überwiegend marktwirtschaftlich gesteuerte Gesundheitssystem der USA gerichtet. Das in den USA entwickelte Konzept „Managed Care“ bietet Chance und Perspektive zugleich, die Probleme unseres Gesundheitssystems durch selektive anwendungsbezogene Übertragung auf das deutsche Gesundheitswesen und die Umsetzung von integrierten Versorgungskonzepten zu lösen. Die Integrierte Versorgung (IV) mit dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ ist eine Strategie, die vom deutschen Gesetzgeber mit der Gesundheitsreform 2000 in den §§ 140a ff. (siehe Anhang) des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) gesetzlich verankert wurde und dem Managed-Care-Ansatz entstammt (vgl. Haubrock u.a. 2000, 11; Stock u.a. 2005, 5). Die enorme Attraktivität des Managed-Care-Ansatzes liegt in der Erwartung, dass durch den Einsatz geeigneter Organisationsformen und Managementprinzipien sowohl die Kosten begrenzt werden können, als auch die Qualität der medizinischen Leistungserbringung erhöht werden kann und sich dadurch die kritische Situation des deutschen Gesundheitssystems verbessert (vgl. Amelung u.a. 2004, IX)
Die Integrierte Versorgung kam aufgrund fehlender ökonomischer Anreize und einer bürokratischen Finanzierung nach ihrem Start 2000 nicht richtig in Schwung. Deshalb wurden vom Gesetzgeber mit dem Inkraft treten des GKV-Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes (GKV-GMG) am 01.01.2004 neue finanzielle Anreize und bessere Rahmenbedingungen für eine weitreichendere Durchlässigkeit zwischen dem ambulanten und stationären Sektor geschaffen. So stehen seit 2004 jährlich bis zu 1% der jeweiligen Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhausvergütungen als Anschubfinanzierung für die Integrierte Versorgung zur Verfügung. Nach Beseitigung dieser Hemmnisse hat die Integrierte Versorgung in Deutschland im zweiten Anlauf an Fahrt gewonnen (vgl. www.die-gesundheitsreform.de/gesundheitsreform/themen/thema.4ml?thema=integrierte_ versorgung vom 01.08.07).
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) 2007 beginnt eine neue Ära in der deutschen Sozialgesetzgebung. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz bewegt in unserem Gesundheitssystem mehr als jede Reform zuvor. Die Reformen in den Strukturen, in der Organisation und in der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Veränderungen in der privaten Krankenversicherung führen zu einem bisher nicht gekannten Wettstreit zugunsten der Patientinnen und Patienten. In Bezug auf die Integrierte Versorgung sollen sich die zukünftigen Verträge zur Integrierten Versorgung insbesondere auf eine bevölkerungsbezogene Flächendeckung der medizinischen Versorgung beziehen. Darunter sind Versorgungs– modelle zu verstehen, bei denen in einer größeren Region (zum Beispiel mehrere Stadt- oder Landkreise) die Behandlung einer versorgungsrelevanten Volkskrankheit (zum Beispiel Diabetes, Schlaganfall, Bandscheibenerkrankungen) vernetzt wird oder – auch in kleineren Regionen – die Behandlung des Krankengeschehens im Rahmen der Integrierten Versorgung erfolgt (vgl. www.die-gesundheitsreform.de/gesundheitsreform/ themen/thema.4ml?thema=integrierte_versorgung vom 01.08.07).
Der Strukturwandel, ausgelöst durch den wirtschaftlichen Druck und rückläufige Verweildauern als Ergebnis des medizinischen Fortschritts, bleibt nicht ohne negative Auswirkungen auf die Anzahl der stationären Einrichtungen. Studien prognostizieren, dass aufgrund der Verlagerung in den ambulanten Sektor, mangelnder technologischer Ausstattung, begrenzter Innovationsbereitschaft sowie unterdurchschnittlicher Wirtschaftlichkeit viele Krankenhäuser schließen müssen oder in andere Trägerschaft übergehen (vgl. Böhlke u.a. 2005, 10). Diese Veränderungen gehen auch an dem Berufsbild der Pflege nicht spurlos vorüber. Leistungsverdichtung, Flexibilisierung und neue Aufgaben stehen auf der Tagesordnung. In der Veränderung liegen dennoch Chancen, gerade für die Krankenhäuser und die Profession der Pflege. Es bedarf aber immer auch der Veränderung von Strukturen und Prozessen, um diese Chance nutzen zu können (vgl. Debatin 2006, XIX). Unter diesem Aspekt eröffnet die Integrierte Versorgung mit ihren Möglichkeiten zu strukturellen und prozessorientierten Veränderungen dem „Leistungserbringer Krankenhaus“ die Chance, weiterhin wirtschaftlich zu bleiben und sich im zunehmenden Wettbewerb gegenüber der Konkurrenz zu behaupten. So ermöglicht z.B. die Gründung Medizinischer Versorgungszentren nach den §§ 95 ff. SGB V (siehe Anhang) den Krankenhäusern mehr als bisher, ambulant-fachärztliche Leistungen zu erbringen und damit durch strukturelle Veränderungen in Konkurrenz zu Leistungs– anbietern anderer Sektoren zu treten. Für die Profession der Pflege eröffnet die Integrierte Versorgung die Möglichkeit zur Übernahme von neuen, vormals „rein ärztlichen“ Aufgaben und bewirkt eine Öffnung für neue Berufsbilder (vgl. Debatin 2006, XIX; Schnellschmidt u.a. 2006, 3).
Ihr strukturelles Potenzial und die organisatorische Kompetenz macht es Krankenhäusern zukünftig möglich, die komplexe Aufgabe einer weiter gehenden Integration zu lösen und vertragspolitisch in die Verhandlungen mit Krankenkassen einzutreten (vgl. Schnellschmidt u.a. 2006, 3). Eine zentrale Voraussetzung, um die Ziele der Integration zu erreichen, ist allerdings die synchrone Integration von Behandlung, betrieblicher Organisation und Vergütung. Diese Einheit kann das Krankenhaus nur als ein Unternehmen erreichen, das die verschiedenen zu integrierenden Versorgungsbereiche in seiner Direktionshoheit umschließt. Dieses Unternehmen ist dann allerdings etwas anderes als das klassischen Krankenhaus. Es ist ein modernes „Dienstleistungs–
unternehmen“ im Gesundheitswesen (vgl. Schräder u.a. 2006, 55).
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
Ziel der Arbeit ist es, aufzuzeigen, was sich hinter dem Begriff der Integrierten Versorgung verbirgt und warum die Teilnahme an der Integrierten Versorgung für Krankenhäuser angesichts der schwierigen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitswesen Sinn macht. Die Arbeit möchte weiterhin verdeutlichen, warum in diesem Zusammenhang gerade die dem Managed-Care-Ansatz entlehnte Integrierte Versorgung neue Chancen und Perspektiven für Krankenhäuser bietet und warum es für eine gelungene Umsetzung sinnvoll ist, bestimmte „Erfolgsfaktoren“ zu beachten. Zwei Praxisbeispiele sollen hier verdeutlichen, wie solch eine erfolgreiche Umsetzung konkret aussehen kann. Da die mit der Integrierten Versorgung einhergehenden Veränderung nicht ohne Folgen für die Führungsebene und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibt, ist die weitere Intention, diese Relevanz für das Krankenhausmanagement und die Profession der Pflege darzustellen. Abschließend ist es das Ziel, neben aller „Euphorie“ und positiver Aspekte auch die kritischen Seiten und ethischen Spannungsfelder dieser neuen Versorgungsform aufzuzeigen. Dies soll verdeutlichen, dass es immer wieder einer kritischen Begutachtung bedarf, um möglichen Fehlentwicklungen rechtzeitig vorbeugen oder entgegenlenken zu können.
In Kapitel 2 wird daher zuerst die Begrifflichkeit des US-amerikanischen „Managed Care“ mit seiner Entwicklungsgeschichte, seiner Bedeutung und seiner Übertragungs– möglichkeiten auf das deutschen Gesundheitssystem dargestellt.
Kapitel 3 geht eingehender auf die Integrationsversorgung nach den §§ 140a ff. des SGB V ein, die in ihrer Eigenschaft dem US-amerikanischen Managed-Care-Ansatz entstammt und vom deutschen Gesetzgeber als ein vielversprechender Ansatz zur Lösung der strukturellen Probleme des deutschen Gesundheitswesens gesehen wird.
