„Das große Ziel, mit welchem die Menschen in eine Gesellschaft eintreten, ist der Genuss ihres Eigentums in Frieden und Sicherheit, und das große Werkzeug und Mittel dazu sind die Gesetze, die in dieser Gesellschaft erlassen worden sind.“ (Locke 2005 134: 101). Nach dem englischen Staatstheoretiker John Locke liegen der Begründung einer Gesellschaft, der Urform menschlichen Zusammenlebens, primär praktische Gründe zugrunde. Ein Leben in Frieden und Sicherheit sowie die Sicherung von Eigentum als Ziel, gewährleistet durch Gesetze. Deshalb schlussfolgerte Locke weiter: „Das erste und grundlegende positive Gesetz aller Staaten ist daher die Begründung der legislativen Gewalt.“ (ebd. 2005 134:101). Damit skizzierte Locke nicht nur einen Staat, in dem die höchste Gewalt die Legislative sei, sondern er implizierte eine Arbeitsteilung innerhalb der Staatsgewalt – eine Gewaltenteilung und reihte sich damit in die Riege bedeutender Staatstheoretiker ein, deren Anliegen es war, Legitimationskriterien politischer Herrschaft zu formulieren.
In der Ideengeschichte sind die Vertragstheorien eine mögliche Form der Begründung politischer Systeme. Namenhafte Kontraktualisten wie Thomas Hobbes oder eben John Locke trugen mit ihren Theorien von der Begründung bis hin zur möglichen Gestaltung des Staatswesens wesentlich zur Auflösung des scholastischen Weltbildes ihrer Zeit bei. Während sich im 17. Jahrhundert in Frankreich der Absolutismus verbreitete und dominierte, Fürsten in den deutschen Kleinstaaten ihre Macht auf Kosten freiheitlicher Ideale festigten und die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges überwunden wurden, brach in England eine bedeutende Epoche an. Sie war geprägt von starken politischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Konflikten, die schließlich in mehreren Bürgerkriegen kulminierten, deren Auswirkungen das Ende der absoluten Monarchie in England bedeuteten und eine konstitutionelle Monarchie etablierte.
Das Regierungssystem der konstitutionellen Monarchie, welche sich im Wesentlichen mit dem Modell Lockes deckt, basiert auf einer starken Legislative, die Gesetze nicht nur schafft und verabschiedet, sondern auch eine nicht unerhebliche Kontrollfunktion einnimmt und damit dem Prinzip der Limitation von Macht der Exekutive folgt. Die Exekutive, in diesem Fall der König, besitzt zwar weiterhin eine nicht unerhebliche Machtfülle, muss sich jedoch im ihm gesetzten Rahmen bewegen, hat aber eine ebenso bedeutende Kontrollfunktion seinerseits auf das Parlament. Eben dieses Prinzip beschreibt John Locke in seinem 1690 erschienen Werk: Two Treatise of Government.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Historischer Kontext und Biografie
3 Der Gesellschaftsvertrag und die politische Gesellschaft
4 Die Gewaltenteilung bei John Locke
4.1 Die Legislative
4.1.1 Begründung der Legislative als höchste Gewalt
4.1.2 Kompetenzbegrenzung der Legislative
4.2 Die Exekutive
4.2.1 Das Wesen der Exekutive
4.2.2 Die Prärogative als Machtfaktor der Exekutiven
5 Das Verhältnis von Legislative, Exekutive und Volkssouveränität
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Das große Ziel, mit welchem die Menschen in eine Gesellschaft eintreten, ist der Genuss ihres Eigentums in Frieden und Sicherheit, und das große Werkzeug und Mittel dazu sind die Gesetze, die in dieser Gesellschaft erlassen worden sind.“ (Locke 2005 134: 101). Nach dem englischen Staatstheoretiker John Locke liegen der Begründung einer Gesellschaft, der Urform menschlichen Zusammenlebens, primär praktische Gründe zugrunde. Ein Leben in Frieden und Sicherheit sowie die Sicherung von Eigentum als Ziel, gewährleistet durch Gesetze. Deshalb schlussfolgerte Locke weiter: „Das erste und grundlegende positive Gesetz aller Staaten ist daher die Begründung der legislativen Gewalt.“ (ebd. 2005 134:101). Damit skizzierte Locke nicht nur einen Staat, in dem die höchste Gewalt die Legislative sei, sondern er implizierte eine Arbeitsteilung innerhalb der Staatsgewalt – eine Gewaltenteilung und reihte sich damit in die Riege bedeutender Staatstheoretiker ein, deren Anliegen es war, Legitimationskriterien politischer Herrschaft zu formulieren.
