Das Ziel der Arbeit besteht darin, die Notwendigkeit aufzuzeigen, dass Sozialarbeitende sich ein kompetentes fachliches Handlungsrepertoire in ihrer Ausbildung aneignen, um religions- und kultursensibel auf die Bedürfnisse ihrer Adressat*innen einzugehen und in aktuellen gesellschaftspolitischen Diskursen mit ihrem multiperspektivischen Erklärungswissen Stellung zu beziehen. Aufgrund dessen ergibt sich das forschungsleitende Interesse herauszufinden, ob und inwiefern Religions- und Kultursensibilität als Handlungskompetenzen im wissenschaftlichen Diskurs und im Dialog mit Nachbardisziplinen (z.B. Vergleichende Religionswissenschaften, Theologie, Ethnologie) relevantes Material für Methoden und Theorieansätze generiert.
Dies führt zu der Fragestellung, inwieweit Sozialarbeitende in ihrer Aus- und Fortbildung darauf vorbereitet werden, sich dem Fragenkomplex pluraler religiöser und kulturelle Identifikationsformen und Lebensentwürfen zu stellen. Die forschungsleitende Fragestellung lautet: Ist es relevant für die Ausbildung von Sozialarbeitenden religions- und kultursensible Handlungskompetenzen innerhalb der Wissenschaft der Sozialen Arbeit empirisch zu erforschen und für den Berufsalltag theoriegestützt zu begleiten? In der Arbeit werden anhand einer literaturgestützten Analyse Thesen, Positionen und Perspektiven, die den Forschungsstand zum Thema Religions- und Kultursensibilität repräsentieren, vorgestellt. Zahlreiche Forscher*innen und Autor*innen haben sich in den letzten zehn Jahren wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt. Wichtige Erkenntnisse ihrer Forschung eröffnen einen Raum die oben genannte forschungsleitende Frage zu konkretisieren und zuzuspitzen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Geschichte der Sozialen Arbeit
2.1 Jüdisch-christliche Motive in der Armutsfürsorge
2.2 Professionalisierungsprozess in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit
2.3 Neue Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft für institutionelle Träger
2.4 Konzept der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch
3 Begriffsbestimmungen von Religions- und Kultursensibilität
3.1 Religion
3.2 Kultur und Interkulturelle Kompetenz
3.3 Sensibilität
4 Forschungsstand
4.1 Soziale Arbeit
4.2 Erziehungswissenschaft und Soziologie
4.3 Theologie, Vergleichende Religionswissenschaften und Diakoniewissenschaft
5 Positionen der Soziologie und Philosophie
5.1 Säkularisierungstheorie
5.2 Exkurs: Brauchen wir weniger Religion?
5.3 Jürgen Habermas
5.4 Martha Nussbaum und Amartyra Sen
6 Religionsfreiheit – als Menschenrecht und Grundrecht
6.1 Religionsfreiheit – ein Menschenrecht
6.2 Religionsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes
7 Ethik der Sozialen Arbeit
7.1 Professionsverständnis
7.2 Habitus und Handlungskompetenzen
7.3 Die Berliner Erklärung und der Qualitätsrahmen der Sozialen Arbeit
8 Diskussion der Ergebnisse des Forschungsstand und der Perspektiven
9 Schlussbemerkung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Regionsbegriff nach Lechner/Gabriel (vgl. Nauerth 2017, S.15)
Abbildung 2: Erweiterung des Mehr-Ebenen-Modells nach Nauerth (vgl. Nauerth 2006, S. 494)
Abbildung 3: Verortung der Ethik in der Sozialen Arbeit (vgl. Berliner Erklärung, S.13)
1 Einleitung
Es ist die ewig spannende ‚Gretchenfrage‘: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“1, die nicht nur eine Frage nach der Religiosität beinhaltet, sondern die im weiteren Sinne eine Art Gewissensfrage beschreibt und zu einer eindeutigen Stellungnahme herausfordert. Das Thema Religionssensibilität und Kultursensibilität ist in den letzten Jahrzehnten kontrovers innerhalb der Wissenschaft der Sozialen Arbeit geführt worden.
Seit 2015 haben sich mit der Flüchtlings- und Migrationsbewegung durch den gesellschaftlichen Wandel sozialberufliche Herausforderungen gezeigt, die im Fachdiskurs der Wissenschaft der Sozialen Arbeit theoretische und empirische Forschungen über religions- und kultursensible Kompetenzen der Sozialarbeitenden erforderlich machen.
Der gesellschaftliche Wandel, der sich beschreiben lässt, als ein offener, multikultureller und religiös vielfältiger Prozess, führt zu unterschiedlichen Lebensentwürfen. Persönliche, gesellschaftliche und strukturelle Umbrüche führen zu sozialen Ausdifferenzierungen und Verknüpfungen, die in öffentlichen Wertedebatten thematisiert werden.
Eine aktuelle und relevante Frage dabei ist, inwieweit Religion und Religiosität „vom Raum des Persönlichen und Privaten in den Raum des Öffentlichen und Kollektiven“2 wandert. Darüber hinaus ergeben sich weitere Fragen zur Dynamik der Multikulturalität im gesellschaftlichen Transformationsprozess. „Soziale Arbeit, die ihre Ausrichtung an die Lebenswelt und die Subjektivität ihrer Adressat*innen bindet, muss die damit verbundene Herausforderung für professionelles Verstehenshandeln anerkennen und dieser sodann handlungstheoretisch, konzeptionell und methodisch entsprechen“.3
Das Ziel dieser Thesis besteht darin, die Notwendigkeit aufzuzeigen, dass Sozialarbeitende sich ein kompetentes fachliches Handlungsrepertoire in ihrer Ausbildung aneignen, um religions- und kultursensibel auf die Bedürfnisse ihrer Adressat*innen einzugehen und in aktuellen gesellschaftspolitischen Diskursen mit ihrem multiperspektivischen Erklärungswissen Stellung zu beziehen.
Aufgrund des oben beschriebenen Befundes ergibt sich das forschungsleitende Interesse herauszufinden, ob und inwiefern Religions- und Kultursensibilität als Handlungskompetenzen im wissenschaftlichen Diskurs und im Dialog mit Nachbardisziplinen (z.B. Vergleichende Religionswissenschaften, Theologie, Ethnologie) relevantes Material für Methoden und Theorieansätze generiert. Dies führt zu der Fragestellung, inwieweit Sozialarbeitende in ihrer Aus- und Fortbildung darauf vorbereitet werden, sich dem Fragenkomplex pluraler religiöser und kulturelle Identifikationsformen und Lebensentwürfen zu stellen.
Die forschungsleitende Fragestellung lautet: Ist es relevant für die Ausbildung von Sozialarbeitenden religions- und kultursensible Handlungskompetenzen innerhalb der Wissenschaft der Sozialen Arbeit empirisch zu erforschen und für den Berufsalltag theoriegestützt zu begleiten?
