Der EG-Vertrag wird als translatorisch äquivalenter Paralleltext eingeordnet und Vorgeformtheit neben ihrer makrostrukturellen Relevanz als sprachverwendungsbezogenes Merkmal juristischen Sprachgebrauchs auf der Mikroebene des Textes lokalisiert, das Selektion bzw. Präferenz sowie Rekurrenz sprachlicher Strukturen beinhaltet. Das Betrachtungsorigo ist integrativ und umfasst eine in erster Linie pragmatisch-kommunikative Perspektive. Der interlingual-kontrastive Vergleich vertritt einen empirisch-induktiven Ansatz. Vorgeformtheit wird als übereinzelsprachlich vorzufindende, fachsprachlich induzierte Erscheinung im EG-Vertrag dargestellt. Sie kann innerhalb linguistischer Disziplinen festgemacht werden: Im Rahmen der Phraseologie ist Vorgeformtheit als Merkmal von Phraseologizität i.w.S. zu verorten, welche sich insbesondere durch die Kennzeichen „Stabilität“ und „Reproduziertheit“ manifestiert. Überdies ist es möglich, sie als phraseologisches Formulierungsverfahren zu beschreiben. Ferner ist Vorgeformtheit auch im Rahmen von Textsorten bzw. -mustern virulent. Dabei repräsentiert das Formulierungswissen über konventionelle Formulierungsmuster eine Art Textmusterwissen auf der Formulierungsebene. Die Existenz evidenter Textsortenverbunde, zu denen nachweislich auch Verträge gehören, ist Garant für die Tradierung des in ihnen herrschenden Sprachgebrauchs. Vorgeformtheit wird sodann in ihrer außersprachlichen Motiviertheit dargelegt. Dabei impliziert das situative Moment die Auffassung einer Textproduktion als Bewältigungsleistung einer bestimmten Kommunikationsaufgabe. Das Produkt „EG-Vertrag“ wird in den Fachkontext eingebunden und die Selektion sprachlicher Mittel näher betrachtet: Rechtswesen als Institution und ihre konventionalisierte Sprache. Insbesondere gilt es, auf die Existenz sprachlicher Handlungsmuster in juristischen Textsorten als Fachtextsorten hinzuweisen (Zweckmäßigkeit, typische Verwendung sprachlicher Mittel). Auf der textinternen Ebene wiederum wird die Makrostruktur von Texten/Textsorten allgemein bzw. spezifiziert hinsichtlich der Fachtextsorte (mit Fokus auf Präambeln und Schlussformeln) behandelt. Mit der Makroebene beginnt auch die Analyse, um dann die eigentliche kontrastive Untersuchung der einzelsprachlichen Umsetzungen von Vorgeformtheit auf der Mikroebene anzuschließen: Präambel, Schlussformeln, Vertragstext. Einige Beobachtungen zu sonstigen sprachspezifischen Abfassungskonventionen runden die kontrastiven Betrachtungen ab.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I Theorieteil
1 Analyseobjekt und -methodik
1.1 Untersuchungsgegenstand
1.1.1 Der EG-Vertrag als ubersetzungsaquivalenter, juristischer Paralleltext
1.1.2 Usuelle Vorgeformtheit: Indikator juristischen Sprachgebrauchs auf der textuellen Mikroebene und seine Konstituenten Selekti- on (Praferenz) und Rekurrenz im Rahmen ubereinzelsprachli- cher Determiniertheit
1.2 Untersuchungsmethode
1.2.1 Integrativitat: Die pragmatisch-kommunikative Perspektive unter Beriicksichtigung des Sprachsystems
1.2.2 Korpusanalyse: empirisch-induktiver Fokus
1.2.3 Interlingual-kontrastiver Vergleich (deutsch/franzosisch)
2 Vorgeformtheit als translinguales Phanomen
2.1 Formen von Vorgeformtheit
2.1.1 Vorgeformtheit als Indikator von Phraseologizitat i.w.S
2.1.2 Vorgeformtheit im Rahmen von Textsorten/Textmustern
2.2 Vorgeformtheit und ihre aufiersprachliche Motiviertheit
2.2.1 Situatives Element: Der Text als Bewaltigung einer bestimmten Kommunikationsaufgabe
2.2.2 Die fach(sprach)liche Einbindung des EG-Vertrags und die dar aus resultierende Selektion bzw. intertextuelle Fortschreibung sprachlicher Mittel
2.3 Vorgeformtheit auf der textinternen Makroebene
2.3.1 Die Makrostruktur und ihre Teiltexte bzw. Teiltextsegmente
2.3.2 Die Makrostruktur der Fachtextsorte vdlkerrechtlicher/interna- tionaler Vertrag, unter besonderer Beriicksichtigung ihrer Teil- texte Praambel und Schlufiformeln
3 Zusammenfassende Ubersicht liber die theoretischen Implikationen von Vorgeformtheit im EG-Vertrag und das kontrastive Analyseinteresse
II Analyseteil: Vorgeformte Strukturen auf der Makro- und Mikroebe ne des EG-Vertrags
1 Analyse der Vorgeformtheit auf der Makroebene
1.1 Die Makrostruktur des Gesamtvertrags (vgl. Anhang I)
1.2 Die Struktur der den Vertragstext rahmenden Teiltexte des Gesamtvertrags: Praambel und Schlufiformeln (vgl. Anhang II)
2 Kontrastive Analyse der einzelsprachlichen Umsetzungen von Vorgeformtheit auf der Mikroebene
2.1 Die Mikrostruktur der Praambel und der Schlufiformeln (vgl. Anhang II)
2.2 Die Mikrostruktur des Vertragstextes (vgl. Anhang III)
2.3 Sprachspezifische Abfassungskonventionen sonstiger Art (vgl. Anhang III)
III Zusammenfassung
IV Literaturverzeichnis
Anhang
Einleitung
In einem immer mehr zusammenwachsenden Europa fungiert die Sprache als einer der wesentlichsten Integrationsfaktoren iiberhaupt. Uber sie verlaufen (nationale) Selbst- identifikationsprozesse sowie solche der Perzeption des anderen (der anderen Nation), die sich tagtaglich in einem regen Diskussionsaustausch befinden. Demzufolge ist es unabdingbar, dafi die Wissenschaft, die sich mit der Sprache beschaftigt - die Lingui- stik - sich verstarkt in diesen transspharischen koharenzstiftenden Dialog einbringt und von ihrer Seite einen konstruktiven Beitrag dazu leistet, indem sie Punkte her- ausarbeitet, die unter der Pramisse eines identischen Kontextes sowohl das jeweils sprachlich Gemeinsame als auch das bereichernd Verschiedene der europaischen Spra- chen offenbaren. Es gilt, solche Kontexte aufzusuchen, die auf exemplarische Weise (linguistisch) die Vielfalt Europas - sich vornehmlich in eben diesen zahlreichen europaischen Sprachen manifestierend - widerspiegeln. Auf diesem Wege gelangt man unweigerlich zu den zwingend mehrsprachigen Dokumenten der EU. Sofern sie bereit ist, sich in weitaus grofierem Mafie als bislang geschehen mit dem Dokumentmateri- al der EU auseinanderzusetzen, kann auch die angewandt-kontrastive Linguistik von der Mehrsprachigkeit Europas ganz entscheidend profitieren, indem sie anhand die- ser zahlreich zur Verfiigung stehenden authentischen Befundmasse empirisch-valide, korpusgestutzte Analysen durchfuhrt, die Aufschlufi daruber geben konnen, wie Sprachen sich verhalten bzw. zu welchen konkreten Ausdrucksmitteln sie greifen, wenn sie unter gleichen aufiersprachlichen Bedingungen der Textproduktion verwendet wer- den. Der rechtliche Charakter der europaischen Dokumente sowie das Obligat ihrer ausnahmslosen Abfassung in samtlichen EU-Sprachen verdeutlicht zudem die Brisanz einer formal-einheitlichen Gestaltung der Rechtstexte, so dafi einzelsprachliche „Be- sonderheiten“ im positiven Sinne, die sich anlafilich der Implementierung dieser Pramisse aufgrund sprachspezifischer Abfassungstraditionen ergeben, bei entsprechenden kontrastiv-linguistischen Untersuchungen nur um so plastischer hervortreten.
Dieser Komplex an Umstanden hat mich dazu bewogen, speziell einen der Griin- dungsvertrage der Europaischen Gemeinschaft - den EG-Vertrag - in seiner deut- schen und franzosischen Fassung zum sprachlichen Analyseobjekt zu bestimmen. Dabei stiitze ich mich u. a. auf ein umfangreich angelegtes Korpus von identischen Textstellen des Vertrags i.e. S., welche ich unter dem - wie ich finde - hier sehr relevanten Aspekt der sprachlichen Vorgeformtheit betrachten werde. Diese Vorge- formtheit gilt es allerdings zuvor in ihren theoretischen und multidimensionalen Im- plikationen eingehend darzulegen. Bei der Beschreibung von Vorgeformtheit werden verschiedene - sofern jene dort nicht explizit genannt mit ihr m. E. kompatible - For- schungsrichtungen in Gestalt der (Fach-)Textsortenforschung, (Fach-)Phraseologie, (Fach-)Translationswissenschaft, Formulierungs- und Texttheorie sowie (Fachtext-) Linguistik und Textproduktionsforschung in unterschiedlichem Ausmafie beriicksich- tigt und insgesamt ein interdisziplinarer Ansatz vertreten. (vgl. bzgl. Formelhaftigkeit auch Stein 2001: 36) Insbesondere soil sich vorbereitend im Verlaufe des Theorieteils (I) der systematische Zusammenhang u. a. zwischen Fachkontext und Vorgeformt- heit von Strukturen in EG-Paralleltexten evidentialisieren, da die Kontrastivitat der Analyse speziell die mikrostrukturelle Vorgeformtheit in ihrem aufiersprachlichen Be- dingungsgefiige als Phanomen des EG-Vertrags voraussetzt, gleichwohl diese selbst aufgrund ihrer iibereinzelsprachliclien Geltung nicht kontrastiert werden kann, so dafi sich die Kontrastivitat notwendigerweise auf die einzelsprachlichen Realisate der Vorgeformtheit beziehen mufi.
Zunachst erfolgt in 1 eine ausfiihrliche Vorstellung des Analyseobjekts (1.1) und der Analysemethodik (1.2). Dabei wird der EG-Vertrag als translatorisch aquivalen- ter Paralleltext eingeordnet (1.1.1) und Vorgeformtheit - neben ihrer makrostruk- turellen Relevanz - als sprachverwendungsbezogenes Merkmal juristischen Sprachge- brauchs auf der Mikroebene des Textes lokalisiert, das Selektion bzw. Praferenz sowie Rekurrenz sprachlicher Strukturen beinhaltet und ubereinzelsprachlich beschrieben werden kann (1.1.2). Das Betrachtungsorigo ist integrativ und umfafit eine in erster Linie pragmatisch-kommunikative Perspektive, allerdings anlafilich der kontrastiven Analyse auch unter Einbeziehung des Sprachsystems. (1.2.1) Da es sich bei der Un- tersuchung um eine korporale Betrachtungsweise handelt, wird konsequentermafien ein empirisch-induktiver Ansatz vertreten. (1.2.2) Aufgrund der Tatsache, dafi in ge- wisser Hinsicht Sprachvergleich (Deutsch/Franzosisch) betrieben werden soil, folgen Ausfuhrungen zum interlingual-kontrastiven Vergleich (1.2.3); dabei soil einerseits die Forschungsrichtung Kontrastive Linguistik skizziert (1.2.3.1), andererseits ein kurso- rischer Forschungsstand zu kontrastiven Analysen des Untersuchungsgegenstandes in einigen der oben genannten Disziplinen geliefert werden (1.2.3.2).
