1970 beschäftigte sich der Deutsche Ärztetag das erste Mal in seiner Geschichte mit der
psychiatrischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Als Folge der
katastrophalen Beurteilung der Versorgungslage für psychisch Kranke in der
Bundesrepublik, wurde im September 1975 „Der Bericht über die Lage der Psychiatrie in
der Bundesrepublik Deutschland“ fertiggestellt1. Dieser Bericht, der inoffiziell auch als
Psychiatrie-Enquete bezeichnet wird, legte mit den Empfehlungen seiner
Expertenkommission den Grundstein für die Gemeindepsychiatrie, in deren Rahmen, es
chronisch psychisch kranken Menschen ermöglicht werden sollte, ein möglichst
eigenständiges und beschütztes Leben zu Hause, in ihrer Heimatgemeinde, zu führen. Die
Empfehlungen der Expertenkommission strebten zudem eine möglichst gemeindenahe
Koordination aller Versorgungsdienste, sowie eine bedarfsgerechte Versorgung an.
Deswegen wurde bereits im Anhang der Psychiatrie-Enqu黎e der Begriff „psychiatrische
Rehabilitation“ aufgenommen. Es sollte versucht werden so viel chronisch psychisch
erkrankten Menschen, wie möglich ein Leben außerhalb von Anstaltsmauern, in der
„normalen“ Gesellschaft zu ermöglichen. Um eine solche Reformation der psychiatrischen
Versorgung zu ermöglichen, wurden im Rahmen der Psychiatrie-Enquete auch drei
überregionale Modellprogramme durchgeführt. Aus den Erfahrungen dieser
Modellprojekte profitierte später das Konzept der gemeindenahen Psychiatrie.
Am 1 Januar 1991 trat dann die Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) in Kraft, in
der, neben anderen Berufsgruppen, wie Ärzten, Psychologen, Ergotherapeuten und
Pflegekräften, auch Sozialarbeiter und Sozialpädagogen “zum Stammpersonal der
veränderten psychiatrischen Krankenhäusern” gezählt wurden. Sozialtherapeutisches
Kompetenztraining und sozialtherapeutische Einzelfallhilfe bzw. Gruppenarbeit zählten zu
den Arbeitsaufgaben, die die PsychPV für Sozialpädagogen und Sozialarbeiter definiert
hatte3. Somit erhielt die Soziotherapie, mit deren Methoden auch schon früher gearbeitet
wurde, durch die PsychPV zuerst im stationären und dann auch im teilstationären Bereich
einen offiziellen Status. (...)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verschiedene Definitionen von Soziotherapie
2.1 Allgemeine Definitionen von Soziotherapie bei Wikipedia und deren Abgrenzung voneinander
2.1.1 Sozialtherapie
2.1.2 Soziotherapie
2.1.3 Abgrenzung der beiden Begriffe Soziotherapie und Sozialtherapie voneinander
2.2 Definition bei Pflege-Wiki
2.3 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Psychrembel
2.4 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Brunnhuber, Frauenknecht und Lieb
2.5 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Tölle und Windgassen
2.6 Definitionen des Begriffes Soziotherapie nach Reumschüssel-Wienert, Knoll und Frieboes
2.7 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Dörner und Plog
3. Soziotherapie nach SGB V
3.1 ambulante Soziotherapie
3.1.1 Der Begriff ambulante Soziotherapie nach dem SGB V
3.1.2 Ergänzungen zu den Paragraphen des SGB V durch die Soziotherapie- Richtlinien
3.1.2.1 Diagnosen nach dem ICD-10
3.1.2.2 Fähigkeitsstörungen, die als Voraussetzung zur Gewährung von Soziotherapie gelten
3.1.2.3 Beurteilung der Beeinträchtigung des Funktionsniveaus des Patienten anhand der GAF-Skala
3.1.2.4 Inhalte und durchzuführende Maßnahmen, die Soziotherapie nach § 37a SGB V enthält
3.1.2.5 Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
3.1.3 Genehmigungsverfahren für ambulante Soziotherapie
3.1.4 Ergänzungen und Auffassungen zur Soziotherapie nach § 37a SGB V von verschiedenen Autoren
3.1.4.1 Inhalte der ambulanten Soziotherapie nach Bach und Reuster
3.1.4.2 Möglichkeiten der Koordination von Krankenhausbehandlung und ambulanter Versorgung nach Frieboes
3.2 Soziotherapie in der stationären Behandlung
4. Schizophrenie
4.1 Diagnose
4.2 Differentialdiagnose
4.3 Epidemiologie
4.4 Formen der Schizophrenie
4.4.1 Der paranoide Typus
4.4.2 Der hebephrene Typus
4.4.3 Der katatone Typus
4.4.4 Der einfache Typus
4.4.5 Der schizoaffektive Typus
4.5 Krankheitsverlauf
4.5.1 Allgemeine Aussagen über den Krankheitsverlauf
4.5.2 chronisch schwerstkranke Patienten
4.6 Komorbidität
4.7 Erklärungsansätze für Schizophrenie
4.7.1 biologische Faktoren
4.7.1.1 Genetik
4.7.1.2 Neuropathologie
4.7.1.3 Biochemie
4.7.2 psychologische Ursachen
4.7.2.1 Kindheit und Familienmilieu
4.7.2.2 Die Entwicklung spezieller Persönlichkeitstypen während des Aufwachsens des Betroffenen
4.7.2.3 Die manifeste Krankheit
4.7.3 psychosoziokulturelle Ursachen
4.8 Behandlung
4.8.1 stationäre Behandlung
4.8.2 psychopharmakologische Behandlung
4.8.3 psychotherapeutische Maßnahmen
4.8.4 Milieutherapie
4.8.5 ambulante Betreuung
4.8.6 teilstationäre Behandlung