In dieser Thesis werden anhand einer literaturgestützten Analyse Thesen, Positionen und Perspektiven, die den Forschungsstand zum Thema Religions- und Kultursensibilität repräsentieren, vorgestellt. Zahlreiche Forscher*innen und Autor*innen haben sich in den letzten zehn Jahren wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt. Wichtige Erkenntnisse ihrer Forschung eröffnen einen Raum die oben genannte forschungsleitende Frage zu konkretisieren und zuzuspitzen.
Es ist für den sozialarbeitswissenschaftlichen Diskurs relevant zu untersuchen, ob die religiös-kulturelle Vielfalt grundsätzlich als eine Ressource für menschliches Zusammenleben einzustufen ist. Ausgangspunkt dieser Thesis ist, die religiös-kulturelle Diversität jedenfalls nicht vorschnell als ein „Faktor für Missverständnisse und Einander-Fremdbleiben“4 vorauszusetzen.
Eine zu untersuchende These dieser Thesis lautet, dass Sozialarbeitende eine Art ‚Brückenfunktion‘ einnehmen können, wenn sie in ihrer Ausbildung die individuellen und gesellschaftlichen Dimensionen von Religion, Kultur und Traditionen der Adressat*innen umfassend lernen zu verstehen, zu erklären und zu übersetzen. Gelingt das, kann daraus ein sinnvoller Beitrag zur Lösung in einer konstruktiven Konfliktkultur in zivilgesellschaftlichen Diskursen geleistet werden. Dies gleicht einem hohen moralischen Anspruch an ihre Profession, der in vielen innerdisziplinären ethischen Diskussionen geführt wird.5 6 7
Die Thesen und Fragen münden in den Themenbereich des ethischen Professionsverständnisses der Sozialarbeitenden. Die Lösung sozialer Probleme erfordert professionelles Handeln. Angesichts des gesellschaftlichen Transformationsprozesses der letzten Jahre bewegt sich die Soziale Arbeit mit ihrer multiperspektivischen Expertise zwischen dem gesellschaftlichen Auftrag und einer lebensweltorientierten Unterstützung der Adressat*innen.
Weil die Soziale Arbeit immer in gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden ist, stellt sich die Frage, wie sie sich zukünftig zum Thema Religions- und Kultursensibilität positionieren will.
Die gesellschaftlichen Strukturen haben sich in den letzten Jahrzehnten durch Individualisierung, Enttradionalisierung, Säkularisierung, Globalisierung und Migration verändert. Aufgrund dieser Entwicklungen hat sich in der sozialarbeitswissenschaftlichen Forschungslandschaft eine, dem Theoriestrang der Soziologie nahestehenden Perspektive durchgesetzt, die ein ‚Verschwinden der Religion‘ beobachtet.
Historisch betrachtet ist die Soziale Arbeit mit dem religiös begründeten Auftrag, Hilfen und Fürsorge für Menschen in Notlagen aller Art zu organisieren, eng verknüpft. Auch heute befindet sich die Soziale Arbeit in ihrer institutionellen wie in ihrer professionellen Ausprägung einerseits im Spannungsfeld religiös-kirchlicher Ansprüche (Träger der sozialen Einrichtungen), andererseits im Erwartungshorizont säkular-staatlicher Interessen (Sozialpolitik, Wissenschaft, Medien).
Im Zuge der Professionalisierung der Sozialen Arbeit als Wissenschaftsdisziplin ist in den letzten Jahrzehnten die Ausrichtung an den allgemeinen Menschenrechten, der sozialen Gerechtigkeit, der gemeinsamen Verantwortung und der Achtung der Diversität das Fundament in der Definition für den sozialberuflichen Habitus und das ethische Professionsverständnis geworden. Das wissenschaftliche Verständnis hat sich von einem ausschließlich auf religiöse Werte fußenden Fürsorgegedanken fast vollständig emanzipiert. Es legitimiert und begründet sich als eine praxis- und handlungsorientierte Profession, die sich in ihrer Theorie auf Human- und Sozialwissenschaften stützt.
Im Blick auf die aktuellen gesellschaftspolitischen und medialen Diskurse ist eine Koexistenz vielfältiger säkularer und religiös-kultureller Lebensweltorientierungen zu beobachten. In der Gegenwart lässt sich innerhalb der Sozialwissenschaften ein neues Interesse sowohl an den Religionen als auch an deren Bedeutung für die Tiefenstrukturen der sozialstaatlichen Entwicklung beobachten. Diese Tiefenstrukturen spiegeln den Anspruch wider, Grundsätze für ein friedliches Zusammenleben von Menschen zu formulieren, die sich durch Abstammung, Glauben, Kultur, Traditionen und politische Überzeugungen voneinander unterscheiden. Normativ verankert sind diese Grundsätze im Allgemeinen Gleichhandlungsgesetz (AGG), erlassen am 16.08.2006.
In Beratungskontexten und in der Bereitstellung von Hilfsangeboten in den Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit wächst den sozialberuflichen Fachkräften eine große Verantwortung zu mit Verständnis, Toleranz und Respekt auf die jeweilige individuelle Ausgestaltung der religiös-kulturellen Lebens- und Sinnentwürfen der Adressat*innen zu reagieren. Eine lebensweltorientierte Soziale Arbeit bedarf einer sensiblen Wahrnehmung des jeweiligen Gegenübers. Dies beinhaltet sowohl eine respektvolle Würdigung als auch in gegebenen Fall eine notwendige „kritischen Spiegelung“8.
Jürgen Habermas hat darauf verwiesen, vor welchen Herausforderungen Menschen mit einem religiösen Bewusstsein stehen: „Das religiöse Bewusstsein muss erstens die kognitiv dissonante Begegnung mit anderen Konfessionen und anderen Religionen verarbeiten, es muss sich zweitens auf die Autorität von Wissenschaften einstellen, die das gesellschaftliche Monopol an Weltwissen innehaben. Schließlich muss es sich auf die Prämissen des Verfassungsstaates einlassen, die sich aus einer profanen Moral begründen.“9
Die Thesis möchte einen Beitrag dazu leisten herauszuarbeiten, ob eine Lücke in der Ausbildung für sozialberufliche Kompetenzerweiterung im Themenbereich Religions- und Kultursensibilität zu schließen ist.
Wie ein ‚roter Faden‘ ziehen sich die Begriffe Religions- und Kultursensibilität durch den inhaltlichen Aufbau der Thesis. Die Erläuterungen zur Gliederung verdeutlichen die Denkrichtung, die zur Beantwortung der forschungsleitenden Frage und zur Lösung der Forschungslücke beiträgt.
