Die folgende Hausarbeit beschäftigt sich vor allem mit der Orientalismus-Theorie von Said und seiner Studie Orientalism und soll in Hinblick auf Hans-Peter Rodenbergs Werk „Der imaginierte Indianer“ einen Einblick in die Möglichkeit der Aufnahme und Umsetzung der Orientalismus-Theorie auf die Vergesellschaftung und den Kulturkonflikt des Fremden schaffen. Es wird sich somit mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern Saids Theorie sowie die darin enthaltenen Überlegungen als auch die daraus resultierende Kritik auf den Kulturkonflikt der Native Americans und den europäischen Siedler*innen angewandt werden kann, sodass der Orient-Okzident-Dualismus auch in der Betrachtung anderer Kulturen sichtbar wird. Zu Beginn der Hausarbeit wird der Orientalismus im Allgemeinen und anschließend der Orientalismus aus Saids Sicht dargestellt, woraufhin Saids Theorie des Orientalismus und dessen zentrale Thesen, Argumente und Überlegungen in seiner Studie Orientalism vorgestellt werden. Es folgt die Kritik an Saids Theorie. Im Anschluss soll Hans-Peter Rodenbergs Werk „Der imaginierte Indianer“ untersucht werden, sodass eine mögliche Übertragbarkeit des Dualismus-Phänomens sichtbar wird.
Die Orientbegeisterung und der orientalische Exotismus entstehen vor allem in Frankreich und dem restlichen Europa am Ende des 18. Jahrhunderts mit der Übersetzung Antoine Gallands „Mille et une nuits“ aus dem Arabischen ins Französische. Gallands Text zählt als eine „Art Gründungstext des europäischen Orientalismus“.
Zum Ende des 20. Jahrhunderts setzt sich der Literaturwissenschaftler Edward Wadie Said mit dem Orientalismus auseinander und eröffnet mit seiner Studie Orientalism und somit auch seiner Orientalismus-Theorie neue Blickwinkel in diesem Diskursfeld. Seine Theorie wurde vielseitig diskutiert und ist auch heutzutage in vielen wissenschaftlichen Texten noch präsent.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Orientalismus
2.1 Orientalismus im Allgemeinen
2.2 Saids Verständnis des Orientalismus
2.3 Saids Theorie des Orientalismus
2.4 Kritik an Saids Theorie des Orientalismus
3. Hans-Peter Rodenberg: Der imaginierte Indianer
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Orientbegeisterung und der orientalische Exotismus entstehen vor allem in Frankreich und dem restlichen Europa am Ende des 18. Jahrhunderts mit der Übersetzung Antoine Gallands „Mille et une nuits“ aus dem Arabischen ins Französische (Gipper 2017, S. 192). Gallands Text zählt als eine „Art Gründungstext des europäischen Orientalismus“ (ebd., S. 194).
Zum Ende des 20. Jahrhunderts setzt sich der Literaturwissenschaftler Edward Wadie Said mit dem Orientalismus auseinander und eröffnet mit seiner Studie Orientalism und somit auch seiner Orientalismus-Theorie neue Blickwinkel in diesem Diskursfeld. Seine Theorie wurde vielseitig diskutiert und ist auch heutzutage in vielen wissenschaftlichen Texten noch präsent.
Die folgende Hausarbeit beschäftigt sich vor allem mit der Orientalismus-Theorie von Said und seiner Studie Orientalism und soll in Hinblick auf Hans-Peter Rodenbergs Werk „Der imagi- nierte indianer“ einen Einblick in die Möglichkeit der Aufnahme und Umsetzung der Orienta- lismus-Theorie auf die Vergesellschaftung und den Kulturkonflikt des Fremden schaffen. Es wird sich somit mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern Saids Theorie sowie die darin enthaltenen Überlegungen als auch die daraus resultierende Kritik auf den Kulturkonflikt der Native Americans und den europäischen Siedlerinnen angewandt werden kann, sodass der Orient-Okzident-Dualismus auch in der Betrachtung anderer Kulturen sichtbar wird. Zu Beginn der Hausarbeit wird der Orientalismus im Allgemeinen und anschließend der Orientalismus aus Saids Sicht dargestellt, woraufhin Saids Theorie des Orientalismus und dessen zentrale Thesen, Argumente und Überlegungen in seiner Studie Orientalism vorgestellt werden. Es folgt die Kritik an Saids Theorie. Im Anschluss soll Hans-Peter Rodenbergs Werk „Der imaginierte Indianer“ untersucht werden, sodass eine mögliche Übertragbarkeit des Dualismus-phänomens sichtbar wird.