Kapitel 4 beschreibt die schwierigen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen sich das deutsche Gesundheitswesen aktuell befindet. Es erläutert, welche Chancen und Perspektiven sich in dieser Situation für die Krankenhäuser durch die Integrierte Versorgung ergeben. Die abschließenden Erfolgsfaktoren zeigen in kompakter Form auf, wie die Umsetzung der Integrierten Versorgung gelingen kann.
Kapitel 5 stellt zwei praktische Projekte im Rahmen der Integrierten Versorgung vor, die sich bereits auf dem Markt bewährt haben und einen innovativen Charakter besitzen.
Kapitel 6 verdeutlicht die Relevanz der Integrierten Versorgung für das Management und die Profession der Pflege und beleuchtet die kritischen Aspekte und ethischen Spannungsfelder der Integrierten Versorgung.
Kapitel 7 zieht ein Fazit unter Berücksichtigung der negativen und positiven Aspekte der Integrierten Versorgung. Am Ende erfolgt ein kurzer Ausblick auf die zu erwartende Entwicklung der Integrierten Versorgung in Deutschland.
Die Arbeit wird folgendermaßen eingegrenzt:
- Die Einrichtung „Krankenhaus“ steht als stationärer Anbieter im Vordergrund
- Die Integrierte Versorgung beschränkt sich im Wesentlichen auf den Teilaspekt der Integrationsversorgung nach den §§ 140a ff. SGB V
- Der Fokus liegt wegen des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ auf dem sektorenübergreifenden (vertikalen) und nicht auf dem fachlich-interdisziplinären (horizontalen) Aspekt der Integrationsversorgung nach den §§ 140a ff. SGB V
1.3 Vorgehensweise und Literatur zum Thema
Die Bearbeitung des Themas fand durch Literaturrecherche statt. Diese erfolgte über die Bibliotheksdatenbanken der Hochschule Esslingen und der Württembergischen Landes– bibliothek Stuttgart mit Nutzung der Fernleihe. Die Fernleihe erlaubt den Zugriff auf den Onlinekatalog des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes Baden-Württemberg, Saarland und Sachsen. Dieser Katalog enthält über 12 Millionen Titel und mehr als 47,5 Millionen. Bestandsnachweise von über 1.200 wissenschaftlichen Bibliotheken in Baden-Württemberg, im Saarland und Sachsen sowie weiteren Spezialbibliotheken in anderen Bundesländern. Für die Artikelrecherche wurden die Datenbanken „medpilot“ und „carelit“ verwendet. Die wichtigsten Schlagwörter bei der Literatursuche waren die Begriffe: „Managed Care“, „Integrierte Versorgung“, „Integrationsversorgung“, „sektoren–
übergreifend“, „transsektoral“, „intersektoral“, „innovative Versorgungsformen“, „Disease Management“, „Case Management“, „Kooperationsformen Krankenhaus“, „vernetzte Strukturen“, „Gesundheitsreform“ und „Krankenhaus der Zukunft“. Trotz des recht jungen Hintergrunds dieses Themas in Deutschland war die Literatur ziemlich umfänglich. Allerdings mit der Einschränkung, dass viele Bücher aufgrund aktueller Entwicklungen nur bedingt verwendet werden konnten, da sich Managed Care bzw. die Integrierte Versorgung seit ihrer Einführung in einem ständigen Anpassungs- und Perfektionsprozess befinden, in dem immer wieder Komponenten hinzugefügt oder zurückgenommen wurden (vgl. Haubrock u.a. 2000, 22).
Zur ergänzenden Recherche und zur Sichtung aktuellster Entwicklungen und statistischer bzw. empirischer Daten wurden die Suchmaschine „Google“ und die Metasuchmaschine „Metager“ als weiteres Medium zu dieser Arbeit herangezogen. Die Suchergebnisse fanden nur dann Verwendung, wenn die Herkunftsquelle nach kritischer Betrachtung als seriös einzuschätzen war und damit Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens entsprach.
1.4 Motivation zum Thema
Die Motivation zum Thema entstand bereits während meines Praxissemesters bei der AOK-Bezirksdirektion Böblingen. Dort hatte der Einblick in die Möglichkeiten und Lösungsansätze der Integrierten Versorgung mein Interesse am Managed-Care-Ansatz geweckt. Durch die Vorlesung zur Integrierten Versorgung im anschließenden 5. Semester wurde mein Interesse an dieser Thematik noch einmal verstärkt. Während meiner Berufstätigkeit als Gesundheits- und Krankenpfleger konnte ich selbst negative Erfahrungen sammeln, insbesondere was die Prozessorientierung betrifft. Durch die Anwendung von Methoden und Instrumenten der Integrierten Versorgung hätten meiner Ansicht nach einige dieser Erlebnisse vermieden werden können. Aufgrund dieser Eindrücke, meiner Berufsausbildung und meines jetzigen Studiums Pflege/
Pflegemanagement entschied ich mich deshalb für die Bearbeitung des Managed-Care-Ansatzes in Form der Integrierten Versorgung aus Sicht der Krankenhäuser, des Krankenhaus- bzw. Pflegemanagements und der Profession der Pflege.
2 Managed Care
2.1 Begriffsbestimmung
Bislang existiert keine allgemeingültige und abschließende Definition von Managed Care. Managed Care fungiert als Sammelbegriff für eine Vielzahl struktureller und ablauforganisatorischer Entwicklungen im US-amerikanischen Gesundheitswesen. Die sehr unterschiedlichen Begriffsbestimmungen von Managed Care sind sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass sich Managed Care seit 22 Jahren in einem ständigen Anpassungs- und Perfektionsprozess befindet, in dem unaufhörlich Komponenten hinzugefügt bzw. zurückgenommen werden. Demzufolge sind auch Deutungen von Managed Care relativ kurzlebig (vgl. Haubrock u.a. 2000, 22).
Die folgende Begriffsbestimmung erhebt daher aufgrund der Vielfältigkeit und Kurzlebigkeit des Themas keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchte in kompakter Form einen für die Leserinnen und Leser möglichst verständlichen Überblick über das System Managed Care geben. Grundsätzlich kann der Begriff als ein marktwirtschaftliches Versorgungs- und Vergütungssystem mit ganzheitlicher und kooperativer Betrachtung der Gesundheitsversorgung definiert werden, welches die organisatorische Voraussetzung für eine sektorenübergreifende (vertikale Integration) und koordinierte Steuerung der Prozesse (Leistungs-, Finanzierungs- und Informations– prozesse) im Gesundheitswesen schafft (vgl. Holzner 1999, 20) und dessen Ziel die effiziente Zuweisung der knappen finanziellen Mittel im Gesundheitswesen ist. Unter effizienter Zuweisung versteht man den Versuch, die fragwürdigen und überflüssigen Leistungen auszuschließen mit dem Ziel, die Kosten zu senken, die Effizienz zu erhöhen und die Qualität zu verbessern (vgl. Amelung u.a. 2004, 6). Mit dieser Zielsetzung sind folgende Strategien verbunden: die Finanzierung und Leistungserbringung aus einer Hand, eine effizienzfördernde Strukturierung des Leistungsangebotes, die Beschränkung der Leistungen auf das „Bedarfsgerechte“ und medizinisch Notwendige, die Kontrolle von Umfang und Qualität der Leistungserbringung, ökonomische Anreize und eine Verlagerung des Versicherungsrisikos auf die Leistungserbringer (vgl. Mühlbacher 2002, 42-43).