Nach der Einleitung wird im zweiten Kapitel ein historischer Überblick zur Geschichte der Sozialen Arbeit skizziert, die, herkommend aus dem Fürsorgegedanken der jüdisch-christlichen Tradition, sich zu einer den Theorien der Human- und Sozialwissenschaften verpflichteten Wissenschaftsdisziplin, entwickelt hat. Charakteristisch für Deutschland ist die duale Struktur der Wohlfahrtspflege, die sich auf das Prinzip der Subsidiarität gründet. Lässt sich aus diesen historischen Wurzeln eine Verantwortung ablesen, sensibel auf die diverser gewordene Einwanderungsgesellschaft zu reagieren?
Seit den 1990er- Jahren gilt das Konzept der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch als Paradigma für die Ausgestaltung von Hilfeformen, die die Probleme von Adressat*innen in ihrem Alltag betrachtet. Es wird in diesem Kapitel auch um die Frage gehen, wie sich Religions- und Kultursensibilität lebenswelttheoretisch denken lässt.
Im folgenden dritten Kapitel werden die Begriffe Religion, Kultur und Sensibilität erläutert. In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich verschiedene Versuche und unterschiedliche Ansätze finden, die Begriffe Religion, Religiosität und Spiritualität zu beschreiben. Viele Menschen, die sich nicht explizit als gläubig oder religiös bezeichnen, verorten sich kulturell in einer sie prägenden Herkunftsgeschichte. Ethnologisch betrachtet ist Religion Teil der Kultur, d.h. Kultursensibilität beinhaltet Religionssensibilität.
Es ist an dieser Stelle wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Fokus dieser Thesis auf der sozialberuflichen Betrachtungsweise liegt Individuen in ihrer kulturell-religiösen Selbstbestimmung und Autonomie zu stärken.
In den zwei folgenden Kapiteln wird der Forschungstand zur Religions- und Kultursensibilität der letzten Jahre vorgestellt. Zum einen wird im vierten Kapitel das forschungsleitende Interesse auf die Wissenschaft der Sozialen Arbeit und ihren Nachbardisziplinen gelegt, zum zweiten wird im fünften Kapitel der Rahmen auf bedeutsame Grundlagen, Begriffe und Autor*innen erweitert, durch deren Betrachtung sich eine Relevanz für eine zukünftige Theorienbildung religiös-kultureller Kompetenzen von Sozialarbeitenden ergeben kann.
Das vierte Kapitel beinhaltet zahlreiche Positionen und Theorien des Forschungsstandes, die sich mit der fachlichen Bestimmung von Religions- und Kultursensibilität auseinandersetzen. Es wird der Frage nachgegangen, aus welchen Disziplinen stammen verwertbare Erkenntnisse und Impulse, um die aktuelle Bedeutung des Themas aufzuzeigen. Gibt es bereits ausreichende Grundlagen, um empirische Forschungen zum religiös-kulturell sensiblen Handeln anzuregen?
Die Thesis lässt im fünften Kapitel kontroverse und kritische Stimmen zum Thema zu Wort kommen. Die Säkularisierungstheorie und weitere Positionen werden vorgestellt, die sich für eine strikte Trennung von Staat und Kirche aussprechen. Ziel ist es hierbei, die Bandbreite der Positionen im Diskurs mit den Nachbardisziplinen der Wissenschaft der Sozialen Arbeit aufzuzeigen und zu erweitern. Im Anschluss daran Jürgen Habermas, Martha Nussbaum und Amartyra Sen als exponierte Philosophen der aktuellen Wissenschaftsdebatten mit ihren theoretischen Ansätzen und Positionen, deren Tragweite für das Thema exemplarisch sind, vorgestellt.
Im sechsten Kapitel werden relevante formale Begriffe, wie die Menschenrechte und Grundrechte zur Religionsfreiheit hinzugezogen. Der im Rahmen der Sozialen Arbeit vertretene partizipatorische Ansatz, dass Menschen und Strukturen eingebunden werden, um existenzielle Herausforderungen zu bewältigen, schließt auch die Bearbeitung der rechtlichen Grundlagen mit ein.
Das siebte Kapitel befasst sich mit der Ethik der Sozialen Arbeit im Allgemeinen und betrachtet Aussagen zum Professionsverständnis der Sozialarbeitenden im Speziellen. Sowohl im Fachdiskurs als auch in den ethischen Leitlinien des DBSH (Berliner Erklärung, 2016) und dem Qualitätsrahmen SozArb 2016 (Qr SozArb Version 6.0) wird über verbindliche Stellungnahmen von Vertretern der Wissenschaft und der Praxis diskutiert. Hier werden Bezüge im Hinblick auf das eigene Professionsverständnis, sowie den sozialberuflichen Habitus hergestellt.
Ein Augenmerk liegt auf der Frage, ob es aus ethischer Sicht relevant ist, welche Bedeutung die Religions- und Kultursensibilität als Handlungskompetenzen für den Methodenkoffer von Sozialarbeitenden haben.
Im achten Kapitel werden die bisherigen Ergebnisse zum Forschungsstand zusammengefasst und die verschiedenen Perspektiven zum Thema der Thesis diskutiert. Das Ziel ist eine Abwägung der Positionen und Argumente im Blickwinkel auf die forschungsleitende Frage. Haben die in der Einleitung formulierten Thesen einen Weg aufgezeigt, die Forschungslücke anzureichern? Zumindest soll die Diskussion darüber eröffnet werden, ob in der Ausbildung an den Universitäten und Fachhochschulen Raum gegeben ist, in Forschung und Lehre die Kompetenzen von Sozialarbeitenden zu stärken, sich mit Religions- und Kultursensibilität auseinanderzusetzen. Kann etwa von einem krisenhaften Element gesprochen werden, wenn die ‚Ausblendung und Un-Musikalität‘ seitens einer Mehrheit der Sozialarbeitenden vorausgesetzt werden kann? Müsste nicht stattdessen die Forderung erhoben werden, die religiöse und kulturelle Subjektbildung als Ressource für wechselseitige Verständigung anzuerkennen?
Im achten Kapitel geht es darum, ein Fazit zu formulieren, das sowohl im Ausblick auf die wissenschaftliche Seite die Thematik als Resümee reflektiert als auch einen Einblick in eine persönliche Perspektive gewährt.
2 Geschichte der Sozialen Arbeit
Soziale Arbeit, die geschichtslos betrachtet wird, bleibt weitgehend an der Oberfläche. Um eine spezifische Berufsidentität zu entwickeln, ist es nötig sich ihrer historischen Wurzeln bewusst zu sein. Auch lässt sich die komplexe Gegenwart erst im Rückgriff auf die historische Entwicklung der Profession erfassen. Für das Thema Religions- und Kultursensibilität ist daher ein Blick auf die Kategorie des Helfens aufgrund religiöser und kultureller Motive leitend. In einem zweiten Schritt werden Gründe für die Entstehung der öffentlichen Fürsorge genannt. Spätestens seit den 1950er Jahren hat sich die Trägerlandschaft der Sozialen Hilfen immer weiter ausdifferenziert in konfessionelle und freie Wohlfahrtsverbände. Diese Vielfalt in der Trägerlandschaft wird in einem dritten Schritt erläutert. In der neueren Geschichte der Sozialen Arbeit ist das Konzept der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch zu einem Paradigma des sozialpädagogischen Selbstverständnisses geworden.
