Die Bedeutung des Themas für die Schüler ergibt sich aus der Situations-, der Problem- sowie der Zukunftsorientierung. Im Unterricht wird bewusst auf ausgewählte „social-networks“ zurückgegriffen, die allen Schülern aus ihrem Privatleben bekannt sind. Die Diskussion um diese Plattformen im Internet wie StudiVZ wurde mit dem Verkauf der Website an den Holtzbrink-Verlag im Jahr 2007 sehr aufmerksam durch die Schüler verfolgt und kritisch betrachtet. Nicht zuletzt durch die Informationsbeschaffung und Recherche auf unterschiedlichsten Plattformen, Wikis und Blogs im Internet erscheint eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zwiespalt zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Selbstdarstellung in „social-networks“ auf der anderen Seite gerechtfertigt.
Insbesondere durch die Verabschiedung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung zum sind die Schüler direkt von der Thematik betroffen. In diesem Zusammenhang offenbarten die Schüler bereits in den vorangegangenen Stunden ihre Ängste und Sorgen darüber, welche Daten gespeichert und weiterverarbeitet würden.
Durch die geplante Erweiterung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung um Internetverbindungsdaten und -inhalte wird deutlich, dass das Unterrichtsthema auch zukünftig für die Schüler ein hohes Maß an Aktualität beinhaltet. Des Weiteren müssen sich die Schüler auch der negativen Konsequenzen (Jobverlust, Ablehnung eines Bewerbers, Werbeflut, etc.) bewusst werden, die mit einer Veröffentlichung persönlicher sowie personenbezogener Daten einhergehen würden.
Die Schüler sind aber nicht nur in ihrem Privatleben vom Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und persönlicher Selbstverwirklichung betroffen. Vielmehr könnte es sein, dass sie später aus beruflicher Sicht durchaus ein Interesse an der Auswertung von öffentlichen Informationen haben, bspw. im Rahmen einer Tätigkeit im Personalentwicklungsbereich eines Unternehmens, um Informationen über Bewerber einzuholen. Eine Möglichkeit dazu bietet das Karrierenetzwerk XING, in dem geschäftliche Kontakte geknüpft werden können und in dem sich Bewerber einem breiten Publikum präsentieren können.
Neben den Vorteilen, die sich aus der Teilnahme an „social-networks“ ergeben, lassen die Schüler jedoch häufig außer Acht, dass Mobbing, Stalking und Psychoterror innerhalb dieser Netzwerke keine Seltenheit ist. Insbesondere StudiVZ ist durch die Funktion „Gruscheln“ in die Kritik geraten, die mitunter zum Mobbing und Stalking instrumentalisiert wurde.
Inhaltsverzeichnis
1. Analyse des Bedingungsfeldes
2. Didaktisch-methodische Konzeption
2.1 Analyse der curricularen Vorgaben
2.2 Analyse der Thematik, ihrer Komplexität und ihre fachliche Begründung
2.2.1 Stoffstrukturgerüst
2.2.2 Schichtung
2.2.3 Die Bedeutung des Themas für die Schüler
2.3 Auswahl- und Reduktionsentscheidungen
2.4 Anzustrebende Kompetenzen/Lehr- und Lernziele
2.4.1 Stundenlernziel
2.4.2 Ergebnisorientierte Lernziele
2.4.3 Prozessorientierte Lernziele
3. Gestaltung der Verlaufsstruktur des Lernprozesses
4. Unterrichtsverlaufsskizze
5. Literatur
Anlagenverzeichnis
Anlage I: Kommentierter Sitzplan der Klasse BOW 3-2 im Raum A114
Anlage II: Makrosequenz zur Unterrichtseinheit: „Terrorismus und seine Auswirkungen weltweit“
Anlage III: Stoffstrukturgerüst – Makrostruktur
Anlage IV: Stoffstrukturgerüst – Mikrostruktur
Anlage V: Einstiegskarikatur „Things that SURVIVE FOREVER“
Anlage VI: Plakat: Advance Organizer zur Darstellung der Lernschritte
Anlage VII: Plakat: Diskussionsregeln für die Pro- und Contra-Diskussion
Anlage VIII: Arbeits- und Informationsblatt I
Anlage IX: Ergebnisse des Arbeits- und Informationsblattes I (schülerabhängige Ergebnisse)
Anlage X: Arbeits- und Informationsblatt II
Anlage XI: Arbeits- und Informationsblatt III
Anlage XII: Arbeits- und Informationsblatt IV
Anlage XIII: Arbeitsaufträge für das Schüler-Team I (schülerabhängige Ergebnisse)
Anlage XIV: Arbeitsaufträge für das Schüler-Team II (schülerabhängige Ergebnisse)