Somit kann Managed Care also als ein Gesundheitsdienstleistungssystem definiert werden, das versucht, die Kosten, die Qualität und den Zugang zur Gesundheits– versorgung zu managen. Ein vergleichbarer prägnanter Begriff für Managed Care steht in der deutschen Sprache nicht zur Verfügung. Als eine sinngemäße Übersetzung könnte „geführte Versorgung“ gelten (vgl. Haubrock u.a. 2000, 22). Der Begriff entspricht in seinen Inhalts- und Bedeutungsebenen einer vielgestaltigen Praxis und sollte für ein besseres Verständnis grundsätzlich in funktionelle und institutionelle Entwicklungen unterteilt werden, d.h. in Managed Care als Prozess und Managed Care als Organisation. So gibt es z.B. in den USA Krankenhäuser, die zwar nicht mit Managed-Care-Organisationen (MCOs) zusammenarbeiten, aber dennoch Instrumente im Sinne von Managed Care anwenden (vgl. Gaertner u.a. 2001, 5). Hier wird zwischen versicherungs– orientierten und anbieterorientierten Organisationen unterschieden. Wenn man Managed Care als eine Ökonomisierung und als eine „Vertrieblichung gesundheitsbezogener Aufgaben“ (Haubrock u.a. 2002 in Greuèl u.a. 2006, 127-128) sieht, lässt sich diese Definition in die vier folgenden Bestimmungskriterien unterteilen:
- Standardisierung von Betreuungs- und Versorgungsprozessen im Rahmen von Prozessmanagement
- Strukturierte, meist EDV-gestützte Datenerfassung
- Kontrolle und Steuerung der Abläufe durch ein multidisziplinäres Management (integratives Versorgungsmanagement)
- Festlegung von Versorgungszielen im Rahmen des Qualitätsmanagements
(vgl. Haubrock u.a. 2002 in Greuèl u.a. 2006, 127-128)
Als das wichtigste Leitprinzip von Managed Care kann die gesundheitspolitische Ausgestaltung von marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die im Gesundheits–
wesen tätigen Institutionen und Personen gesehen werden. Dies mit der Absicht, den Kosten- bzw. Qualitätswettbewerb zu stimulieren und die Möglichkeit von selektiven Vertragsangeboten seitens des Versicherungsträgers (Direktverträge) mit einzelnen oder bestimmten Gruppen von Anbietern zu schaffen (vgl. Haubrock u.a. 2002 in Greuèl u.a. 2006, 127-128). Die neuen marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland spielt im dritten und vierten Kapitel der Arbeit eine zentrale Rolle, da die Möglichkeiten innovativer integrativer Organisationsformen entscheidend davon abhängig sind.
2.2 Entstehungsgeschichte in den USA
Die Managed-Care-Organsiationen haben sich seit Anfang der 70er-Jahre in den USA in den unterschiedlichsten Formen und Trägerschaften entwickelt. Somit verfügen die USA über die zeitlich längsten Erfahrungswerte im Umgang mit Managed Care. Zusammengenommen haben die Managed-Care-Organisationen in den USA im Jahre 2002 einen Marktanteil von über 70 % an der medizinischen Versorgung, wobei für die kommenden Jahre ein Anstieg auf über 90 % prognostiziert wird (vgl. Preuß u.a. 2002, VII). Die entscheidende Kraft hinter der Verbreitung von Managed Care war der Druck auf die Preise der Krankenversicherung, den Unternehmen, Versicherte und die Regierung ausübten (vgl. Rüschmann u.a. 2000, 48-49). In den 80er-Jahren wandten sich insbesondere die Unternehmen auf der Suche nach kostengünstigen Kranken– versicherungsmöglichkeiten für ihre Angestellten Managed Care zu, da die sie mit ca. 70 % den größten Teil der Krankenversicherungsprämie zu bezahlen hatten (vgl. Cortekar u.a. 2006, 35). Die typische Managed-Care-Organisation ist eine Health Maintenance Organization (HMO), die in einer Organisation die Leistungs- und Versicherungsfunktion vereint (vgl. Mühlbacher 2002, 43). HMOs wurden seit 1973 durch den HMO-Act gezielt gefördert, indem die Regierung hindernde Gesetze außer Kraft setzte, Startkapital für neue Health-Maintenance-Organisationen zur Verfügung stellte und von großen Firmen verlangte, dass sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine HMO zur Wahl offerieren (vgl. Lehmann 2003, 28-29). HMOs gewähren ihren Mitgliedern zu einem vorab vereinbarten Preis eine definierte Anzahl an Versorgungsleistungen. Die Höhe der Prämie richtet sich nach der Versichertenstruktur, d.h. nach den Risiken der Versicherten– gemeinschaft (vgl. Mühlbacher 2002, 43). Da es aber noch einige andere mit den HMOs konkurrierende Organisationen bzw. Produkte gibt und auch die HMOs in ihrer Ausprägung und Pluralität sehr vielschichtig sind, werden diese miteinander konkurrierenden Managed-Care-Organisationen in den nächsten beiden Abschnitten 2.3. und 2.4 anhand einer Unterteilung in versicherungsorientierte und anbieterorientierte MCOs noch einmal detaillierter und gesondert aufgezeigt. Die Folge dieser steigenden Pluralität und verstärkten Dominanz einzelner Verbünde war ein nachhaltiger Druck auf die Kosten der Versorgung, welcher wiederum den Wettbewerb der Versicherungs– unternehmen auf dem Gesundheitsmarkt forcierte (vgl. Armbruster 2004, 99; Rüschmann u.a. 2000, 48-49).
2.3 Versicherungsorientierte Organisationen und –Produkte
Die empirisch auffindbaren Ausprägungen der versicherungsorientierten Managed-Care-Organisationen sind so vielfältig, dass Strukturierungsversuche den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden. Daher seien die versicherungsorientierten Organisationen und -Produkte wie die HMOs und Point-of-Service-Produkte (POS-Produkte) an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber und zum besseren Verständnis des amerikanischen Gesundheitssystems erwähnt. Es ist vielmehr wichtiger, sich dieses Phänomens bewusst zu sein (vgl. Kayser u.a., 53). Da das Augenmerk dieser Arbeit auf den Chancen und Perspektiven innovativer integrativer Organisationsformen der stationären Leistungs– erbringung liegt, richtet sich der Schwerpunkt auf die in Abschnitt 2.4 genannten anbieter– orientierten Managed-Care-Organisationen und -Produkte.
2.3.1 Health Maintenance Organization (HMO)
In Amerika ist die Health Maintenance Organization (HMO) die typische Managed-Care-Organisation. Die Mitgliedschaft kommt grundsätzlich freiwillig zustande und ist mit dem Anspruch auf einen genau definierten Leistungsanspruch verbunden (vgl. Haubrock u.a. 2000, 25). Dieser festgelegte Anspruch bildet auch die Basis für die Höhe der Versicherungsprämie. Die HMOs sind in ihrer Ausprägung die konsequenteste Organisationsform von Managed Care und haben in den USA mit 60 Millionen Versicherten neben den konventionellen Kostenerstattungs-Versicherungsformen (Indemnity-Versicherungen) den größten Marktanteil (vgl. Rüschmann u.a. 2000, 50). Unterschiede zwischen den einzelnen HMOs existieren bei der Erbringung der Versorgungsleistungen, d.h., von wem sie erbracht werden und wie man die Leistungserbringer vergütet. Im Kontext der Gesundheitsversorgung im Rahmen eines Managed-Care-Konzeptes schließen die Versicherungen mit den Leistungserbringern (Ärztinnen, Ärzte und Krankenhäuser) Verträge ab, die bestimmte Leistungen im voraus festlegen und durch prospektive Zahlungen (Kopfpauschale) entlohnen. Die beteiligten Medizinerinnen und Mediziner sind deshalb daran interessiert, präventiv zu handeln und eine ausreichende Versorgung möglichst kostengünstig zu gestalten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus den HMOs mehrere Modellvarianten (vgl. Mühlbacher 2002, 43). Jedoch haben alle HMOs eines gemeinsam: Sie heben die Trennung zwischen Leisungsfinanzierung und Leistungserbringung zumindest partiell auf (vgl. Amelung u.a. 2004, 46).
Die schon bereits bei der Entstehungsgeschichte von Managed Care in Abschnitt 2.2 erwähnte Pluralität verschiedener HMO-Modelle ist kein Zufall, sondern Ergebnis des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Organisationsformen. Keine Managed-Care-Organisation (MCO) hat ein Interesse daran, HMO-Produkte anzubieten, die in der Wahrnehmung der Kundinnen und Kunden mit denen der Hauptkonkurrenz identisch sind. Auch die Ärztinnen und Ärzte sind indirekt Kundschaft, da sie die Produkte der MCOs prüfen und auswählen. Damit eine MCO mit ihrem HMO-Produkt erfolgreich ist, muss sie möglichst maßgeschneidert den Bedürfnissen der ärztlichen Profession entsprechen. Aus marketingstrategischen Gründen werden immer wieder neue Begriffe geschaffen, die sich inhaltlich nur unwesentlich unterscheiden (vgl. Amelung u.a. 2004, 46-47). Es ist durchaus üblich, dass Ärztinnen und Ärzte fest angestellt sind und den Großteil ihres Einkommens in Form eines Gehaltes beziehen (Staff-Model). Sie praktizieren meist in HMO-eigenen Einrichtungen. Andere wiederum organisieren sich in einer Gruppe (Group-Model) und werden meist prospektiv vergütet. Independant Practice Association HMOs (IPA-Model) schließen mit einer größeren Anzahl einzelner freiberuflicher Ärztinnen und Ärzte Verträge.