Sodann erfolgt die Darstellung von Vorgeformtheit als ubereinzelsprachlich vor- zufindende, fachsprachlich induzierte Erscheinung im EG-Vertrag. (2) Zunachst sind hier ihre verschiedenen Auspragungen unter dem Blickwinkel relevanter linguistischer Disziplinen anzufuhren (2.1): Vorgeformtheit im Rahmen der Phraseologie ist als Merkmal von Phraseologizitat i.w.S. zu verorten (2.1.1), welche sich insbesondere durch die in 2.1.1.1 aufgefuhrten Kennzeichen „Stabilitat“ (2.1.1.1.1) und „Reprodu- ziertheit“ (2.1.1.1.2) manifestiert. Uberdies ist es ohne weiteres moglich, sie als phra- seologisches Formulierungsverfahren zu beschreiben. (2.1.1.2) Ferner ist Vorgeformtheit auch im Rahmen von Textsorten bzw. -mustern anzusiedeln (2.1.2); dabei repra- sentiert das Formulierungswissen iiber konventionelle Formulierungsmuster eine Art Textmusterwissen auf der Formulierungsebene. (2.1.2.1) Schliefilich ist die Existenz evidenter Textsortenverbunde, zu denen nachweislich auch Vertrage gehoren, Garant fur die Tradierung des in ihnen herrschenden Sprachgebrauchs. (2.1.2.2) Im Anschlufi daran wird Vorgeformtheit in ihrer aufiersprachlichen Motiviertheit dargelegt. (2.2) Dabei impliziert das situative Moment die Auffassung einer Textproduktion als Bewal- tigungsleistung einer bestimmten Kommunikationsaufgabe. (2.2.1) Danach wird das Produkt „EG-Vertrag“ in den Fachkontext eingebunden und die Selektion sprachlicher Mittel naher betrachtet. (2.2.2) Innerhalb des Rechtswesens erlautere ich den Aspekt der Institution und der in diesem Zusammenhang verwendeten konventionalisierten Sprache. (2.2.2.1) Insbesondere gilt es, auf die Existenz sprachlicher Handlungsmuster in juristischen Textsorten als Fachtextsorten hinzuweisen, in denen die Gesichtspunk- te der Zweckmafiigkeit sowie der typischen Verwendung sprachlicher Mittel zentral sind. (2.2.2.2) Es wird schliefilich auf die rein textinterne Ebene geschwenkt (2.3) und hier zunachst kursorisch die Makrostruktur von Texten/Textsorten allgemein (2.3.1) bzw. spezifiziert hinsichtlich der Fachtextsorte volkerrechtlicher/internationaler Ver- trag mit besonderem Fokus auf (die Struktur von) Praambeln und Schlufiformeln behandelt (2.3.2). Anzumerken ist, dafi die Mikroebene ihrerseits ungeachtet ihres zentralen analytischen Stellenwertes in dieser Arbeit nicht im Rahmen eines weiteren Kapitels bedacht werden soil, da sie m. E. im Gegensatz zur Makroebene autoexpli- kativ ist.
Am Ende des Theorieteils erfolgt noch einmal eine zusammenfassende Ubersicht iiber die Einflufifaktoren und Konstituenten von Vorgeformtheit im EG-Vertrag und das kontrastive Untersuchungsanliegen. (3)
Im Analyseteil der Arbeit (II) werden infolge ihrer theoretischen Einbettung als vorgeformt deklarierte Strukturen der Makro- und Mikroebene des EG-Vertrags un- ter globalem Ruckbezug auf die in Teil I vorgebrachten Ausfiihrungen angegangen; dabei mufi sich aufgrund der kontrastiven Ausrichtung vorliegender Arbeit die Unter- suchung zwangslaufig auf die Mikroebene des EG-Vertrags beschranken, was jedoch keineswegs einer Postulierung der Vorgeformtheit auch seiner sprachiibergreifend- identischen Makrostruktur entgegensteht (1): Nach deren iiberblicksartiger Darstel- lung - freilich hier bereits unter kontrastivem Hinweis auf die Verwendung einzel- sprachlich mitunter differenzierter Gliederungssymbole - (1.1 i.V. m. Anhang I ab Seite I), werden die den Vertragstext rahmenden Elemente Praambel und Schlufiformeln herausgegriffen und unter Heranziehung von Anhang II (ab Seite VI) im Hinblick auf ihre Vorgeformtheit makrostrukturell erlautert (1.2). Hieran schliefit die eigentliche kontrastive Analyse hinsichtlich der einzelsprachlichen Umsetzungen von Vorgeformtheit auf der Mikroebene des EG-Vertrags an (2): Zunachst werden sowohl die Praambel als auch die Schlufiformeln - ebenfalls mit Bezug auf Anhang II - mi- krostrukturell avisiert (2.1); sodann steht die Mikrostruktur des Vertragstextes im Mittelpunkt, wenn es darum geht, das in Anhang III befindliche Korpus[1] (ab Seite XVI) umfassend zu sondieren (2.2). Einige anhand von Befunden aus Anhang III zu fixierende Bemerkungen hinsichtlich sonstiger einzelsprachlicher Abfassungskonven- tionen runden die kontrastiven Betrachtungen ab. (2.3)
In der Zusammenfassung (III) erfolgt die Rekapitulation der in Teil II erzielten Ergebnisse der kontrastiven Analyse. Auf die Theorie wird dann nicht mehr einge- gangen, da Teil I mit Blick auf samtliche (kontrastiv zu analysierenden) vorgeformten Strukturen des EG-Vertrags angelegt ist.
Im Anhang (V) figuriert neben den bereits erwahnten Elementen aufgrund der ein- schlagigen EG-Vertragsmodifikationen zusatzlich unter Anhang IV (ab Seite LXXV) der zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit aktuelle Stand der Verfahren zur Ratifizierung des Vertrags von Nizza (2001).
Teil I
Theorieteil
Zunachst gilt es, das im Kontext des EG-Vertrags anzutreffende linguistische Phano- men Vorgeformtheit in seinen theoretischen Implikationen umfassend zu beleuchten. Dabei sollen sowohl das Analyseobjekt als auch die Analysemethodik vorgestellt warden. Sodann erfolgt die Charakterisierung von Vorgeformtheit als iibereinzelsprach- lich geltende, somit translinguale Erscheinung des EG-Vertrags. (2) Schliefilich soil die in 3 angesiedelte Zusammenfassung einen Uberblick uber die erzielten theoretischen Ergebnisse liefern; sie fungieren in ihrer Gesamtheit als Erklarungshintergrund fiir das eigentliche Vorkommen der in II zu analysierenden vorgeformten Befunde der Makro- und Mikroebene des EG-Vertrags.
1 Analyseobjekt und -methodik
Im folgenden stehen sowohl der Untersuchungsgegenstand (1.1) als auch die fur die Analyse der Vorgeformtheit des EG-Vertrags angewandte Untersuchungsmethode (1.2) im Zentrum des Betrachtungsinteresses.
1.1 Untersuchungsgegenstand
Als Untersuchungsgegenstand wird zunachst der Analysetext selbst begriffen: Dabei wird der EG-Vertrag als juristischer Paralleltext in Ubersetzungsaquivalenz einge- ordnet (1.1.1), um daran anschliefiend das Phanomen der Vorgeformtheit selbst im Zusammenhang mit seinem Indikatorenstatus des im EG-Vertrag allseits waltenden juristischen Sprachgebrauchs zu verorten. Insbesondere ist es mikrostruktureller Na- tur und manifestiert sich systematisch in den translingual determinierten Konstitu- enten Selektion (Praferenz) sowie Rekurrenz sprachlicher Einheiten. (1.1.2)
1.1.1 Der EG-Vertrag als ubersetzungsaquivalenter, juristischer Paralleltext
Der in vorliegender Arbeit zu behandelnde EG-Vertrag konstituiert in wesentlichem Mafie das Primarrecht der EU. Dieser bis 1992 noch EWG-Vertrag lautende Text aus dem Jahre 1957 wurde als Urschrift in deutscher, franzosischer, italienischer und nie- derlandischer Sprache redigiert. Art. 314 des EG-Vertrags schreibt diesen amtlichen und den daruber hinaus als amtliche Ubersetzungen in die ubrigen EU-Amtssprachen existierenden Sprachfassungen gleichermafien Authentizitat zu, da samtliche Spra- chen der EU als prinzipiell gleichberechtigt angesehen werden. Auch fiir andere EU- Dokumente des Primar- und Sekundarrechts herrscht besagtes Prinzip vor. (vgl. auch Weisflog 1996: 67, Kjaer 1999: 63 f. sowie Sarcevic 1999: 105) Die identischen Ur- schriften des EG-Vertrags sind von den Vertragsparteien inhaltlich ausgehandelte und schriftlich fixierte Fassungen, die im Anschlufi an diverse rechtliche und sprachli- che Verifikationen und Uberarbeitungen den Reprasentanten der Vertragsstaaten zur endgultigen Vertragsunterzeichnung vorgelegt worden sind. EG-Textsorten werden im Amtsblatt der EG als „ver6fFentlichungsbediirftige“ Rechtsakte publiziert. (Sandig 1984: 200) Die Reihe C des Amtsblatts reprasentiert dabei die Rubrik „Mitteilungen- Bekanntmachungen/Communications-Informations“. (Greciano 1998: 248) Es handelt sich bei Urschriften zwar nicht um genuine Ubersetzungen, sie konnen jedoch m. E. als iibersetzungsgleich behandelt werden, da sie inhalts- und funktionsidentisch so- wie mit Hilfe sprachgebrauchstypischer einzelsprachlicher Formulierungsmuster reali- siert worden sind, die unabhangig von der Frage ihres moglichen Ubersetzungsstatus schon allein deswegen zum Ausdruck kommen, weil jede Sprachfassung fur sich ge- nommen ein im Rahmen einzelsprachlicher Formulierungskonventionen umgesetztes juristisches Dokument darstellt. Ich sehe es demnach als gerechtfertigt an, im weiteren auch fur die Fragestellung dieser Arbeit relevante Erkenntnisse der Translationsfor- schung einfliefien zu lassen. Meine Arbeit ist wie die von Engberg (1997: 13) in erster Linie „iibersetzungsorientiert“, aber nicht iibersetzungszentriert.
Die hier vergleichend zu behandelnden deutschen und franzosischen Sprachfassun- gen des EG-Vertrags besitzen dabei zusammen mit den anderen Sprachversionen den Status von Paralleltexten. Hartmann (1980: 37 f.) sieht drei Kategorien von Parallel- texten vor, wobei einzig und allein Kategorie B fur den EG-Vertrag in Frage kommt:
’’Class A parallel texts are typically the result of a full-scale professional translation arrived at by conscious approximation processes in which the original message of the source-language text becomes a situationally appropriate target-language text (...)• Class B parallel texts are typically the result of a deliberate adaptation of a message in the respective conventions of two languages for the purpose of conveying an identical message to receivers of sometimes very different cultural backgrounds. Correspondences between the texts are not conditioned by the direction of the process or the formal features of the original discourse, but by the need to produce similar reactions in the reader (...). Class C parallel texts are typically unrelated except by the analyst’s recognition that the original circumstances that led to the creation of the two texts have produced accidental similarities (•••)•”
Im Rahmen dieser Kategorie wird Aquivalenz durch Adaptation erreicht, die Mediation geschieht durch das Referieren auf denselben Quelltext und die Direktionalitat ist die simultane Formulierung. Als Beispiele finden autoritative mehrsprachige Ver- sionen des internationalen Rechts Erwahnung. (vgl. auch Krause 2000: 57 f.) An anderer Stelle wird in Richtung ’’multilingual formulations of documents published by international organisations such as the European Commission” prazisiert. Die ge- nannte Paralleltext-Kategorie gehort zusammen mit Kategorie A (z. B. literarische Texte mit ihren Ubertragungen in die andere Sprache) zu denjenigen, welche eng an translatorische Gesichtspunkte angelehnt sind [sic!], insofern als sie jeweils in Uber- setzungsaquivalenz stehen, im Gegensatz zu Texten der letzten Kategorie, die sich beispielsweise im Falle von Kochrezepten nur durch funktionale Ahnlichkeit in bezug auf situative Motiviertheit und rhetorische Struktur auszeichnen. (Hartmann 1996: 950) Bei der Ubersetzung einschlagiger Texte der Kategorie B ist infolge deren sprach- licher Nichtautonomie die strenge Orientierung an den jeweils typischen einzelsprach- lichen Konventionen existierender „Vortexte“ mafigeblich. (Adamzik 2001b: 15; vgl. auch unten die Ausfiihrungen zu ..Textsortenfoldenr; 2.1.2.2) Alludiert wird hierbei auf den in analogen Fachtexten bzw. Fachtextsorten herrschenden Sprachgebrauch, der auf jedes weitere Text(sorten)exemplar in Form traditioneller Ausdrucksweisen ubertragen wird. Allein schon aufgrund dieser Tatsache halte ich es fur theoretisch und methodisch adaquat, Texte als in spezifische Diskurse verortet anzusehen.