Anlage XV: Materialien und Ergebnisse der Personensuche in der Vertiefungsphase
Anlage XVI: Ergebnisse der Vertiefungsphase – Beurteilung von Personensuchdiensten (schülerabhän- gige Ergebnisse)
Anlage XVII: Ergebnisse der Didaktischen Reserve (schülerabhängige Ergebnisse)
1. Analyse des Bedingungsfeldes
Die Schüler und Schülerinnen[1] der Vollzeitklasse BOW 3-2 befinden sich in der Berufsoberschule Klasse 13, die mit dem Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife beendet werden kann. Zwölf Schüler absolvieren diese Schulform mit der Fachrichtung Technik, 13 Schüler mit der Fachrichtung Wirtschaft. Altersstruktur, Geschlechterverteilung, zuletzt besuchte Schulform und Schulabschluss sind den folgenden Übersichten zu entnehmen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Altersunterschied in dieser Klasse kann als heterogen, die schulische Vorbildung als relativ homogen bezeichnet werden; sie führen aber zu keinen Besonderheiten, die im Unterrichtsgeschehen berücksichtigt werden müssten. Die Schüler weisen insgesamt ein hohes Abstraktionsvermögen auf. Das wirkt sich positiv auf die Lösung komplexer politischer Fragestellungen aus, die ihnen kaum Schwierigkeiten bereitet. Der Unterricht zeichnet sich durch ein sehr aktives Schülerverhalten aus und weist im Mittel gute Beiträge auf. Besonders hervorzuheben sind Hendrik, Janine, Kai und Sebastian, die kontinuierlich sehr gehaltvolle und sehr gute Beiträge liefern.
Hinsichtlich der Fachkompetenz können zum Teil Rückschlüsse aus dem erworbenen Schulabschluss abgeleitet werden. Diese lässt sich an der Mitarbeit der Schüler im Unterricht messen. Die mündlichen Beiträge der Schüler sind in der Regel quantitativ und qualitativ als gut zu bewerten.[5] Gemeint sind hier u. a. die Fähigkeiten, kausale Sachzusammenhänge zu erläutern und politische Konflikte zu analysieren. Das Reproduzieren von erlernten Inhalten fällt den meisten Schülern grundsätzlich leicht. Ausnahmen bilden Marion, Karina und Stefanie, die zu den leistungsschwächeren bzw. sehr stillen Schülern der Klasse gehören. Dies kann u. U. darauf zurückzuführen sein, dass diese Schüler noch nicht vollständig in den Klassenverband integriert wurden. Mein Ziel ist es, diese Schüler durch gezielte Impulse sowie durch wechselnde Gruppen- und Partnerzugehörigkeit zu einem aktiveren Verhalten zu bewegen. Vorkenntnisse zur heutigen Unterrichtseinheit sind in einem sehr ausgeprägten Maße vorhanden. Aus einer Befragung innerhalb der Klasse ging hervor, dass ein Großteil der Schüler sehr aktiv „social-networks“ wie MyVideo, Myspace, SchülerVZ[6], StudiVZ, YouTube u. a. im Internet nutzt. Außerdem sind den Schülern aktuelle Aspekte (Datenschutz im Internet, Kennzeichenüberwachung, etc.) aus den Medien bekannt. In den vorangegangen Unterrichtsstunden wurden zudem die Themen „Vorratsdatenspeicherung“ sowie „rechtliche Grundlagen zum Datenschutz“ behandelt (vgl. Anlage II). Des Weiteren sind den Schülern der Schulformen B7T und B7I auch technische Lösungen zum Datenschutz aus ihrer Ausbildung bekannt. Das Interesse für das Unterrichtsfach Politik ist beim überwiegenden Teil der Schüler sehr stark ausgeprägt. Tageszeitungen werden regelmäßig gelesen und Nachrichtensendungen in den Medien verfolgt. Die Schüler beziehen ihre Informationen zu politischen Themen hauptsächlich aus dem Internet, vor allem aus privaten Foren, Wikis[7] und den Internetseiten von Nachrichtenmagazinen wie Spiegel oder Focus. Privat tauschen sich die Schüler in den o. g. „social-networks“ aus. Die Lernbereitschaft sowie das Lern- und Arbeitstempo der Schüler liegt aufgrund der o. g. Differenzierungen im guten Bereich. Deshalb werden im Unterricht höhere Lernzielebenen angestrebt (Analyse, Bewertung[8]). Eine differenzierte Beschreibung der mündlichen und schriftlichen Leistungsfähigkeit ist dem Sitzplan (vgl. Anlage I) zu entnehmen. Diese weisen im Mittel ein gutes bis zufrieden stellendes Ergebnis auf.