4.8.7 allgemeine Vorhersagbarkeit der Behandlungsergebnisse
5. Soziotherapie bei der Behandlung von Patienen mit Schizophrenie
5.1 Beispiele für die Anwendung von Soziotherapie bzw. soziotherapeutischer Maßnahmen bei der Behandlung von Schizophrenie in der Literatur und Praxis
5.2 Unterschiedlich Ansätze bei der Anwendung von Soziotherapie bei schizophrenen Patienten
5.3 Grundsätzliche Ziele der Soziotherapie bei schizophrenen Patienten
5.4 Aspekte der Soziotherapie und der allgemeinen sozialen Arbeit, die vor allem bei der Arbeit mit schizophrenen Patienten hilfreich sind
5.4.1 soziotherapeutische Hilfen
5.4.2 Angehörigenarbeit
5.4.3 soziale Gruppenarbeit
5.4.3.1 psychoedukative Gruppenarbeit
5.4.3.2 soziotherapeutische Gruppenarbeit
5.4.4 Gemeinwesen-, Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit
6. Fragen der Finanzierung und Kritische Betrachtungen
6.1 stationäre Behandlung versus ambulante Behandlung in Bezugnahme auf die Kosten
6.2 Kritische Betrachtung der Soziotherapie
7. Resümee
8. Literaturliste
1. Einleitung
1970 beschäftigte sich der Deutsche Ärztetag das erste Mal in seiner Geschichte mit der psychiatrischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Als Folge der katastrophalen Beurteilung der Versorgungslage für psychisch Kranke in der Bundesrepublik, wurde im September 1975 „Der Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland“ fertiggestellt1. Dieser Bericht, der inoffiziell auch als Psychiatrie-Enquête bezeichnet wird, legte mit den Empfehlungen seiner Expertenkommission den Grundstein für die Gemeindepsychiatrie, in deren Rahmen, es chronisch psychisch kranken Menschen ermöglicht werden sollte, ein möglichst eigenständiges und beschütztes Leben zu Hause, in ihrer Heimatgemeinde, zu führen. Die Empfehlungen der Expertenkommission strebten zudem eine möglichst gemeindenahe Koordination aller Versorgungsdienste, sowie eine bedarfsgerechte Versorgung an. Deswegen wurde bereits im Anhang der Psychiatrie-Enquête der Begriff „psychiatrische Rehabilitation“ aufgenommen. Es sollte versucht werden so viel chronisch psychisch erkrankten Menschen, wie möglich ein Leben außerhalb von Anstaltsmauern, in der „normalen“ Gesellschaft zu ermöglichen. Um eine solche Reformation der psychiatrischen Versorgung zu ermöglichen, wurden im Rahmen der Psychiatrie-Enquête auch drei überregionale Modellprogramme durchgeführt2. Aus den Erfahrungen dieser Modellprojekte profitierte später das Konzept der gemeindenahen Psychiatrie. Am 1 Januar 1991 trat dann die Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) in Kraft, in der, neben anderen Berufsgruppen, wie Ärzten, Psychologen, Ergotherapeuten und Pflegekräften, auch Sozialarbeiter und Sozialpädagogen “zum Stammpersonal der veränderten psychiatrischen Krankenhäusern” gezählt wurden. Sozialtherapeutisches Kompetenztraining und sozialtherapeutische Einzelfallhilfe bzw. Gruppenarbeit zählten zu den Arbeitsaufgaben, die die PsychPV für Sozialpädagogen und Sozialarbeiter definiert hatte3. Somit erhielt die Soziotherapie, mit deren Methoden auch schon früher gearbeitet wurde, durch die PsychPV zuerst im stationären und dann auch im teilstationären Bereich einen offiziellen Status. Nachdem sie sich zunächst im stationären Bereich etabliert hatte, gab es nun Bestrebungen, auch in der ambulanten Betreuung chronisch psychisch kranker Menschen eine gesetzliche Verankerung der Soziotherapie zu schaffen, was zunächst jedoch dadurch erschwert wurde, dass es einige begriffliche Ungenauigkeiten gab, da die Begriffe Soziotherapie und Sozialtherapie synonym verwendet wurden und es keine allgemein gültige Definition gab. Zwischen 1994 und 1998 wurde das Modellprojekt „Ambulante Rehabilitation psychisch Kranker“ durchgeführt, es wurde aus Mitteln des Bundesgesundheitsministeriums und der Spitzenverbände der Krankenkassen finanziert. Dieses Modellprojekt zeigte in seiner Auswertung, dass durch die zusätzlichen ambulanten Leistungen die Anzahl der Tage des Klinikaufenthaltes verkürzt werden konnten.4 Außerdem hat das Projekt dazu beigetragen, den Begriff Soziotherapie von dem Begriff Sozialtherapie abzugrenzen, die bis dahin, wie bereits erwähnt, synonym verwendet wurden. Somit wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass sich Soziotherapie im ambulanten Bereich als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen etablieren konnte. Die endgültige gesetzliche Verankerung erhielt die Soziotherapie durch die Einfügung der beiden Paragraphen 37a und 132b in das Sozialgesetzbuch V am 1. Januar 2000. Damit sollen stabilisierende Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen, die unter bestimmten schweren psychischen Erkrankungen leiden, gewährleistet werden, um erneute Krankenhausaufenthalte zu vermeiden bzw. zu verkürzen5.