2.1 Jüdisch-christliche Motive in der Armutsfürsorge
Phänomenologisch und historisch betrachtet gibt es die aus religiösen Motiven begründete Armenfürsorge in allen drei monotheistischen Weltreligionen10. Bereits im Judentum war die religiöse Pflicht der Nächstenliebe für Arme, Waisen und Witwen prägend. Helfen gilt als Urkategorie religiös motivierten und humanen Handelns. Armut wurde als Problem der sozialen Kleingruppe verstanden und es wurde entsprechend darauf reagiert. Hilfe und Unterstützung durch die sozialen Primärverbände (Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft) sind typische Hilfeformen einer agrarischen Gesellschaft. Erst ab dem Zeitpunkt, als die sozialen Primärverbände Armut aufgrund von Kriegen, Krankheit oder Seuchen nicht mehr beheben konnten und Armut „öffentlich, bzw. zu sozialen Problemlagen wurde, gab es Armenpflegemaßnahmen durch die sich entwickelnden Städte und Kommunen…“.11
Für das Judentum gibt es im Alten Testament zahlreiche Belege für die religiöse Pflicht der Nächstenliebe z.B. bei Levitikus 19,18; Daniel 5,3; Jesaja 5,1 ff. Durch die verschärfte Tora-Auslegung Jesu von Nazareth wurde Nächstenliebe und Zuwendung zu den Bedürftigen auch ein Zentralbegriff des Christentums. Im Neuen Testament ist bei Lukas 10, 25-37 in der Geschichte vom barmherzigen Samariter die Hinwendung zu Notleidenden, Kranken und Ausgegrenzten begründet. Thomas von Aquin (1225-1274) vereint die Philosophie des Aristoteles mit dem christlichen Weltbild und begründet damit die mittelalterliche Armenfürsorge12. Aufgrund der religiösen Verpflichtung werden in Klöstern, Xenodochien, Hospitälern und Findelhäusern institutionelle Hilfen für Bedürftige entwickelt. „Zu Beginn der Neuzeit (um 1500) änderte sich der … Umgang mit Armut dramatisch. Armut wurde nun zunehmend nicht mehr gottgewollt, sondern als menschliches Versagen definiert. Dies hatte massive Auswirkungen auf den Umgang mit Almosengeben und den Bettelnden.“13
Jenseits der konfessionellen Institutionen setzten im Zeitalter der Industrialisierung (1789-1890), initiiert durch die Sozialgesetzgebung von Otto von Bismarck sozialpolitische Antworten auf Notlagen von Bürger*innen ein. Nach Kaiserzeit und Weimarer Republik wurden zwei Merkmale für die Wohlfahrtspflege kennzeichnend. Durch die Zentralisierung übernehmen die Institutionen des Deutschen Reichs sozialpolitische Aufgaben. Zum zweiten ergab sich eine Statusanhebung der Fürsorgeempfänger*innen, weil auch viele Kriegsversehrte aus den gehobenen Schichten zu Empfänger*innen von Unterstützung wurden.14
Abschließend erwähnenswert ist Leben und Wirken von Alice Salomon (1882-1948). Sie stammte aus einer jüdischen Familie, konvertierte jedoch 1914 zum evangelischen Glauben. Sie war eine zentrale Figur der bürgerlichen Frauenbewegung und gilt als Wegbereiterin der wissenschaftlichen Sozialarbeit15. Salomon hat im Jahr 1908 die Soziale Arbeit als professionellen Berufszweig mit der Gründung der Sozialen Frauenschule in Berlin initiiert. Im Jahr 1929 gründete sie die IASSW (International Association of Schools of Social Works). Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft musste sie 1937 nach New York emigrieren. Viele Jahre wurde sie in der sozialarbeitswissenschaftlichen Forschung wenig beachtet, was sich in den 1980er Jahren entscheidend änderte. Sie bilanzierte ihr eigenes Werk folgendermaßen: „Alles, was ich während meines Lebens getan habe, hatte einen Inhalt: beizutragen zur Entstehung einer sozialen Ordnung mit mehr Gerechtigkeit, Chancengleichheit und einem tieferen Empfinden der Solidarität und Brüderlichkeit.“16
2.2 Professionalisierungsprozess in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit
Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus suchte die Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland einen Neuanfang. Die Zeit des NS-Regimes war gekennzeichnet durch die Unterordnung der öffentlichen Fürsorge unter die nationalsozialistischen Rassenideologie. Zuwendungen wurden gekürzt oder mit Verweis ‚minderwertiger Menschen‘ aufgehoben. Der Bezugsrahmen der Fürsorge wurde am Volksganzen, konkret am ‚Schutz des arischen Erbgutes‘ orientiert, was zu massenhafter Zwangssterilisation und Ermordung behinderter Menschen führte.