In der Ideengeschichte sind die Vertragstheorien eine mögliche Form der Begründung politischer Systeme. Namenhafte Kontraktualisten wie Thomas Hobbes oder eben John Locke trugen mit ihren Theorien von der Begründung bis hin zur möglichen Gestaltung des Staatswesens wesentlich zur Auflösung des scholastischen Weltbildes ihrer Zeit bei. Während sich im 17. Jahrhundert in Frankreich der Absolutismus verbreitete und dominierte, Fürsten in den deutschen Kleinstaaten ihre Macht auf Kosten freiheitlicher Ideale festigten und die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges überwunden wurden, brach in England eine bedeutende Epoche an. Sie war geprägt von starken politischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Konflikten, die schließlich in mehreren Bürgerkriegen kulminierten, deren Auswirkungen das Ende der absoluten Monarchie in England bedeuteten und eine konstitutionelle Monarchie etablierte.
Das Regierungssystem der konstitutionellen Monarchie, welche sich im Wesentlichen mit dem Modell Lockes deckt, basiert auf einer starken Legislative, die Gesetze nicht nur schafft und verabschiedet, sondern auch eine nicht unerhebliche Kontrollfunktion einnimmt und damit dem Prinzip der Limitation von Macht der Exekutive folgt. Die Exekutive, in diesem Fall der König, besitzt zwar weiterhin eine nicht unerhebliche Machtfülle, muss sich jedoch im ihm gesetzten Rahmen bewegen, hat aber eine ebenso bedeutende Kontrollfunktion seinerseits auf das Parlament. Eben dieses Prinzip beschreibt John Locke in seinem 1690 erschienen Werk: Two Treatise of Government. Mit diesem Werk formulierte Locke als einer der ersten politischen Theoretiker die Postulate der bürgerlichen Freiheitsbewegung. Während er in der ersten Abhandlung Robert Filmers Rechtfertigung des Absolutismus destruierte, konstruierte er in der zweiten Abhandlung einen Staat, der von Volkssouveränität ausgeht und die Konzentration politischer Macht durch Gewaltenteilung und Widerstandsrecht verhindern will.
Im Folgenden soll es um die Frage vom Verhältnis der legislativen zur exekutiven Gewalt gehen. Wie gestaltet sich nach Locke konkret deren Zusammenarbeit, wo liegen die einzelnen Funktionsfelder? Ist seine politische Theorie überhaupt praktikabel? Kann Locke als Wegbereiter der konstitutionellen Monarchie bezeichnet werden? Diesen und anderen Fragen wird in den folgenden Kapiteln nachgegangen. Grundlage soll nicht nur ein biografischer und historischer Exkurs in seine Zeit sein, sondern primär textimmanent am Beispiel seines Hauptwerks The Second Treatise of Government der Kern seiner Staatstheorie, den Zusammenhang zwischen Legislative und Exekutive, erschlossen werden. Abschließend wird ein Fazit gezogen.
2 Historischer Kontext und Biografie
Das 17. Jahrhundert war in England eine institutionelle und politische Zäsur. Es war nicht nur ein Jahrhundert der Entdeckung, Kolonisation, sondern vor allem das Jahrhundert konfessioneller und machtpolitischer Spaltung in ganz Europa. Auf dem europäischen Kontinent wütete seit 1618 der Dreißigjährige Krieg, der zwar im Namen des Glaubens, tatsächlich aber aufgrund handfester machtpolitischer Interessen der europäischen Staatenwelt geführt wurde. Auch England blieb, trotz seiner Splendid Isolation, von den kontinentaleuropäischen Ereignissen nicht unberührt, spiegelten diese doch die eigene konfessionelle Zerrissenheit Englands wider (Schwan 1993: 178-182). Katholiken bekämpften Anglikaner, die sich außerdem noch Puritanern und Calvinisten gegenübersahen. Hinzu kamen machtpolitische Auseinandersetzungen, die sich mit den religiösen Zwistigkeiten vermischten. Ab 1625 saß in England der Stuart Karl I. auf dem Thron. Er löste einen Konflikt zwischen Krone und Parlament aus, indem er seine Macht auf Kosten des Parlaments auszubauen suchte und dieses zeitweise sogar auflöste. Gleichzeitig erregte er durch die Heirat einer französischen, katholischen Prinzessin die Gemüter der mehrheitlich protestantischen Untertanen (Pfetsch 2003: 125).