Wie bereits weiter oben angedeutet, bestanden in der Vergangenheit einige Ungenauigkeiten bezüglich der Begriffe Soziotherapie und Sozialtherapie. Sucht man z.B. im Internet bei Wikipedia nach dem Begriff Soziotherapie, so wird im letzten Satz des Artikels erwähnt, dass der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch auch synonym mit Sozialtherapie und Betreutem Wohnen für psychisch kranke Menschen verwendet wird6. Deswegen möchte ich im zweiten Kapitel zunächst beide Artikel sinngemäß wiedergeben, bevor ich mich den Definitionen aus der einschlägigen Fachliteratur widmen werde. Im dritten Kapitels werde ich dann noch einmal von den recht frei gehaltenen und unterschiedlich auslegbaren Definitionen auf die deutlich enger eingegrenzte Definition des Begriffes nach § 37a des Sozialgesetzbuches V zurück kommen und ausführlich alle Voraussetzungen für die Genehmigung der Soziotherapie durch die Krankenkassen erläutern. Außerdem möchte ich die stationären Formen der Soziotherapie noch etwas genauer beleuchten. Im vierten Kapitel werde ich dann die Schizophrenie als Beispiel für eine psychische Krankheit, die einen ungünstigen, chronifizierten Verlauf entwickeln kann, genauer erörtern. In diesem Kapitel werde ich dann unter anderem auf die speziellen Besonderheiten der Diagnose, die verschiedenen Formen der Erkrankung, die möglichen Ursachen der Entstehung und die gängigen Behandlungsmethoden eingehen. Danach möchte ich im Rahmen des fünften Kapitels auf die Anwendung von soziotherapeutischen und anderen hilfreichen Methoden bei schizophrenen Erkrankungen eingehen. Im sechsten Kapitel möchte ich mich dann abschließend der Diskussion um die Kosten von Soziotherapie und der Kritik daran sowie der Kritik an anderen Punkten des bestehenden Systems der Soziotherapie widmen, während ich dann im siebten Kapitel ein Resümee aus den vorangegangenen Kapiteln ziehen werde.
2. Verschiedene Definitionen von Soziotherapie
2.1 Allgemeine Definitionen von Sozialtherapie und Soziotherapie bei Wikipedia und deren Abgrenzung voneinander
Wenn man sich in der heutigen Zeit als Ottonormalbürger über irgendetwas informieren möchte, schaut der Großteil der Menschen sehr häufig im Internet bei Wikipedia nach. Da Wikipedia eine freie Enzyklopädie ist, kann es bei dieser Form von Recherche auch zu Ungenauigkeiten kommen. Ob man nun Wikipedia mag oder nicht, benutzen jedoch viele Menschen diese Quelle als Erste und das ist der Grund, warum ich die Definitionen von Wikipedia als erste aufführe.
2.1.1 Sozialtherapie
Das Wort setzt sich zusammen aus dem lateinischen Wort socius=gemeinsam und dem griechischen Wort θερπια=Behandlung. Es bezeichnet eine Wohn-, Lebens-, und Arbeitsform, die aus der anthroposophischen Heilpädagogik entstanden ist. Sie findet vor allem in eigenständigen Sozialtherapeutischen Einrichtungen Anwendung. In diesen Einrichtungen sind Wohn- und Arbeitsbereich vernetzt, doch die Menschen, die dort leben können auch außerhalb der Einrichtung arbeiten7
2.1.2 Soziotherapie
Soziotherapie ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen nach § 37a SGB V. Sie soll Menschen mit bestimmten schweren psychischen Erkrankungen motivieren, selbstständig ärztliche bzw. ärztlich verordnete Leistungen in Anspruch zu nehmen. Ihr Ziel ist es Klinikaufenthalte zu verkürzen und eine erneute Einweisung zu vermeiden. Diese Leistungen können jeweils durch Sozialarbeiter/Sozialpädagogen oder Fachkrankenschwestern/Fachkrankenpfleger für Psychiatrie mit einer Zusatzausbildung erbracht werden8.
2.1.3 Abgrenzung der beiden Begriffe Soziotherapie und Sozialtherapie voneinander
Soziotherapie gemäß § 37a SGB V ist explizit eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und ist als solche ausschließlich den Zielen der gesetzlichen Krankenversicherung untergeordnet. Soziotherapie im Sinne von Sozialtherapie zielt vielmehr auf die ganzheitliche Unterstützung eines Menschen mit seelischen Problemen in seinem aktuellen Lebenskontext ab. Gleichartig ist für beide Leistungen der Methodenkanon, wenngleich die Ziele und somit sowohl die Finanzierung als auch der Zugang zu der jeweiligen Leistung ein anderer ist. Eine abschließende Abgrenzung der beiden Arbeitsbereiche zueinander hat bis jetzt noch nicht stattgefunden. Dies ist insofern erschwert, als ein gemeinsamer Methodenkanon vorhanden ist und Soziotherapie gemäß § 37a SGB V nur einen Teil des Methodenkanons mit expliziten Zielen anwenden darf. Es sollte daher bei der Verwendung der Begriffe und Arbeitsbereiche immer die jeweilige gesetzliche Grundlage mit genannt werden.
