Basierend auf Thomas Gordons Bestseller „Lehrer-Schüler-Konferenz“ stellt diese Arbeit das Gordon-Modell zur Konfliktbewältigung vor, welcher praxisnahe Lösungsvorschläge aufzeigt, wie ein Konflikt in der Schule durch Aktives Zuhören, Toleranz und Offenheit zielgerichtet gelöst und der Unterricht produktiver gestaltet werden kann.
Inhalt
EINLEITUNG
1. Thomas Gordon
2. Annahme und Nichtannahme in der Lehrer-Schüler-Beziehung
2.1. Die Sprache der Nicht-Annahme
2.2. Die Sprache der Annahme
1. Passives Zuhören
2. Bestätigende Reaktionen
3. Türöffner
4. Aktives Zuhören
2.3. Aktives Zuhören
3. Du-Botschaften und Ich-Botschaften
4. Sieg und Niederlage in der Konfliktbewältigung
4.1. Methode 1 : Lehrer gewinnt, Schüler verliert
4.2. Methode 2 : Schüler gewinnt, Lehrer verliert
5. Methode 3: Konfliktbewältigung ohne Niederlagen
6. Konfliktlösungsprozess in sechs Stufen
6.1. Definition des Problems
6.2. Sammlung möglicher Lösungen
6.3. Bewertung der Lösungsvorschläge
6.4. Die Entscheidung für die beste Lösung
6.5. Die Realisierung der Entscheidung
6.6. Beurteilung des Erfolges
7. Probleme bei der Anwendung von Methode 3:
7.1 Bewältigung von Wertkollisionen
8. Abschließende Bemerkungen
Literatur
EINLEITUNG
Konflikte gehören zu unserem Alltag, es gibt sie in allen zwischenmenschlichen Bereichen, in jeder Gesellschaft und in allen Gruppen. Konflikte an sich sind grundsätzlich weder „gut“ noch „schlecht“. Sie müssen nicht gleich ein Problem darstellen. Erst dann, wenn ein Konflikt sich nicht zur Zufriedenheit aller lösen lässt, kann er zum Problem werden. Angesichts der zunehmenden familiären, gesellschaftlichen und sozialen Probleme wird der Ruf nach den Lehrern als Erzieher immer lauter. Lehrer sollen das nachholen, was an anderer Stelle versäumt wurde und man erwartet von ihnen, dass sie dem drohenden Werteverfall entgegenwirken. Lehrer sind zwar keine „Übermenschen“, die sämtliche Probleme ihrer Schüler lösen können, sie können aber ganz entscheidend zu einem besseren Klassenklima beitragen und den Schülern helfen ihre Probleme selbst zu bewältigen.
Zukunftsängste, mangelnde Akzeptanz, Kommunikation und Geborgenheit in der Familie und im sozialen Umfeld, Belastung durch Probleme der Eltern (Scheidung, Arbeitslosigkeit, etc.), sowie übermäßiger Medienkonsum und Bewegungsmangel können Ursachen für die erhöhte Konfliktbereitschaft der Schüler sein, aber auch manche Bedingungen innerhalb der Schule wie Beurteilungszwang und eine durch volle Lehrpläne vorgegebene Unterrichtsgestaltung erhöhen den Druck, anstatt ihn zu mindern. Die Aufgabe der Lehrer ist es, angemessene Methoden zur Konfliktbewältigung einzusetzen, um zu Lösungen zu kommen, die für alle beteiligten Parteien akzeptabel sind. In Zeiten schwieriger gewordener Unterrichts-bedingungen kann das dazu beitragen, Schüler sinnvoll zu unterrichten und den Lehrern die Freude am Beruf zu erhalten oder zurückzugeben.
Basierend auf Thomas Gordons Bestseller „Lehrer-Schüler-Konferenz“ stellt diese Arbeit das Gordon-Modell zur Konfliktbewältigung vor, welcher praxisnahe Lösungsvorschläge aufzeigt, wie ein Konflikt in der Schule durch Aktives Zuhören, Toleranz und Offenheit zielgerichtet gelöst und der Unterricht produktiver gestaltet werden kann.
1. Thomas Gordon
Der amerikanische Psychologe und Erfolgsautor Dr.Thomas Gordon(1918-2002), promovierte an der Universität Chicago und war lange Zeit als Schulpsychologe tätig. Basierend auf wissenschaftlichen Grundlagen und der humanistischen Psychologie seines Lehrers und Freundes Carl Rogers (1902-1987), dem Begründer der klientenzentrierten Psychotherapie, entwickelte Thomas Gordon ein konkretes Modell zur Gestaltung menschlicher Beziehungen, als eine Art Präventionsprogramm. Er veröffentlichte neun Bücher, die in 28 Sprachen übersetzt wurden. Sein wohl bekanntestes Buch „Die Familienkonferenz“ (Heyne 1996) wurde weltweit millionenfach verkauft. Bereits in den 1960er Jahren entwickelte er spezifische Trainingskurse für Eltern, Lehrer, Manager, Verkäufer, Ärzte etc., um die Anwendung seiner Methoden zu erleichtern. Die Idee zum Buch „Lehrer-Schüler-Konferenz“, entstand aus dem Interesse der Eltern, die bereits ein „Elterliches Effektivitätstraining“(P.E.T) absolviert hatten, diese Methoden auch in der Schule anzuwenden, da Lehrer von den Kindern oft mit ähnlichen Erwartungen konfrontiert werden wie Eltern und die Bereiche Schule und Elternhaus untrennbar miteinander verbunden sind.