Diese besitzen zwar eine Mitgliedschaft in der IPA, die juristisch selbstständig ist, arbeiten aber weiterhin in ihren Praxen. Nur ein Teil ihrer Patientinnen und Patienten sind HMO versichert. Die Behandlung wird überwiegend über Kopfpauschalen bezahlt. Network-Model HMOs sind eine Mischform von Staff- und Group-Model HMOs und IPAs. Diese HMOs schließen sowohl mit Gemeinschaftspraxen als auch einzelnen Ärzten Verträge ab (vgl. Armbruster 2004, 97-98). In der Realität sind die meisten HMOs nicht exakt einer der vorher beschriebenen Varianten zuzuordnen, da es sich in der Mehrzahl der Fälle um eine Kombination aus mehreren Vertragsformen handelt. Solche HMOs werden als Mixed Model HMOs bezeichnet, deren Anzahl in den Vereinigten Staaten stetig ansteigt (vgl. Haubrock u.a. 2000, 26-27). Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei den HMOs um versicherungsähnliche Unternehmen, die Finanzierung und medizinische Leistungs– erbringung integrieren (vgl. Kayser u.a. 1998, 53).
2.3.2 Point-of-Service-Produkte (POS-Produkte)
POS-Produkte nehmen immer mehr an Bedeutung zu. Sie üben wie die HMOs ebenfalls eine Versicherungsfunktion aus und können als eine Art Einstiegsmodell in das HMO-System gesehen werden (vgl. Rüschmann u.a. 2000, 51). Neben den verschiedenen Formen von HMOs sind Point-of-Service-Produkte somit die zweite Kategorie von versicherungsorientierten Managed-Care-Produkten (vgl. Amelung u.a. 2004, 59). Die Versicherten können meist zwischen der Versorgung in einer HMO oder dem herkömmlichen privaten Krankenversicherungssystem frei wählen, müssen allerdings eine erhöhte Zuzahlung leisten (vgl. Amelung u.a. 2004, 59; Armbruster 2004, 97). Durch die Wahloption bei Krankheitseintritt stehen die POS-Produkte als Hybridprodukt zwischen den klassischen Indemnity-Versicherungsprodukten und den HMOs und werden auch „opened HMO“ genannt (vgl. Gaertner u.a. 2001, 15; Haubrock u.a. 2000, 24 ).
Innerhalb des amerikanischen Gesundheitssystems handelt es sich um eine klassische HMO mit Hausarztmodell und dem Einsatz üblicher Managed-Care-Instrumente. Die Wahlfreiheit wird von den Versicherten sehr geschätzt, aber kaum genutzt. Nach amerikanischen Untersuchungen nehmen 90% der POS-Versicherten nie Leistungen außerhalb des Systems in Anspruch (vgl. Amelung u.a. 2004, 60). Durch den erheblichen Einnahmenzuwachs in Folge der höheren Zuzahlung (vgl. Holzner 1999, 24), handelt es sich aus Sicht der HMO um eine nahezu optimale Kombination, da keine gravierenden Mehrausgaben zu erwarten sind. Der wichtigste Teil der Leistungserbringung kann kontrolliert und gesteuert werden und die entscheidenden Marketingnachteile (Einschränkung der Wahlfreiheit) einer HMO ist durch diese Hybridform aufgehoben. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass rund 70% der HMOs Point-of-Service-Produkte offerieren (vgl. Amelung u.a. 2004, 59-60).
2.4 Anbieterorientierte Organisationen und –Produkte
Managed Care führt auch dazu, dass sich die Anbietenden von Gesundheitsleistungen zunehmend in eigenen Organisationen zusammengeschlossen haben (vgl. Witt 2003, 56). Ihre Ausprägungen finden sich in Form von Interessenvertretungen, Verkaufs–
genossenschaften, Netzwerken zum Aufbau von Marktmacht und Versorgungssystemen, die sämtliche Teilfunktionen von der Finanzierung bis zur Leistungserstellung integrieren (vgl. Amelung u.a. 2004, 61).
An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass in der vorhandenen Literatur zu diesem Thema einzig von Amelung 2004 und Witt 2003 überhaupt eine Trennung zwischen versicherungs- und anbieterorientierten Managed-Care-Organisationen und -Produkten vorgenommen wurde. Generell kann man festhalten, dass zum Aspekt der Managed-Care-Organisationen in den meisten Büchern hauptsächlich auf die HMOs und ihre verschiedenen Ausprägungen aus der versicherungsorientierten Sicht eingegangen wurde und anbieterorientierte Organisationen und Produkte teils nur sehr beiläufig oder gar nicht erwähnt wurden. Auch Amelung und Witt weisen in dieser Hinsicht Unterschiede hinsichtlich der Quantität auf. So geht Witt nur auf drei aus seiner Sicht wichtigsten anbieterorientierten MCOs ein. Diese sind für ihn die Preferred Provider Organization (PPO), die Physicians Hospital Organization (PHO) und die Management Service Organization (MSO), während Amelung noch ergänzend die Integrated Practice Association (IPA), die Provider Sponsor Organizations (PSO), die Networks und die Integrated Delivery Systems (IDS) erwähnt. Amelung betrachtet die MSOs als „eine Weiterentwicklung von PHOs“ (Amelung 2004, 84), da die Ursprünge in den USA bereits auf den Anfang des 19. Jahrhunderts zurückgehen (vgl. Amelung 2004, 84). Witt hingegen schreibt:“Bei den Management Service Organizations (MSO) handelt es sich um eine relativ neue Entwicklung von Unternehmen, die Management-, Beratungs- und administrative Dienstleistungen für Managed-Care-Modelle anbieten.“ (Witt 2003, 57). Allerdings geht auch Amelung nicht eingehender auf diese weiter zurückreichenden Ursprünge ein. Aufgrund des aktuelleren Erscheinungsjahres und der besseren Ausführungen beziehen sich die Aussagen in Abschnitt 2.4 größtenteils auf Amelung.
2.4.1 Independant Practice Association (IPA)
In einer so genannten Independent Practice Association (IPA) haben sich eine größere Anzahl freiberuflicher Ärztinnen und Ärzte zu einer Interessenvertretung zusammengeschlossen (vgl. Armbruster 2004, 97). Die Aspekte des Aufbaus von Marktmacht, die Professionalisierung des Managements und die Steuerbarkeit der Leistungserstellung stehen hierbei im Vordergrund. Die IPAs bündeln somit das ärztliche Interesse und schließen mit HMOs unter bestmöglichsten Konditionen Verträge ab (vgl. Gaertner 2001, 14). Da diese Form für das Thema der Arbeit nur eine untergeordnete Rolle spielt, wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen.
2.4.2 Preferred Provider Organizations (PPOs)
Die PPOs entstanden im Verlaufe der 80er-Jahre als weniger eingeschränkte Alternative der Krankenversicherung zu den HMOs (vgl. Lehmann 2003, 29), da bei den Preferred Provider Organizations (PPOs) den Versicherten ein Netzwerk von Leistungserbringern angeboten wird (vgl. Armbruster 2004, 97). Sie stehen den traditionellen Indemnity-Versicherungen nahe, in denen die Versicherten die unbegrenzte Freiheit bei der Auswahl medizinischer Leistungen haben (vgl. Haubrock u.a. 2000, 24).
PPOs können und werden grundsätzlich von allen Beteiligten im Gesundheitswesen entwickelt. So können Ärztegruppen, Versicherungsgesellschaften, Krankenhäuser oder große Unternehmen PPOs gründen. Sie basieren auf einer Anzahl von Ärztinnen, Ärzten und Krankenhäusern, die sich zusammenschließen oder zusammengeschlossen werden, um gegenüber direkt versichernden Firmen oder traditionellen Versicherungsgesellschaften ein konkurrenzfähiges Angebot zu entwickeln (vgl. Amelung u.a. 2004, 64-65). Diese Leistungsanbieter sind eine Antwort auf den zunehmenden Druck durch die HMOs.
Allerdings besitzen PPOs keine Versicherungslizenz und können daher nicht selbstständig am Versicherungsmarkt agieren (vgl. Rüschmann u.a. 2000, 51). Als Anreiz bieten die PPOs ihre Leistungen den Versicherungsgesellschaften zum Teil mit erheblichen Preisnachlässen auf die üblichen Honorare an. Prinzipiell bleibt es aber immer noch bei der Einzelleistungsvergütung (vgl. Witt 2003, 56). Außerdem können bei einer PPO wie bei den klassischen Indemnity-Versicherungsprodukten die Leistungsanbieter frei, also außerhalb des PPO-Systems gewählt werden. Bei dieser Möglichkeit müssen aber höhere Zuzahlungen und/oder Selbstbehalte bezahlt werden (vgl. Gaertner 2001, 15). Dadurch möchten die PPOs die Nachfrage zumindest leicht steuern. Grundsätzlich bedeuten die PPOs für die Versicherten mehr Entscheidungsfreiheit als die Staff- oder die Group-HMOs. Das Versicherungsrisiko bleibt weitgehend bei den mit einer PPO kooperierenden Versicherungsunternehmen (vgl. Amelung u.a. 2004, 64-65).