In den Nachkriegsjahren ab 1945 war die Soziale Arbeit hauptsächlich mit der Beseitigung existenzieller Notlagen vor allem der Kriegsflüchtlingen und Vertriebenen beschäftigt. In den westlichen Besatzungszonen wurde zunächst eine Restauration des Weimarer Fürsorgegesetzes betrieben. Allerdings boten westliche Besatzungsmächte sozialarbeiterische Ansätze, die bereits in den 20er Jahren in Deutschland entwickelt worden waren.17
Eines der dringendsten Probleme stellte die „soziale Reintegration der Jugend dar, deren durch Kriegs- und Nachkiegserfahrungen geprägtes Norm- und Werteverständnis vielfach von der gesellschaftlichen Normalität abwich.“18 Auf die Jugendwohlfahrtspflege und die Familienpolitik kamen große Veränderungen zu. Entgegen einem von konservativen Parteien, den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden getragenen Verständnisses, wonach Frauen die mütterliche Rolle der Erziehenden und das heißt der Nicht-Erwerbstätigen einzunehmen haben, setzte sich erst durch die beginnende emanzipatorische Bewegung eine sozialpädagogisch und präventiv ausgerichtete Soziale Arbeit durch. Verallgemeinert lässt sich sagen, dass die relative Bedeutung wirtschaftlicher Notstände in den kommenden Jahren tendenziell abgenommen und stattdessen die Bedeutung psycho-sozialer Probleme zugenommen hat. „Zwischen 1950-1966 herrschte annähernde Vollbeschäftigung, die Löhne stiegen um das Dreifache und auch Renten-, Unfall- und Krankenversicherung wurde wieder aufgebaut …“.19
Trotz vielfältiger innen- und außenpolitischer Krisen wird die Zeit zwischen 1969-1989 als eine Phase der Politisierung und Demokratisierung angesehen, die die Fachkräfte der Sozialen Arbeit an den Fachhochschulen und in den Praxisfeldern beeinflussten. Seit Ende der 1960er rückte der Imperialismus und die Ausbeutung der sogenannten ‚Länder der 3. Welt‘ und die Befreiungsbewegungen in Südamerika und Afrika. Anfang der 70er Jahre wuchs der Protest und drückte sich weltweit in Demonstrationen aus. Viele Studierende der Fachhochschulen für Sozialarbeit/Sozialpädagogik engagierten sich in antikapitalistischen, feministischen, emanzipatorischen und reformpädagogischen Bewegungen. Soziale Probleme wurden, ebenso wie in der gegenwärtigen heutigen Situation, nicht länger ausschließlich als Folge materieller und psychischer Notlagen, sondern auch als Folge ungerechter gesellschaftlicher Verhältnisse und Ausgrenzungsprozessen verstanden. Im Zuge dieser gesellschaftlichen Neuorientierungen entwickelte sich eine Abgrenzung der Sozialarbeitenden von ehemals paternalistischen Wertvorstellungen und Praktiken. Auf dem Hintergrund reformfreundlicher Impulse entstanden in den 1980er Jahren neue Theorieansätze, von denen drei beispielhaft genannt werden sollen: Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch, Subjektorientierung nach Michael Winkler und Systemorientierung nach Silvia Staub-Bernasconi. Diese drei Theorieentwicklungen hatten entscheidenden Anteil auf dem Weg zur Professionalisierung und Loslösung von reaktionären einengenden Leitgedanken und haben „zu einer notwendigen Selbstreflexion professioneller Helferinnen und Helfer geführt, die sich im Folgenden auch auf die Institutionen der Sozialen Arbeit und auf die Begrifflichkeiten (Klient, Adressat) auswirkte.“20
2.3 Neue Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft für institutionelle Träger
In den letzten 30 Jahren haben sich weltweit politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen mit globalen Auswirkungen gezeigt. Mit der zunehmenden Verschuldung der Staaten schwinden auch die finanziellen Ressourcen für die Handlungsfelder der Sozialen Arbeit. All diese Veränderungen haben auch Konsequenzen für eine Öffnung und Pluralisierung bis in die staatlichen Strukturen der Organisationen und Institutionen in Deutschland. Zwei Entwicklungslinien für die Vielfalt der Trägerlandschaft der Sozialen Dienstleistungen werden hier stellvertretend erläutert.
Erstens ist die Vielfalt der institutionellen Träger eine Folge der Veränderungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein Blick zurück in die Geschichte ab den 1950er Jahre zeigt, dass sechs Millionen Vertriebene aus den kriegsbedingt verlorenen Ostgebieten nach Deutschland kamen. In den 1960er und 1979er Jahren kamen Gastarbeiter aus Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei seit den 1990er kamen Spätaussiedler aus der UDSSR. Die Integrationsbemühungen der staatlichen Organe haben lange die Herausforderungen unterschätzt. Dies führte seit den 2000er Jahren zu weitreichenden Wertediskursen in Politik, in Medien und zunehmend in sozialen Netzwerken. Kontrovers wurde über die Sinnhaftigkeit der Einführung einer ‚Europäischen Leitkultur‘21 diskutiert. In der politischen Diskussion über die ‚Deutsche Leitkultur‘ haben sich seit dem Jahr 1998 viele Politiker-, Journalist- und Wissenschaftler*innen beteiligt. Unter anderem beteiligten sich Jörg Schönborn, Theo Sommer, Friedrich Merz, Norbert Lammert, Thomas de Maizière , Heiner Bielefeldt, Navid Kermani und Paul Nolte an der Diskussion über Integration, Werte und Normen in Deutschland. Seit dem Zustrom von Flüchtlingen im Jahr 2015 hat sich durch den Syrienkrieg und die kriegerischen Auseinandersetzungen in Nordafrika die Situation verschärft. Aktuell ist Deutschland ethnisch pluraler, religiös und kulturell diverser geworden als jemals zuvor in seiner Geschichte. Die Gesellschaft hat sich zunehmend aus einer konfessionell gebundenen Identität herausgelöst. Heute bekennen sich ca. ein Drittel der Bevölkerung zur katholischen Kirche, ein Drittel zur evangelischen Kirche und ein Drittel gehört der sogenannten Gruppe der Konfessionslosen an. 4,5 Mitbürger muslimischen Glaubens und ca. 800.000 Bürger jüdischen, buddhistischen und hinduistischen Glaubens kommen hinzu.
Zweitens hat das Konzept des NSM (Neues Steuerungsmodell der Kommunalen Verwaltungsreform, 1990) für alle Träger der Sozialen Hilfen den wirtschaftlichen Druck erhöht. Effektivität und Effizienz, Dezentralisierung, Budgetierung, Kundenorientierung, Controlling, Kosten und Leistungsabrechnungen sind die Schlagwörter der Ausgestaltung von Abrechnungsmodalitäten. Die sechs Freien Wohlfahrtsverbände (Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, DRK, Der Paritätische, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) haben Konkurrenz von privaten Anbietern im Bereich der Kinder-, Jugend-, Behinderten- und Altenpflege bekommen. Alle Verbände präsentieren sich über ihre Konzepte und Leitbilder den Adressat*innen und repräsentieren die Vielfalt sozialer Dienste in Deutschland.22
Die Folgen einer diverser gewordenen Bevölkerungsstruktur und neoliberales Denken in der Sozialpolitik und die Wahlfreiheit der Adressat*innen führten zu einer institutionellen Auffächerung der Freien und Privaten Trägerlandschaft. Die für Deutschland charakteristische duale Struktur der Wohlfahrtspflege, die sich auf das Prinzip der Subsidiarität gründet, ist ein verfassungsrechtliches Konzept für föderale Staaten und gewährleistet Freiräume, derer es für eine pluralistische ausgerichtete Gesellschaft bedarf.
Abschließend sei darauf verwiesen, dass die individuellen Anpassungs- und Anerkennungsprobleme von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten zugewandert sind, Herausforderungen für sozialberufliches Handeln in den Handlungsfeldern ergeben. Über die individuellen Anerkennungsprobleme hinaus, sind die strukturelle Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Fokus der Sozialen Arbeit zu nehmen.
Das folgende Kapitel 4.2 gibt einen Einblick in die These, der zufolge eine lebensweltorientierte Soziale Arbeit eine spezifische Sensibilität für die religiös-kulturellen Realitäten und Diversitäten der Adressat*innen entwickeln muss.
2.4 Konzept der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch
Im Folgenden werden die theoretischen Grundlagen des Konzepts der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch (*1935) vorgestellt. Eine Grundthese lautet, dass lebensweltorientierte Soziale Arbeit die Adressat*innen in ihren Problemen und Ressourcen als Expert*innen in ihrer Lebensbewältigung anerkennt und wertschätzt, und sie dabei unterstützt den Alltag zu gestalten.23 Eine logische Konsequenz dieser These bedeutet, dass das lebensweltorientierte Konzept „einen instruktiven ersten Anknüpfungspunkt für eine sozialarbeitstheoretische Einbettung von Religionssensibilität“24 bereithält.