2.2 Definition bei Pflege-Wiki
Wenn man im Internet weiter nach einer Definition für Soziotherapie recherchiert, stößt man eventuell auf die Seite Pflege-Wiki des Vereins zur Förderung Freier Informationen für die Pflege e.V., die, nach eigenen Angaben, ihre Aufgabe darin sieht, Informationen aus dem Bereich Pflege und Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen. Die Seite Pflege-Wiki definiert den Begriff Soziotherapie als „Oberbegriff von bestimmten Therapiemethoden (...),die sich hauptsächlich um die zwischenmenschlichen Beziehungen und um die Umgebung (Milieu) eines psychisch veränderten Menschen bemüht.“ Dies geschieht durch Interventionen im sozialen Umfeld der Patienten. Laut Pflege-Wiki ist Soziotherapie die älteste Form der Therapie psychisch Kranker , wobei diese These aber nicht genauer belegt ist. Außerdem beinhaltet die Soziotherapie in der Behandlung psychisch kranker Menschen, vor allem die Förderung der alltäglichen Fähigkeiten und der gesunden Anteile der Persönlichkeit des Patienten. Zielsetzung der Soziotherapie ist es, dass die Patienten den Anforderungen ihres Alltagslebens selbständig gerecht werden können.9
2.3 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Psychrembel Psychrembel definiert Soziotherapie folgendermaßen:
„Bezeichnung für alle Verfahren, mit denen eine Erkrankung durch Veränderung des sozialen Kontextes des Patienten günstig beeinflusst werden soll; dazu gehört u.a. die Einbeziehung der Angehörigen in den therapeutischen Prozess (vgl. Angehörigengruppe), die Schaffung eines Netzes sozialer Beziehungen u. Wohnungs- u. Arbeitsplatzsicherung bzw. -beschaffung. Bei der Milieutherapie als Form der Soziotherapie wird durch [eine] Umgebungsveränderung eine positive Wirkung auf [den] Erkrankten angestrebt.“10
2.4 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Brunnhuber, Frauenknecht und Lieb
Der Begriff Soziotherapie umfasst alle Therapieformen für psychische Erkrankungen, die neben den üblichen biologischen und psychotherapeutischen Behandlungsmethoden, Anwendung finden. Er umfasst, neben Ergotherapie und kreativen Gruppenaktivitäten, auch die Beratung und Betreuung durch den Sozialdienst. Die Grundlage dieser Behandlungsmethode ist die Interaktion des Patienten mit anderen Menschen und kann auch als Anwendung sozialpsychiatrischer Behandlungsansätze gesehen werden. Sie zielt auf ein ausreichendes Maß an Anregung auf emotionaler, kognitiver und sozialer Ebene ab, ohne den Patienten dabei zu überfordern, um eine Verschlechterung des Zustandes des Patienten zu vermeiden11.
2.5 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Tölle und Windgassen
Eine knappe aber pointierte Definition von Soziotherapie liefern Tölle und Windgassen in ihrem Buch „Psychiatrie“:
„Soziotherapie befasst sich mit der Beeinflussung der Interaktionen zwischen einem kranken Menschen und seinem sozialen Umfeld (insbesondere Familie und Beruf). Gemeindenahe Psychiatrie (auch ökologische Psychiatrie genannt) bemüht sich insbesondere um die Wiedereingliederung psychisch Kranker in die Gesellschaft (Gemeinde). Psychiatrie ist nicht ohne gesellschaftliche Bezüge denkbar und somit immer Sozialpsychiatrie.“12
2.6 Definitionen des Begriffes Soziotherapie Reumschüssel-Wienert, Knoll und Frieboes
Alles in allem kann der Begriff Soziotherapie nicht hundertprozentig allgemein gültig definiert werden und ist in der psychiatrischen Fachwelt teilweise umstritten.13 Laut Knoll besteht die Problematik der fehlenden Definition des Begriffes Soziotherapie in der Tatsache, dass eine wissenschaftliche Begründung der sozialtherapeutischen Methodik fehlt. Dies wäre durch genaue Analysen der Einflüsse des sozialen Umfeldes und der therapeutischen Situation bzw. der darin wirksamen Faktoren durchführbar.14 Ein Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus, zeigt dass der Begriff der Soziotherapie fast nur noch von deutschsprachigen Autoren verwendet wird.15 Deshalb kann Soziotherapie neben Psychotherapie und biologisch-somatischen Behandlungsmethoden als Oberbegriff für einen bestimmten Behandlungsansatz und eine Gruppe von Therapiemethoden betrachtet werden. Frieboes schreibt hierzu: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Soziotherapie als stationärem Therapieverfahren keine einheitliche Definition zugrunde liegt. In allen Fällen jedoch umfassen soziotherapeutische Ansätze mehrere einzelne Behandlungsverfahren, die komplex verknüpft werden.“16 Doch auch der Begriff Sozialtherapie ist laut Frieboes nicht direkt definiert und wird in unterschiedlichen Kontexten verwendet. Fieboes führt hier das Beispiel an, dass der Sozialtherapiebegriff bei Patienten mit Abhängigkeitssymptomatik synonym für „psychosoziale Therapie“ verwendet wird und somit als Oberbegriff für alle psychiatrischen Behandlungsformen, die nicht Psycho- oder Somatotherapie sind, steht. Der Begriff wird aber auch für die Behandlung von z.B. nicht psychisch erkrankten Menschen durch einen Sozialarbeiter verwendet.17 (sozialpädagogische Familienhilfe o.ä.)