Die PPOs sind die Gewinner der letzten Jahre. Trotz des enormen Markterfolges bleibt abzuwarten, ob es sich bei den PPOs nicht um eine Zwischenform von Managed-Care-Produkten handelt, die langfristig wieder vom Markt verschwindet. Tatsächlich führen sie nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Leistungserstellung, sondern sind primär auf temporäre Marktgegebenheiten ausgerichtet (vgl. Amelung u.a. 2004, 65).
2.4.3 Provider Sponsored Organizations (PSOs)
Die relativ neuen Provider Sponsored Organizations (PSOs) bewegen sich in eine ähnliche Richtung wie die PPOs und kontrahieren sich direkt mit den Leistungsfinanzierern wie z.B. Medicare und Medicaid. PSOs wollen durch die vollständige Integration die Zwischenstufe über die Versicherungsgesellschaften umgehen (vgl. Amelung u.a. 2004, 66).
Ausgangspunkt für diese Variante der Vertragsgestaltung ist die schwindende Einsicht der Leistungserbringenden, dass die eh schon knapp kalkulierten Prämien bei Großabnehmern wie Medicare und Medicaid noch einmal reduziert werden. Gerade wenn das komplette Risiko von den leistungsfinanzierenden auf die leistungserstellenden Organisationen delegiert wird, macht eine Zwischenstufe wenig Sinn. Denn trotz der vollständigen Risikodelegation an die andere Vertragspartei verbleiben bei diesen vermittelnden Versicherungsgesellschaften immer noch ca. 15-20% der Prämie. Diesen Anteil möchten die PSOs lieber selber erwirtschaften (vgl. Amelung u.a. 2004, 66).
Für die PSOs ist es relativ unkompliziert, für Medicaid- und Medicare-Versicherte die Versicherungsfunktion zu übernehmen, da sie das volle Risiko davor schon getragen haben. Weiterhin muss kein Marketing betrieben werden, da ihnen die Versicherten vom Staat zugewiesen werden. Somit geht es nur um Abrechnungsfragen. Durch ihren Eintritt in den Versicherungsmarkt bedeuten sie für die klassischen Versicherungsanbieter aber nicht mehr nur Partnerschaft, sondern Konkurrenz. Dies ist problematisch, weil diese Versicherungsanbieter nach wie vor der zentrale Zulieferer für andere Patientinnen und Patienten sind. Daher ist es sehr genau zu überlegen, in einen Wettbewerb mit seinen bedeutendsten Zulieferern zu treten (vgl: Amelung u.a. 2004, 66-67). Mittelfristig werden PSOs nur dann eine Rolle spielen, wenn sie im Einvernehmen mit den Versicherungsunternehmen agieren oder aber ihre Marktposition so bedeutend geworden ist, dass sie eine Konfrontation mit den Interessen der Versicherungsunternehmen eingehen können (vgl. Amelung u.a. 2004, 67).
2.4.4 Networks
Eine vierte Form sind die sogenannten Networks. Unter Networks wird der Zusammenschluss von Leistungsanbietern der gleichen oder verschiedenen Leistungsstufen zur Bildung von strategischen Allianzen verstanden. Diese dienen in erster Linie als Instrument zum Aufbau von Marktmacht. Sie sollen eine Optimierung der Koordination und der Kommunikation der Leistungserstellung bewirken. In dieser Form entsprechen sie einer Vorstufe integrierter Versorgungssysteme (vgl. Amelung u.a. 2004, 68). Managed-Care-Organisationen beauftragen je nach Ausgestaltung ihrer Versorgungsform solche Netzwerke mit der Leistungserbringung (vgl. Haubrock u.a. 2000, 41).
Ein weiterer Grund zur Bildung von Netzwerken liegt darin, dass sich die hochpreisigen innerstädtischen Universitätskliniken einem immer größer werdenden externen Druck ausgesetzt sehen. Die Quersubventionierung von Ausbildung und Forschung über die Patientenversorgung wird von den MCOs immer weniger akzeptiert. Außerdem bestehen auch nur begrenzte Möglichkeiten, diese Einrichtungen effizienter zu gestalten. Daher müssen von diesen Einrichtungen Wettbewerbsstrategien entwickelt werden, um das Überleben zu sichern. Netzwerkbildungen verhindern, dass sie von den MCOs ignoriert werden, da es in Metropolregionen wie z.B. New York nicht möglich wäre, dass eine MCO Produkte ohne Berücksichtigung der vier bis fünf maßgeblichen Netzwerke anbietet (vgl. Amelung u.a. 2004, 68).
Die Beurteilung von Netzwerken ist differenziert vorzunehmen. Zum einen können marktstrategische Überlegungen eine bedeutsame Rolle spielen, zum anderen kann der Grund das „Blocken“ von anderen möglichen Konstellationen sein. So ist zum Beispiel die Anzahl von renommierten Universitätskliniken begrenzt. Es macht Sinn, diese frühzeitig in eine Allianz mit einzubinden, um der Konkurrenz zuvorzukommen. Man kann davon ausgehen, dass wenige große Organisationen am Markt bestehen bleiben werden (vgl. Amelung u.a. 2004, 68-69).
2.4.5 Integrated Delivery Systems (IDS)
Die integrierten Versorgungssysteme (Integrated Delivery Systems, kurz IDS) sind Zusammenschlüsse, welche die leistungsanbietenden Institutionen als Gegenreaktion auf die Einkaufsmodelle der HMOs gebildet haben. Diese Verkaufsmodelle stellen die weitreichendste und fortschrittlichste Form einer MCO dar (vgl. Mühlbacher 2002, 44). In ihr sind sämtliche Teilfunktionen von der Finanzierung bis zur Leistungserstellung integriert (vgl. Holzner 1999, 23).
Unter einem IDS wird ein Netzwerk von Organisationen verstanden, das die Leistungen selbst erbringt oder die Erstellung organisiert. Hierbei wird das gesamte Spektrum der Gesundheitsbedürfnisse abgedeckt. Die IDS übernimmt sowohl die medizinische als auch die finanzielle Verantwortung für die Versorgung einer vorab definierten Bevölkerungsgruppe. Für IDS gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffsdefinitionen- und Bezeichnungen. Häufig wird auch von Organized Delivery Systems gesprochen.
Ein IDS lässt sich aber dadurch charakterisieren, dass die benötigten Leistungen entweder von ihm selbst erbracht oder hinzugekauft werden. Hierbei übernimmt das integrierte Versorgungssystem die Koordination der Leistung. Diese gilt nicht nur für eine bestimmte Behandlungsepisode, sondern prinzipiell für unbestimmte Zeit. Damit wird die Fragmentierung der Gesundheitsversorgung zugunsten einer ganzheitlichen, systemübergreifenden Versorgung aufgehoben (vgl. Amelung u.a. 2004, 71).
Diese Idealform der Versorgung ist auch in den USA bei weitem noch nicht erreicht. Die Systeme befinden sich auf dem Weg, diesen Status zu erreichen. Die Beurteilung von IDS ist schwierig, da bisher noch sehr wenige empirische Ergebnisse vorliegen. In den USA ist die Begeisterung für integrierte Versorgungssysteme etwas abgeflacht, da sich in der Praxis gezeigt hat, dass sich viele IDS mehr verknüpft als integriert haben. Dies hat nicht zu den erhofften Qualitätssteigerungen und Kostensenkungen geführt hat, sondern tendenziell zu noch höheren Preisen durch Angebotsmonopole (vgl. Amelung u.a. 2004, 71-77).
2.4.6 Physician Hospital Organizations (PHOs)
Die Physician Hospital Organizations (PHOs), die einen Zusammenschluss zwischen den Krankenhäusern und ihrer Ärzteschaft darstellen, nehmen eine Sonderstellung ein. Sie sind eine zentrale Reaktion auf die wachsende Bedeutung von Managed-Care-Organisationen. Mag es bei Einzelleistungsvergütungen durchaus noch sinnvoll gewesen sein, dass Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte getrennte Einheiten waren, die individuell mit den Versicherungen abgerechnet haben, besteht seit der zunehmenden Dominanz von Managed Care ein erhebliches Interesse, die Anliegen der anbietenden Institutionen zu bündeln und somit ein gegenseitiges Ausspielen zu verhindern (vgl. Amelung u.a. 2004, 79).
