Welches Bild vermitteln Medien durch ihre Berichterstattung über Depressionen? Haben Medien eine Aufklärungspflicht?
Am Anfang werde ich auf den generellen Einfluss der Berichterstattung der Medien eingehen. Danach erläutere ich kurz zwei Fallbeispiele, Robert Enke und Chester Bennington. Des Weiteren lege ich die Vorgaben und Richtlinien bezüglich Suizid-Berichterstattung dar und ziehe ein Fazit.
Die Darstellung einer psychischen Krankheit wie Depressionen in den Medien ist bis heute kontrovers diskutiert und alles andere als einfach. In der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich ca. 10.000 Menschen durch Suizid. „Etliche Betroffene sehen auch einen engen Zusammenhang gegeben zwischen der Krankheit und den diesbezüglichen, leider häufig ablehnenden Reaktionen innerhalb der Gesellschaft.“ Viele Betroffene haben Angst, sich zu outen. In unserer Gesellschaft wird immer noch mit Vorurteilen gegenüber Depressionen umgegangen und auch berichtet. Können Medien daher eine Teilverantwortung für weitere Suizide tragen aufgrund lenkender Berichterstattung?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Einfluss der Berichterstattung
3. Fallbeispiele Berichterstattung
3.1. Robert Enke (2009)
3.2. Chester Bennington
4. Vorgaben und Richtlinien der Deutschen Depressionshilfe
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1. Literatur
6.2. Internet-Quellen
1. Einleitung
Die Darstellung einer psychischen Krankheit wie Depressionen in den Medien ist bis heute kontrovers diskutiert und alles andere als einfach.
Welches Bild vermitteln Medien durch ihre Berichterstattung über Depressionen? Haben Medien eine Aufklärungspflicht?
Am Anfang werde ich auf den generellen Einfluss der Berichterstattung der Medien eingehen. Danach erläutere ich kurz zwei Fallbeispiele, Robert Enke und Chester Bennington.
Des Weiteren lege ich die Vorgaben und Richtlinien bezüglich Suizid-Berichterstattung dar und ziehe ein Fazit.
2. Einfluss der Berichterstattung
In der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich ca. 10.000 Menschen durch Suizid.1 „Etliche Betroffene sehen auch einen engen Zusammenhang gegeben zwischen der Krankheit und den diesbezüglichen, leider häufig ablehnenden Reaktionen innerhalb der Gesellschaft.“2
Viele Betroffene haben Angst, sich zu outen. In unserer Gesellschaft wird immer noch mit Vorurteilen gegenüber Depressionen umgegangen und auch berichtet.
Können Medien daher eine Teilverantwortung für weitere Suizide tragen aufgrund lenkender Berichterstattung? Oft entsteht auch der sogenannte Werther-Effekt.
„Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive ist der sogenannte „Werther-Effekt“ von besonderer Relevanz, wonach Medienberichte zusätzliche Suizide auslösen können, die ohne diese Berichterstattung nicht stattgefunden hätten. Umgekehrt kann eine angemessene Suizidberichterstattung Suizide auch verhindern, weshalb weltweit den Medien eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Suiziden zugesprochen wird.“3
„Auch wenn die mediale Berichterstattung nicht der primäre Grund für den Suizid ist, kann sie doch ein wesentlicher Auslöser während einer kritischen Phase der Erkrankung sein.
Bestimmte Merkmale der Berichterstattung erhöhen die Wahrscheinlichkeit für imitatives Verhalten:
- Wiederholte, detaillierte Berichte über den Suizid;
- Eine stark emotionsgefärbte Berichterstattung;
- Suizid einer prominenten Person;
- Berichterstattung in den Printmedien“4
3. Fallbeispiele Berichterstattung
3.1. Robert Enke (2009)
Robert Enke war ein deutscher Fußballtorwart bei Hannover 96 und nahm sich am 10. November 2009 im Alter von nur 32 Jahren das Leben. In der Nähe seines Wohnortes ließ er sich von einem Zug überrollen. Nach dem Vorfall wurde bekannt, dass der Torhüter seit längerer Zeit unter Depressionen gelitten hatte und auch in Behandlung war.