2. Orientalismus
2.1 Orientalismus im Allgemeinen
Castro Varela und Dhawan zufolge entstehe der Diskurs des Orientalismus im späten 18. Jahrhundert als akademische Disziplin. Ab der Entstehung bildet dieses Diskursfeld „ein Wissensarchiv, welches die westliche kulturelle, ökonomische und militärische Dominanz über den Orient konsolidieren hilft“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 97). Nach Osterhammel sei der orientalistische Diskurs ein monologischer Diskurs, bei dem wirkliche Erkenntnisse über das Fremde, hier der Orient, nicht gewonnen werden. Der Diskurs arbeite nach sich selbst auferlegten Regeln, wobei der Orient in diesem Diskursfeld kein Abbild der Realität darstelle (Osterhammel 1997, S. 599). Er fungiere als ein Ort, der durch die Orientalisten entdeckt und begreifbar gemacht werden soll, konstituieren Castro Varela und Dhawan. Im Diskursfeld des Orientalismus wird der orientalische Mensch „als exaktes Gegenbild der Europäer/-innen“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 97) beschrieben, sodass er „als ihre Anderen“ (ebd.) bezeichnet werden kann. In den Werken von Goethe, Hugo, Lamartine, Schlegel sowie weiteren Autoren „wurde der Orient zum Synonym des Exotischen, Weiblichen und Geheimnisvollen, des Tiefen und des Ursprünglichen“ (Said 2001, S. 43) Es wird sichtbar, dass der Orient als ein Gegenstück zur westlichen Welt entworfen wird, hierbei jedoch einen niederen Stellenwert in seiner Dominanz einnimmt und den Europäern somit Machtansprüche in jeglichen Bereichen entgegenbringt.
Der Orientalismus kann aufgrund der oben genannten Punkte „als ein nationalistischer als auch rassistischer Diskurs, der über nationale und kulturelle Besonderheiten und linguistische Ursprünge spricht und damit Autorität gewinnt“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 98), bezeichnet werden. Mit der Nutzung des Begriffes orientalisch werde „eine breite und diverse Wissensfülle homogenisiert und mit einem einzigen Adjektiv zu erfassen gesucht“ (ebd.), so Castro Varela und Dhawan.
2.2 Saids Verständnis des Orientalismus
Said versteht in seiner Studie Orientalism „unter Orientalismus generell westliche Darstellungen des Orients, in denen dieser als das ,Andere‘ Europas vorgestellt wird“ (Wiedemann 2012, S. 2). Seiner Meinung nach werde der Orient durch die Beschreibungen der Orientalisten der westlichen Welt, des Okzidents „als feminin, irrational und primitiv im Gegensatz zum maskulinen, rationalen und fortschrittlichen Westen entworfen“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 99). Somit komme es nach Said zur Schaffung eines Stereotypenregimes zwischen Orient und Okzident, indem sich der Westen in all seiner sich selbst zugeschriebenen Überlegenheit über den Orient stelle und diesen unterdrücke (ebd.). Ihm zufolge werde der Begriff des Orients in den postkolonialen Theorien viel mehr für die Darstellung und Repräsentation „eines nicht-westlichen Anderen“ (Wiedemann 2012, S. 2) durch den Westen, als für die Bezeichnung des konkreten Raums dessen genutzt (ebd.). Das Territorium, auf das sich Said in seiner Studie bezieht und welches den Orient darstellt, umfasst „den heutigen Nahen und Mittleren Osten, einige semitische Gesellschaften sowie Südostasien“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 97). Durch eine Bezugnahme auf ein Territorium schafft Said in seiner Studie einen Raum des Orients, auf den er sich bezieht und dessen Darstellung durch den Okzident mit Hilfe von Analysen der ihm vorliegenden Literatur untersucht.