2.7 Definition des Begriffes Soziotherapie nach Dörner und Plog
Nach Dörner und Plog gibt es unterschiedliche, fast beliebige Benutzungen des Begriffes Soziotherapie. So wird der Begriff Soziotherapie z.B. verwendet für:
psychotherapeutische Maßnahmen mit einer Ausrichtung auf die soziale Einstellung von Menschen, Techniken zur Beeinflussung der mitmenschlichen Umwelt, dies beinhaltet auch Milieutherapie, Gruppentherapie mit schizophrenen Patienten, eine allgemeine Bezeichnung für die therapeutische Tätigkeit von Sozialarbeitern und Ergotherapeuten, kassentechnisch relevante Leistungen von Sozialarbeitern (hierbei ist ambulante Soziotherapie nach § 37a SGB V gemeint), Auch aus Sicht der Pflegeberufe kann der Begriff unterschiedlich aufgefasst werden. Z.B. als: (Soziotherapie als) Bezeichnung für bestimmte sozialarbeiterische Aufgaben alle Aufgaben von Psychiatriefachpflegern und -schwestern im Allgemeinen eine Weiterbildungmöglichkeit für Pflegekräfte
Nach Dörner und Plog ist der Begriff Soziotherapie viel zu allgemein, um ihn aus Sicht von nur einer Berufsgruppe zu definieren. Sie schreiben hierzu in „Irren ist menschlich“: „So ist es wohl der Sinn von Soziotherapie, auf das Allgemeine zu weisen, auf den Umgang mit Regeln und Normen und Pflichten und Freiheiten, mit Individualität (Spezialität des Berufes, individuelle Erkrankung oder Abweichung) und dem Sozialen (dem Handeln im Team, der Gruppe, im Weiteren: der Gesellschaft).“18 Bei der Entwicklung der Soziotherapie als eine Technik, die neben Psycho-, Somato-, Arbeits- und Bewegungstherapie steht, sollte nach Dörner und Plog darauf geachtet werden, dass das Soziale nicht individualisiert wird, da man es nur in Anbindung an den Zusammenhang (die Gruppe) sehen kann. Die Soziotherapie dient dazu, eine „haltende Kultur“ zu entwickeln, was bedeutet, dass ein Milieu geschaffen werden soll, in dem der Patient bzw. die Patienten „Neues ausprobieren, Kritik üben, Einfluss üben können, ohne dass dies bedrohlich wird.“19 Dies kann so verstanden werden, dass Soziotherapie als Übungsfeld für die sozialen Fertigkeiten des Patienten fungiert.Der allgemeine Unterschied zwischen Psycho- und Soziotherapie besteht laut Dörner und Plog darin, dass die Psychotherapie dem Patienten dabei hilft, seine „Innenpolitik“ zu regeln, während Soziotherapie für die Regelung der „Außenpolitik“ zuständig ist. Daher ergeben sich bei der Behandlung von bestimmten Problemen, jedoch auch zwei Betrachtungsweisen: die psychotherapeutische und die soziotherapeutische Sicht der Dinge. Dies bedeutet aber nicht, dass man diese Probleme nur mit rein psycho- bzw. soziotherapeutischen Methoden lösen kann, vielmehr muss sich dabei um beide Aspekte gekümmert werden. Bei der Diskussion um die Soziotherapie wurde auch deutlich, dass darunter auch die Arbeit im politischen Raum bzw. die Öffentlichkeitsarbeit fallen müsse, da man die Wirkung von gesellschaftlichen Faktoren auf den Patientenzustand nicht verleugnen kann.20 Dazu schreiben Dörner und Plog: „Die Diskussion um die Soziotherapie entstand, als Einzelne in der Psychiatrie Tätige begriffen, dass das Leben in einer demokratischen Gesellschaft sowohl der Behandlung als von der Rehabilitation erfordert, dass sie für das Leben im öffentlichen Raum vorbereitet, wie von der Öffentlichkeit größere Toleranz. Dies zumal, als (auch psychisch) Behinderte nach den Menschenrechten und nach den neuen Regeln des Grundgesetzes nicht wegen ihrer Behinderung Nachteile erfahren dürfen.“21
3. Soziotherapie nach SGB V
3.1 ambulante Soziotherapie
3.1.1 Der Begriff ambulante Soziotherapie nach dem SGB V
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wurde am 1. Januar 2000 mit der Einfügung der Paragraphen 37a und 132b in das SGB V die gesetzliche Grundlage für die ambulante Soziotherapie als Leistung der Krankenkassen geschaffen. Nach Bach und Reuster enthält Soziotherapiebegriff nach dem SGB V viel mehr einen Organisationsrahmen als therapeutische Inhalte. Dabei stellen sich die Fragen:
- Welche spezifischen Therapieformen sind für den Patienten erforderlich?
- In welcher Reihenfolge werden sie durchgeführt?
- Wo werden die verschiedenen Therapieformen durchgeführt?
- Wer kontrolliert die Partizipation?22
Die Paragraphen des SGB V regeln eindeutig, unter welchen Voraussetzungen ambulante Soziotherapie von den gesetzlichen Krankenkassen gewährt wird. Demnach haben Versicherte laut § 37a SGB V Anspruch auf Soziotherapie, wenn sie aufgrund der Schwere ihrer „psychischen Erkrankung nicht in der Lage dazu sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen (...), wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten aber nicht ausführbar ist.“ Laut dieses Paragraphen umfasst Soziotherapie „die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen, sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme.“ Patienten haben Anspruch auf die Leistung von maximal 120 Soziotherapiestunden über einen Zeitraum von 3 Jahren23. Der § 132b SGB V regelt hingegen die Versorgung mit Soziotherapie.
3.1.2 Ergänzungen zu den Paragraphen des SGB V durch die SoziotherapieRichtlinien
Ab dem 1. Januar 2002 traten, nach zweijährigen Verhandlungen im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die so genannten Soziotherapie-Richtlinien und die „Gemeinsamen Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen zu den Anforderungen an die Leistungserbringer für Soziotherapie“ in Kraft. Diese Richtlinien und Empfehlungen bildeten dann die Grundlagen für die Verhandlungen der Bundesländer zur Umsetzung und Gestaltung der Verträge für Soziotherapie.24 In den Soziotherapie- Richtlinien werden unter anderem jene psychischen Erkrankungen, Fähigkeitsstörungen und anderen Voraussetzungen festgelegt, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen Soziotherapie gewähren. Frieboes schreibt hierzu: „Die Indikationsstellung der Leistung AS erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren. Alle einzelnen Kriterien müssen erfüllt werden.“25
3.1.2.1 Diagnosen nach dem ICD-10
Soziotherapie nach § 37a SGB V wird von den gesetzlichen Krankenkassen nur bei bestimmten psychischen Erkrankungen finanziert, die bestimmte Fähigkeitsstörungen verursachen. Der Bundesausschuss stuft Diese nach dem ICD-10 als schwer ein und sie umfassen Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis (F2):
- Schizophrenie (F20.0-20.6)
- schizotype Störungen (F21)
- anhaltende wahnhafte Störungen (F22)
- induzierte wahnhafte Störungen (F24)
- schizoaffektive Störungen (F25)
- und aus dem Bereich der affektiven Störungen (F3):
- gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung (F31.5)
- schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (F32.3)
- schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezividierenden depressiven Störung (F33.3)
Die Diagnosen nach dem ICD-10 sind praktisch der erste Schritt, um zu prüfen, ob der Patient einen sozialrechtlichen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für eine ambulante Soziotherapie durch die gesetzlichen Krankenkassen hat.