Der Ausdruck Pamlleltext i.e. S. wird grundsatzlich fur die Kategorie C reserviert, wohingegen Kategorie B lediglich Paralleltexte i. w. S. konstituieren. Paralleltexte dieser Kategorie bezeichnet Harris auch als Bitexte, verstanden als ’source text and target text as they co-exist in the translator’s mind at the moment of translating’, (zit. nach Hartmann 1996: 950) Nichtsdestotrotz praferiere ich im Rahmen dieser Arbeit den Begriff des Paralleltextes.
Die Paralleltexte des EG-Vertrags sind - wie bereits erwahnt - als ubersetzungs- aquivalent zu erachten. Unter dieser Voraussetzung miissen Parallelversionen nach Sandig (1984: 205 f.) uber die lokale Aquivalenz (von Lexemen/Lexemkombinationen, Syntagmen etc.) hinaus den Anspruchen gegenseitiger „kommunikativer Aquivalenz11 (vgl. auch Gladrow 1995: 33) genugen, um aufgrund von translatorischer Adaquanz dechiffrierbar zu sein:
„Sie [d. h. eine Ubersetzung] soil also in der Zielsprache als ein institutionsrelevan- ter Text gelten konnen: als ein Text, der nach dem Muster der in der Zielsprache institutionell eingespielten Textsorte gebildet ist.“
Dabei wird die nachhaltige (sprachliche) Institutionalisiertheit dieser Kategorie von Paralleltexten herausgestellt. (vgl. dazu auch weiter unten; 2.2.2.1) Bei der Ubersetzung ist die Identitat der „kommunikativen Funktion“ der Paralleltexte zu wahren. (Kupsch-Losereit 1998: 228) Laut Krause (2000: 71) herrscht aus der Sicht der kommu- nikativ orientierten Sprachverwendung vor allem im Bereich „internationalisierte(r) Textsorten (...) wie Vertragen“ insgesamt Totalaquivalenz vor. Greciano (1998: 257) spricht auch von „funktionelle(r) Vollaquivalenz“. Paralleltexte zeichnen sich, entge- gen der „Skopostheorie“ Vermeers, nicht etwa durch „Funktionsverschiebung“ aus, sondern unterliegen dem Obligat strenger Inhalts- und Wirkungsgleichheit. (Sarcevic 1999: 104; vgl. auch weiter oben in diesem Kapitel das Zitat Hartmanns 1980 iiber die Gruppe B der Paralleltexte)
Sind juristische Texte zu ubersetzen, so gilt das Gebot der Reproduktion inhaltli- cher und funktionaler „Invarianz“ des Ausgangstextes mit adaquaten zielsprachlichen Mitteln. (Kjaer 1994: 331) Diese Konstanz ist jedoch auch im Hinblick auf die er- wahnten Sprachmittel selbst mafigeblich, wie anhand ihrer intertextuellen Fortschrei- bung und intratextuellen Rekurrenz im Verlaufe der Arbeit zu zeigen sein wird. Die gegenteilige Auffassung, dafi Ubersetzungen zwangslaufig gepragt seien von ausgangs- sprachlichen Strukturen und Konventionen, vertritt Spillner (1988: 382), der indes in einer spateren Publikation mit Blick auf die zwischensprachliche Fachkommunikation richtigerweise dahingehend umschwenkt, dafi „(d)as fremdsprachige Muster (...) als Textsortenkonvention begriffen werden [mufi]“, auch wenn dies grammatisch anders umsetzen sollte. (Spillner 1996: 116; so auch Stolze 1992b: 229 und 1999b: 56) In mehr- sprachigen Rechtstexten mit mutmafilich supranationaler Rechtsordnung alterniert einzig und allein die Sprache, so dafi die Translation ..eher auf einer mikrostrukturel- len Ebene ohne Anderung der textuellen Makrostruktur [erfolgt]“. (Sandrini 1999: 37) Auch Stolze (1999b: 52) merkt an, dafi insbesondere im Rahmen in der EU erstellter Rechtstexte die Makrostruktur des Textes keinesfalls anzutasten sei, damit die „doku- mentarische Vergleichbarkeit“ gewahrleistet werden konne; insofern sei ein „transpa- rentes Ubersetzen“ zwingend. Eine diesbeziiglich zu erwahnende genuin „sprachliche Transcodierung“ ist jedoch nur ratsam, sofern der Zweck und die fur die sprachlichen Mittel einschlagigen Selektionskriterien des Zieltextes bei der Ubersetzung Beriick- sichtigung finden. (Sandrini 1999: 28) Soil beispielsweise interlinguale Konkordanz - wie in vorliegender Paralleltextkategorie - erreicht werden, so geniigt die Transco- dierung und ist sogar geboten. (vgl. Sarcevic 1997: 4) Laut Koutsivitis (1990: 226 f.) sieht sich der Ubersetzer juristischer Texte zwei diametral entgegengesetzt wirkenden Kraften gegenuber, die beide beachtlich sind: einerseits «langage normalise;*, ande- rerseits «discours libre». In den ersten Bereich gehort die «(t)ransposition lexicale, litterale» bzw. Equivalence statistique et repetitive**, die sich von der Equivalence fonctionnelle/contextuelle» abgrenzt. Die Belange dieser Arbeit lassen lediglich die Betrachtung der zuerst genannten Aspekte zu:
«La fidelite aux precedents (...), les formules stereotypees sont autant de fac- teurs qui poussent le traducteur vers la premiere attitude. (...). Quant aux formules standardises, il s’agit d’enonces repetitifs qui se trouvent surtout dans les parties introductive et finale des textes juridiques et qui, en raison du carac- tere protocolaire et solennel de ces textes, deviennent rigides et finalement figes, ne permettant pas au traducteur d’y echapper d’aucune maniere.»
Die besonders bei juristischen Texten evidente Gebrauchsfestigkeit (Gebrauchlich- keit) bestimmter sprachlicher Strukturen verpflichten den Ubersetzer zu reproduzie- render Tatigkeit, die alternative Formulierungen im allgemeinen nicht zulafit, son- dern die in vorausgegangenen analogen Situationen bzw. Textereignissen verwende- ten Ausdrucksformen iibernimmt, sie gewissermafien kopiert, so dafi sich sozusagen eine sprachgebrauchsgebundene Formulierungsmatrix ergibt. An zwei anderen Stellen heifit es bei Koutsivitis hinsichtlich der Auswirkungen dieser «langage normalise**, wobei er nun den EG-Kontext explizit berucksichtigt:
«La normalisation du discours legislatif communautaire et, partant, de la traduction legislative au sein des Communautes europeennes, est une necessite qui decoule du caractere contraignant de ces textes. Cette normalisation conduit a la creation de correspondances types, a des traductions preetablies et repetitives qui limitent la creativite du traducteur (...).» (zit. nach Sarcevic 1997: 117)
«La normalisation du discours legislatif communautaire (...) conduit a la creation de correspondances preetablies et repetitives, qu’on peut designer par l’appel lation generique ‘formulas standardisees’ [qui] doivent etre transposes de la ma- niere consacree. Leur rigidite est due soit a des normes redactionnelles, soit au caractere protocolaire, solennel et contraignant des actes legislates. (...). Les formulas standardisees (...) occupant 1’extreme (-) an ce qui concerne la liberte traductive et 1’extreme (+) quant a la fidelite.» (zit. nach Stolze 1992a: 191)
Aquivalente im Sinne von typischen Entsprechungen auf der Mikroebene innerhalb der EG-Paralleltexte indizieren das Erfordernis von «traductions preetablies et repeti- tives», so dafi sie ebenfalls als vorgefertigt und rekursiv vorkommend betrachtet wer- den konnen und vom Autor die Bezeichnung «formules standardisees» erhalten. (vgl. auch weiter oben das Zitat von Koutsivitis 1990) Die Feierlichkeit und der zwingen- de Charakter dieser Rechtstexte zeichnet nach seiner Darstellung fiir die Usualitat sprachlicher Strukturen verantwortlich. Diese ist jedoch m. E. damit nur unzureichend beschrieben, was wohl daran liegt, dafi der Autor primar von Praambeln oder der ein- gesetzten Fachterminologie ausgegangen ist. Daruber hinaus gilt es aber zu bedenken, dafi usuelle Sprachstrukturen auch unabhangig von Anlafi oder Rechtsverbindlichkeit des juristischen Textes omniprasent sind, wenn man sich die (fach-)sprachliche Ab- fassung des EG-Vertrags vergegenwartigt. (vgl. dazu weiter unten; 2.2.2)
Ein weiterer, manifest Standardisierung favorisierender und Kreativitat inhibieren- der Faktor ist die sich an der Gebrauchlichkeit sprachlicher Strukturen orientierende «informatisation du processus traductif, qui prend surtout la forme de banque de donnees terminologiques et de la traduction assistee par ordinateur [et qui] exige une univocite plus consequente de la langue juridique et pousse au transcodage» (Koutsivitis 1990: 228), wodurchbeide Dimensionen (intertextuelle Kontinuitat und intratex- tuelle Rekurrenz bestimmter sprachlicher Mittel; vgl. auch weiter unten; 1.1.2) erfafit sein diirften. Juristische Texte gelten aufgrund dieser Verpflichtung als linguistisch gefroren. (vgl. Sarcevic 1997: 117) Der jeweilige Text mufi sich wie ein einzelsprach- liches Original lesen lassen konnen. (vgl. ebenda: 203) Soffritti (1999: 120) spricht von auch bei der Ubersetzung zu beachtenden „Regeln (...) textsortengerechte(r) Formulierung“. Diese Art der Abfassung verdeutlicht die Existenz ..textsortenspezi- fischer Merkmale und Regularitaten“. (ebenda: 134; vgl. auch Spillner 1996: 116) Will der Ubersetzer textsortenadaquat formulieren, mufi er diese Ausdrucksregelma- fiigkeiten der Textsorte einhalten, sie gleichsam reproduzieren. (vgl. Soffritti 1999: 135) So heifit es dann auch, dafi die einzelsprachlich gebrauchlichen „konventiona- lisierte(n) Standardformeln“ zu verwenden sind. (Kupsch-Losereit 1998: 229) Diese stellen „festgepragte Sprachelemente“ dar; bei ihnen besteht ein mehr oder weniger translatorischer Zwang, dem mit den kontextuell dafiir vorgesehenen linguistischen Mitteln der Zielsprache entsprochen werden mufi, um den Stabilisierungseffekt der Sprache - also den Sprachgebrauch insgesamt - nicht zu beeintrachtigen. (vgl. Stolze 1992a: 190 f.)
1.1.2 Usuelle Vorgeformtheit: Indikator juristischen Sprachgebrauchs auf der textuellen Mikroebene und seine Konstituenten Selektion (Praferenz) und Rekurrenz im Rahmen ubereinzelsprachlicher Determiniertheit
1st in dieser Arbeit von Vorgeformtheit die Rede, so wird regelmafiig auf usuelle Vorgeformtheit (d. h. solche im Rahmen der parole bzw. Sprachverwendung) refe- riert. Wenn in diesem Zusammenhang von zu untersuchenden sprachlichen Struktu- ren (auch innerhalb von Komposita) gesprochen wird, impliziert dies grundsatzlich nicht nur Strukturen syntaktischer Art, sondern auch lexikalische Formulierungen.
Vorliegende Arbeit geht von der Pramisse eines systematisch-programmatischen Charakters der Vorgeformtheit auf der gesamten Textebene (Makro- und Mikrostruk- tur) im Fachtextvorkommen EG- Vertrag aus, die die Verwendung vorgeformter Strukturen nicht als Einzel-, sondern als Regelfall betrachtet. (vgl. Gulich/Krafft 1998: 31) Grundsatzlich ist es moglich, Vorgeformtes entweder im Rahmen der fertigen Texte, der „Produkte“, oder mit Bezug auf Textherstellungsverfahren bis hin zum Endpro- dukt zu analysieren. (ebenda: 15) Die Untersuchung konzentriert sich diesbeziiglich ausschliefilich auf das allgemein zugangliche Endprodukt EG- Vertrag und verzichtet auf die Heranziehung moglicherweise revidierter Zwischentexte. Dieser Aspekt bleibt deswegen ausgeblendet, da die Verwendung usueller Strukturen nicht abhangig ist vom Stadium, in dem sich Texte befinden, sondern in samtlichen Momenten der Text- herstellung (Bewaltigung einer Kommunikationsaufgabe) im Zuge des Ruckgriffs auf fachsprachgebrauchsmafiig Vorgeformtes ohnehin akut ist.