Eine PHO kann als ein Joint Venture (vorübergehender oder dauerhafter Zusammenschluss von Unternehmen) zwischen einem oder mehreren Krankenhäusern und einer Gruppe von Ärztinnen und Ärzten beschrieben werden, wobei die Initiative in der Regel von Krankenhäusern ausgeht. Im Wesentlichen geht es aber um die Steigerung der Marktmacht bzw. eine Verteidigungsstrategie gegenüber den Managed-Care-Organisationen und um eine Diversifikationsstrategie (Programm einer gezielten Unternehmenspolitik, die unter Berücksichtigung der Produktions- und Absatzstruktur neue Produkte auf neuen Märkten einführen und damit die Zukunft eines Unternehmens sichern will) in attraktive ambulante Märkte.
Sobald PHOs aktiv in das Management eingreifen, sind sie eher als Management Service Organizations (MSOs) zu verstehen (vgl. Amelung u.a. 2004, 80). Als MSO bieten sie dann Management-, Beratungs- und administrative Dienstleistungsmodelle aus einer Hand an (vgl. Witt 2003, 57). PHOs unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich ihres Leistungsumfangs und der Zugangsberechtigung, da sie teilweise nur für ausgewählte Ärztinnen und Ärzte zugänglich sind. Das Leistungsspektrum reicht von einer bloßen Analyse der Managed-Care-Verträge bis hin zur Entwicklung von standardisierten Vertragsmodellen. PHOs sind charakteristische Organisationsformen für das sowohl von den Organisations- als auch von den Vergütungsstrukturen her extrem zerklüftete amerikanische Gesundheitswesen. Aber auch hier werden sie eher als temporäre Erscheinung hin auf dem Weg zu einem Integrated Delivery System (IDS) betrachtet (vgl. Amelung u.a. 2004, 82).
2.5 Managed-Care-Instrumente
In der Regel finden bestimmte Steuerungselemente in MCOs Einsatz, die der Beeinflussung und Kontrolle des Inanspruchnahmeverhaltens der Patienten dienen. Oftmals werden diese Instrumente im Rahmen des traditionellen amerikanischen Krankenversicherungssystems angewandt (vgl. Armbruster 2004, 93). Auch die in dieser Arbeit thematisierte Integrierte Versorgung bedarf einer zusätzlichen Leistungs–
komponente, da in Deutschland die aktuellen Umfeldbedingungen die Krankenhäuser zur Verstärkung der Integrationsleistung sowohl in der Leistungserbringung als auch in organisatorischer Hinsicht zwingen (vgl. Pfaff 2003, 84). Es geht darum, die medizinischen, pflegerischen und sozialen Prozesse der Gesundheitsversorgung zu optimieren und die Verfahren in Diagnose und Therapie rational, entsprechend den Forderungen nach mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit, auf Ebene der Institutionen und Einrichtungen zu gestalten. Somit ist ein System gefragt, das sowohl auf der Ebene der Dienste und Einrichtungen als auch für die kontinuierliche Versorgung auf der Ebene der fallweisen Leistungserbringung ein koordiniertes, ergebnisorientiertes Vorgehen organisiert (vgl. Mühlbacher 2002, 127). Da die einzelnen Instrumente bzw. Methoden der Managed-Care-Organisationen in ihrer Vielfalt hier nicht darstellbar sind, wird auf die in Kapitel 3 beschriebenen Instrumente bzw. Methoden der Integrierten Versorgung in Deutschland verwiesen, welche von ihrem Charakter dem US-amerikanischen Gesundheitssystem entstammen und somit als beispielhafte Darstellung angesehen werden können.
2.6 Bewertung des amerikanischen Gesundheitssystems
Trotz aller positiver Aspekte und Bemühungen in den USA muss kritisch angemerkt werden, dass die USA 2003 bei den Ausgaben für ihr Gesundheitswesen mit 15 % des Bruttoinlandsproduktes an der Weltspitze standen (vgl. www.vfa.de/download/ SHOW/de/presse/sattcharts/gesundheitswesen/vfastat_26_fa_mt.pdf vom 28.08.07). Die Gründe für die Ursachen der weiterhin bestehenden hohen Kosten des amerikanischen Gesundheitssystems sind vielschichtig (vgl. Wiechmann 2003, 34). Einige der wichtigsten Kostentreiber sind:
- Der hohe Versorgungsgrad der Krankenhäuser und Arztpraxen mit teurer Medizintechnik
- Die Durchführung einer defensiven Medizin mit doppelter diagnostischer Absicherung, um die Gefahr von Kunstfehler- und Haftpflichtprozessen zu reduzieren
- Die hohen Verwaltungskosten bei den Krankenversicherungen
- Die hohen Einkommen der Leistungserbringer
- Die teure Notfallversorgung nicht versicherter Personen in den Krankenhausambulanzen
- Insgesamt zu viele Ärztinnen, Ärzte und andere Leistungserbringer
(vgl. Wiechmann 2003, 34; Haubrock u.a. 2000, 19)
Diese hohen Kosten wirken sich wiederum auf die Prämien für die Krankenversicherungen aus und führen zu einem verstärkten Druck auf die Managed-Care-Systeme. Daher versuchen die USA diesem Problem seit 1990 durch das National Institute of Quality Assurance (NCQA) mit HEDIS (Health Employer Data and Information Set) zu begegnen. In diesem standardisierten Evaluationssystem haben Managed-Care- Organisationen die Möglichkeit, sich einer freiwilligen Bewertung zu stellen (vgl. Steininger-Niederleitner u.a. 2003, 13).
Ein weiterer negativer Aspekt des amerikanischen Gesundheitssystems ist das Fehlen eines universellen sozialen Sicherungssystems wie in Deutschland. Weder ist eine allgemein soziale Krankenversicherung noch ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem für alle Bürgerinnen und Bürger vorhanden. Das amerikanische Gesundheitssystem ist somit völlig von der freien Marktwirtschaft und einem Mangel an staatlicher Intervention geprägt. Als Folge dieses Systems sind mehr als 46 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner nicht versichert (vgl. www.aerzteblatt.de/V4/news/news.asp?id=28749 vom 28.08.07) oder haben für eine angemessene Gesundheitsversorgung nur einen unzureichenden Versicherungsschutz (vgl. Witt 2003, 36).
2.7 Entwicklung von Managed Care in Deutschland
Die Schweiz hat Managed Care nach Europa importiert. Mitte der 80er-Jahre hatten die innovativsten Schweizer Krankenversicherungen in Großstädten HMOs gegründet und parallel dazu im ländlichen Raum „Hausarztmodelle“ nach amerikanischem Vorbild. Im Zuge der Krankenversicherungsreform 1996 wurden diese Modellversuche in die Regelversorgung übernommen (vgl. Preuß u.a. 2002, VIII).
In Deutschland wurde die gesundheitspolitische Diskussion um die Reformoption Managed Care bis Mitte der 90er-Jahre besonders intensiv geführt (vgl. Armbruster 2004, 101). Die Unwirtschaftlichkeit des deutschen Gesundheitssystems ließ sich anhand internationaler Vergleiche belegen. Deutschland lag mit den Gesundheitsausgaben pro Kopf im europäischen Vergleich an der Spitze.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gesundheitsausgaben (vgl. www.vfa.de/download/SHOW/de/presse/
statcharts/gesundheitswesen/vfastat_26_de_fa-mt.pdf vom 28.08.07)
Wie eine Studie der World Health Organization (WHO) zeigt, kann diese Spitzenposition aber bei den einschlägigen Indikatoren für die Gesundheit der Bevölkerung und die Qualität des Gesundheitssystems nicht gehalten werden. Die knappen Ressourcen wurden nicht zielorientiert eingesetzt (vgl. Mühlbacher 2002, 16).
Ab 1997 wurde daher die Erprobung neuer Vergütungs- und Versorgungsformen in der gesetzlichen Krankenversicherung in Form von Modellversuchen und Strukturverträgen oder „dreiseitigen Verträgen“ zwischen Krankenkassenverbänden, kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhausgesellschaften) zugelassen. Die Umsetzung solcher Kooperationsformen blieb jedoch begrenzt und beschränkte sich weitgehend auf die Bildung von Praxisnetzen (vgl. www.die-gesundheitsreform.de/gesundheitsreform/
themen/thema.4ml?thema=integrierte_versorgung vom 01.08.07).