Der Begriff des Orientalismus wird in seiner Studie nicht eindeutig definiert, sondern vielmehr auf drei verschiedenen Bedeutungsebenen betrachtet. Zum einen beschreibt er den Orientalis- mus „als eine Art Gesamtprodukt aller akademischen Aussagen über den Orient“ (Wiedemann 2012, S. 3) zum anderen als eine Denkweise. Diese Denkweise finde ihren Ursprung in der ontologischen und epistemologischen Unterscheidung zwischen Orient und Okzident, so Said (ebd.). Er beschreibt den Orientalismus auch als „ein das europäische Denken seit der Antike durchziehendes Repräsentationssystem, in dem Okzident und Orient als asymmetrische Gegenbegriffe fungieren und letzterer immer als das exotisierte, essentialisierte und enthistorisierte Andere vorgestellt wird“ (ebd.). Ersichtlich wird die Einteilung des Orients und Okzidents seit der Antike, bei der der Orient ebenfalls dem Okzident untergestellt und mit „nicht-westlichen“ Attributen beschrieben wird. Auf der dritten Ebene beschreibt Said den Orientalismus „als Begleiterscheinung des europäischen Kolonialismus“ (ebd. S. 4). Nach Said seien diese verschiedenen Aspekte aber abhängig voneinander, sodass sein Ziel in der Studie Orientalism die Offenbarung dieser Interdependenz darstellt (Adam 2013, S. 11). In seiner Studie wird nicht ganz Europa betrachtet. Es werden vorwiegend Frankreich und Großbritannien betrachtet, welche die Rolle des Okzidents einnehmen (Wiedemann 2012, S. 4).
2.3 Saids Theorie des Orientalismus
1978 erschien Saids Studie Orientalism. Sein Werk gilt „als eines der frühesten Beispiele für die kombinierte Anwendung kritischer französischer Theorie, anglophoner Kulturwissenschaften und Texttradition“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 96). Bei der Einordnung seiner Studie können Abweichungen beobachtet werden. Said selbst beschreibe Orientalism als eine humanistische Studie, „die einen Versuch darstelle, die gewalttätigen Grenzen des Denkens in Richtung einer nicht-dominanten und nicht-essentialistischen Form des Lernens zu überschreiten“ (Said 1995, zit. in ebd., S. 103). Wiedemann hingegen bezeichnet Orientalism als „eine literaturhistorische Studie über Darstellungen des Vorderen Orients in der europäischen Kultur und Wissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts“ (Wiedemann 2012, S. 2). Auffallend ist der Versuch Saids mit Hilfe seiner Studie das Denken bezüglich des Orient-Okzident-Dualismus zu verändern, wohingegen Wiedemann diese als literaturhistorische Studie beschreibt, die sich mit der europäischen Darstellung des Vorderen Orients befasst, sodass ein gewisser Gegensatz in der Betrachtung der Intention entsteht. In Orientalism nutzt Said einen doppelten Fokus. Zum einen betrachtet er „die Konstruktion des Orients durch Europa“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 97) und zum anderen bezieht er sich auf die Umsetzung des Wissens über den Orient „zur kolonialen Herrschaftsstabilisierung“ durch den Okzident (ebd.).
Nach Said seien alle kulturellen Beschreibungssysteme des Westens, in diesem Fall die orientalistik, für die Machtausübung genutzt worden. Er führt dies aus, indem er die Strategien Europas im Kennenlernen des Orients als Strategien der Weltbeherrschung beschreibt (ebd.). Die Demarkationslinie, die sich aus dem Orient-Okzident-Dualismus ergebe, erklärt er als unnatürlich, da sie seiner Meinung nach durch einen spezifischen Dominanzdiskurs hervorgegangen sei (ebd., S. 100). Der Dominanzdiskurs ergibt sich aus den aufgeführten Punkten aus Kapitel 2.2. Letztendlich nennt Said das Ergebnis des orientalistischen Denkens „imaginative geography“ (Said 1978, zit. in ebd.). Somit bezieht sich die Geographie des Orients und auch des Okzidents nicht auf einen klar abgetrennten Raum, sondern viel mehr auf das Denken durch die nicht-westliche Welt, hier vor allem durch die Orientalisten. Der Orient sei also eine soziale Konstruktion, „die hierarchische Strukturen produziert und stützen hilft“ (Richter 2015, S. 315).