„Wenn wir die vorgeformten Strukturen anhand der Produkte erkennen wollen, stehen uns folgende Techniken zur Verfiigung: zunachst einmal erkennen wir for- melhafte Ausdriicke ganz einfach deshalb wieder, weil wir sie schon kennen, d. h. weil sie zum Wortschatz einer bestimmten Sprache gehoren. (...). Die Haufigkeit bestimmter Strukturen kann ein Indiz fur ihre Vorgeformtheit sein: Bestimmte Ausdriicke oder Strukturen fallen dadurch auf, dafi sie in identischer oder ahnli- cher Form haufig wiederkehren.“ (ebenda: 15 f.)
Hierunter kann m. E. kumulativ sowohl die intratextuelle Rekurrenz als auch die inter- textuelle Perpetuierung von Strukturen auf der Mikroebene des EG-Vertrags adaquat subsumiert werden; erstere wird innerhalb desselben Textes perzipiert, wohingegen letztere eine Art Sprachgebrauchstradierung impliziert, indem die Verwendung bestimmter Strukturen diskursorientiert fortgefiihrt wird.
Giilich (1997: 146, Fn 6) stellt - hier noch beilaufig - heraus, dafi „Vorgeformt- heit“ erheblich weiter gefafit sei als „Formelhaftigkeit“, da sie auf unterschiedlichen Sprachebenen operiere. Folglich inkludiere Vorgeformtheit letztere strikt. In Weiter- fiihrung von Giilich (1997) sprechen Gulich/Krafft (1998: 12 sowie 13, Fn 6) schliefi- lich konsequent von den Textsortengedanken zusatzlich umfassender Vorgeformtheit, um einerseits den vorgegebenen Charakter der sprachlichen Einheiten zu akzentuieren, andererseits aber auch, um die negative Besetzung des Begriffs der Formelhaf- tigkeit zu umgehen. Sie lehnen sich dabei an den franzosischen Parallelausdruck der „sequence preformed1 an und postulieren die Existenz gradueller Auspragungen von Vorgeformtheit.
Vorgeformte Bezugseinheiten sind neben der Makrostruktur speziell im Rahmen der kontrastiven Analyse zu fokussierende „sprachliche Oberflacheneinheiten“ (Rauch 1984: 274) der mikrostrukturellen Ebene des EG-Vertrags in Gestalt formulativer Syntagmen (Lexik) und syntaktischer Phanomene, wobei hier immer wieder auch An- merkungen zur Interpunktion erfolgen. Sie werden insgesamt beschrankt auf die den eigentlichen Vertragstext rahmenden Elemente Praambel und Schlufiformeln sowie Artikel 1-97 und 281-314 des Vertrags i.e. S. untersucht. Als Mikroebene betrachte ich die intraphrastische Dimension der vorgenannten Analyseparadigmen. Sie bildet zusammen mit der Makrostruktur die „Strukturtiefe“ eines Textes. (Krause 2000: 51) Ganzlich unberucksichtigt bleibt hingegen die Fachterminologie, die ohnehin bereits Gegenstand zahlreicher linguistischer Studien insbesondere zur Fachsprache ist. Die Belange dieser Arbeit betonen Vorgeformtheit ausschliefilich unter dem Sprachver- wendungsaspekt; der eigentliche mikrostrukturelle Vergleich der einzelsprachlichen Realisierungen von Vorgeformtheit basiert auf sprachsystematischen Kriterien. (vgl. auch weiter unten; 1.2.1) Dabei dient die theoretische, motivatorisch aufiersprachli- che Einordnung des vorgeformten Vorkommens als dessen explikativer Hintergrund. Primares Interesse gilt hier dem auch im EG-Vertrag angelegten textsortenspezifi- schen Sprachgebrauch. (vgl. auch Rothkegel 1987a: 126 sowie weiter unten; 2.1.2) Ich mochte die im Rahmen dieser Arbeit vorzunehmende deskriptive Analyse von Vorgeformtheit als eine solche des funktional bedingten Sprachgebrauchs verstehen, die die verwendeten Strukturen stets (implizit) an ihren institutionellen Kontext ruckbindet (fachinduzierte sprachliche Ausdruckskonventionenfiir die Bewaltigung mikrostruktu- reller Formulierungsaufgaben). Dabei stellt - allgemein formuliert - ihre regelmafiige Verwendung innerhalb eines institutionalisierten, stark konventionalisierten Rechts- textes das Betrachtungsorigo dar. (vgl. auch Engberg 1997: 23 sowie weiter unten; 2.2.2.1)
Der juristische, speziell fachgebundene Sprachgebrauch innerhalb einschlagiger Textsorten ist regelmafiig Ausdruck vorausgegangener, bereits abgeschlossener Selek- tion aus sprachsystematisch moglichen Formulierungsalternativen, wobei diese Aus- wahl ihrerseits zu bestimmten Ausdruckspraferenzen fiihrt (vgl. auch Rauch/Rothke- gel 1985: 17), welche - ein weiteres Merkmal des Sprachgebrauchs - rekurrent ver- wendet werden (vgl. Rothkegel 1987b: 164). Er bildet somit gleichsam die Klammer um die Vorgeformtheit generierenden Konstanten der Selektion, Praferenz und Rekur- renz von Strukturen. Vorgeformte Strukturen besitzen wie sie hier vorliegen infolge der Zugehorigkeit zu eben diesem - institutionell verankerten - Sprachgebrauch dezi- diert ubereinzelsprachliche Geltung, da sie als derartiges triadisches Merkmalbiindel innerhalb spezifischer Texte einer bestimmten Kommunikationsgemeinschaft automatisch transportiert werden. Vorgeformtheit stellt sich so als „gemeinsame Invariante“ (Greciano 1989: 160) dar. Diese Zuordenbarkeit des juristischen Sprachgebrauchs in einen kommunikationsgemeinschaftlichen - und eben nicht sprachgemeinschaftlichen - Kontext fiihrt zu der Annahme, dafi er iibereinzelsprachlich vorliegen mufi. Dadurch, dafi Vorgeformtheit nun als ein wesentliches Merkmal juristischen Sprachgebrauchs er- achtet wird, unterliegt sie derselben Vermutung und gehort infolge der Ruckbindung von Kommunikationsgemeinschaften an Facher zwingend einem fachlichen Kontext an, der naturgemafi generell transnational identisch ist. (vgl. zu Fachern auch wei- ter unten; 2.2.2) In dieser Form enthalt sie eine - auch im Verlaufe der Arbeit noch mehrfach in anderem Zusammenhang erwahnte - kognitive Dimension, wobei sie m. E. als von seiten des Faches international angewandtes „Komplexverfahren“ beschrieben werden kann:
„Da die kognitiven Prozesse universelkr Natur sind, werden die Komplexver- fahren [als geistig-sprachliche Prozesse, die ein komplexes Determinationsgefiige inner- und auBersprachlicher Faktoren implizieren und eine notwendige Voraus- setzung jeglicher Tatigkeit des Menschen sind] durch interlinguale Merkmalskom- plexe bestimmt. Die sprachliche Umsetzung der Komplexverfahren ist hingegen einzelsprachlich gebunden (•••)• [sic!] Die aktuelle (...) Tatigkeit stiitzt sich bei der Realisierung der ihr immanenten kommunikativen Aufgaben auf bestimmte kognitive Prozesse, die sich in einem bestimmten Typ sprachlich-kommunikativen Handelns bzw. der entsprechenden Auswahl sprachlicher Mittel objektivierenk (Baumann 1992: 123 f.) [Hervorhebungen nicht im Original]
Bestimmte Facher wie das Rechtswesen praferieren evidentermafien universell konkre- te „Formulierungsmuster“ bei der einzelsprachlichen Implementierung des jeweiligen Komplexverfahrens. (ebenda: 128 f.) Laut Giilich/Krafft (1998: 23) stehen unter der Invarianz-Pramisse dann auch vorgeformte Strukturen in den verschiedenen Sprachen in Gestalt von mikrostrukturellen„Parallelformen“ bereit, deren „nationale Versionen“ ihrerseits die sprachubergreifende Phanomenologie reflektieren. (vgl. insgesamt auch weiter unten; 2)
1.2 Untersuchungsmethode
Nach der Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes wird nun zur Darlegung der Analysemethodik iibergegangen. Es wird insgesamt eine integrative Fokussierung der Vorgeformtheit im EG-Vertrag verfolgt, die das Phanomen an sich pragmatisch- kommunikativ im Sinne der Sprachverwendung perspektiviert, aber zugleich - daran anknupfend - den sprachsystematischen Aspekt gerade im Hinblick auf dessen ana- lytische Relevanz nicht ausblendet. (1.2.1) Es handelt sich bei der Untersuchung um eine in erster Linie korporal ausgerichtete, die auf einen empirisch-induktiven Betrach- tungsansatz des Phanomens hindeutet. (1.2.2) Zudem ist sie interlingual-kontrastiv angelegt, wobei konkret die deutschen und franzosischen Parallelversionen des EG- Vertrags im Mittelpunkt der vergleichenden Studie stehen (1.2.3): es wird zunachst die hierfiir zentrale linguistische Disziplin, die kontrastive Linguistik, eingehender vorgestellt (1.2.3.1), um im Anschlufi daran den Forschungsstand zu vergleichenden Analysen von Vertragen oder anderen EG-Paralleltexten wenigstens grob zu skizzie- ren, wobei die Untersuchung von Rauch/Rothkegel (1985) positiv herauszunehmen ist (1.2.3.2).