3.1.2.2 Fähigkeitsstörungen, die als Voraussetzung zur Gewährung von Soziotherapie gelten
Zusätzlich zu jeweils einer, der im vorherigen Unterkapitel erwähnten, Diagnosen müssen auch noch folgende Fähigkeitsstörungen beim Patienten vorhanden sein, wobei es ausreichend ist wenn bei jedem von jedem Punkt nur jeweils eine Fähigkeitsstörung vorhanden ist:
Störungen von Antrieb, Ausdauer und Belastbarkeit; Unfähigkeit zur Strukturierung durch Einschränkungen des planerischen Denkens, Handelns und des Realitätsbezuges Verhaltensstörungen mit Einschränkung von Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration, Merkfähigkeit, der Lernleistung und des problemlösenden Denkens krankheitsbedingter unzureichender Zugang zur eigenen Krankheitssymptomatik und die fehlende Fähigkeit, Konfliktsituationen und Krisen zu erkennen Die Bezeichnung Fähigkeitsstörungen kann teilweise zu Verwirrungen führen. Die Klassifikation durch ICIDH bzw. ICF bedeutet nicht automatisch, dass Rehabilitationsleistungen im sozialrechtlichem Sinne geleistet werden. Um dieser Verwirrung vorzubeugen, wurde ergänzend zu dem Begriff „Fähigkeitsstörungen“ auch der Begriff „soziale Funktionsstörungen“ eingeführt. Als weitere Voraussetzung dafür, dass die gesetzlichen Krankenkassen ambulante Soziotherapie gewähren muss eine mangelnde Compliance bei dem Patienten vorhanden sein, was bedeutet, dass eine problemlose Mitarbeit des Patienten, auf Grund von z.B. fehlender Krankheitseinsicht oder wahnhafter Denkinhalte, nicht gewährleistet ist.
Außerdem muss der Patient die Therapieziele erreichen können und die dazu notwendige Belastbarkeit, Motivierbarkeit und Kommunikationsfähigkeit besitzen. Weiterhin muss der Patient dazu in der Lage sein, einfache Absprachen einzuhalten.
3.1.2.3 Beurteilung der Beeinträchtigung des Funktionsniveaus des Patienten anhand der GAF-Skala
Um den Anspruch auf die Therapie zu beurteilen soll laut den Soziotherapie-Richtlinien neben den Diagnosen auch der Grad der psychischen Erkrankung anhand der GAF-Skala beurteilt werden. Um eine ambulante Soziotherapie nach § 37a SGB V durch die gesetzlichen Krankenkassen gewährt zu bekommen, darf der psychisch kranke Mensch den Wert von 40 (wobei 100 dem GAF-Wert eines gesunden Mensnchen entspricht) auf der GAF-Skala nicht über- und einen Wert von 20 nicht unterschreiten.26 Die GAF-Skala (Global Assessmant of Functioning-Scale) ist ein Werkzeug zur Globalbeurteilung des Funktionsniveaus eines Menschen. Die Skala selbst erklärt ihren Verwendungszweck in den ersten beiden Sätzen so: „Beurteilen sie hier die psychische, soziale und berufliche Leistungsfähigkeit des Patienten auf einem hypothetischen Kontinuum zischen seelischer Gesundheit und Krankheit. Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit aufgrund körperlicher oder durch Umweltbedingungen bedingte Einschränkungen sind nicht einzubeziehen.“27 Der Wert von 40 wird laut Skala so beurteilt: „Einige Beeinträchtigungen in der Realitätswahrnehmung oder der Kommunikation (z.B. Sprache zeitweise unlogisch, unverständlich oder belanglos) ODER starke Beeinträchtigung in mehreren Bereichen, z.B. Arbeit, Schule, familiären Beziehungen, Urteilsvermögen, Denken oder der Stimmung (z.B. ein Mann mit einer Depression vermeidet Freunde, vernachlässigt seine Familie und ist unfähig zu arbeiten; ein Kind schlägt häufig jüngere Kinder, ist zu Hause trotzig und versagt in der Schule).“28
3.1.2.4 Inhalte und durchzuführende Maßnahmen, die Soziotherapie nach § 37a SGB V enthält
Soziotherapie nach § 37a enthält folgende Leistungen:
- Erstellung eines soziotherapeutischen Betreuungsplans
- Koordination von Behandlungsmaßnahmen
- Arbeit im sozialen Umfeld
- soziotherapeutische Dokumentation
Folgende Leistungen können gegebenenfalls bei Bedarf vom Leistungserbringer erbracht werden:
- Motivations- und antriebsrelevantes Training
- Training zur handlungsrelevanten Willensbildung
- Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung
- Hilfe in Krisensituationen29
Erstellung eines soziotherapeutischen Betreuungsplans:
Der soziotherapeutische Betreuungsplan wird vom Erbringer der soziotherapeutischen Leistung erstellt und stellt das Ergebnis eines Abstimmungsprozesses zwischen dem Arzt, der die Therapie verordnet hat, dem Patienten und dem Leistungserbringer dar. Dieser Betreuungsplan ist wesentliches Instrument zur Durchführung der Therapie und ist Teil des ärztlichen Gesamtbehandlungsplanes. Außerdem ist die Vorlage dieses Betreuungsplanes bei der Krankenkasse die Voraussetzung dafür, dass die Kasse die Kosten für die ambulante Soziotherapie übernimmt.