In Orientalism verknüpft Said das Denken Gramscis mit dem Subjektverständnis Foucaults, um Abschätzungen vornehmen zu können. Nach Gramsci komme es durch Erziehung und kulturelle Praktiken zur „Einwilligung in hegemoniale Ordnungsverhältnisse“ (Castro Varela und Dhawan 2015, S. 101) durch die Mehrheit. Die Hegemonie beruhe somit auf einer „mehrheitlich geteilten Meinung“ (ebd.), welche Gramsci auch „senso comune“ nenne, so Castro Varela und Dhawan. Diese werde durch das Zusammenwirken von Zwang und Konsens ausgeübt, wobei der Konsens im Vordergrund stehe, sodass der Zwang „auf den Konsens der Mehrheit gestützt“ (Gramsci 1996, zit. in ebd.) scheine. Bei Foucault Subjektverständnis gibt es kein prädiskursives Subjekt, sodass dieses „erst durch Diskurse hervorgebracht“ (ebd.) werde. Mit der Verknüpfung dieses Denkens kann durch Said abgeschätzt werden, welche Funktionen kulturelle Beziehungen als Medium des Orientalismus einnehmen und inwiefern westliche Wissensund Repräsentationssysteme bei der materiellen und politischen Unterwerfung bzw. Subjekti- vierung des Orients eine Rolle spielen (ebd.).
Saids Intention ist die Auflösung des Orient-Okzident-Dualismus, indem er bestrebt, dass „eine neue Form der Auseinandersetzung mit dem Orient“ (Said 1978 zit. in ebd.) stattfinde, als es bei der Betrachtung des Orients durch die Orientalisten der westlichen Welt der Fall sei. Um die falsche Repräsentation des Islams durch den Okzident aufzulösen, will Said nachweisen, inwiefern der Orient durch die Repräsentationen Europas entstellt wird (ebd., S. 101f.).
2.4 Kritik an Saids Theorie des Orientalismus
Saids Studie durfte harte Kritik erfahren und sich bei vielen Kritikern unter Beweis stellen. Da er Literaturwissenschaftler war, weist Orientalism viele methodisch-theoretische Schwachstellen und Widersprüche auf. Auffallend ist vor allem „der verwirrende Status des Orients“ (Wiedemann 2012, S. 5), da Said den Orient zum einen „als reine Konstruktion“ (ebd.) darstelle, dieser zum anderen aber als unterworfener, realer Raum in seiner Studie aufgeführt werde. Auf Grundlage dessen stellt Wiedemann die Frage, inwiefern „eine bloße Imagination verzerrt und beherrscht werden kann“ (ebd.), welche Said in seiner Studie mit der Überlagerung des „latenten Orientalismus“, also dem erfundenen, durch den „manifesten Orientalismus“, dem realen, zu begründen versuche (ebd.). Richter führt diesen Widerspruch aus, indem sie die „machtpolitische Unterlegenheit der beschriebenen Region gegenüber Europa und den USA“ (Richter 2015, S. 315) als Argument nutzt, sodass die Autorin zu dem Entschluss kommt, dass die einst reine Konstruktion des Orients „durch Herrschaftstechniken und die Dominanz westlicher Kunstproduktion“ (ebd.) materialisiert werden kann. Somit wird die Nutzung des Orients als realen Raum sowie als Konstruktion ihrer Meinung nach legitimiert. Der Westen hingegen werde von Said als sehr simpel aufgefasst und dargestellt, sodass keine Differenzierung innerhalb dessen vorgenommen werde (Osterhammel 1997, S. 603).
Nach Wiedemann stellt der Schluss Saids von Alterität auf Machteffekte und koloniale Herrschaft des Orients einen Widerspruch dar, da die identitätsbildung immer durch Abgrenzung stattfinde und somit nicht nur durch den Okzident geschehe. Said beschreibt die verzerrende Repräsentation des Anderen als eine charakteristische Eigenschaft des Westens, wodurch in seiner Studie selbst eine eurozentrische Sichtweise entstehe, die keine Unterscheidung zu anderen Konstruktionen der Alterität vornehme. Weiterhin führt Wiedemann die Kritik Polasche- ggs auf, die auf die nichtvorhandene kategoriale Differenzierung „des Anderen“ und „des Fremden“ hinweist. in Orientalism finde keine Abgrenzung von „dem Anderen“ zu „dem Eigenen“ und „dem Fremden“ zu „dem Vertrauten“ statt, sodass „das Andere“ und „das Fremde“ als Synonyme erscheinen. Weitere Kritikpunkte, die Wiedemann in seinem Text aufführt, sind historische Ungenauigkeiten und Fehler sowie einseitige interpretationen, die Ausblendung von Gegendiskursen, wodurch der eigene Diskurs als das einzig richtige erscheine sowie die Nichtbeachtung der neueren Forschung zum Themenkomplex des europäischen Kolonialismus und Imperialismus (Wiedemann 2012, S. 6f).
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- Arbeit zitieren
- Felix Dirsat (Autor:in), 2019, Saids Orientalismus. Ansätze postkolonialer Theorien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/944688
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