1.2.1 Integrativitat: Die pragmatisch-kommunikative Perspektive unter Beriicksichtigung des Sprachsystems
Die sprachsystematisch-isolierende Herangehensweise wurde seit den 1970er Jahren durch einen kommunikations- bzw. handlungstheoretischen Forschungsansatz abge- lost, der sich mit der sog. „pragmatischen Wende“ in der Linguistik einstellte und Textsortenforschung verstarkt durch die Inbetrachtnahme aufiersprachlicher - insbe- sondere funktionaler und situativer Faktoren (Fachkontext, Kommunikationsbereich und -aufgabe, Interaktanten als Rolleninhaber etc.) - vorantrieb. Dieser allgemei- ne „Paradigmenwechsel“ vollzog sich sukzessiv in samtlichen linguistischen Bereichen und erfafite schliefilich auch die Disziplinen der angewandten Sprachwissenschaft. (Gnutzmann/Lange 1990: 87) Das Sprachsystem wurde nun nicht mehr autonom fokussiert, sondern vielmehr die „kommunikative Determination sprachlicher Mit- tel“ erkannt. Man gelangte beispielsweise zu der Ansicht, dafi es in erster Linie die Kommunikationsaufgabe mit ihren impliziten Formulierungsaufgaben ist, die die Art der Verwendung der Sprachmittel bedingt. (Baumann 1992: 104) Der kommunikativ- pragmatische Ansatz geht zudem davon aus, dafi sich Kommunikation ausschliefi- lich in Texten vollzieht und demzufolge nur diese als ubergeordnete Realisate die Grundlage fur Betrachtungen beziiglich „sprachliche(n) Verhalten(s)“ abgeben kon- nen. (Gnutzmann/Lange 1990: 87) Aufgrund dessen erscheint es auch gerade mit spezialisiertem Blick auf „Fachtexte-in-Funktion“ (Baumann 1992: 9) wie den EG- Vertrag moglich und erforderlich zugleich, der eigentlichen Analyse des sprachlichen Materials die Betrachtung der auf den Text einwirkenden externen Implikationen vor- auszuschicken, um so die Qualifizierung der sprachlichen Befunde als vorgeformte Ein- heiten rechtfertigen und diese sprachsystematisch untersuchen zu konnen. Sowohl die qualitative als auch die quantitative Dimension von Textsortenmerkmalen ist aufier- sprachlich bedingt. Dabei beinhaltet die sprachliche Manifestation dieser Merkmale an der textuellen Oberflache eine quantitativ variable Merkmaldominanz (vgl. Janz 1996: 80 und 83), wobei die hier zentrierte Vorgeformtheit aufgrund der intra- und in- tertextuellen Verwendungshaufigkeit selektierter Strukturen als ein aufierst dominan- tes sprachliches (Fach-)Textsortenmerkmal zu veranschlagen ist. Fur eine derartige integrative Betrachtung der beiden dargelegten Ansatze pladiert folgendes Zitat:
„Die beiden (...) Grundpositionen der Textlinguistik, die sprachsystematisch ausgerichtete und der kommunikationsorientierte Ansatz, sind nicht als alternative, sondern als komplementare Konzeptionen zu betrachten und eng aufeinander zu beziehen. Eine adaquate linguistische Textanalyse erfordert die Beriicksich- tigung beider Forschungsrichtungen, wobei der kommunikativ-pragmatische Ansatz (...) die theoretisch-methodisclie Bezugsgrundlage bilden mufi.“ (Brinker 2001: 17; vgl. auch Oldenburg 1992: 46; vgl. a. A. Stein 1995: 123)
Audi Heinemann/Viehweger (1991) postulieren in ihrem klassifikatorischen Mehrebe- nen-Modell die Zusammenschau textextern-pragmatischer Aspekte und soldier der Sprachgestaltung (formulative Sphare) als „einander erganzende Besclireibungsdimen- sionen“, in bewufitem Gegensatz zu bislang eindimensionalen, streng hierarcliisclien Typologisierungsansatzen. (Adamzik 2000: 92)
Die vorliegende Arbeit sieht sich in ihrer theoretischen Ausrichtung genau in dieser Verpfliclitung, da sie im Rahmen vorgeformten juristischen Sprachgebrauchs bestimm- te, regelmafiig angewendete sprachliche Erscheinungen konsequent auf aufiersprach- liche Gegebenheiten (situativer Fachkontext: Kommunikationsbereicli und -aufgabe, Institution, Konvention) global riickbezieht und dieser Umstand unterschwellig in die anschliefiende (einzel-)spraclisystematiscli vorzunehmende kontrastive Analyse ein- fliefit. Infolge der aufiersprachlichen Bedingtheit der vorgeformten Strukturen des EG-Vertrags ist dieser in der Eigenschaft eines Fachtextsortenexemplars der Fach- textsorte volkerrechtlicher/internationaler Vertrag mit Giilich/Raible (1975: 159) als (Fach-)„Textvorkommen“ beschreibbar. Ein solches Vorgehen erfordert namlich die Transzendierung der im Rahmen von Textsorten lange Zeit praktizierten Beschran- kung auf textinterne Merkmale hin zur Einbeziehung auch textexterner Faktoren. Da- bei umfafit der Begriff Textvorkommen im Gegensatz zu „Kommunikationsarten“ le- diglich „sprachlich realisierbare(s) kommunikative(s) Handeln“. Die amtlichen Sprach- fassungen des EG-Vertrags betrachte ich als identisches (Fach-)Textvorkommen, da sowohl aufiersprachliche als auch textinterne Parameter aufgrund ihrer Kongruenz parallel dargelegt werden konnen; die kontrastive Analyse ist letztendlich auf die je- weils einzelsprachliche Umsetzung der ubereinzelsprachlich gegebenen Vorgeformtheit der Mikroebene angelegt.
1.2.2 Korpusanalyse: empirisch-induktiver Fokus
„Die Analyse konkreter Spracherscheinungen (...) setzt eine empirische Orien- tierung voraus, die seit der ,pragmatischen Wende1 in der Sprachverwendungslin- guistik verkorpert ist (...).“ (Stein 1995: 123)
So ist etwa die Fokussierung sprachlicher Strukturmuster, wie sie hier vorgenom- men werden soil, in ihrer Verwendung in spezifischen Kommunikationsbereichen em- pirisch hinreichend fundiert. Korpusuntersuchungen sind infolge der Zugehorigkeit von Kommunikationsbereichen zum Fachkontext fur die Eruierung fachsprachlicher Charakteristika pradestiniert. (vgl. Hartmann 1996: 951) Empirisch-induktive Analy- sen ermoglichen den zuvor bereits beschriebenen integrativen Zugang zum Wesen des Fachtextes und besitzen somit einen ho hen heuristischen Stellenwert. (vgl. Baumann 1992: 186) Sie sind ertragreich, sofern sie u. a. „sprachliche Fakten in ihrer Textge- bundenheit und in ihrem kommunikativen Zusammenhang“ avisieren. (Glaser 1979: 180; vgl. auch Hoffmann 1998b: 472 sowie 474) Uberdies basieren phraseologische Un- tersuchungen wie die hier vorliegende (vgl. dazu naher 2.1.1) notwendigerweise auf Korpora. In der Auseinandersetzung mit fachspezifischem Sprachgebrauch kann sich aufgrund der korporalen Inventarisierung phraseologischer Einheiten diesbeziiglich ein sehr interessantes Analysematerial ergeben. (vgl. Greciano 1995: 183)
Im Rahmen text(sorten)typologisierender Klassifikationsbemiihungen spricht sich Adamzik (2001c) zwar einerseits gegen den analytisch vermeintlich unspektakularen Primat des Rekurrenten in standardisierten Texten aus, betont jedoch andererseits das kategorielle Desiderat korpusgestutzter, auf induktivem Wege erhaltener Daten, um thematischen, aber insbesondere auch sprachlichen Erscheinungen gerecht werden zu konnen. Solange die Autorin m. E. nicht die Essentialitat des empirisch festhaltba- ren Sprachlich-Rekurrenten in Texten fur Textsorten im allgemeinen und Fachtext- sorten im speziellen erkennt, bleibt die von ihr ausgemachte Forschungslucke fur sie wohl auch weiterhin dauerhaft vakant bzw. nicht schliefibar.
Der induktive Weg besteht beispielsweise zunachst in der Untersuchung eines kon- kreten, in einer bestimmten Textsortentradition begriffenen (Fach-)Textsortenexem- plars (hier: EG- Vertrag), deren Ergebnisse anschliefiend fur die angenommene (Fach-) Textsorte insgesamt (hier: volkerrechtlicher/internationaler Vertrag) verallgemeinert bzw. tendenziell hochgerechnet werden konnen (vgl. Heinemann/Viehweger 1991: 134 und 143), aber aufgrund der polysituativen Verwendung der sprachlichen Mittel im gegebenen Kommunikationsbereich nicht auf diese (Fach-)Textsorte beschrankt zu sein brauchen (vgl. in etwa Gulich/Krafft 1998: 20 f.). Dariiber hinaus mufi m. E. die Annahme von Vorgeformtheit als ubereinzelsprachlich geltendes Phanomen inner- halb des sich im EG-Vertrag manifestierenden juristischen Sprachgebrauchs schon im vorhinein qua aufiersprachlicher Kontextualisierung umfassend begrundet werden, damit die im Anschlufi daran erfolgende kontrastive Analyse der Mikrostruktur vor dem Hintergrund dieser gemeinsamen, sprachubergreifenden Implikationen ablaufen kann, ohne den sie keinerlei Aussagekraft besafie und die sprachlichen Formen somit in Ermangelung eines entsprechenden theoretischen Unterbaus in der Luft hangen wiirden. (vgl. auch weiter unten; 1.2.3)
Abgesehen von den in gleicher Weise empirisch erhaltenen vorgeformten Daten der EG-Praambel und der Schlufiformeln, beinhaltet speziell das Korpus in Anhang III so- wohl eine sehr weitreichende Auswahl der auf der Mikroebene des EG-Vertragstextes vorgeformt figurierenden Manifestationen (mit romischen Ziffern gekennzeichnete qualitative Komponente) als auch das rekurrente Vorkommen dieser Befunde im betrach- teten Vertragsausschnitt (in arabischen Ziffern ausgewiesene quantitative Komponente), wobei insgesamt von der deutschen Sprachfassung ausgegangen worden ist;[2] die jeweils aquivalenten Passagen des Franzosischen wurden entsprechend hinzugefiigt. Die von mir vorgenommene Auswahl der vorgeformten Manifestationen bestimmt sich nach diesem quantitativen Kriterium, so dafi die Rekurrenz in Form von Aus- druckskonstanz als Grundbedingung fur deren Beriicksichtigung im Korpus und da- mit fur die Annahme ihrer mikrostrukturellen Vorgeformtheit fungiert; hier wurde im Gegensatz zu den qualitativen Paradigmen an sich Exhaustivitat der Nennung innerhalb des Betrachtungsumfanges, und zwar dem Textverlauf nach, angestrebt. In ihrem sprachlichen Umfeld absolut gleichlautende Befunde des Deutschen wurden nur einmal ausgewiesen und nebeneinander zitiert; die franzosischen, z. T. auch sprach- gebrauchskonform alternativ formulierten und gleichermafien vorgeformten Entspre- chungen befinden sich dann direkt untereinander aufgefuhrt. Die romischen Ziffern hinter den Artikelbezeichnungen verweisen - von mir fur beide Sprachversionen ein- heitlich gehandhabt - auf die jeweiligen Absatze der Vertragsartikel Die mitunter vereinzelte Paradigmen uberschreibende Kombination romische/arabische Ziffer be- deutet die auf das Deutsche bezogene Indikation einerseits (ebenfalls vorgeformter) Formulierungsalternativen (Manifestationen IV, VII, XVIII und XXIV), andererseits zwar syntaktisch differenzierter, aber ansonsten ahnliche Ausdrucksformen verwen- dender Befundkomplexe (Manifestationen XVI und XXIII). Schliefilich signalisiert ./., dafi eine entsprechende Ubersetzung in der franzosischen Sprachfassung des EG- Vertrags nicht nachweisbar ist und (...) die elliptische Auslassung fur die Belange dieser Arbeit irrelevanter Aquivalenzen.
1.2.3 Interlingual-kontrastiver Vergleich (deutsch/franzosisch)
Kontrastiven Studien wird ein besonders heuristischer Effekt konzediert:
„Das Vergleichen als eine methodische Position und als ein erkenntnisfordern- des Instrument der linguistischen Analyse ist eine Herausforderung (...).“ (Bau- mann/Kalverkamper 1992: 14)
Zudem sind einschlagige Erfolge insbesondere im Anschlufi an interlinguale Verglei- che auf der Basis von Texten zu erwarten. (vgl. weiter oben den kommunikativen Stellenwert dieser sprachlichen Entitat; 1.2.1) Dazu besteht ausdriicklich die Moglich- keit der (ebenenubergreifenden und nicht auf eine bestimmte Methode festgelegten) Nutzung von Paralleltexten. (vgl. Hartmann 1980: 37)
„Fiir die Zwecke interlingualer kontrastiver Arbeit reicht schon das Beschrei- bungsprofil zur Untersuchung der Frage aus, ob Textsorten aus unterschied- lichen Sprachgemeinschaften vergleichbar sind. Dabei ist die Feststellung der
Deckungsgleichheit der jeweiligen Handlungsbereiche von Bedeutung. Wenn die Handlungsbereiche vergleichbar sind, konnen die Profile auch interlingual vergli- chen werden.“ (Engberg 1993: 36)
Die Parallelversionen des EG-Vertrags sind ja, wie bereits oben dargelegt, unter absolut identischen textexternen Bedingungen entstanden und weisen eine gleichermafien vorgeformt-kongruente Makrostruktur auf, so dafi sich der interlingual-kontrastive Vergleich zwangslaufig auf die ebenfalls im Rahmen von Vorgeformtheit beschreib- bare sprachliche Implementierung der mikrostrukturellen Formulierungsaufgaben be- schrankt. Derartige kontrastive Analysen erleichtern die Bearbeitung authentischer Texte mittels automatischer Verfahren, wobei diese Texte zudem verifizierbare Sprach- gebrauchsdaten offenbaren. (vgl. Rothkegel 1987b: 163) Sowohl aus theoretischen als auch praktischen Erwagungen erscheint es eminent ratsam, insbesondere stereotype strukturbezogene Merkmale komparabler Texte interlingual naher zu beleuch- ten (vgl. Krause 2000: 63), wozu sich vorliegende Parallelfassungen ausgesprochen eignen. Auch Gladrow (1990: 477) macht darauf aufmerksam, dafi (textintern und -extern) isomorphe Bedingungen, die die sprachlichen Mittel als Aquivalente generie- ren, herrschen miissen, um die Vergleichbarkeit der interlingualen Korrespondenzen zu gewahrleisten. Bei ihrer allgemeinen Erlauterung der Problematik zwischensprach- licher, empirischer Textsortenanalysen und moglicher Abhilfen konstatiert Adamzik (1998: 111) die vergleichsweise unkomplizierte Durchfuhrbarkeit und den Ertrag ei- nes solchen Vorhabens im Falle thematischer Kongruenz der Texte, die zu der oben skizzierten Analogie der Handlungsbereiche hinzukommt:
„Vergleicht man (...) thematisch homogene Texte, so sind viel konkretere und prazisere Gegeniiberstellungen moglich: Es ist eine Menge iibereinstimmender Lexeme bzw. - bei sprachkontrastiven Untersuchungen - direkter lexikalischer Entsprechungen zu erwarten, es lassen sich referenzidentische Ausdriicke zusam- menstellen.“
Vorliegende EG-Parallelversionen erfullen - wie bereits ausgefuhrt - vorbehaltlos diese Eigenschaften, so dafi sie mit Blick auf die eingangs des Kapitels erwahnten ..Profile" Gegenstand interlingualer Betrachtungen sein konnen, hier mit dem Ziel, einzelsprachliche, mittels struktureller Vorgeformtheit realisierte Ausdrucksinventare gegeniiberzustellen.