Dieser Machtkampf mündete schließlich 1642 in einen Bürgerkrieg, in dem es dann nicht nur um den Konflikt zwischen Krone und Parlament, sondern auch um die Machtstellung von Puritanismus, Anglikanismus, Calvinismus und Katholizismus ging. Der Bürgerkrieg endete mit einem Sieg des Parlaments unter Oliver Cromwell, der den König 1648 hinrichten ließ und eine Militärdiktatur unter seiner Führung etablierte. Nach dem Tod Cromwells 1658 gelang es Karl II., dem Sohn Karl I., im Jahr 1660 nochmals die Krone und somit die Macht zu ergreifen. Es beginnt die Zeit der Restauration, die aber 1688/89 durch die Glorious Revolution ihr Ende fand und Karl II. zur Flucht zwang. Als Folge blieb eine Stärkung des Parlaments, eine nun, konstitutionelle Monarchie unter Wilhelm III., die bis heute bestand hat (Pfetsch 2003: 125).
Diese relativ kurze aber dafür intensive Phase der englischen Geschichte erlebten Thomas Hobbes (1588 – 1679) und John Locke (1632 – 1691). Beides bedeutende Staatstheoretiker in der Ideengeschichte, die durch die politischen und religiösen Probleme beeinflusst, unterschiedliche Positionen in den politischen Konflikt Englands bezogen und daraus ihre spezifischen Schlüsse und somit Theorien zogen. Thomas Hobbes nahm dabei eine nicht unerhebliche Rolle ein, gilt er doch als Vorarbeiter Lockes, der dessen Theorien aufgreift und modifiziert, jedoch nicht konkret auf diesen eingeht oder gar erwähnt (Speth 2006: 102-103).
John Locke wurde am 29. August 1632 in Wrington in bescheidenen Verhältnissen geboren und studierte in Oxford. Locke war naturwissenschaftlich orientiert und betrieb in dieser Richtung, neben Medizin, seine Studien. Seine Erfahrungen mit naturwissenschaftlicher Logik und Methodik wurden später Grundlagen seiner Theorien. Der Philosoph Walter Euchner stellt dazu fest: „Lockes Empirismus gilt als entscheidender Beitrag zur Überwindung des alten Weltbildes, das unkritisch die Möglichkeit unmittelbarer Erkenntnis der wesenhaften Beschaffenheit der Schöpfung unterstellte.“ (Euchner 1996: 169).
In der Jugend erlebte Locke zunächst den englischen Bürgerkrieg, dann die Republik unter Cromwell und schließlich die Restauration der Monarchie durch Karl II. 1651 erschien der Leviathan, die staatspolitische Schrift von Thomas Hobbes, der den jungen Locke zunächst stark prägte. Zu dieser Zeit bezeichnete sich Locke selber als Royalist. Seine politische Gesinnung, sein Interesse für die Politik überhaupt, entwickelte er jedoch erst mit der Bekanntschaft Lord Ashleys[1] (Pfetsch 2003: 153-155). Dieser stellte Locke 1667 als Privatarzt und Privatlehrer an und führte ihn in liberale Kreise ein, denn Ashley war nicht nur ein hochrangiger Whig-Politiker, dem republikanischen Flügel innerhalb des britischen Parlaments zugehörig, sondern auch ein Führer des englischen Landadels sowie des protestantischen Bürgertums (Speth 2006: 102). Fortan war Lockes Leben an das Ashleys geknüpft und erhöhte seine gesellschaftliches Prestige ungemein. So wurde Locke unter anderem 1668 in die Royal Society aufgenommen und er übernahm unter Ashely Regierungsposten (Pfetsch 2003: 153-155).