In meinem Unterricht zeigen die Schüler gute Leistungen im Bereich der Methodenkompetenz. Die Schüler sind mit dem Frontalunterricht, dem fragend-entwickelnden und dem impulsorientierten Unterricht sowie den schülerzentrierten Sozialformen der Gruppenarbeit und der Partnerarbeit vertraut. Unterrichtseinstiege in Form von englischsprachigen Karikaturen stellen für die Schüler kein Problem dar. Die Analyse erfolgt trotz des hohen Niveaus sehr treffend. Dies gilt auch für die Analyse komplexer und anspruchsvoller Arbeitsmaterialien, die sicher und zielgerichtet bearbeitet werden. Die Schüler haben bereits Erfahrungen bezüglich der freien Ergebnispräsentation vor der Klasse, am OHP sowie der Tafel und Metaplankarten gesammelt. Dabei zeigten sich bei den meisten Schülern keine Probleme. Bei Gruppenarbeiten verfallen die Schüler oft in Stillarbeit, so dass dieser Bereich der Methodenkompetenz zu fördern ist. Die Präsentation der Ergebnisse in Form von Pro- und Contra-Diskussionen fällt den Schülern leicht, dennoch vermischen sie oftmals noch Argumente mit ihrer eigenen persönlichen Meinung, weshalb auf die Trennung besonders zu achten ist.
Die Schüler verfügen über eine hohe Sozialkompetenz, die sich in ihrem freundlichen, kooperativen und hilfsbereiten Umgang untereinander zeigt, zu einer lernförderlichen Atmosphäre führt und sich in guten Arbeitsergebnissen widerspiegelt. Das Arbeiten in Partnerarbeit oder in Gruppen erfolgt meistens zielorientiert und respektvoll. Die Lernenden sind in der Lage, den Beiträgen der Lehrperson sowie der Mitschüler aktiv zuzuhören und zeigen sich überdies kritikfähig. Bei Schwierigkeiten oder Fragen sind die Schüler, die Vorkenntnisse besitzen, bereit, ihre Mitschüler zu unterstützen und ihnen Zusammenhänge zu erklären.
Seit September unterrichte ich im Rahmen des betreuten Unterrichts mittwochs in der 3. und 4. Stunde in dieser Klasse. Das Verhältnis zu den Schülern schätze ich als freundlich und offen ein. Es herrscht eine angenehme Lehr-/ Lernatmosphäre. Für den Prüfungsunterricht wird die Sitzordnung der Klasse während der Gruppenarbeitsphase verändert (vgl. Anlage I) und ein Internetanschluss im Klassenraum bereitgestellt.
2. Didaktisch-methodische Konzeption
2.1 Analyse der curricularen Vorgaben
Für den Politikunterricht in dieser Klasse sind die „Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Politik in berufsbildenden Schulen“[9] des Landes Niedersachsens maßgebend. Ein schulinterner Stoffverteilungsplan für das Unterrichtsfach Politik in der Berufsoberschule liegt an der BBS X. nicht vor, ist jedoch in Bearbeitung. Außerdem existieren verbindliche Absprachen unter den Kollegen, welche Themeninhalte bearbeitet werden sollen. Hierzu zählen die Themengebiete „Globalisierung“, „Strukturwandel“ und „Terrorismus“.
Die Unterrichtsstunde mit dem Thema „social-networks im Spannungsfeld von Datenschutz und persönlicher Selbstverwirklichung im Internet“ lässt sich den Themenschwerpunkten „Grundrechte und Menschenrechte“ des Handlungsfeldes „Staat“[10] und „Lebenskonzepte“ sowie „Lebensrisiken“ des Handlungsfeldes „Privatleben“[11] zuordnen. Bei dieser Einordnung muss jedoch beachtet werden, dass übergeordnet auch das Handlungsfeld „Öffentlichkeit“[12] mit dem Schwerpunkt „Information und Meinungsbildung“ zugrunde gelegt werden muss, da sich aus diesem Kernelemente und Auswirkungen auf beide o. g. Bereiche ableiten lassen. So befinden sich „jugendspezifische Kommunikationsformen“ wie SchülerVZ und StudiVZ im „Spannungsfeld individueller Freiheitsrechte und Gemeinwohl“ und sind beispielsweise durch die Einführung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in besonderem Maße betroffen. Nicht zuletzt werden dabei auch die „Selbstverwirklichung und Selbstbeschränkung“ eines Bürgers bzw. der Schüler im Besonderen angesprochen, da auf den o. g. „social-networks“ häufig persönliche und personenbezogene Daten preisgegeben werden, die auch von anderen Teilnehmern, Unternehmen und staatlichen Organen eingesehen werden können.