Insbesondere bilinguale Korpora reprasentieren eine vielversprechende Material- grundlage fur adaquate textbasierte kontrastive Studien und unterbinden auf diese Weise abstrakte sprachsystemzentrierte Analysen traditioneller Art. (vgl. Hartmann 1996: 952) Vergleichende Sprachanalysen helfen dabei, interlinguale Aquivalenzen zu sondieren, die fur den jeweiligen Ubersetzer in essentieller Weise translatorische Entscheidungshilfe bieten konnen. (vgl. Engberg 1992a: 95) Im Rahmen maschinel- ler Ubersetzung ist auf die zentrale Bedeutung kontrastiver Untersuchungen hinge- wiesen worden, um Selektionen von Ubersetzungsaquivalenten bzw. interlingualen
Korrespondenzen unter Berucksichtigung der textexternen Bedingtheit sprachlicher Mittel systematisch aufzeigen und charakterisieren zu konnen. (vgl. Rauch 1984: 274 m. w. N. und 276) Deklaratorisch eindeutig ausgewiesene einerseits und standardisier- te Textsorten andererseits sind geradezu pradestiniert fur kontrastive Analysen, da sie die exakte Herausarbeitung typischer Formulierungsweisen erlauben (vgl. Adamzik 2001b: 23 unter Verweis in Fn 24 auf die in 1.2.3.2 noch eingehender darzustellende Studie von Rauch/Rothkegel 1985); so auch die hier relevante Fachtextsorte. Da die aufiersprachliche Beschreibung des EG-Vertrags aufgrund seiner spezifischen Paral- leltextzugehorigkeit fur samtliche Sprachfassungen identisch ist, wird der textinterne Vergleich der Aquivalenzen in unterschiedlichen Sprachen ungemein erleichtert. (vgl. Engberg 1992a: 101 sowie 105) Die Vorbehalte Adamziks (2001c) gegenuber der Analyse von sprachlich Rekurrentem (vgl. weiter oben; 1.2.2) wurden auch schon zuvor an anderer Stelle von der Autorin geaufiert, wo sie im Rahmen kontrastiver Text sort en- studien der Untersuchung der „sprachlich-formalen Gestaltung von Texieir (Adamzik 1998: 119) bedauerlicherweise nur einen sekundaren Stellenwert konzediert.
Primar geht es um den Vergleich sprachspezifischer, auf der Mikroebene des Textes nachweisbar vorgeformter Strukturinventare und um eine damit einhergehende Illustration einzelsprachlich infolge juristischer Formulierungskonventionen/-traditionen eingespielter Ausdrucksweisen, wobei deutsche und franzosische Ubersetzungsaquiva- lente kontrastiert werden. Jede Sprachfassung des EG-Vertrags reprasentiert namlich einen Ausschnitt des jeweils in der betreffenden Sprache gepflegten (tradierten) ju- ristischen Sprachgebrauchs, der phanomenologisch ubereinzelsprachlicher Natur ist. Die Gegenuberstellung als aquivalent und vorgeformt erachteter Korrespondenzen gibt Aufschlufi iiber die einzelsprachliche Umsetzung dieser Strukturen in Reaktion auf parallel-identische Formulierungsaufgaben, welche im Rahmen iibereinzelsprach- lich gegebener Vorgeformtheit in systematisch reproduzierender Weise sprachspezi- fisch immer wieder in derselben Form oder in den engen Bahnen sprachgebrauchs- konformer Formulierungsalternativen erfolgt. Mit Hilfe welcher vorgeformter Strukturinventare setzt nun die Einzelsprache diese sich intratextuell rekurrent stellenden Formulierungsaufgaben (quantitative Komponente des Korpus) unter Beachtung des Kriteriums der in einem bestimmten fachlichen Kontext mafigeblichen, intertextu- ell ablesbaren Sprachgebrauchsadaquanz (qualitative Komponente des Korpus) um? Wie sind diese linguistischen Einheiten sprachsystematisch zu beschreiben? Mit an- deren Worten sollen Aussagen daruber gemacht werden, wie sowohl das Deutsche als auch das Franzosische sich ceteris paribus (Identitat der textexternen Bedin- gungen inkl. Kommunikationsaufgabe sowie der textinternen Makrostruktur) aus- drucken, um rekurrente Formulierungsaufgaben auf der Mikroebene einzelsprachlich- sprachgebrauchsadaquat zu bewaltigen. Es gilt, einzelsprachspezifische Strukturpra- ferenzen aufzuspuren und zu inventarisieren.
1.2.3.1 Die kontrastive Linguistik
Audi die kontrastive Linguistik hat den bereits oben in 1.2.1 erwahnten Paradig- menwechsel hin zur komplexen (Fach-)Textanalyse vollzogen, auch wenn es nach wie vor Defizite hinsichtlich vorgelegter empirischer Studien in diesem Bereich gibt. (vgl. Oldenburg 1992: 27)
Der Begriff Kontrastive Linguistik entstand in Anlehnung an die anglophone Ent- sprechung contrastive linguistics der 1940er Jahre (Whorf, Trager). Danach steht er allgemein fiir „synchronisch-typologische Sprachbeschreibung“ und erfafit einen diver- sifizierenden Bereich der strukturalistischen Sprachwissenschaft:
„Die KL [Kontrastive Linguistik] ist synchroner Sprachvergleich; ihre Aufgabe besteht darin, totale oder partielle Ubereinstimmung und Unterschiede zwischen beliebig ausgewahlten Einzelsprachen zu beschreiben.“ (Cartagena 2001: 687)
Die kontrastive Linguistik grenzt sich in diesem letzten Punkt von der herkommlichen Komparatistik dadurch ab, dafi fiir sie genetische Verwandtschaft der zu vergleichen- den Sprachen irrelevant und statt dessen die Arbitraritat der Wahl festgeschrieben ist; zudem handelt es sich bei ihr um eine in der Synchronizitat begriffene Disziplin, wohingegen die Komparatistik diachrone Sprachbeschreibung betreibt. (vgl. ebenda: 688) Vereinzelt und lediglich temporar hat diese Charakterisierung in den 1980er Jahren auch die Bezeichnung Konfrontative Linguistik erhalten, wobei die eigentliche kontrastive Linguistik als einer ihrer Teilbereiche ausgewiesen wurde, der sich speziell mit der Untersuchung interlingualer Diskrepanzen befafite. Aber schon insbesondere im Gefolge von Coseriu begann man, die beiden Gebiete anhand der Epitheta „theo- retisch“ bzw. „angewandt“ in Verbindung mit „kontrastiv“ zu differenzieren dahinge- hend, dafi man zu der Auffassung von „konfrontativ“ als „theoretisch-kontrastiv“ und „kontrastiv“ als „angewandt-kontrastiv“ gelangte. (ebenda: 687 m. w.N.) Demnach impliziert Konfrontativitat die theoretische Seite des kontrastiven Ansatzes, wah- rend Kontrastivitat den Blick auf den konkreten Anwendungsbezug der Sprache, also auch auf ihre authentische Verwendung in Texten, lenkt. Innerhalb der angewandt- kontrastiven Linguistik wird zwischen „allgemeine(r)“ und „spezielle(r)“ Auspragung unterschieden, in Abhangigkeit davon, „ob sie sich mit allgemeinmethodischen und theoretischen Fragen der enunzierten Anwendung beschaftigt, oder aber die dabei gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umsetzt, z. B. in Form von Anordnungen des Sprachmaterials fiir Lernzwecke oder der Erstellung von geeigneten sprachenpaarbe- zogenen Programmen fur die maschinelle Ubersetzung bzw. vergleichende Valenzwor- terbiicher“. (ebenda: 699) [Hervorhebung nicht im Original] Die inventarisierende Untersuchung sprachlicher Vorgeformtheit des EG-Vertrags verfolgt demnach einen innerhalb synchroner Sprachbeschreibung angesiedelten, angewandt-kontrastiven An- satz spezifischer Pragung.
Logisch betrachtet kann eine interlinguale Gegeniiberstellung erst dann erfolgen, nachdem zunachst einmal die einzelsprachlichen Befundkomplexe (hier: vorgeformte Manifestationen) fiir sich intralingual beschrieben worden sind. (vgl. in diesem Zu- sammenhang auch weiter unten die Ausfiihrungen zu intra- und interlingualen type- token-Relationen; 1.2.3.2) Dabei nahrt sich die kontrastive Linguistik von den Resul- taten der deskriptiven Sprachwissenschaft. Bereits bei der einzelsprachspezifischen Beschreibung bedarf es der Fixierung der Darstellungs- und Auslegungsmethode, wo- bei das Prinzip der interlingualen Homogenitat bei samtlichen Beschreibungsparame- tern zu wahren und dieselbe Beschreibungsmethodik auf die Sprachen anzuwenden ist. (vgl. ebenda: 687) Die erste Pramisse wird m. E. angesichts der interlingualen Untersuchung speziell von Paralleltexten und der sie translingual auszeichnenden Vorgeformtheit vollauf eingehalten; die Erfiillung der zweiten Voraussetzung wird schliefilich dadurch erleichtert, dafi es sich beim Deutschen und Franzosischen um Sprachen handelt, die infolge ihrer indoeuropaischen Provenienz mehr oder weniger mit Hilfe desselben sprachsystematischen Analyseinstrumentariums beschrieben wer- den konnen; dies soil indes mit Blick auf die weiter oben in diesem Kapitel angefiihrte Aussage ausdriicklich nicht als Pladoyer fiir eine komparatistische Betrachtungsweise von Vorgeformtheit verstanden werden, sondern lediglich als die Kontrastierung der Sprachen erleichternder Faktor.