Diese Möglichkeit zu einer sektorenübergreifenden (vertikalen) Integrierten Versorgung hat durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 eine neue gesetzliche Grundlage erhalten (vgl. Preuß u.a. 2002, VIII). Sie wurde vom Gesetzgeber als eine eigenständige Versorgungsform neben der Regelversorgung verankert, um die interdisziplinäre und vertikale Koordination der Versorgung zu fördern. Ziel war es, die Versorgungsqualität zu verbessern und die bestehende Über-, Unter- und Fehlversorgung abzubauen. Die horizontale und vertikale Koordination der Versorgung sollte für die Patientinnen und Patienten eine Versorgung „aus einer Hand“ gewährleisten. Wartezeiten und Lücken in der Betreuung sollten ebenso wie Mehrfachuntersuchungen verringert werden (vgl. Stock u.a. 2005, 17). Spätestens seit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 ist der Begriff Managed Care in Deutschland weitgehend durch den Begriff der Integrierten Versorgung abgelöst worden (vgl. Armbruster 2004, 104).
Mit dem GKV-Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz 2004 erhielt die Integrierte Versorgung in Deutschland einen neuen Schub (vgl. Amelung u.a. 2004, VI), da bisher die Umsetzung von Projekten der Integrierten Versorgung aufgrund sozial- und berufsrechtlicher Hemmnisse begrenzt war. Daher wurden diese rechtlichen Hemmnisse abgebaut und finanzielle Anreize gesetzt, um den Ausbau der Integrierten Versorgung zu fördern. So stehen seit 2004 jährlich bis zu 1% der jeweiligen Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhausvergütungen als Anschub– finanzierung für die Integrierte Versorgung zur Verfügung (vgl. www.die-gesundheits reform.de/gesundheitsreform/themen/thema.4ml?thema=integrierte_versorgung vom 01.08.07).
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 wurde die Integrierte Versorgung als Instrument zur besseren Verzahnung zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen fortgeführt und ausgebaut. Durch die Strukturreformen sollte eine Verbesserung der Qualität, der Wirtschaftlichkeit, ein intensiverer Wettbewerb und weniger Bürokratie erreicht werden. Vor allem wurde die Wahl- und Entscheidungsmöglichkeit der Versicherten erhöht (vgl. www.die-gesundheitsreform.de/gesetze_meilensteine/ gesetze/gesundheitsreform_2007/index.html vom 01.08.07). Auch die Profession der Pflege kann zukünftig in die Integrierte Versorgung mit einbezogen werden. Durch die Verzahnung der beiden Leistungssysteme von Kranken- und Pflegeversicherung wird eine Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Gesamtverantwortung angestrebt (vgl. www.die-gesundheitsreform.de/presse/pressemitteilung/dokumente/ 2007_1/pm_2007-03-29-027.html vom 01.08.07).
Erleichtert wurden die Verträge zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern, die im Rahmen der Integrierten Versorgung hochspezialisierte Leistungen, Leistungen zur Behandlung seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheits– verläufen ambulant erbringen können.
Das Wettbewerbsstärkungsgesetz stellt heraus, dass Verträge zur Integrierten Versorgung insbesondere auf eine bevölkerungsbezogene Flächendeckung der medizinischen Versorgung ausgerichtet sein sollten. Darunter sind Versorgungsmodelle zu verstehen, bei denen in einer größeren Region (mehrere Stadt- oder Landkreise) die Behandlung einer versorgungsrelevanten Volkskrankheit (z.B. Diabetes) vernetzt wird oder – auch in kleineren Regionen – die Behandlung des gesamten oder eines Großteils des Krankenhausgeschehens im Rahmen der Integrierten Versorgung erfolgt. Ebenfalls bleiben auch andere Verträge weiterhin möglich (vgl. www.die-gesundheitsreform. de/gesundheitsreform/themen/thema.4ml?thema=integrierte_versorgung vom 01.08.07).
Somit kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Integrierte Versorgung vom deutschen Gesetzgeber geschaffen wurde, um den Leistungserbringern die Möglichkeit zu geben, die Segmentierung der einzelnen Leistungssektoren zu überwinden und durch dauerhaft neue Lösungen die Versorgung insgesamt zu verbessern (vgl. www.deutscher-krankenhaustag.de/de/vortraege/pdf/GDK24-2001-11-22-Hartwig.pdf vom 01.08.07).
2.8 Übertragbarkeit auf das deutsche Gesundheitswesen
Die institutionellen Ausformungen von Organisationen des Gesundheitswesens und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA machen deutlich, dass aufgrund der Heterogenität der Versorgungs- und Finanzierungsform ein Vergleich mit dem deutschen Gesundheitswesen nur schwer möglich ist. Das inhomogene System der Gesundheits–
versorgung ermöglicht keine direkte Übertragung der Erfahrungen auf Deutschland. Die Managed-Care-Organisationen in den USA arbeiten unter anderen Rahmenbedingungen, als dies in Deutschland der Fall ist. Die Intensivierung des Wettbewerbs zwischen Versicherungsunternehmen und Leistungsproduzenten in den USA ist ein Ansatz zur Modifikation des Gesundheitssystems. Eine Selektion von Risikogruppen bzw. -patienten würde allerdings die Gefahr beinhalten, dass das Solidaritätsprinzip in Deutschland gefährdet ist und notwendige Leistungen den Patientinnen und Patienten vorenthalten werden. In den USA sind Versicherungs- und Versorgungsleistungen innerhalb der gleichen Organisation integriert, wobei die Führung der Leistungserbringer und Versicherten durch die Kostenträger übernommen wird (vgl. Mühlbacher 2002, 46-48). Der wesentliche Unterschied liegt also in der Struktur der Krankenversicherungs- und Versorgungssysteme. Die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland werden nach dem Prinzip der Solidarität einkommensabhängig berechnet. In den Managed Care Organisationen erfolgt die Kalkulation der Prämien einkommens–
unabhängig und nach dem individuellen Risiko der jeweiligen Person (Haubrock u.a. 2000, 82-83).
Prinzipiell lassen sich aber einzelne Managed-Care-Instrumente implementieren; dazu sind jedoch gegebenenfalls Anpassungen notwendig (insbesondere auch gesetzliche). Die prägenden Merkmale unserer gesetzlichen Krankenversicherung – besonders die Idee des solidarischen Wettbewerbs und der Selbstverwaltung – sind aus sozialstaatlicher und kompetenzrechtlicher Sicht schwer mit Managed Care vereinbar. Außerdem stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit der Freiberuflichkeit von Ärztinnen und Ärzten mit der Übernahme des Kostenmanagements (vgl. Armbruster 2004, 104). Es kann aber festgestellt werden, dass sich Managed-Care-Elemente und die gesetzliche Krankenversicherung im Grundsatz nicht wesensfremd sind (vgl. Holzner 1999, 52). Zur Weiterentwicklung und Lösung der strukturellen Probleme des Gesundheitswesens wurde daher in Deutschland die Integrierte Versorgung als angepasste Variante des Managed-Care-Ansatzes eingeführt.
Das nächste Kapitel soll klären, was dieser Begriff beinhaltet bzw. unter welchen gesetzlichen Rahmenbedingungen sich diese Variante des amerikanischen Gesundheitssystems bei uns etablieren konnte.
3 Integrierte Versorgung
3.1 Begriff und Zielsetzung der Integrierten Versorgung
Auf dem Weg zur Integration gibt es verschiedene Organisationssysteme mit unterschiedlich starker Ausprägung. Am geringsten ist diese Ausprägung bei der innerbetrieblichen und zwischenbetrieblichen Koordination. Sie beinhaltet die Abstimmung von Strukturmerkmalen und Teilfunktionen verschiedener Bestandteile eines Hilfesystems aufeinander, und zwar im Hinblick auf seine Gesamtaufgaben (vgl. Greuèl u.a. 2006, 109). Damit kann sie als eine Abstimmung zwischen Teilaufgaben auf der Strukturebene gesehen werden, die als Folge in der Regel zu einem verbesserten Ergebnis führt. „Koordiniert“ bezieht sich im Zusammenhang der stationären Leistungserbringung auf die Kombination der gesundheitsbezogenen Dienstleistungen und Informationen insofern, als sie den Erwartungen und Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten genügt. So lässt sich im Krankenhaus durch Einführung von Patientenpfaden und Standards sowie mit der Einführung eines Überleitungsmanagements dieses Ziel erreichen (vgl. Bühler 2006, 17; Rompf 2005, 28).