In dieser Unterrichtseinheit soll vor allem die Qualifikation 2 und damit die „Fähigkeit und Bereitschaft, Möglichkeiten der Teilnahme an gesellschaftlicher Kommunikation überlegt und kritisch zu nutzen“ gefördert werden.[13] Dabei kommen der „Fähigkeit, Kommunikationssituationen, -techniken und -mittel […] zu analysieren“ sowie der „Fähigkeit und Bereitschaft, Angebote zur Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechniken im privaten […] Bereich kritisch zu prüfen“ eine besondere Bedeutung zu.
Weiterhin werden die Qualifikationen 3 und 4, die „Fähigkeit und Bereitschaft, Ursachen, Bedeutung und Wirkungen von Konflikten zu erkennen und [sich an deren] Lösung […] zu beteiligen“[14], sowie die Fähigkeit, „Möglichkeiten der Selbstverwirklichung“[15] zu nutzen, berührt.
Über die Einbettung des Stundenthemas in die Unterrichtsreihe gibt die Makrosequenz Auskunft (vgl. Anlage II)
Fächerübergreifende Aspekte können aus den zugrunde gelegten curricularen Vorgaben für das Unterrichtsfach Technik der Berufsoberschule in der Fachrichtung Technik im Lerngebiet „Informationstechnik“ mit den Lerninhalten „Datenschutz – Rechtsgrundlagen“ und deren Umsetzung sowie „Datenschutz und Datensicherheit“ abgeleitet werden.[16] In der Fachrichtung Wirtschaft im Fach „Wirtschaft“ existieren fächerübergreifende Aspekte zum Lerngebiet 13/7 „Controlling“, in dem das Controlling des Personalbereichs abgeleitet werden soll (bspw. Bewerberauswahl, etc.)[17].
2.2 Analyse der Thematik, ihrer Komplexität und ihre fachliche Begründung
2.2.1 Stoffstrukturgerüst
Das Stoffstrukturgerüst ist in Form einer Makro- und Mikrostruktur im Anhang beigefügt (vgl. Anlage III + IV).
2.2.2 Schichtung
Das Thema der Stunde berührt im Wesentlichen folgende Schichten:
- politische Schicht : z. B. Spannungsverhältnis zwischen einem Anspruch auf Datenschutz und der persönlichen Selbstbestimmung und -verwirklichung im Internet; Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte durch eine Verschärfung des Datenschutzrechtes; Ständige Kontrolle und Überwachung der Bürger mit Hilfe der neuen Medien; etc.
- juristische Schicht : z. B. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung; Bundesdatenschutzgesetz; Betriebsverfassungsgesetz; Niedersächsisches Landesdatenschutzgesetz; Telekommunikationsgesetz; Telemediengesetz; etc.
- soziologische Schicht : z. B. Ausgleich von widerstreitenden Interessen (z. B. zwischen Marketingunternehmen und Nutzern eines „social-networks“); Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Gruppe; etc.
- psychologische Schicht : z. B. Auswirkungen von Mobbing und Stalking auf Schüler und deren Ursachen in „social-networks“; Suchtgefahr; Angstzustände und Fehlentwicklungen der Persönlichkeit; etc.
- ethisch-moralische Schicht : z. B. Zwiespalt zwischen der Teilnahme an „social-networks“ und der Wahrung von Grund- und Freiheitsrechten. Nutzung von Personensuchdiensten bspw. Stalkerati; etc.
- betriebswirtschaftliche Schicht: z. B. Nutzung persönlicher und personenbezogener Daten zur Optimierung des Marketings eines Unternehmens; Auswertung der Daten von „social-networks“ bei der Bewerberauswahl; etc.
- historische Schicht : z. B. Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1987 und Volkszählungsurteil im Jahr 1983; etc.
- kommunikationswissenschaftliche Schicht: z. B. Umgang mit dem Internet als Kommunikationsinstrument; Gestaltung der „social-networks“ in Kommunikationsaspekten; Jugendschutz; etc.