Im Rahmen interlingualer Vergleichsstudien ist die Annahme eines tertium com- parationis, eines iibereinzelsprachlich obligaten ..Bezugssystems. das erlaubt, besagte Gegeniiberstellung auf der gleichen Ebene durchzufiihren, und damit die Vergleichbar- keit des Verglichenen gewahrleistet“, unumganglich. (ebenda: 690; vgl. auch Adamzik 2001b: 24) Dieses wird ferner als eine hypothetische Entitat verschiedener Invarianten betrachtet, die „metasprachlichen Charakter gegeniiber den zu vergleichenden objektsprachli- chen Erscheinungen haben [muB]. Es [d. h. das tertium comparationis] darf nicht mit den untersuchten Sprachen identisch sein, sondern muB Aussagen iiber die zu untersuchenden Sprachen beinhalten.“ (Krause 2000: 60) [Hervorhebung im Original]
Die zu kontrastierenden sprachlichen Strukturen haben demnach aquivalent zu sein, damit die Festsetzung einer Vergleichsgrofie iiberhaupt moglich sein kann. (vgl. Cartagena 2001: 690) Dies ist wie dargelegt im Rahmen von EG-Paralleltexten der Fall. Von besonderem Interesse fiir die Ausrichtung vorliegender Arbeit ist das tertium comparationis „im Textbereich“. Unter diesem Blickwinkel stehen „der interlinguale Vergleich von textkoharenzerzeugenden Mechanismen [und] von textsortenspezifi- schen Merkmalen“ im Zentrum kontrastiver Textlinguistik als etablierter Teildisziplin der kontrastiven Sprachwissenschaft. Insbesondere hinsichtlich der Determinierung textsortentypischer Besonderheiten wird dabei auf die Analyse Rauchs (1984) verwie- sen, an welche sich diejenige von Rauch/Rothkegel (1985) anschliefit. Die von diesen
Arbeiten unterstellte Aquivalenz rubriziert als eine semantisch-referentielle, welche wiederum pragmatisch-(kon)textuelle Aquivalenz beinhaltet. (vgl. ebenda: 696) Das kumulative Vorliegen dieser Aquivalenzformen indiziert insgesamt „Ubersetzungsaqui- valenz". Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dafi das Merkmal der Ubersetzungsaquivalenz oftmals als Vergleichsinvariante kontrastiver Analysen fungiere, da es effektiv ’the best available TC [tertium, compamtionis] for CA [contrastive analysis]’ sei. Dabei vermutet man richtigerweise kontextuelle Kriterien fur die Wahl bestimmter Ubersetzungsformen und deren Praferenz gegenuber anderen moglichen. Diesbeziiglich wird zwar angemerkt, dafi die anhand von Ubersetzungen elaborierten Korpora keine exhaustive Beschreibung der realiter existierenden Korre- spondenzen und Diskrepanzen zwischen den jeweiligen Sprachen garantieren konnten; handele es sich bei der Untersuchung jedoch um eine auf pragmatischer und textlin- guistischer Ebene angesiedelte kontrastive Studie, wie die hier gegebene, so stelle die Ubersetzungsaquivalenz eine ausgesprochen effektive Pramisse dar, deren Anwen- dung dann der Sprachverwendungsproblematik (parole) vorbehalten ware, (ebenda: 698) Vergleiche der Sprachstrukturen sind notwendigerweise grundsatzlich im Zusammenhang mit Analysen der Sprachverwendung zu tatigen. (vgl. Adamzik 2001b: 14) Die vorliegende kontrastive Untersuchung betrachtet Vorgeformtheit i. V. m. Ubersetzungsaquivalenz aufgrund ihrer schon mehrfach angefuhrten ubereinzelsprachlichen Relevanz (vgl. bereits weiter oben die Bezeichnung „gemeinsame Invariante“; 1.1.2) als tertium, comparationis.
Zusammenfassend sollen hier folgende, von Foldes (1996: 15) fur kontrastive (phra- seologische) Analysen postulierte Pramissen mafigeblich sein, wobei jeweils im An- schlufi an jede einzelne von ihnen in Kurzform der thematische Bezug hergestellt wird:
1. Existenz von Kongruenzen, Similaritaten und Disparitaten der zu vergleichen- den Sprachen: eigentlich selbstverstandlich; setze ich demnach voraus
2. Qualitative Umschreibung des Analyseterrains und anschliefiende quantitative Inventarisierung der sprachlichen Befunde: Ausfuhrungen zu den hier mafigebli- chen Konstituenten des Phanomens der Vorgeformtheit und ihren aufiersprach- lichen Implikationen am Beispiel des EG-Vertrags; einzelsprachliche Inventare aus dem Anhang extrahiert in der Analyse (II) aufgefuhrt
3. Komparabilitat: in Form von aufiersprachlich und makrostrukturell identischen, vollaquivalenten EG-Paralleltexten gegeben
4. Determinierung einer „Invariante“ oder „Bezugsgrofie“ (tertium comparationis) als Konkretisierungsmafistab der ersten Pramisse: Vorgeformtheit i. V. m. Ubersetzungsaquivalenz
5. homogenes Theoriekonzept als Grundlage: ubereinzelsprachlich, also auch in den deutschen und franzosischen Parallelfassungen analog gegebene, fachsprach- lich induzierte Vorgeformtheit (aufiersprachliche Motivation des an den juristi- schen Sprachgebrauch und seinen Sprachverwendungsaspekt gekoppelten Pha- nomens)
1.2.3.2 Forschungsstand zu kontrastiven Analysen des
Untersuchungsgegenstandes, unter Beriicksichtigung der jeweils fachorientierten Textsortenforschung, Phraseologie und Translationswissenschaft
Der Vertrag als auch sprachlich institutionalisierte Fachtextsorte wurde bislang von seiten der Fachtextsortenlinguistik weder einer detaillierten Beschreibung noch einer eingehenden Analyse unterzogen:
„Er findet sich vor allem in Aufzahlungen und Klassifizierungsansatzen als nicht naher definierter Platzhalter und erfahrt gelegentlich eine exemplarische Darstel- lung (...).“ (Hoffmann 1998c: 533)
Eine Vielzahl interlingualer, korpusbasierender Arbeiten sind in den 1990er Jahren zu formelhaften Texten redigiert worden (vgl. Giilich/Krafft 1998: 12, Fn 4 m. w. N.); juristische Textsorten im allgemeinen und (volkerrechtliche/internationale) Vertrage im speziellen jedoch wurden bislang m. W. unter diesem Aspekt bzw. dem der be- griffsweiteren Vorgeformtheit (vgl. dazu bereits oben; 1.1.2) weniger erortert. Diesem Mifistand mochte vorliegende Untersuchung abhelfen. Formelhafte Texte behandelte man zum Leidwesen der Phraseologie vornehmlich u. a. im Rahmen von Text sort en- forschungen, wobei etwaig gegebene Fachzusammenhange bzw. die durch die Fachzu- gehorigkeit bestimmter Texte gelieferten Motive fur die Vorgeformtheit sprachlicher Mittel vernachlassigt wurden. Innerhalb dieser Studien kaprizierte man sich auf die Herausarbeitung einer charakteristischen Textmatrix und liefi es an Ausfuhrungen zu der in evidenter Weise in diesen Texten vorliegenden Vorgeformtheit auf der for- mulativen Ebene fehlen. (vgl. ebenda: 15) Kritisch hinzuzufugen sei an dieser Stelle jedoch, dafi Giilich/Krafft (1998) ebenso wie die iibrige Forschung m. E. zu sehr auf den intertextuellen Aspekt der Selektion von Sprachmitteln fokussieren und dabei Vorgeformtheit im Zusammenhang mit der intratextuellen Rekurrenz dieser Einhei- ten iibersehen. Kontrastive Analysen sind bislang sehr beschrankt auf wenige Ein- zelsprachen (hauptsachlich Englisch und Deutsch) durchgefuhrt worden, wohingegen das Franzosische diesbeziiglich nur marginales Interesse hervorgerufen hat. (vgl. Baumann/ Kalverkamper 1992: 25) Es uberwiegen besonders bilinguale Untersuchungen. (vgl. Korhonen/Wotjak 2001: 229) Auch die empirische Phraseologie ist dezidiert ein- zelsprachlastig. EUROPHRAS-Studien sollen darauf hinwirken, dafi im Rahmen der vergleichenden Phraseologieforschung insbesondere das Franzosische starker beriicksichtigt wird. (vgl. Greciano 1989: 155; vgl. auch Kjaer 1994: 318) Die Distribution phraseologischer Einheiten auf der Ebene des Textes und in der Zusammenschau mit den pragmatischen Verwendungsbedingungen sind forschungsstatistisch aufierst selten belegt. Auch der „textsortentypische“ Gebrauch phraseologischer Einheiten in den zu vergleichenden Sprachen bedarf nach Korhonen/Wotjak (2001: 231 f.) noch ein- gehender, deskriptiv-thesaurierender Analysen. Die Autoren liefern einen Forschungs- iiberblick zur interlingualen kontrastiven Phraseologie der 1960er Jahre bis heute (vgl. ebenda: 228 ff.), der eine Forschungsliicke beziiglich des Untersuchungsgegenstandes offenbart. Ein Pladoyer fiir die Extensionierung phraseologischer Studien explizit auf den europaischen Kontext und somit hin zu - auch ideell wertvollen - kontrastiven Studien schon Phraseologizitat i.w.S. (vgl. dazu weiter unten; 2.1.1) erfiillender sprachlicher Einheiten formuliert Greciano (1998: 258):
„Fiir die orthodoxe Phraseologie mogen die fiir das untersuchte Europakorpus konstitutiven, weil systematisch reproduzierten Wen dun gen zur Peripherie Hires Formeninventars gehoren. Dennoch, ihre Regularitat und Stabilitat, ihre Ge- brauchlichkeit - um phraseologische Definitionskriterien wieder aufzugreifen - bediirfen der Einbindung in den spezifischen Europakontext.“ [Hervorhebungen nicht im Original]
Von seiten der Fachiibersetzung ergeht folgender Appell:
„Fachsprachliche Forschungsergebnisse, wie z.B. ein systematischer Parallelver- gleich von Standardformeln in einzelnen Sprachen, waren (...) hilfreich.“ (Stolze 1992b: 229 und 1999a: 176 sowie 1999b: 56)
Zudem sind „kontrastive Formelsammlungen“ wie insbesondere die aus dem erstellten Korpus extrahierbare ein damit zusammenhangendes Forschungsdesiderat. (Stolze 1999b: 56) Der erwahnte Aufruf entspringt der Erkenntnis, dafi beispielsweise Paral- leltexte wie die Sprachfassungen des EG-Vertrags bedauerlicherweise
’’have rarely been mentioned in translation theory, let alone analyzed in detail.
This is perhaps because they are institutional texts, thus implying off-limits for translation theorists.” (Sarcevic 1997: 21)
Dabei ist es doch gerade die Institutionalisiertheit dieser Texte, die fiir die aufierst untersuchenswerten sprachlichen Regelmafiigkeiten auf der Formulierungsebene ver- antwortlich zeichnet (vgl. auch weiter unten; 2.2.2.1) und aus der sehr wohl iiberset- zungstheoretische Riickschliisse auf bzw. Anweisungen fiir eine bestimmte Art der Ubersetzungsleistung ableitbar sind.
Rauch/Rothkegel (1985) prasentieren trotz ihres etwas anders gelagerten Interes- senschwerpunktes eine fiir das Thema der Vorgeformtheit sehr relevante kontrastive, sogar trilinguale Studie (deutsch/englisch/franzosisch), die bei der Betrachtung von EG-Abkommen von denselben Pramissen wie die vorliegende Arbeit ausgeht; daher
soil im folgenden naher auf sie eingegangen und dabei ein standiger Riickbezug auf die hier vertretenen Annahmen und die methodische Herangehensweise hergestellt werden. Sie beschaftigt sich im Rahmen computergestiitzter Ubersetzung mit Frage- stellungen der Selektion von Ubersetzungsaquivalenten unter dem Blickwinkel des in EG-Texten als „Mustertexte(n)“ sich manifestierenden Sprachgebrauchs. (ebenda: 1 f.) Es handelt sich dabei um iibersetzte Texte, die somit als Produkte bereits erfolgter Translationsentscheidungen gelten und aufgrund dieser Tatsache die Ubersetzungs- theorie eigentlich in besonderem Mafie interessieren miifiten. (vgl. dazu weiter oben in diesem Kapitel) Aus der Einsicht in ihren authentisch-abgeschlossenen Charakter heraus resultiert der ebenfalls sprachverwendungsorientierte Ansatz der Autorinnen. (vgl. ebenda: 4) Der EG-Kontext wurde nach eigenen Angaben deshalb gewahlt, da man hier auf einzelsprachliche, ausschliefilich in rechtsverbindlichen Parallelfassungen vorliegende Texte treffe. Demzufolge wird die oben in 1.1.1 bereits skizzierte Paral- leltextmethode von Hartmann (1980) fur anwendbar erklart. Eine derartig angelegte kontrastive Analyse zeichne sich aufgrund ihres Pilotstatus durch Exemplaritat aus. (vgl. ebenda: 3 und 6) Die Studie, die ebenfalls das Deutsche zur Ausgangssprache ihrer Betrachtungen bestimmt, fiihlt sich mehr der kontrastiven Linguistik als der Translationswissenschaft verpflichtet:
„Uns geht es (...) nicht darum, die Bedingungen fur Aquivalenz festzulegen.