Die Berichterstattung sah auf den ersten Blick unproblematisch aus, allerdings gab es auch einige Beiträge, die ethische Grenzen überschritten. Unter Anderem veröffentlichte die Bild-Zeitung die Suizidmethode zusammen mit einzelnen Details vom Tatablauf und dem genau beschriebenen Tatort.5
Die Zahl nach Nachahmer erhöhte sich rasend schnell. Immer mehr Menschen sprangen vor Züge. In den Jahren vor dem Tod von Robert Enke lag die Zahl bei 2,3 eisenbahnsuizidialen Handlungen. Kurz danach stieg die Zahl sogar auf 9 Vorfälle pro Tag.6
Auch hier griff der Werther-Effekt. Seine Frau Teresa gründete kurz nach seinem Freitod die Robert-Enke-Stiftung7 mit dem Ziel, über Depressionen aufzuklären und deren Forschung und Behandlung zu dienen.
Positiv sei hier zu erwähnen, dass durch die Berichterstattung dem Thema Depressionen mehr Aufmerksamkeit gewährt wurde. „In der Bild Zeitung wurde wenige Tage nach seinem Tod die „Neue BILD-Serie: Depressionen“ ins Leben gerufen. Dieses Ereignis hat sicherlich kurzfristig zu einer vermehrten Berichterstattung geführt.“8
3.2. Chester Bennington
Chester Bennington war ein amerikanischer Sänger, welcher seinen Durchbruch mit der Band Linkin Park hatte. Er nahm sich am 20. Juli 2017 in seiner Villa in Kalifornien das Leben. Es war bekannt, dass der Sänger – auch nach eigenen Aussagen9 – unter Depressionen litt.
Chester Benningstons Ehefrau Talinda Bentley rief bereits mehrfach über Instagram10 dazu auf, ein Zeichen gegen Stigmatisierung von Depressionen zu setzen. Es gibt über 91.225 Beiträge mit dem Hashtag #iamthechange (Stand: 18.02.2020)11
Mit ihrem Projekt @changedirection hat seine Frau dazu aufgerufen, ein Foto der eigenen Hand mit den Worten „I am the Change“ zu posten, als Symbol der 5 Zeichen für einen bewussten und guten Umgang mit sich selbst. „Kümmere dich um dich! Setze dich mit anderen in Verbindung! Beziehe Familie und Freunde mit ein! Sorge für Entspannung und reduziere Stressfaktoren! Kenne die Anzeichen für emotionale Tiefpunkte!“
Dies sorgte vor allem in den sozialen Medien für Positive Aufmerksamkeit. Je mehr Menschen dieses Hashtag verwenden, desto größer wird das Gemeinschaftsgefühl.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4. Vorgaben und Richtlinien der Deutschen Depressionshilfe
Die Deutsche Depressionshilfe hat einen Medienguide zusammengestellt, wie über Suizide durch Depressionen verrichtet werden sollte.12
„Die Medien prägen dabei maßgeblich das Bild, das sich die Öffentlichkeit von Menschen mit Depression und anderen psychischen Erkrankungen macht. Deshalb setzt sich die Stiftung Deutsche Depressionshilfe, unterstützt von der Deutsche Bahn Stiftung, für eine vorurteilsfreie Berichterstattung ein.“13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5. Fazit
Gefühlt wird in den Medien viel mehr von Suiziden durch Depressionen berichtet, als über einen positiven Ausgang. Oft wird ein Suizid als „Erlösung“ dargestellt.
Formulierungen wie „trotz Behandlung“ werfen ein falsches Licht auf diese Krankheit und macht Betroffenen Menschen Angst.