In seinem Aufsatz „Alltagshandeln und Sozialpädagogik“25 forderte Thiersch im Jahr 1978 „Professionelle der Sozialen Arbeit auf, sich gegen die Dominanz von Experten und Verwaltungsinteressen zu wenden. Sie sollten sich stattdessen auf den Alltag und die konkreten Bedürfnisse ihrer „Adressaten“ einlassen und mit ihnen solidarisch sein. Ausgehend von den wissenschaftlichen Traditionen der Hermeneutik, Phänomenologie, der verstehenden Soziologie und der kritischen Theorie plädierte Thiersch für ein Verstehens des Alltags und der Lebenswelt der Adressaten [...].“26
Helmut Lambers fasst die Wirkung des Konzeptes so zusammen: „Lebensweltorientierung ist in der Sozialen Arbeit in den letzten dreißig Jahren zu einem feststehenden Begriff geworden. Dezentralisierung, Regionalisierung, Ressourcenorientierung, und Sozialraumorientierung stellen in der heutigen Sozialen Arbeit selbstverständliche Strukturmaximen dar. Das dialogische Prinzip findet in der Aushandlung von Interessen allgemein Anwendung.“27 Bei Kuhlmann wird darauf hingewiesen, dass die Gefahr einer ‚Kolonialisierung der Lebenswelt‘ zu vermeiden ist und stets die Achtung vor der Autonomie der Adressat*innen zu bewahren ist.28 Thiersch selber beschreibt Lebensweltorientierung als einen Entwurf einer demokratischen Realisierung sozialer Gerechtigkeit mit institutionellen und professionellen Möglichkeiten, damit Menschen auf der Basis ihrer eigenen Kompetenzen, Defizite überwinden können, um in gerechteren Verhältnissen möglichst selbstbestimmt zu leben vermögen.
Trotz einigen Kritiker*innen im fachwissenschaftlichen Diskurs29 hat sich das Konzept als fester Bestandteil der Sozialen Arbeit etabliert. Klaus Grunwald und Hans Thiersch haben das Konzept überarbeitet, um theoretisch und konzeptionell auf die gesellschaftlichen Umbrüche der letzten Jahre zu reagieren. Mit Blick auf die Umstrukturierung der Sozialräume, Exklusion von Bevölkerungsgruppen und individuellen Bewältigungsaufgaben verlieren traditionelle Bindungen ihre Kraft, hingegen nehmen Brüchigkeiten der gesellschaftlichen Strukturen zu.
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit sieht die zunehmenden Spaltungen und Probleme der Verhältnisse und die strapaziös werdenden Bewältigungsleistungen, die notwendig sind, um in diesen Verhältnissen zu Rande zu kommen. Grunwald und Thiersch verweisen darauf, dass es eine ‚neue Kultur des Sozialen' geben sollte.30 „Dabei gilt es, den Organisationen der Sozialen Arbeit besondere Aufmerksamkeit und Energie zu widmen und das in ihnen arbeitende Personal professionell zu leiten, um eine sinnvolle, an qualitativen Standards ausgewiesene und reflexive Wahrnehmung der Fachaufgaben zu ermöglichen.“31 Um in der Lebenswelt der Adressat*innen sinnvoll agieren zu können postuliert der ganzheitliche Ansatz des Konzepts, dass Organisationsgestaltung und Personalführung in allen Institutionen in Übereinstimmung mit der fachlichen Arbeit stehen sollen.
Hans Thiersch wird nach dem Verhältnis von Sozialer Arbeit und Religion aus seiner Sicht befragt. Er beschreibt die gegenwärtige Situation folgendermaßen: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der nebeneinander relativ religiös bestimmte Kulturen, zur Formalität entleerte Kulturen, liberalisierte und liberal produktive Kulturen sowie dezidiert nicht religiöse Kulturen bestehen.“32 Weiter heißt es dort, „wenn Lebensweltorientierung bedeutet, Menschen in ihrer Selbstwahrnehmung ernst zu nehmen, und wenn diese Selbstdeutung religiös ist, ist diese Selbstdeutung ein selbstverständlicher Ausgangspunkt einer gemeinsamen Arbeit.“ Hierbei geht es für Sozialarbeitende um die fachliche Anerkennung, dass die Dimension des Religiösen, gleich welcher Konfession und Glaubenslehre, für Adressat*innen sinnstiftend sein kann. Thiersch veranschaulicht, in wieweit religiöse Geschichten und Symbole in ihren alltäglichen Bewältigungsaufgaben auf eine Transzendenz verweisen. Er führt aus, dass es um eine Transzendenz nicht im engeren Sinn religiös, sondern „ganz allgemein verstanden als Abstand, als Blick von außen und im weiteren Rahmen, damit man sich im Gewühl der unmittelbaren Aufgaben nicht verläuft und verliert“33. Der Begriff der Transzendenz wird im Kapitel 3.1 erläutert.
Thiersch argumentiert: „Übertragen auf die Soziale Arbeit heißt das: Wir brauchen eine Professionalität, die alle Kriterien einer anständigen Sozialen Arbeit erfüllt, von der Haltung bis zum methodischen Arrangement. Darüber hinaus kann ich eine geistliche Haltung haben, die mich offen macht für existenzielle Situationen und mich persönlich trägt, die mir hilft auszuhalten, was an Offenheit und Hoffnungslosigkeit in der Sozialen Arbeit ausgehalten werden muss. Das ist kein Gegensatz zur Professionalität, sondern es ist, ja, wie soll ich sagen, gleichsam Hinterglasmalerei. Auf dem Glas ist das Kind gemalt, das sind die professionellen Handlungsstrukturen, und die können von hinten beleuchtet sein. Wenn sie christlich beleuchtet sind, dann wäre das, denke ich, Diakonie.“34
Mit dieser Metapher beschreibt Thiersch den Bedeutungszusammenhang zwischen Sozialer Arbeit und Religion. Im Kontext dieser Thesis geht es bei dieser Metapher nicht um die Bewertung eines Absolutheitsanspruch der christlichen Religion, sondern darum eine Möglichkeit Transzendenz zu erklären und als einen möglichen Sinnhorizont für individuelles Subjektwerden zu beschreiben.
Für die Verortung innerhalb der professionellen Haltung markiert Thiersch die „Notwendigkeit und solidarische Produktivität mit anderen ‚weltlichen‘ Ansätzen und Intentionen in den dramatischen Aufgaben der gesellschaftlich-politischen Weltgestaltung.“35 Er differenziert, dass Sozialarbeitende keine Experten in theologischen Kontroversen und Diskursen werden müssen, sondern sensibel und fachlich kompetent in Bezug auf diverse religiöse Deutungen ihrer Adressat*innen reagieren können.