Durchs Ashleys politische Gesinnung als Führer der Whigs wandelte sich Locke vom Royalisten zum glühenden Anhänger der Whigs. 1672 wurde Shaftesbury zum Lordkanzler ernannt und verschaffte Locke einen Posten als Staatssekretär, zunächst für Kirchen-, später für Handelsfragen. Von 1675 bis 1679 reiste Locke nach Frankreich und traf wie Hobbes, René Descartes, der bei beiden großen Eindruck hinterließ. Lockes Leben war so eng an das seines Gönners Ashley geknüpft, dass er diesem 1683 ins holländische Exil folgte, nachdem eine Verschwörung Ashleys und anderer Oppositioneller gegen Karl II. aufgedeckt wurde. In dieser Zeit entstand auch Lockes Hauptwerk Two Treatises of the Government. Erst 1688 kehrte Locke zusammen mit William III. von Oranien, dem zukünftigen englischen König, in seine Heimat zurück, wo er bis zu seinem Tode 1691 lebte (ebd. 2003: 154-155).
3 Der Gesellschaftsvertrag und die politische Gesellschaft
John Locke versucht, ganz im Geist der Naturwissenschaft, eine stringente empirisch belegbare Theorie vom politischen Zusammenleben der Menschen zu entwickeln. Ausgangspunkt dabei ist der Naturzustand, ein vorgesellschaftliches und vorstaatliches Moment, in dem die Menschen leben. Dieser Zustand wird erst aufgelöst, wenn sich die Menschen, via Vertrag, zusammenschließen und so einen politischen Körper bilden (Euchner 1997: 281). Diese Idee scheint identisch zu sein mit der Theorie von Thomas Hobbes, der mit seinem Werk Leviathan wichtige Grundlagen legt. Darin versucht Hobbes, die bis dahin geltenden Formen des politischen Denkens, beispielsweise die aristotelische Tugendlehre, zu beseitigen und durch eine more geometrico verfahrende politische Theorie zu ersetzen. Wissenschaftlich begründete Regeln als sichere Konstruktion des Staates sollen eine dauerhafte politische Ordnung gewährleisten (Speth 2006: 96). Diesem Grundgedanken folgt Locke, er greift bestimmte Muster Hobbes auf, modifiziert diese aber. So ist der Naturzustand, als Ausgangslage von Lockes Theorien nicht fiktiv, sondern existent: Es habe ihn gegeben und gebe ihn nach wie vor (Locke 2005 102/103/104: 77-79). Im Naturzustand befinde sich der Mensch, und zwar jeder, in einem Zustand „vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes.“ (ebd. 4: 5). Nur durch das Naturgesetz[2] erfahre der Mensch eine Einschränkung, denn Freiheit sei nicht mit Zügellosigkeit gleichzusetzen, so „hat er doch nicht die Freiheit, sich selbst oder irgendein in seinem Besitz befindliches Lebewesen zu zerstören.“ (ebd. 2005 6: 6). Unabhängig vom Naturzustand gelte immer, „Wahrheit und Treue nämlich gebührt dem Menschen als Menschen und nicht als Glied der Gesellschaft.“ (ebd. 2005 14: 13). Die Konsequenz ist, dass der Mensch im Naturzustand das Recht habe, Strafe oder Sanktionen je nach Art der kriminellen Handlung Anderer anzuwenden oder gar seinen Gegenüber zu töten, sofern dieser versucht, selbst zu töten oder zu versklaven, sodass die Menschen „Richter in eigener Sache seien." (ebd. 2005 13:11).
[...]
[1] Lord Ashley ist seit 1672 der erste Earl of Shaftesbury (Ottmann 2006: 344).
[2] Philosophischer Begriff, der ein universelles ideales Rechtssystem setzt, dass noch über dem positiven Recht steht (Klein/Schubert 2006: 206)
- Quote paper
- Alexander Boettcher (Author), 2008, Die staatliche Ordnung bei John Locke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94335
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