Wir wollen vielmehr versuchen, anhand vorgegebener Paralleltexte die sich als aquivalent manifestierenden Einheiten aufzulisten und zu sortieren. Da unser Texttyp als Teil des internationalen Diskurses ein relativ standardisierter Texttyp ist und fur jede Textstelle die Moglichkeit des fur verschiedene Sprachversionen einheitlichen Referierens in der Praxis garantieren muB, verlassen wir uns auf die Ergebnisse der Ubersetzer, was jeweils als aquivalent gelten soll.“ (ebenda: 6)
Die Annahme von Ubersetzungsaquivalenz innerhalb der Total- bzw. Vollaquivalenz der Sprachfassungen des EG-Vertrags spiegelt diese Uberlegungen wider. Die sprach- lichen Betrachtungsebenen sind wie in vorliegender Arbeit die der Syntax und der Lexik. (vgl. ebenda: 1) Da die lexikalische Distribution in Form von Einzellexemen, Lexemgruppen und mehrgliedrigen lexikalischen Einheiten in bestimmten analogen Satzpositionen verlauft, sei eine direkte Zuordnung der Aquivalente unproblematisch. (vgl. ebenda: 9) Skopus der Untersuchung ist die Befahigung computergestiitzter Sy- steme, anlafilich von Textabfassungen zielsprachliche Formulierungsangebote zu un- terbreiten, die bereits im voraus auf die fur die Textsorte sprachgebrauchsspezifischen Alternativen aus dem Gesamtpotential einer Sprache restringiert worden sind. (vgl. ebenda: 1) Dieser Analyseintention soil auch hier - zumindest indirekt, insofern als die vorliegende Studie auch fur die maschinelle Ubersetzung innerhalb der Computerlin- guistik aufschlufireich sein kann - und freilich unter der Pramisse von Vorgeformtheit sprachlicher Strukturen bzw. sprachlicher Mittel nachgegangen werden.
„Es stellt sich die Frage, ob die fur den Quelltext als texttypisch festgestellte Rekurrenz im Zieltext beibehalten ist (parallele Rekurrenz) bzw. welche Alter- nativen gewahlt werden. Unter diesem Gesichtspunkt betrachten wir nur solche Einheiten, die iiberhaupt rekurrent auftreten.“ (ebenda: 15 f.)
Wie bereits oben in 1.2.2 teilweise ausgefiihrt worden ist, axiomatisiere ich diese Wie- derkehr identischer sprachlicher Einheiten ebenfalls als zum einen in bezug auf die Ausgangssprache Deutsch geltende Grundbedingung fiir eine korporale und damit analytische Beriicksichtigung sowie zum anderen ein in der mit ihr kontrastierten Sprache relevantes, sich analog abzeichnendes Phanomen (Moglichkeit der parallelen Rekurrenz oder der Rekurrenz von Formulierungsalternativen), blofi mit dem Un- terschied, dafi ich den Kontext sprachlicher Vorgeformtheit gewahlt habe. Die als Zielsetzung der Studie genannte Befahigung setzt u. a. die beiden folgenden Schritte voraus (vgl. ebenda: 1 f. und 10 f.), deren erster mit der von mir dargestellten qua- litativen Komponente des vorgeformten Korpus vergleichbar ist und deren zweiter Gegenstand der mikrostrukturellen Analyse sein wird:
1. Die bereits vorselektierten sprachlichen Formulierungsinventare („texttypspezi- fische Repertoires"; vgl. auch Rauch 1984: 274) sind, sofern nicht schon bekannt, anhand der Ausweisung von Ubersetzungsaquivalenten festzulegen; hierzu werden die jeweiligen anderssprachlichen Einheiten sondiert.
2. Des weiteren sollten textsortenspezifische Angaben zur intratextuellen Rekurrenz bzw. Distribution vorliegen:
„Hierbei geht es um das Verhaltnis von ein- bzw. mehrmaliger Verwendung (Wiederholung) der Repertoireeinheiten im Text. Rekurrenz wirkt auf die Kohasion und Informationsdichte im Text. Wenn wir solche Aspekte bei der Ubersetzung beachten wollen, miissen wir bei der Auswahl der Aquivalen- te auch die Verteilung der Einheiten im Text (wiederholtes Vorkommen) beriicksichtigen.“
Mit steigender Rekurrenz nehme die „Informativitat“ ab und somit die Redundanz zu. Die informatorische Diminution sprachlich rekurrenter Einheiten ist m. E. in nicht unbetrachtlichem Mafie durch deren reproduziert-vorgeformten Charakter bedingt. (vgl. auch weiter unten die Reproduziertheit phraseologischer Wortverbindungen; 2.1.1.1.2) Als Rekurrenzindikator fungiere die „type-token-Relation“ (ebenda: 41), die im Anhang ihrer Studie (vgl. ebenda: 150 ff.) exemplifiziert wird. Type ist dabei der aus den Formulierungsinventaren (vgl. oben 1. Schritt) im Wege der Analyse extra- hierte „Typ der sprachlichen Einheit", token das rekurrente „Vorkommen im Text" (ebenda: 15), also die intratextuell wiederholte Distribution des type. Entsprechen- de Aquivalenzlisten, die sowohl jeweils in ihrer Rekurrenz begriffene feste als auch alternative Aquivalente erfassen, figurieren im Anschlufi an die Untersuchung (vgl. ebenda: 160 ff.) und beinhalten statistische Angaben, d. h. die genaue Zahlung der token. Die mikrostrukturelle Analyse des von mir erstellten Korpus kann abziiglich der hier nicht vorgesehenen exakten Quantifizierung der Daten als die Etablierung einer solchen Aquivalenzliste begriffen werden, in der innerhalb einer Manifestation potential kumulativ feste interlinguale Korrespondenzen (vgl. weiter oben „parallele Rekur- renz“) sowie infolge der Konstantsetzung des Deutschen als Ausgangssprache alternative Formulierungsaquivalente des Franzosischen firmieren, die ihrerseits wiederum type-token-Relationen innerhalb dieser Sprache ergeben konnen, sofern sie rekurrent in Erscheinung treten;[3] Manifestationen, in denen auch im Deutschen type-token- relationale Alternativen nachgewiesen werden konnen, sind korporal bekanntlich mit der Kombination romische/arabische Ziffer gekennzeichnet. (vgl. weiter oben; 1.2.2) In dem Bestreben, die angesprochenen Phanomene der type-token-Relation und der parallelen Rekurrenz sprachlicher Einheiten fur meine kontrastive Analyse fruchtbar zu machen, verbinde ich beide Elemente folgendermafien, wobei ich - ahnlich wie bei der intertextuellen Fortschreibung und intratextuellen Rekurrenz sprachlicher Mittel - eine mitunter alternative Terminologie verwende: Das Korpus kann m. E. als sprach- ubergreifende Zusammenschau jeweils intralingualer type-token-Relationen begriffen werden, da jede vorgeformte Manifestation, genau wie es die Studie Rauch/Rothkegels (1985) zugrundelegt, die intratextuelle Rekurrenz selektierter Spracheinheiten bein- haltet, also types nur unter der Bedingung ihres wiederholten Vorkommens im Text korporal berucksichtigt. Die von den Autorinnen anlafilich der kontrastiven Analyse avisierte Eruierung paralleler Rekurrenzen mochte ich als Versuch der Zusammen- fiihrung ebendieser intralingualen type-token-Relationen auffassen, wodurch besagte parallele Rekurrenzen oder - wie ich diese Moglichkeit terminologisch subsumieren mochte - interlinguale type-token-Relationen sichtbar gemacht werden konnen; sie sind aufgrund der ubereinzelsprachlichen Geltung des Phanomens der Vorgeformtheit und dessen konstitutiven Eigenschaften in hochstem Mafie erwartbar. Mit anderen Worten: Durch das Zusammenfiihren vertikaler intralingualer type-token-Relationen, die sich bei konstantgesetzter Ausgangssprache aus der Gegeniiberstellung in Uber- setzungsaquivalenz befindlicher Textstellen des Paralleltextes EG-Vertmg ergeben, sind automatisch interlinguale type-token-Relationen ablesbar, die auf der Horizon- talen der Reihe nach abgeschopft werden konnen (vgl. die auf Seite 29 innerhalb des Schaubilds zahlreich dargestellten horizontalen beidseitigen Pfeillinien). Es existieren insgesamt sowohl vollstandige (durchgehende) als auch alternative intra- bzw. interlinguale type-token-Relationen, wobei aufgrund der Ausgangssprache Deutsch hier aus- schliefilich durchgehende intralinguale type-token-Relationen zu veranschlagen sind,
was eventuell zu einer analogen intralingualen Konstanz auf seiten des Franzosischen fiihren kann, aber keinesfalls mufi, da ohne weiteres ebenso durch Vorgeformtheit charakterisierte alternative intralinguale type-token-Relationen moglich sind. Treffen durchgehende intralinguale type-token-Relationen aufeinander, so zeichnen sich auch konstante interlinguale type-token-Relationen ab; umgekelirt bedeutet dies, dafi alternative type-token-Relationen des Franzosischen folglich die analytische Bildung alter- nativer interlingualer type-token-Relationen bewirken. Diese type-token-Relationen abbildenden Varianten sind nicht zuletzt aufgrund ihres rekurrenten Vorkommens als echte Sprachgebrauchsalternativen aufzufassen.
Die vorgeformten mikrostrukturellen Manifestationen des Korpus konnen unter Beriicksichtigung der in ihnen waltenden type-token-Relationen wie folgt vereinfacht visualisiert werden:
vorgeformte mikrostrukturelle Manifestationen des Korpus in
Ubersetzungsaquivalenz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
interlinguale type-token-Relationen
(AS: Ausgangssprache)
Wahrend also das kontrastive Augenmerk bei der Analyse des Korpus in Anhang III auf das Herausarbeiten interlingualer type-token-Relationen (paralleler Rekurren- zen) gerichtet ist - freilich unter vorheriger Nennung der jeweils einzelsprachlichen type-token-Relationen mufi in bezug auf die Untersuchung der Mikrostruktur der Praambel (vgl. Anhang II) erst noch eine Eruierung moglicher intralingualer typetoken-Relationen vorgenommen werden, da im Gegensatz zum Korpus a priori kei- ne gezielte Aufbereitung und Anordnung des Datenmaterials erfolgt ist, um dann schliefilich in einem nachsten Schritt eventuelle interlinguale type-token-Relationen konkretisieren zu konnen. Aufgrund der erheblich sparlicher vorhandenen Material- dichte der im Vergleich zum Vertragstext weitaus weniger umfangreichen Praambel hatte sich besagte Darstellungsweise ohnehin nicht als praktikabel erwiesen.
Die vorliegende Arbeit versucht insgesamt, mit Hilfe der qualitativen Komponente ihrer ubersetzungsaquivalenten Befunde und der Vermittlung einer Vorstellung ihres quantitativen Vorkommens einen kontrastiv ausgerichteten Beitrag zur Erfiillung der im Kontext maschineller Ubersetzung dargelegten Erfordernisse zu leisten. Insbeson- dere die Rekurrenz wird in Verbindung mit dem Phanomen der Vorgeformtheit gese- hen, insofern als sie letzteres zusammen mit der Auswahl (bzw. Praferenz) bestimmter sprachlicher Mittel entscheidend mitkonstituiert. Selektion und Rekurrenz sind nam- lich im EG-Vertrag als Faclitextvorkommen kookkurrent, ja sogar kooperativ. Hire gemeinsame Evidenz und ihr identischer Wirkungszusammenhang sind ferner uberein- zelspraclilich zu konstatieren, da die Formulierungstatigkeit derselben fachkontextuell anzusiedelnden und somit nicht sprachgemeinscliaftsgebundenen Kommunikationsge- meinschaft zum Zuge kommt, was im Verlaufe des folgenden Kapitels (2) eingehender erlautert werden soil.
[...]
[1] Anlafilich der kontrastiven Analyse der Mikroebene der Praambel wird jedoch eine im Rail- men weiterfiihrender Studien mogliche Ausgangssprache Franzosisch teilweise in die Betrachtungen einbezogen; dies hatte im Falle des Korpus den analytischen Rahmen gesprengt.
[2] Dadurch, dafi nur ein begrenzter Betrachtungsumfang im EG-Vertrag gewahlt worden ist, kann es durchaus vorkommen, dafi im Hinblick auf das Franzosische lediglich einmal ausgewiesene alternative Befunde innerhalb der vorgeformten Manifestationen in der Analyse unberiicksichtigt bleiben werden, obwohl sie im weiteren Verlauf des Vertrags womoglich mehrfach auftreten und insofern eigentlich Gegenstand einzelsprachlicher type-token-Relationen gewesen waren.
- Quote paper
- Dan Lohmeyer (Author), 2002, Vorgeformte Strukturen in einer Fachtextsorte - Eine kontrastive Analyse der deutschen und französischen Fassung des EG-Vertrags , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94183
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