Konflikte treten nach Thomas Gordon dann auf, wenn Bedürfnisse oder Wertvorstellungen von Menschen auseinander gehen. Wenn Person A etwas tut, das verhindert, dass Person B ein Bedürfnis erfüllt bekommt, so wird Person B dies als nicht annehmbar betrachten, Person B hat somit ein Problem. Wenn jedoch Person A einen Mangel erlebt, dann ist umgekehrt sie es, die das Problem „besitzt“. Dieses „Ungleichgewicht“ an Bedürfnissen führt zu Konflikten.
In seinem Credo hat Thomas Gordon die Grundhaltung, die hinter seinem Modell steht, wie folgt formuliert:
„Du und ich stehen in einer Beziehung zueinander, an der mir liegt und die ich beibehalten möchte. Trotzdem ist jeder von uns ist ein Einzelwesen mit eigenen Bedürfnissen und dem Recht, sie zu befriedigen. Wenn du Probleme hast, werde ich mit aufrichtiger Akzeptanz zuhören, um dir zu helfen, eigene Lösungen zu finden. Dein Recht, dich für eigene Überzeugungen zu entscheiden, so verschieden sie auch von den meinen sein mögen, werde ich respektieren.
Wenn dein Verhalten meine Bedürfnisse beeinträchtigt, werde ich dir offen und ehrlich sagen, was mich stört, im Vertrauen darauf, dass du versuchen wirst, das Verhalten zu ändern, das ich nicht akzeptabel finde. Falls ich mich nicht akzeptabel verhalte, erwarte ich umgekehrt von dir, dass du mir offen und ehrlich sagst, was dich stört, so dass ich die Möglichkeit habe, mein Verhalten zu ändern. Wenn wir Konflikte haben, wollen wir uns verpflichten, jeden von ihnen zu lösen, dass keiner versucht, auf Kosten des anderen zu gewinnen. Ich achte dein Recht, deine Bedürfnisse zu befriedigen, aber genauso muss ich meine eigenen Bedürfnisse beachten. Lass uns also immer nach Lösungen suchen, die für uns beide akzeptabel sind. Deine Bedürfnisse werden befriedigt werden und meine auch. Keiner wird verlieren. Beide werden gewinnen. So können wir eine gesunde Beziehung führen, in der jeder von uns werden kann, was seinen Fähigkeiten entspricht. Und wir können unsere Beziehung in Frieden, gegenseitiger Achtung und Liebe fortsetzen.“ [1]
2. Annahme und Nichtannahme in der Lehrer-Schüler-Beziehung
Nach Thomas Gordon hängt der Erfolg des Lehrers, einen bei Schülern zu guten Ergebnissen führenden Unterricht zu erreichen, weniger von den Methoden die er im Unterricht anwendet, sondern vielmehr von der Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung ab. Er charakterisiert ein gutes Lehrer - Schüler Verhältnis nach folgenden Punkten[2]:
- Offenheit, Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber dem anderen
- Anteilnahme, sowohl an den Problemen als auch an der Person des anderen
- gegenseitige, anstatt einseitige Abhängigkeit
- Distanz, damit beide Kreativität und Individualität entwickeln können
- gegenseitige Befriedigung der Bedürfnisse
Lehrer haben in Bezug auf ihre Schüler die unterschiedlichsten Gefühle, die sich von sehr annehmend (positiv),bis stark unannehmend (negativ) erstrecken. Wie sehr sich ein Lehrer auch bemüht, allen Schülern gegenüber annehmend zu sein, variiert die Annahmefähigkeit eines Menschen gegenüber anderen Menschen. Einige Lehrer finden das Verhalten eines Schülers nicht annehmbar, andere Lehrer schon. Gleichzeitig kann es sein, dass ein Lehrer das gleiche Verhalten zweier Schüler einmal annehmbar und einmal nicht annehmbar findet.
Die Trennungslinie zwischen den beiden Bereichen der Annahme und Nichtannahme, verschiebt sich von Zeit zu Zeit, durch Veränderungen im inneren des Lehrers, Veränderungen im Schüler und Veränderungen der Situation oder Umwelt.[3] Fakt ist, dass manche Schüler von Lehrern mehr angenommen werden als andere.
Um Probleme, die in der Lehrer-Schüler Beziehung auftreten, besser erkennen und bewältigen zu können, ist es wichtig zu unterscheiden wer das Problem besitzt. Dementsprechend muss gehandelt werden.