Aus dem Stoffstrukturgerüst sowie den Schichtungen ist ersichtlich, dass das Thema durch einen äußerst hohen Komplexitätsgrad gekennzeichnet werden kann. Entsprechend ist der Abstraktions- und Schwierigkeitsgrad des Stundenthemas unter Bezug auf die Fachkompetenz der Schüler (vgl. Kap 1) als hoch einzustufen.
2.2.3 Die Bedeutung des Themas für die Schüler
Die Bedeutung des Themas für die Schüler ergibt sich aus der Situations-, der Problem- sowie der Zukunftsorientierung.[18] Im Unterricht wird bewusst auf ausgewählte „social-networks“ (Facebook, Myspace, SchülerVZ und StudiVZ) zurückgegriffen, die allen Schülern aus ihrem Privatleben bekannt sind (vgl. Kap. 2.3). Die Diskussion um diese Plattformen im Internet wie StudiVZ wurde mit dem Verkauf der Website[19] an den Holtzbrink-Verlag im Jahr 2007 sehr aufmerksam durch die Schüler verfolgt und kritisch betrachtet. Nicht zuletzt durch die Informationsbeschaffung und Recherche auf unterschiedlichsten Plattformen, Wikis und Blogs im Internet erscheint eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zwiespalt zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Selbstdarstellung in „social-networks“ auf der anderen Seite gerechtfertigt.
Insbesondere durch die Verabschiedung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung zum 01.01.2008 sind die Schüler direkt von der Thematik betroffen. In diesem Zusammenhang offenbarten die Schüler bereits in den vorangegangenen Stunden ihre Ängste und Sorgen darüber, welche Daten gespeichert und weiterverarbeitet würden.
Durch die geplante Erweiterung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung um Internetverbindungsdaten und -inhalte im Jahre 2009 wird deutlich, dass das Unterrichtsthema auch zukünftig für die Schüler ein hohes Maß an Aktualität beinhaltet. Des Weiteren müssen sich die Schüler auch der negativen Konsequenzen (Jobverlust, Ablehnung eines Bewerbers, Werbeflut, etc.) bewusst werden, die mit einer Veröffentlichung persönlicher sowie personenbezogener Daten einhergehen würden (vgl. Anlage IV, XIII und XIV).
Die Schüler sind aber nicht nur in ihrem Privatleben vom Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und persönlicher Selbstverwirklichung betroffen. Vielmehr könnte es sein, dass sie später aus beruflicher Sicht durchaus ein Interesse an der Auswertung von öffentlichen Informationen haben, bspw. im Rahmen einer Tätigkeit im Personalentwicklungsbereich eines Unternehmens, um Informationen über Bewerber einzuholen. Eine Möglichkeit dazu bietet das Karrierenetzwerk XING[20], in dem geschäftliche Kontakte geknüpft werden können und in dem sich Bewerber einem breiten Publikum präsentieren können.
Neben den Vorteilen, die sich aus der Teilnahme an „social-networks“ ergeben (Kontaktpflege, Selbstverwirklichung, etc.), lassen die Schüler jedoch häufig außer Acht, dass Mobbing, Stalking und Psychoterror innerhalb dieser Netzwerke keine Seltenheit ist. Insbesondere StudiVZ ist durch die Funktion „Gruscheln“[21] in die Kritik geraten, die mitunter zum Mobbing und Stalking instrumentalisiert wurde.
2.3 Auswahl und Reduktionsentscheidungen
Die Auswahl der Thematik erfolgt insbesondere auf der Grundlage der Prinzipien des exemplarischen Wissens, der Aktualität und Verwendbarkeit sowie der Passung von Stoffmenge zu Lehr- und Lernkapazität[22]. Die Schüler befinden sich in der Klasse 13 und werden aller Voraussicht nach zum Schuljahresende 2007/2008 die Berufsoberschule mit dem Abitur verlassen (vgl. Kap. 1). In diesem Zusammenhang stellt sich bereits jetzt für viele Schüler im Hinblick auf die Bewerbungsfristen um einen Ausbildungs- oder Studienplatz die Frage der beruflichen Zukunft. Nicht selten wird dabei von den Schülern verlangt, sich online bei einer Universität oder einem Unternehmen zu bewerben. Eingestellte Profile in „social-networks“ werden dabei häufig von Unternehmen genutzt, um eine Vorauswahl der Bewerber vorzunehmen[23] (Zukunfts- und Berufsbezug). Außerdem hat das Unterrichtsthema aufgrund der Verabschiedung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zum 01.01.2008, bei der Verbindungsdaten von Telefonaten, SMS und Internetverbindungen sechs Monate aufgezeichnet sollen, einen hohen Aktualitätsbezug für die Schüler (Aktualität der Thematik). Dem Prinzip des exemplarischen Wissens wird dahingehend entsprochen, da die im Unterricht angesprochenen „social-networks“ nicht isoliert zu betrachten sind, sondern sich Chancen und Vorteile sowie Risiken und Nachteile auf andere Netzwerke, aber auch auf Teilbereiche außerhalb des Internets übertragen lassen (Sensibilität von Daten oder Passwörtern). Aus diesen Aspekten ergibt sich die unmittelbare Verwendbarkeit der Thematik für die Schüler.