Diese Aussage leitet über in das dritte Kapitel, in welchem die Begriffe Religion, Kultur und Sensibilität definiert werden.
3 Begriffsbestimmungen von Religions- und Kultursensibilität
Zwei Tendenzen bestimmen zurzeit die gesellschaftliche Entwicklung in Bezug auf Religion und Kultur gleichermaßen: einerseits eine voranschreitende Säkularisierung und andererseits ein „religiöser Pluralisierungsschub“36. In der Shell Studie 2019 heißt es, dass die Institution Kirche von „insgesamt mehr als einem Drittel aller Jugendlichen – unabhängig davon, ob konfessionell gebunden oder nicht – positiv gesehen [wird], 69% finden es gut, dass es die Kirche gibt (75% der katholischen, 79% der evangelischen und sogar 45% der konfessionslosen Jugendlichen)“.37 Insgesamt hat der Glaube bei den christlichen Jugendlichen abgenommen, bei den muslimischen Jugendlichen zugenommen.38 Es bleibt die Frage, warum aktuell die Kirchenaustrittszahlen zunehmen, obwohl viele junge Erwachsene die Dimension des Glaubens für sich als sinnstiftend anerkennen.
Der forschende Blick geht in die Richtung zu explizieren, welche Bedeutung die Begriffe Religion, Kultur und Sensibilität für das Individuum und die gesellschaftlichen Transformationsprozesse haben und welche sozialberuflichen Herausforderungen sich andeuten?
Eine diverse und multikulturelle Einwanderungsgesellschaft erwartet von den Akteur*innen im öffentlichen Raum Toleranz, Verständnis und Einfühlungsvermögen. Das Forschungsinteresse dieser Thesis liegt darin begründet, die drei Begriffe Religion, Kultur und Sensibilität im Spannungsfeld der sozialberuflichen Kompetenzen zusammenzuführen, inhaltlich zu füllen und kritisch zu befragen.
3.1 Religion
In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich verschiedene Ansätze finden, die Begriffe Religion, Religiosität und Spiritualität zu erfassen. „Religionen sind als die Vielfalt von Organisationen sich kulturell definierender ‚Religionsgemeinschaften‘ zu verstehen, die über eine erkennbare und geregelte Struktur verfügen und auf gemeinschaftlichen Praktiken basieren; Religiosität bezieht sich auf das subjektive Erleben des Einzelnen und den Hoffnungen, die an Glauben und damit auch an die Praxis der Religionen gerichtet werden; das Spirituelle steht für das grundsätzliche geistliche Erleben und die seelische Suche nach Sinn und Transzendenz, die auch eine Suche nach Gott oder Göttern einer Religion sein kann, sich aber auch an andere Dinge zu binden vermag.“39
Eine detaillierte Berücksichtigung dieser Differenzierungen würde den Rahmen einer Thesis des Studienganges Soziale Arbeit sprengen, deswegen wird hier der Begriff Religion stellvertretend für alle drei ausgewählt.
Bei Matthias Nauerth heißt es, dass „schon in der Antike […] der Begriff Religion wortstammabhängig verschieden erklärt [wird]. Verbreitet ist gegenwärtig der Bezug auf ‚Verbindlichmachung‘, ‚Verpflichtung“‘(von religare) sowie ‚Achtsamkeit‘ (von legere).“40 Detlef Pollack resümiert, dass es niemals möglich sein werde „sich auf eine allgemeingültige Definition zu verständigen.“41 „Die Bestimmung eines umfassenden Begriffs von Religion sei schon deshalb ausgeschlossen, da sich die Vielfalt wissenschaftlich nicht vollständig erschließen lasse.“42 Bereits im Jahr 1982 definiert Niklas Luhmann Religion über die Unterscheidung zwischen Immanenz und Transzendenz.43 Um Differenzlinien markieren zu können, lehnen sich die Autor*innen Nauerth, Hahn, Tüllmann und Kösterke in „Religionssensibilität in der Sozialen Arbeit“44 in ihrem Vorwort an eine dreifache Unterscheidung von Lechner/Gabriel45 an.
1. Menschen machen existenzielle Erfahrungen und versehen sie mit einem subjektiven Sinn (implizite Religiosität).
2. Ein Transzendenzglaube, der die eigenen existenziellen Erfahrungen im Zusammenhang mit einer transzendenten Wirklichkeit deutet.
3. Ein Konfessionsglaube, der darüber hinaus diese Transzendenzvorstellung in eine konkrete und differenzierte theologische Vorstellung verdichtet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Regionsbegriff nach Lechner/Gabriel (vgl. Nauerth 2017, S.15)
In dieser Graphik wird zusammenfassend der Religionsbegriff eines Menschen „in seinem Bezug und in seiner Bindung an subjektive Sinnerfahrungen und -überzeugungen sowie Transzendenzvorstellungen unterschiedlicher Intensität und Dichte, mit Auswirkungen auf Empfindungen, Haltungen und Handlungen“46 anschaulich dargestellt.
Micha Brumlik betont aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive die persönliche religiöse Verortung als eine Entwicklungsaufgabe, die viele junge Menschen lösen wollen.47 Er schließt sich mit dieser Meinung an die Behauptung von Richard Münchmeier an, der in Jugendstudien Folgendes festgestellte: „Nach traditionellem Verständnis gehören religiöse Themen, gesteigerte Empfänglichkeit für religiöse Seelenzustände oder religiöse Erfahrungen im weiteren Sinn, wie die Auseinandersetzung mit Sinnfragen, mit Tod und Endlichkeit, zur Adoleszenzphase.“48
Der Soziologe Hartmut Rosa formuliert, „Religiosität kann dementsprechend als Ausdruck von menschlichen Resonanzsehnsüchten und -erfahrungen verstanden werden, die den Menschen auszeichnen und die Religionstatsache verstehen helfen.“49 Ihm zufolge ist der Mensch durch ein existenzielles Resonanzverlangen geprägt, das sein Verhältnis sowohl in Bezug auf andere Menschen und die Dingwelt wie auch in Bezug auf das Universum, die Natur, Kultur und Geschichte bestimme.50
3.2 Kultur und Interkulturelle Kompetenz
Der Begriff Kultur hat Hochkonjunktur. Der Begriff ist nicht länger nur im Kontext der Wissenschaften zu finden, sondern ist in den Raum gesellschaftlicher Diskurse gewandert. Unternehmenskultur, Konsumkultur, Willkommenskultur, Hochkultur, Kampf der Kulturen, Kulturalisierung, Enkulturation, Interkulturelle Kompetenz, Leitkultur – diese Wortfelder zeugen von der vielfältigen Verwendung des Begriffs der Kultur. In diesem Kapitel wird der Begriff Kultur hinsichtlich des Themas der Thesis auf Kultursensibilität eingegrenzt.