Gordon veranschaulicht Konflikte, die verschiedene Verhaltensweisen mit sich bringen, in einem Verhaltensfenster.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im oberen Teil des Verhaltensfensters befinden sich Verhaltensweisen, die anzeigen, dass der Schüler ein Problem hat. Zum Beispiel ist der Schüler ärgerlich, weil er Streit mit seinen Eltern hat, oder er fühlt sich unglücklich, weil er zu dick ist. Dies sind Probleme, die Schüler, unabhängig von der Schule, in ihrem eigenen Leben erfahren.
Im mittleren Teil befinden sich Verhaltensweisen, die weder für Lehrer noch für Schüler Probleme mit sich bringen. Dies nennt Gordon die „problemfreie Zone“ des Verhaltensfensters. Sie wird auch Lehr-Lern-Zone genannt, denn nur in der problemfreien Zone der Beziehung können Lehren und Lernen effektiv stattfinden.[4]
Der dritte Bereich des Fensters zeigt unannehmbare Verhaltensweisen, die die Befriedigung der Bedürfnisse des Lehrers behindern und vielfältige Konflikte mit sich bringen.
Der Lehrer besitzt das Problem.
„Wer das Problem hat, muss es lösen. Dazu mag die Assistenz anderer erforderlich sein, doch es bleibt die Aufgabe des Problembesitzers, es zu lösen.“[5]
Wie diese Assistenz erfolgt, soll in den nächsten Kapiteln beschrieben werden.
2.1. Die Sprache der Nicht-Annahme
Schüler, die ein Problem haben senden meist Botschaften, die zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Auch wenn das Problem, das der Schüler besitzt sich nicht unmittelbar auf die Tätigkeiten des Lehrers auswirkt, ihn nicht am Unterrichten hindert, belastet es doch den Schüler und kann den Lernprozess ernsthaft beeinträchtigen. Wird dem Schüler nicht geholfen, kann er nicht annehmbare Verhaltensweisen entwickeln, die sowohl den Lehrer, als auch Mitschüler im Unterricht stören. Lehrer wissen oft nicht wie sie damit umgehen sollen und sind teilweise nicht bereit, sich mit ihren Problemen zu belasten. Sie senden den Schülern Botschaften, die ihnen mitteilen, dass ihr Verhalten unannehmbar ist und verlangen, dass die Schüler ihre Probleme verdrängen, sich also so verhalten, als hätten sie keine Probleme, damit der Lehrer seinen Unterricht fortsetzen kann. Auf die Probleme und deren Ursachen wird nicht eingegangen. So sieht leider meist die gängige Unterrichtspraxis aus.
Die „Sprache der Nicht-Annahme“, ist in keinem Falle hilfreich, wenn der Schüler das Problem besitzt. Sie blockiert die Kommunikation und schadet der Beziehung zwischen Lehrer und Schüler.
Thomas Gordon teilt die Sprache der Nicht-Annahme in zwölf Kategorien ein,
in die so genannten „zwölf Straßensperren“[6]:
1. Befehlen, kommandieren, anordnen
„Es ist mir gleich, was du willst, du wirst studieren.“
2. Warnen, drohen
„Wenn du nicht studierst, wird es dir einmal Leid tun.“
3. Moralisieren, predigen
„Du solltest aber studieren, das weißt du doch.“
4. Beraten, Lösungen und Vorschläge anbieten
„Warte noch ein bisschen, bis du eine Entscheidung im Hinblick auf ein Studium triffst.“
5. Belehren, Vorträge halten, logische Argumente anführen
„Das Studium wird deine schönste Zeit werden.“
6. Verurteilen, kritisieren, widersprechen, beschuldigen
„Das ist ein ganz unreifer Standpunkt.“
7. Beschimpfen, Klischees verwenden, etikettieren
„Du benimmst dich wie ein Schulanfänger!“
8. Interpretieren, analysieren, diagnostizieren
„Du versuchst einfach nur, dich vor deiner Aufgabe zu drücken.“
9. Loben, zustimmen, positiv bewerten
„Du bist doch eigentlich ganz klug, das kriegst du sicher irgendwie hin.“
10. Beruhigen, bemitleiden, trösten, unterstützen
„Du bist nicht der Einzige, dem das so ergangen ist, bei mir war das ähnlich…“
11. Fragen, sondieren, verhören
„Warum hast du solange für diese Aufgabe gebraucht?“ „War die Aufgabe zu schwer?“
12. Zurückziehen, ablenken, aufheitern, zerstreuen
„Wie läuft es eigentlich im Handballtraining?“
[...]
[1] Thomas Gordon: Die neue Beziehungskonferenz, S.12 f.
[2] Vgl. Thomas Gordon: Lehrer-Schüler-Konferenz , S.34
[3] Thomas Gordon: Lehrer-Schüler-Konferenz, S.38
[4] Ebd. S.47
[5] Thomas Gordon: Die neue Beziehungskonferenz, S.76
[6] Thomas Gordon: Lehrer-Schüler-Konferenz, S.52 ff
- Quote paper
- Pinar Kehribar (Author), 2008, Wie man Konflikte in der Schule löst. Zu Thomas Gordons Bestseller „Lehrer-Schüler-Konferenz“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94247
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