Der Schwerpunkt der Besuchsstunde wird aus zeitlichen Gründen auf die Analyse des Spannungsfeldes zwischen Datenschutz und persönlicher Selbstverwirklichung im Internet und damit auf die politische Schicht gesetzt. Außerdem spielen die psychologische Schicht und die ethisch-moralische Schicht eine wichtige Rolle bei der Bewertung der Chancen und Risiken der Nutzung von „social-networks“. Die juristische Schicht wird nicht weiter vertieft, da sie in den vorangegangen Stunden Themeninhalt war. Weitere Schichten werden möglicherweise im Unterrichtsverlauf tangiert, jedoch erfolgt keine Vertiefung (vgl. Kap. 2.2.2).
Aufgrund der Komplexität der Thematik und im Hinblick auf die Lernvoraussetzungen der Schüler (vgl. Kap. 1) ist eine Reduktion erforderlich. Im Rahmen der Interessensgruppen beschränke ich mich daher auf die Sicht der Nutzer von „social-networks“ – im Besonderen der Schüler –, des Staates und seiner Organe sowie des Marketing- und Personalbereichs von Unternehmen. Finanzbehörden, Ermittlungsdienste und Anspruchsgruppen aus dem Ausland sollen in dieser Unterrichtsstunde unberücksichtigt bleiben, könnten punktuell aber von den Schülern in der Pro- und Contra-Diskussion tangiert werden, da diese zum Teil in der vorangegangen Stunde Thema waren (vgl. Anlage II). Des Weiteren werden auch nur ausgewählte „social-networks“ wie Facebook, Myspace, SchülerVZ und StudiVZ angesprochen, wobei die Funktionsweise und die Erhebung persönlicher und personenbezogener Daten nicht im Detail besprochen werden. Gleiches gilt für die Erläuterung und Betrachtung virtueller Welten wie SecondLife, in der die Nutzer sich ein virtuelles „Zweitleben“ mit einem Profil erstellen können. Zudem werden nur bestimmte personenbezogene Daten (vgl. Anlage IV) betrachtet, da sich die erhobenen Informationen innerhalb der „social-networks“ unterscheiden und insgesamt zu vielschichtig wären. Außerdem werden Personensuchdienste in der Vertiefungsphase (vgl. Kap. 4) nur als eine Möglichkeit des Auffindens persönlicher und personenbezogener Daten angeführt. In diesem Zusammenhang werden kostenpflichtige Services[24] zur Personensuche aus zeitökonomischen Gründen und aufgrund des Umfangs nicht betrachtet.
Zudem werden die Themenbereiche „Mobbing“, „Stalking“ und „Psychoterror“ zwar angesprochen, es erfolgt jedoch keine Vertiefung dieser Begriffe, da die Chancen und Vorteile sowie Risiken und Nachteile der Nutzung von „social-networks“ möglichst breit aufgefächert und von den Schülern beurteilt werden sollen.
Das Grundwissen der rechtlichen Aspekte zum Datenschutz wurde bereits in den vorangegangen Stunden (vgl. Anlage II) von den Schülern erarbeitet und diskutiert. Daher werden diese Inhalte in dieser Unterrichtsstunde nicht nochmals vertieft. Vielmehr werden die vermittelten Kenntnisse als Vorwissen vorausgesetzt, da diese auch im Hinblick auf die Bewertung des Nutzens von „social-networks“ in der Vertiefungsphase (vgl. Kap. 4) eine Rolle spielen.
Technische und fachliche Begriffe zum Bereich des „social-networking“ werden ausgeblendet, da diese sich von Plattform zu Plattform erheblich unterscheiden und eine differenzierte Darstellung aus zeitökonomischen Gründen und aufgrund der Komplexität nicht zu gewährleisten wäre.