Viele Berichte vermitteln ein falsches Bild über die Krankheit und sorgen durch den Werther-Effekt teilweise dazu, dass Menschen mit Depressionen suggeriert bekommen, es gäbe keinen anderen Ausweg aus dem Leiden, als sich das Leben zu nehmen. Es sollte daher mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Welche Möglichkeiten zur Hilfe gibt es? Wie viele Betroffene gibt es, die mit Therapien und Offenheit ein glückliches Leben führen? Wie läuft eine Therapie ab? Welche Therapieformen gibt es?
Depressionen werden oft mit Schwäche verknüpft. Viele Menschen haben Angst davor, zur Therapie zu gehen oder offen zu ihrer Krankheit zu stehen. Man könne nicht arbeitsfähig sein, ausgelacht oder nicht ernst genommen werden.
Medien haben als vierte Gewalt in unserer Gesellschaft die Pflicht, Aufklärungsarbeit zu leisten und Betroffenen die Angst zu nehmen, nicht diese zu schüren durch unethische Berichterstattung.
Der Medienguide der Deutschen Depressionshilfe ist ein guter und hilfreicher Leitfaden für Journalisten. Hier wird unter anderem auch auf den Werther-Effekt hingewiesen, sodass Journalisten aktiv darauf achten können.
Meiner Erfahrung nach wird die meiste und beste Aufklärung mittlerweile tatsächlich online auf Blogs und sozialen Medien betrieben – von Betroffenen Personen selbst, wie beispielsweise Kea von Garnier14.
Betroffene fühlen sich verstanden. Es wird über gute und schlechte Tage berichtet. Einem wird mit persönlichen Tipps geholfen, beispielsweise bei der Suche nach einem Therapieplatz. Durch die entstehende Community entsteht ein Gemeinschaftsgefühl.
Dieses Gefühl vermitteln auch die Ehefrauen von Robert Enke und Chester Bennington mit ihren Initiativen. Betroffenen wird das Gefühl gegeben, sie seien gut so, wie sie sind. Sie können Hilfe bekommen und sind nicht alleine. Genau dieses Bild sollten alle Medien über ihre Berichterstattung vermitteln – nicht, dass Suizid der einzige Ausweg sei.
Auch in den Printmedien könnten verstärkt Berichte von Betroffenen aufgenommen werden, wie sie den Ausweg aus dem Leid geschafft haben. Oder es könnte Aufklärung stattfinden, wie eine Therapie genau abläuft und welche Arten von Therapien es gibt.
[...]
1 Müller-Rörich, Thomas u. a. 2013. „Schattendasein : Das unverstandene Leiden Depression“, S. 31.
2 Ebenda, S. 32.
3 Scherr, Sebastian. 2016. „Depression – Medien – Suizid : Zur empirischen Relevanz von Depressionen und Medien für die Suizidalität“., S. 13.
4 https://ifightdepression.com/de/fuer-multiplikatoren/medien/sensible-berichterstattung
5 Jackob, Nikolaus. 2018. Die Mediengesellschaft und ihre Opfer : Grenzfälle journalistischer Ethik im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert. Berlin, S. 78.
6 https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/schreiben-ueber-depression-und-suizid-der-enke-effekt/13517958.html
7 https://robert-enke-stiftung.de/
8 Golla, Bettina Renate. 2018. „Darstellung der Depression in deutschen Printmedien 1999-2009“. PhD Thesis.
9 https://www.stern.de/kultur/musik/chester-bennington--seine-depressionen-und-die-liebe-seiner-frau-7547314.html
10 https://www.instagram.com/changedirection/
11 https://www.instagram.com/explore/tags/iamthechange/
12 https://www.deutsche-depressionshilfe.de/presse-und-pr/berichterstattung-suizide
13 https://www.deutsche-depressionshilfe.de/presse-und-pr/berichterstattung-suizide
14 https://www.instagram.com/keavongarnier/
- Citar trabajo
- Sabrina Wirth (Autor), 2020, Wie wird mit Depressionen in den Medien umgegangen? Eine Frage der Medienethik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/944594
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