Regina Römfeld konstatiert, dass der Begriff Kultur in aktuellen Diskussionen ein Eigenleben führt. „Kultur ist in diesem Sinne weder ein politisch unschuldiges noch ein singuläres, eindeutiges Konzept, sondern ein komplexes diskursives Projekt, in dem es sich zunächst zu orientieren gilt, um zu einer reflektierten Verwendung und Weiterentwicklung zu kommen.“51 Für den aktuellen Forschungsstand umschreibt sie zwei unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs. „Zum einen steckt in der Rede von Kultur ein Wissensbegriff, der auf tradierte Inhalte und erlernte Fähigkeiten abzielt, die es Menschen ermöglichen, in ihren jeweiligen Lebens-, Arbeits- und Alltagswelten sinnvoll zu handeln. Zum anderen wird Kultur zu einem Differenzbegriff. Er erscheint dann im Plural, in der Rede von unterschiedlichen, jeweils in ihrer Besonderheit zu sehenden Kulturen, die an bestimmte räumlich und sozial, insbesondere auch ethnisch oder national definierte Kollektive gebunden seien. Während die erste Bedeutung Kultur eher als veränderlichen, offenen Prozess des Lernens von Menschen in der Auseinandersetzung mit der äußeren und der inneren Natur, mit der sozialen Welt fasst und somit ihre ermächtigenden, kreativen Potentiale betont, tendiert die zweite Bedeutung zu einer statischen Auffassung von Kultur als Kollektivmerkmal, das Menschen zu Mitgliedern und Repräsentanten ihrer Gesellschaften und Gemeinschaften macht, sie als solche prägt und klassifizierbar macht.“52 Im Hinblick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der Integration, der Migration und der kulturellen Diversität geht es vordringlich darum, „Kultur als identitätspolitisch umkämpfte Zone sichtbar und zum Gegenstand der Forschung zu machen, [und] ihre ständige Bearbeitung und Veränderung im Rahmen kultureller Praxis zu berücksichtigen.“53 Auch im Hinblick auf intersektionale Überschneidungen und in Auseinandersetzung mit anderen Differenzmarkierungen, wie Klasse, Ethnizität und Geschlecht ist die Betrachtung kultureller Prozesse aktueller denn je.
Es geht insbesondere darum, die Unterscheidung von ‚Eigenem‘ und ‚Fremdem‘ und den Machtverhältnissen unter Gruppen der nationalen Mehrheiten im Einwanderungsland und einwandernden Gruppen von ethnischen Minderheiten in den Blick zu nehmen.
Die kulturelle Einbindung in das Herkunftsland und die Sozialisierung durch die Tradition hat eine große Prägekraft auf Individuen. Auch nicht-religiöse Menschen sind kulturell in ihren Traditionen verankert. ‚Doing Culture‘54 beschreibt ein nicht nur von der Kultur bestimmtes, sondern durch die Kultur selbst generierendes Handeln. „Ob in medialen, digitalisierten sozialen Räumen oder in der face-to-face Situation der Schulklasse, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft des Wohnquartiers, im Verein oder in der jugendkulturellen Szene: Der gesellschaftliche Alltag ist längst überall von Mobilität sowie einer damit verbundenen Pluralität der Herkünfte und Zugehörigkeiten geprägt.“55 Der alltägliche Umgang mit kultureller Vielfalt und Diversität ist konstitutive Normalität geworden. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass die Eigen- und Fremdzuschreibungen, die Identitätsbildung und die Selbstverortung zu Schauplätzen gesellschaftlicher Auseinandersetzungen geworden sind.
Unter dem Begriff Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit zu verstehen, mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen erfolgreich und angemessen zu interagieren. Im Bundesland Berlin (§ 4 Abs. 3 Partizipations- und Integrationsgesetz, 2010) und in NRW (§ 4 Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in NRW, 2012) gibt es gesetzliche Vorgaben zur interkulturellen Kompetenz von Mitarbeitenden. Ann-Christin Schondelmayer beschreibt sie als „Schlüsselqualifikation“56 für das 21. Jahrhundert.
[...]
1 (Goethe 1808, Vers 3415)
2 (vgl. Habermas 2009a)
3 (Nauerth 2016, S.86)
4 (Weiße 2017, S. 95)
5 (vgl., Pantucek, Vyslouzil 1999)
6 (Thiersch 1987, S.15-34)
7 (Kaminsky 2018, S.173ff)
8 (Bohmeyer 2009, S. 449)
9 (Habermas 2001, S. 14)
10 (vgl., Kuhlmann 2008a, S. 14)
11 (Schilling, Klus 2015, S. 18)
12 (Kuhlmann 2008a, S. 16-20)
13 (Kuhlmann 2008a, S.21)
14 (Schilling, Klus 2015, S. 36)
15 (vgl. Lambers 2016, S. 34-41)
16 (Salomon 1944, S.271)
17 (Lambers 2016, vgl. Wieler, Zeller 1995)
18 (Landwehr, Baron 1991, S. 265 ff)
19 (Kuhlmann 2008a, S. 110)
20 (Kuhlmann 2008a, S.129)
21 (Tibi 2000, S. 154)
22 (Evers, Heinze, Olk 2011, S. 9-32)
23 (vgl. Thiersch 2012)
24 (Nauerth, et. al. 2017, S. 17)
25 (Thiersch 1978, S.215-234)
26 (Kuhlmann 2013, S.137)
27 (Lambers 2016, S. 104)
28 (Kuhlmann 2013, S. 138)
29 (vgl. Neumann, Sandermann 2006; Winkler 1986; Reyer 2002; Bommes, Scherr 2012, Kraus 2016)
30 (vgl. Grunwald, Thiersch 2016)
31 (vgl. Grunwald, Steinbacher 2013, S. 119-137)
32 (Nauerth, et. al., S.31)
33 (vgl., ebd., S. 33)
34 (Nauerth et.al., S. 37)
35 (ebd., S. 38)
36 (Gellner 2008, S.10)
37 (Shell Studie 2019, S. 26)
38 (ebd., S. 26)
39 (Lutz 2019, S.23)
40 (Nauerth 2017, S. 129)
41 (Pollack 2012, S.109)
42 (Pollack 2012, S. 109)
43 (vgl. Luhmann 1982)
44 (vgl. Nauerth et. al. 2017)
45 (vgl. Lechner, Gabriel 2009; Joas 2013)
46 (Nauerth et al. 2017, S.15)
47 (Brumlik 2017, S.45)
48 (Münchmeier 2004, S.127)
49 (Rosa 2015, S.4ff.)
50 (vgl. Rosa 2016)
51 (Römhild 2018, S.17)
52 (Römhild 2018, S.18)
53 (ebd., S.19)
54 (vgl. Hörning, Reuter 2004)
55 (vgl. Römhild 2018, S.21)
56 (Schondelmayer 2018, S.49)
- Citar trabajo
- Annette Schirner-Schleef (Autor), 2020, Religionssensibilität und Kultursensibilität. Herausforderungen für sozialberufliches Handeln, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/943193
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