2.4 Anzustrebende Kompetenzen/Lehr- und Lernziele
2.4.1 Stundenlernziel
Die Schüler sollen das Spannungsverhältnis zwischen der Schutzwürdigkeit von privaten Daten und ihrer Selbstverwirklichung im Internet in „social-networks“ analysieren, erläutern sowie innerhalb einer Diskussion Pro- und Contra-Argumente begründen und vertreten können.
2.4.2 Ergebnisorientierte Lernziele
Die Schüler sollen...
- mithilfe der Karikatur (A V) das Stundenthema ermitteln können (FK, MK[25] /Anwendung[26]).
- die Notwendigkeit von Datenschutz beschreiben und erläutern können (FK, MK/Anwendung).
- die anhand der Materialien (A X + XIV) erarbeiteten Argumente für bzw. gegen die Nutzung von soci- al-networks erläutern können (FK, MK/Analyse).
- die Inhalte der Pro- und Contra-Diskussion zu den Chancen und Vorteilen sowie Risiken und Nachteilen der Nutzung von „social networks“ und das eigene Diskusionsverhalten reflektieren können (FK, MK/Bewertung).
- zwischen den eigenen, ethischen und politischen Interessen unterscheiden können (FK, MK/Bewertung).
- die genannten Argumente zur Nutzung der „social networks“ hinsichtlich ihres Bedeutungsgehaltes be- werten und eine begründete Meinung vertreten können (FK, MK/Bewertung).
2.4.3 Prozessorientierte Lernziele
Die Schüler sollen die Bereitschaft und die Fähigkeit verbessern...
- in Gruppen zu kooperieren, zu kommunizieren und Standpunkte zu erarbeiten (SK, MK, FK).
- sich in eine Rolle hineinzuversetzen, aus dieser heraus zu argumentieren und sich wieder von ihr zu distanzieren (MK, SK).
- aktiv und konzentriert einem Gespräch zu folgen und wesentliche Inhalte festzuhalten (FK, MK, SK).
- Arbeitsergebnisse vor einem Plenum adressatenadäquat zu präsentieren (MK, SK).
- vorbereitete Argumente zu artikulieren und sinnvoll in einer Diskussion zu platzieren (FK, MK).
- inhaltliche Gegenpositionen zu tolerieren und als produktiven Beitrag zu einer dialektischen Wahrheitsfindung anzunehmen (SK).
- den Zwiespalt zwischen der Notwendigkeit von Datenschutz und der Möglichkeit der persönlichen Selbstverwirklichung im Internet zu problematisieren (FK, SK).
3. Gestaltung der Verlaufstruktur des Unterrichtsprozesses
In der Einstiegsphase nehmen die Schüler an sechs Gruppentischen Platz. Die Gruppeneinteilung wurde im Vorfeld vorgenommen und orientiert sich an bestehenden Stammgruppen. Dabei wurde auf eine ausgewogene Mischung (Tutoring) zwischen leistungsstarken und leistungsschwächeren Schülern geachtet (vgl. Anlage I). Vor Beginn der Unterrichtsstunde werde ich mich ggf. durch Nachfragen davon überzeugen, dass alle Schüler zur Projektionswand schauen können. Der Unterrichtseinstieg erfolgt in Form einer Karikatur mit Hilfe eines Beamers. Durch die Wahl der Karikatur sollen Bezüge zu vorangegangenen Unterrichtsstunden (vgl. Anlage II) und zur persönlichen Lebenssituation der Schüler geschaffen sowie eine realistische Problemsituation aufgeworfen werden (vgl. Kap. 2.3). Damit möchte ich sicherstellen, dass alle Schüler über dasselbe Ausgangsniveau verfügen. Im Anschluss an die Beschreibung sowie Analyse der Karikatur sollen die Schüler das Stundenthema ableiten und eine Kennzeichnung des Problems vornehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist den Schülern eine differenzierte Beurteilung des Sachverhaltes mit Hilfe ihrer Vorkenntnisse nur bedingt möglich (vgl. Kap. 1), so dass es zwecks weiterer Bearbeitung zusätzlicher Informationen bedarf. Im Folgenden wird der geplante Ablauf der Unterrichtsstunde anhand eines Plakates erläutert (vgl. Anlage VI). Dieses soll Transparenz schaffen und allen Schülern den Verlauf der Stunde visualisieren sowie einen Rückgriff auf die Lerninhalte in folgenden Unterrichtsstunden ermöglichen.