Koordination von Behandlungsmaßnahmen und Leistungen:
Ambulante Soziotherapie umfasst laut SGB V die Koordination der einzelnen ärztlich verordneten Behandlungsmaßnahmen und Leistungen. Dies schließt unter anderem die Kontaktaufnahme zu anderen Erbringern ärztlich verordneter Leistungen ein. Außerdem ist es die Aufgabe des Leistungserbringers, den Patienten bei der terminlichen Abstimmung der einzelnen Hilfsangebote zu helfen und ihn zu begleiten.
Arbeit im sozialen Umfeld:
Ambulante Soziotherapie findet, wie der Name schon sagt, hauptsächlich im häuslichen Umfeld der Patienten statt. Sie umfasst die Situation im sozialen, beruflichen und häuslichen Bereich, die zuerst einmal vom Leistungserbringer analysiert wird. Um die Therapieziele zu erreichen kann der soziotherapeutische Leistungserbringer den Patienten an komplementäre Dienste heranführen. Dies geschieht meist im Rahmen des gemeindepsyschiatrischen Verbundes. Das Hauptziel dabei ist, die selbstständige Inanspruchnahme der komplementären Dienste durch den Patienten zu fördern.
soziotherapeutische Dokumentation:
Der soziotherapeutische Leistungserbringer führt die Dokumentation über die Betreuung des Patienten, um vor allem den Arzt, der die Therapie verordnet hat über den Stand der Behandlung und den Zustand des Patienten während der Betreuung durch den Leistungserbringer zu informieren. Außerdem dient die soziotherapeutische Dokumentation der Qualitätssicherung und sie kann zur Kontrolle des Anspruchs auf eine Folgeverordnung durch den MDK herangezogen werden.
Motivations- und antriebsrelevantes Training:
Das Motivations- und antriebsrelevante Training enthält unter anderem praktische Übungen zur Verbesserung der Motivation, der Belastbarkeit und der Ausdauer im jeweiligem Lebensumfeld des Patienten, immer mit dem Ziel vor Augen, dass der Patient in die Lage dazu gebracht wird, ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen.
Training zur handlungsrelevanten Willensbildung:
Diese Leistung enthält vor allem Übungen zur Förderung der Tagesstrukturierung und des planerischen Denkens, sowie der Einübung von Verhaltensänderungen. Jedoch spielt auch die Einübung von selbstständiger Konfliktlösung und Konfliktvermeidung bei dieser Leistung eine Rolle. Der Leistungserbringer soll dem Patienten in Konfliktsituationen zur Seite stehen und ihm Hilfestellung bei der Konfliktbewältigung leisten.
Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung:
Bei dieser Leistung ist es die Aufgabe des Leistungserbringers, dem Patienten die Auswirkungen und Anzeichen der einzelnen Krankheitssymptome aufzuzeigen. Es sollen auch Hilfen beim Erkennen von Frühwarnzeichen eines erneuten Aufflammens der Krankheit und zur Krisenvermeidung vom Leistungserbringer geleistet werden. Im Rahmen dieser Leistung soll auch die Bereitschaft des Patienten zur Zusammenarbeit gefördert werden (Förderung der Compliance).
Hilfe in Krisensituationen:
Die Hilfe in Krisensituationen beinhaltet die Vermeidung einer Verschlimmerung der Krankheit und sozialer, häuslicher und beruflicher Probleme des Patienten., da eine Verschlechterung in diesen Bereichen die Krankheit ebenfalls negativ beeinflussen. Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass der Leistungserbringer im Krisenfalle die komplette Situation mit dem behandelnden Facharzt besprechen muss.30
Außerdem werden in den Soziotherapie-Richtlinien folgende Behandlungsziele erwähnt:
- Durch Motivierungsarbeit und strukturierte Trainingsmaßnahmen soll geholfen werden, psychosoziale Defizite abzubauen.
- Der Patient soll durch die Therapie in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Leistungen zu akzeptieren und selbstständig in Anspruch zu nehmen.
- Soziotherapie soll koordinierende und begleitende Unterstützung und Handlungsanleitung für schwer psychisch Erkrankte, auf Grundlage von definierten Therapiezielen leisten, dabei kann es sich auch um Teilziele handeln, die schrittweise erreicht werden sollen
- Der Prozess, der es dem Patienten ermöglicht, einen besseren Zugang zu seiner Krankheit zu finden, soll unterstützt werden. Dabei werden Einsicht,Aufmerksamkeit, Initiative soziale Kontaktfähigkeit, sowie soziale Kompetenz gefördert.31
3.1.2.5 Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
Laut § 37a haben Patienten unter anderem auch Anspruch auf ambulante Soziotherapie, wenn dadurch „eine Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt werden kann“.32 Wenn der Patient aufgrund seiner Erkrankung noch nicht stationär behandelt wurde und ein Arzt ihm ambulante Soziotherapie verordnet, muss nachgewiesen werden, dass die Gefahr besteht, dass der Patient in Kürze stationär eingewiesen werden müsste, wenn keine andere Hilfe geleistet würde. Doch auch wenn der Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, ist es in der Praxis nicht immer möglich, ihn im Krankenhaus zu behandeln. Wenn z.B. der Patient aufgrund seiner Erkrankung in der Vergangenheit schon mehrfach stationär eingewiesen wurde, dann aber nach kurzer Zeit wieder einen Rückfall erlitten hat, dann ist es sinnvoll, ambulante Soziotherapie zu verordnen. Ein weiterer Fall könnte z.B. vorliegen, wenn sich der Patient, aufgrund von mangelnder Krankheitseinsicht und Kooperationsbereitschaft, weigert, sich selbständig in stationäre Behandlung zu begeben und eine Fremd- und Selbstgefährdung dabei ausgeschlossen ist.33 In dem Falle wird versucht, mit Hilfe des soziotherapeutischen Methodenkanons, die Compliance des Patienten zu verbessern.