Die Kooperation als nächste Stufe geht über die Koordination hinaus. Sie ist die selbstständige Zusammenarbeit und das tatsächliche, sich ergänzende Handeln von Institutionen innerhalb der im Rahmen der Kooperation entstandenen Strukturen (vgl. Greuèl u.a. 2006, 109). Diese Zusammenarbeit auf der Handlungsebene erfolgt beharrlich und mit einem verbindlichen Charakter, wobei die Kooperationspartner auf ein gemeinsames Endziel hinarbeiten. Die Grundlage dafür kann freiwillig sein oder auf vertraglicher Ebene erfolgen. Die Zusammenarbeit kann sich aber auch auf einzelne Aufgaben oder bestimmte Projekte beschränken. Ebenfalls ist die verbindlich festgelegte Zusammenarbeit zwischen vertretungsberechtigten Personen verschiedener Professionen eine Kooperation, wenn sie nicht zeitlich und sachlich begrenzt ist. Voraussetzung für den Erfolg von Kooperationen ist, dass die Beteiligten den Sinn und die Notwendigkeit einer solchen Zusammenarbeit erkennen (vgl. Bühler 2006, 18). Ein Beispiel dafür könnte ein Kooperationsvertrag eines Klinikums mit ambulanten Pflegediensten sein, um die nahtlose weitere medizinische Versorgung nach einem Krankenhausaufenthalt zu gewährleisten (vgl. Haubrock u.a. 2000, 104).
Mit einem Netzwerk ist die Steigerung von Koordination und Kooperation dann erreicht, wenn die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Leistungsanbietern im Gesundheitssystem ständig und verlässlich funktioniert und zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist (vgl. Greuél u.a. 2006, 119). Ein Netzwerk ist wiederum prägend für die Einstellungen und das Verhalten der daran Beteiligten. Es stellt ein Ganzes dar, das mehr als die Summe seiner Teile ist. Die strategische Einbindung von Dritten in Netzwerke ist beiderseitig sinnvoll, da für alle Beteiligten das Netzwerk ein unverzichtbarer strategischer Vorteil ist, um im Wettbewerb um Qualität und Leistung bestehen zu können. Die Vernetzung ist die Vorstufe und der Übergang zur vollständigen Integration, bei der sich unabhängige Dienste oder Einrichtungen zu einer neuen Organisation zusammengeschlossen haben.
Die Integrierte Versorgung (IV) ist als Folge davon eine eigenständige Dienstleistung, die statt bisher einzelne Leistungen ein individuell und ganzheitlich zusammengestelltes Leistungspaket anbietet (vgl. Bühler 2006, 18; Henke u.a. 2004, 123). Zu einer besseren Übersicht folgt noch einmal eine graphische Darstellung der verschiedenen Organisationssysteme.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Organisationsgrade im Gesundheitssystem (vgl. Bühler 2006, 13)
„Integrierte Versorgung“ und „Vernetzung“ sind in Deutschland Schlagworte, die an Popularität kaum noch zu überbieten sind, aber an Klarheit immer mehr verlieren. In der Literatur findet sich keine einheitliche Definition des Zustandes „Integrierte Gesundheitsversorgung“. Je nach Berufsgruppe, nach wirtschaftlicher oder aber „mengenausweitungsgesteuerter“ Zielausrichtung fällt die Beschreibung der Begrifflichkeit anders aus (vgl. Bühler 2006, 95). Ein aus Sicht des Verfassers gelungener Vorschlag zu einer Definition der Integrierten Versorgung besagt, dass: „[...] Integrierte Gesundheits–
versorgung [...] sämtliche Formen der Kooperation in einem möglichst effizienten, patientenorientierten Versorgungsprozess umfasst [...].“ (Berger in Bühler 2006, 95). Zu einem besseren Verständnis wird im Folgenden die Relevanz der Integrierten Versorgung für das deutsche Gesundheitssystem betrachtet.
Die Trennung der Versorgung in Einzelsektoren im deutschen Gesundheitswesen lässt sich bereits auf die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung zurückführen. Den Patientinnen und Patienten wurde damals neben der Möglichkeit der ambulanten ärztlichen Behandlung auch die Möglichkeit eines Krankenhausaufenthaltes geboten (vgl. Greuèl u.a. 2006, 34). Zu dieser Zeit gab es aber keine juristischen Verbote für die Krankenkassen, frei gestaltbare Verträge mit Leistungserbringern abzuschließen, da der Sicherstellungsauftrag bei den gesetzlichen Krankenkassen lag. Sie konnten eigenständig entscheiden, mit welchen Verträgen welche Leistungen durch welche Institution erbracht werden sollten. Durch die Gründung der Kassenärztlichen Vereinigung 1931 wurde aber der Sicherstellungsauftrag als Behandlungsmonopol definiert, wodurch die Krankenkassen ihren freien Gestaltungsspielraum verloren (vgl. Mühlbacher 2002, 59).
Dadurch wollte man nach über 100 Jahren mit den Gesundheitsreformen durch einschneidende Reorganisationsbemühungen, wie z.B. der Einführung der Integrierten Versorgung, die Aufteilung in Sektoren und das ärztliche Behandlungsmonopol als hinderliche Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitssystems überwinden (vgl. Boehme-Neßler 2006, 23-24). Im Folgenden wird genauer darauf eingegangen, was in Deutschland unter dem Begriff der Integrierten Versorgung zu verstehen ist.
Vom deutschen Gesetzgeber wurde die Integrierte Versorgung im Jahr 2000 als eine Möglichkeit zur funktionsübergreifenden Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen geschaffen. Dies mit der Absicht, den Grundsatz „ambulant vor stationär“ und „Rehabilitation vor Pflege“ zu fördern und Strukturen zu schaffen, die sich deutlicher an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten und nicht an den Schranken sektoraler Leistungserbringung ausrichten. In diesem Umfeld soll die Integrierte Versorgung die Verantwortung für eine umfassende, koordinierte, interdisziplinäre, sektorenübergreifende und kontinuierliche Leistungserstellung, von der Vorsorge bis zur Nachsorge, in unterschiedlichen Einrichtungen bei einheitlichen und nahtlosen Versorgungsprozessen. Bedeutendster Bestandteil der Integrierten Versorgung ist demnach eine gezielte und koordinierte Steuerung der Versorgungsabläufe auf Grundlage von Behandlungspfaden und einer umfassenden Informations- und Datensteuerung (vgl. Baumann 2006, 202; Trockel u.a. 2005, 39). Diese Versorgungsform intendiert gezielt die Lösung folgender Probleme:
- Doppeluntersuchungen,
- falsche Diagnosen,
- mangelnde Beachtung der Prävention,
- Vernachlässigung der Möglichkeit der Selbstbehandlung,
- Schnittstellenprobleme bei den Übergängen der einzelnen Versorgungssektoren im Behandlungsprozess
- sowie Konflikte zwischen den Leistungsanbietern.
(vgl. Armbruster 2004, 155)
Dies ist mit der Hoffnung verbunden, dass die Patientinnen und Patienten und nicht mehr die Vergütungsinteressen einzelner Gruppen von Leistungsanbietern im Mittelpunkt stehen. Durch diese neue Form der Zusammenarbeit möchte man weiterhin erreichen, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie akut und rehabilitativ arbeitende stationäre Einrichtungen die Verantwortung für eine regional begrenzbare medizinische Versorgung übernehmen. Dafür hat man sie mit finanziellen Mitteln ausgestattet, die für die notwendige und qualitativ gesicherte Patientenbehandlung als ausreichend angesehen werden. Diese finanziellen Mittel sollen so viel Spielraum enthalten, dass bei einem sparsamen Ressourcenumgang den beteiligten Leistungsanbietern ein finanzieller Bonus gewährt werden kann. Neben der Behandlung übernehmen die Ärztinnen und Ärzte damit auch die Verantwortung für die wirtschaftlichen Folgen, die sich aus ihrer Indikationsstellung und Wahl der Behandlungsmethode ergeben (vgl. Preuß u.a. 2002, 14). Vereinfacht gesagt, soll das Ziel der Integrierten Versorgung durch einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Verständnis der Versorgungsprozesse erreicht werden, der sich in zwei Merkmalen äußert:
[...]
- Quote paper
- B.A. Pflege/ Pflegemanagement Tobias Beck (Author), 2007, Managed Care in der stationären Leistungserbringung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94493
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