Die Erarbeitungsphase I wird durch die gemeinsame Besprechung der Arbeitsaufträge des Arbeits- und Informationsblattes eingeleitet (vgl. Anlage VIII). Davon verspreche ich mir, dass mögliche Verständnisfragen geklärt werden können und gleichzeitig die Lerngruppe nochmals auf die Zusammenarbeit mit ihren Tischnachbarn hingewiesen werden kann. Damit soll vor allem eine Stärkung der Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Schüler bezweckt werden (vgl. Kap. 1). Während der gesamten Erarbeitungsphase werden die Schüler bei der Bearbeitung der Arbeitsaufträge von mir als Lehrkraft betreut.
In einer ersten Ergebnissicherung werden die Ergebnisse von den Schülern und der Lehrkraft auf einer Folie zusammengetragen (vgl. Anlage IX). Diese übernehmen die Schüler in ihre Unterlagen. Davon verspreche ich mir die Möglichkeit eines späteren Rückgriffs auf die Informationen sowie eine Orientierungshilfe in der Pro- und Contra-Diskussion.
In der Erarbeitungsphase II wird auf das Vorwissen der Schüler sowie auf die Ergebnisse aus dem ersten Teil der Unterrichtsstunde zurückgegriffen. Zudem erhalten die Schüler Arbeits- und Informationsblätter (vgl. Anlage X-XIV), die arbeitsteilig in Gruppenarbeit in zwei Schüler-Teams bearbeitet werden sollen (vgl. Anlage I). Innerhalb der Schüler-Teams werden jeweils primär die Argumente für eine Sichtweise der Pro- und Contra- Diskussion erarbeitet (vgl. Anlage XIII + XIV). Bei der Bildung wurde darauf geachtet, dass Marion, Karina und Stefanie im Schüler-Team I integriert werden (vgl. Kap. I), da die Risiken und Nachteile als Argumente für die Pro- und Contra-Diskussion einfacher aus den Texten abzuleiten sind.
[...]
[1] Im folgenden Text wird aus Vereinfachungsgründen die männliche Form verwendet, sie impliziert jedoch auch die weibliche.
[2] Zweijährige Berufsfachschule für Technische Assistentinnen/Assistenten für Informatik.
[3] Zweijährige Berufsfachschule für Kaufmännische Assistentinnen/Assistenten für Informatik.
[4] FOS = Fachoberschule. Zwölf Schüler haben die FOS mit dem Schwerpunkt Technik, neun mit dem Schwerpunkt Wirtschaft abgeschlossen.
[5] Eine differenzierte Beurteilung der mündlichen Leistungen befindet sich im kommentierten Sitzplan (Anlage I).
[6] SchülerVZ = Schüler-Verzeichnis; StudiVZ = Studi- bzw. Studenten-Verzeichnis.
[7] Wiki = verfügbare Seitensammlungen, die von den Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online geändert werden.
[8] Vgl. Lernzielklassifikationsschema nach Bloom: Wissen, Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese, Bewertung.
[9] Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Politik in berufsbildenden Schulen, 1994.
[10] Vgl. ebd., S. 29.
[11] Vgl. ebd., S. 26.
[12] Vgl. ebd., S. 28.
[13] Vgl. ebd., S. 12.
[14] Vgl. ebd., S. 14.
[15] Vgl. ebd., S. 16.
[16] Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium: Curriculare Vorgaben für das Unterrichtsfach - Technik - der Berufsoberschule in der Fachrichtung Technik, 1997, S. 3.
[17] Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium: Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Wirtschaft in der Berufsoberschule Wirtschaft, 2000, S.25.
[18] Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium: Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Politik an berufsbildenden Schulen 1994, S. 7f.
[19] http://www.studivz.net.
[20] http://www.xing.com.
[21] „Gruscheln“ = Möglichkeit der Kontaktaufnahme im StudiVZ. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern „grüßen“ und „kuscheln“ zusammen.
[22] Vgl. Speth 2007, S. 129.
[23] Vgl. http://www.bdu.de/Artikel_201207.html.
[24] Vgl. http://www.intelius.com.
[25] Zur Erläuterung: FK = Fachkompetenz, MK = Methodenkompetenz, SK = Sozialkompetenz.
[26] Vgl. Lernzielklassifikationsschema nach Bloom: Wissen, Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese, Bewertung.
- Quote paper
- Thomas von Dincklage (Author), 2008, Unterrichtsstunde: Der gläserne Bürger - „social-networks“ im Spannungsfeld von Datenschutz und persönlicher Selbstverwirklichung im Internet , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94323
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