3.1.3 Genehmigungsverfahren für ambulante Soziotherapie
Wie bereits erwähnt, ist ambulante Soziotherapie nach § 37a SGB V eine sozialrechtliche Leistung, die bei Bedarf von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird. Wenn ein Arzt Soziotherapie verordnet, durchläuft der Antrag ein Genehmigungsverfahren bei den Krankenkassen in dem die Voraussetzungen des Antragstellers geprüft werden. Als erster Schritt für die Genehmigung der Therapie ist die Vorlage des soziotherapeutischen Betreuungsplanes bei der Krankenkasse.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Formular für einen soziotherapeutischen Betreuungsplan34
[...]
[1] Vgl. Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Psychiatrie-Enquete (Stand 12/07)
[2] Vgl. Crefeld, Wolf (2002): „Draussen zurechtkommen“ in „Blätter der Wohlfahrtspflege“ 2/2002 (S. 62-64)
[3] Vgl. Knoll, Andreas (2000): „Sozialarbeit in der Psychiatrie - Von der Fürsorge zur Sozialtherapie“, Leske und Budrich, Opladen (S. 62-63)
[4] Vgl. Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S. 11-12)
[5] Vgl. Reumschüssel-Wienert, Christian (2002): „Soziotherapie in Recht und Psychiatrie“ 3/2002, Psychiatrie-Verlag Bonn (S. 156-159)
[6] Vgl. Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Soziotherapie (Stand 12/07)
[7] Vgl. Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialtherapie (Stand 12/07)
[8] Vgl. Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Soziotherapie (Stand 12/07)
[9] Vgl. Internet: http://www.pflegewiki.de/wiki/Soziotherapie (Stand 12/07)
[10] Psychrembel, Willibald (2002): „Psychrembel - Klinisches Wörterbuch“ 259., neu bearbeitete Auflage, Verlag Walter de Gruyter Berlin-New York (S. 1557)
[11] Vgl. Brunnhuber, Stefan Frauenknecht, Sabine Lieb,Klaus (2005): „Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie“, Verlag Urban & Fischer (S. 111)
[12] Tölle, Rainer Windgassen,Klaus (2006): „Psychiatrie“, Springer Medizin-Verlag Heidelberg (S. 4)
[13] Vgl. Reumschüssel-Wienert, Christian (2002): „Soziotherapie in Recht und Psychiatrie“ 3/2002, Psychiatrie-Verlag Bonn (S. 156-159)
[14] Vgl. Knoll, Andreas (2000): „Sozialarbeit in der Psychiatrie - Von der Fürsorge zur Sozialtherapie“, Leske und Budrich,Opladen (S. 63)
[15] Vgl. Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S.32)
[16] Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S.39)
[17] Vgl. Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S.123)
[18] Dörner, Klaus Plog, Ursula (2002): „Irren ist menschlich“ Psychiatrie-Verlag, Bonn (S. 561)
[19] Dörner, Klaus / Plog, Ursula (2002): „Irren ist menschlich“ Psychiatrie-Verlag, Bonn (S. 561)
[20] Vgl. Dörner, Klaus / Plog, Ursula (2002): „Irren ist menschlich“ Psychiatrie-Verlag, Bonn (S. 561 - 562)
[21] Dörner, Klaus / Plog, Ursula (2002): „Irren ist menschlich“ Psychiatrie-Verlag, Bonn (S. 562)
[22] Vgl. Bach, Otto / Reuster, Thomas (2002): „Ergotherapie und Psychiatrie - Perspektiven aktueller Forschung“ Thieme Verlag, Stuttgart (S. 6)
[23] Vgl. § 37a SGB V
[24] Vgl. Reumschüssel-Wienert, Christian (2002): „Soziotherapie in Recht und Psychiatrie“ 3/2002, Psychiatrie-Verlag Bonn (S. 159)
[25] Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S.73)
[26] Vgl. „Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung von Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Soziotherapie-Richtlinien)“ (2001) Bundesanzeiger Nr. 217 (S. 3-4)
[27] „Begutachtungs-Richtlinien Ambulante Soziotherapie § 37a SGB V“ (2002), Anhang 3 Global Assessment of Functioning Scale (S. 35), www.mds-ev.org/download/BRL_Soziotherapie.pdf
[28] „Begutachtungs-Richtlinien Ambulante Soziotherapie § 37a SGB V“ (2002), Anhang 3 Global Assessment of Functioning Scale (S. 35), www.mds-ev.org/download/BRL_Soziotherapie.pdf
[29] Vgl. „Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung von Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Soziotherapie-Richtlinien)“ (2001) Bundesanzeiger Nr. 217 (S. 4-5)
[30] Vgl. Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S.108-109)
[31] Vgl. „Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung von Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Soziotherapie-Richtlinien)“ (2001) Bundesanzeiger Nr. 217 (S. 2-3)
[32] § 37a 1 SGB V
[33] Vgl. Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S.75)
[34] Frieboes, Ralf-Michael (2005): „Grundlagen und Praxis der Soziotherapie“, Kohlhammer-Verlag (S.120)
- Citar trabajo
- Thomas Werner (Autor), 2008, Soziotherapie bei chronisch psychischen Erkrankungen am Beispiel Schizophrenie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94340
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