Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welcher didaktischer Ansatz dem Klassenmusizieren zugrunde gelegt werden sollte. Zudem soll analysiert werden, ob es um das Betreiben einer ästhetischen Praxis geht oder ob das Klassenmusizieren dem Aufbau musikalischer Fähigkeiten dient.
In dieser Arbeit werden nach der Klärung des Begriffs Klassenmusizieren mit seinen verschiedenen Formen und Zielen, die beiden Ansätze der musikalisch-ästhetischen Bildung mit ihrem Kern ästhetischer Praxis und des AMU mit seinem Praxisfeld 'Aufbau musikalischer Fähigkeiten' erläutert. Dabei stehen deren Begründung, Ziele und Umsetzung des Klassenmusizierens im Fokus. Diese werden jeweils anhand ausgewählter Beispiele verdeutlicht.
In einer darauffolgenden Gegenüberstellung werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Konzepte aufgezeigt. Die Ergebnisse werden im 'Klassenmusizieren als integratives Modell' (KiM) zusammengeführt. Abschließend folgt ein Fazit, welches die Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfasst und die Eingangsfrage beantwortet. Außerdem wird die Relevanz der Ergebnisse für die Planung und Umsetzung von Klassenmusizieren aufgezeigt.
Das Klassenmusizieren, als Gegenbewegung zum theorie- und kunstmusiklastigen Musikunterricht der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dominiert mehr und mehr den Musikunterricht an deutschen Schulen. Aufgrund der Prominenz des Klassenmusizierens wird dessen musikpädagogische Ausrichtung immer wichtiger, denn daran orientieren sich Planung, Durchführung und Ziele des Musikunterrichts.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Klassenmusizieren
2.1 Definition
2.2 Verwandte Begriffe
2.3 Formen
2.4 Ziele
3 Klassenmusizieren als ästhetische Praxis
3.1 Musikalisch-ästhetische Bildung
3.1.1 Was bedeutet »ästhetisch«?
3.1.2 Ästhetische Wahrnehmung
3.1.3 Ästhetische Einstellung
3.1.4 Ästhetische Erfahrung
3.1.5 Ästhetische Produkte
3.1.6 Ästhetische Praxis
3.1.7 Ästhetischer Streit
3.2 Konsequenzen für das Klassenmusizieren
3.2.1 Beispiel 1: Ästhetischer Streit im Klassenmusizieren
3.2.2 Beispiel 2: Erfahren verschiedener Musikpraxen
3.3 Visualisierung und Überblick
4 Klassenmusizieren als Aufbau musikalischer Fähigkeiten
4.1 Aufbauender Musikunterricht (AMU)
4.1.1 Praxisfelder
4.1.2 Prinzipien zum Aufbau musikalischer Fähigkeiten
4.1.3 Audiation
4.2 Konsequenzen für das Klassenmusizieren
4.2.1 Beispiel 1: Vom Dreiklang zur Kadenz
4.2.2 Beispiel 2: Musizieren als Grundlage und Medium des Lernens
4.3 Visualisierung und Überblick
5 Gegenüberstellung
5.1 Unterschiede
5.2 Gemeinsamkeiten
5.3 Zwischenfazit
6 Klassenmusizieren als integratives Modell (KiM)
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1: Ziele des Klassenmusizierens (in Anlehnung an Bähr 2005, S. 165)
Abb. 3.1: Das Dreieck ästhetischer Praxis (in Anlehnung an Wallbaum 2005, S. 82)
Abb. 3.2: Instrumentalkarussell (in Anlehnung an Wallbaum 2005, S. 79)
Abb. 3.3: Klassenmusizieren als ästhetische Praxis (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.1: Drei Praxisfelder des AMU (in Anlehnung an Jank & Schmidt-Oberländer 2010, S. 5)
Abb. 4.2: Rhythmisches Pattern (in Anlehnung an Süberkrüb 2007, S. 71)
Abb. 4.3: Tonales Pattern (in Anlehnung an Süberkrüb 2007, S. 48)
Abb. 4.4: Zwölf Prinzipien zum Aufbau musikalischer Fähigkeiten (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.5: Audiation (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 4.6: Jamaica farewell (Quelle: Jank & Schmidt-Oberländer 2010, S. 236–237)
Abb. 4.7: Begleit-Arrangement Jamaica farewell (Quelle: Jank & Schmidt-Oberländer 2010, S. 237)
Abb. 4.8: Aufgabe Dreiklangs-Umkehrungen (Quelle: Kieseheuer & Jank 2011, S. 91)
Abb. 4.9: Aufgabe Bassstimme und Stufen (Quelle: Kieseheuer & Jank 2011, S. 91)
Abb. 4.10: Klassenmusizieren als Aufbau musikalischer Fähigkeiten (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.1 = Abb. 3.3: Klassenmusizieren als ästhetische Praxis (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.2 = Abb. 4.10: Klassenmusizieren als Aufbau musikalischer Fähigkeiten (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.3 = Abb. 3.1: Das Dreieck ästhetischer Praxis (in Anlehnung an Wallbaum 2005, S. 82)
Abb. 5.4 = Abb. 4.1: Drei Praxisfelder des AMU (in Anlehnung an Jank & Schmidt-Oberländer 2010, S. 5)
Abb. 5.5 = Abb. 4.5: Audiation (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.6: Moderierte SchulMusik (Quelle: Wallbaum 2010, S. 113)
Abb. 5.7: Dirigierte SchulMusik (Quelle: Wallbaum 2010, S. 113)
Abb. 5.8: Gemeinsamkeiten der Konzepte (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1: Integratives Modell (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.2: Klassenmusizieren als integratives Modell (KiM) (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 7.1 = Abb. 6.2: Klassenmusizieren als integratives Modell (KiM) (Quelle: Eigene Darstellung)
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In dieser Arbeit bleibt in wörtlichen Zitaten, aus Gründen der besseren Lesbarkeit, das von den Autoren verwendete generische Maskulinum unverändert. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
1 Einleitung
Das Klassenmusizieren, als Gegenbewegung zum theorie- und kunstmusiklastigen Musikunterricht der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts(Pabst-Krueger 2013, S. 161), dominiert mehr und mehr den Musikunterricht an deutschen Schulen. Die Zunahme an Veröffentlichungen zu diesem Thema, wie z.B. »Klassenmusizieren als Musikunterricht!?«(Schäfer-Lembeck 2005), machen diese Entwicklung deutlich.
Aufgrund der Prominenz des Klassenmusizierens wird dessen musikpädagogische Ausrichtung immer wichtiger, denn daran orientieren sich Planung, Durchführung und Ziele des Musikunterrichts. Die beiden konkurrierenden musikdidaktischen Paradigmen der »Musikalisch-ästhetischen Bildung«(Rolle 1999, 2005; Wallbaum 2005)und des »Aufbauenden Musikunterrichts« (AMU)(Gies et al. 2013)versuchen dabei Orientierung zu geben und das Klassenmusizieren für sich zu beanspruchen. Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen:
Welcher didaktische Ansatz sollte dem Klassenmusizieren zugrunde gelegt werden? Geht es um das Betreiben ästhetischer Praxis oder sollte das Klassenmusizieren dem Aufbau musikalischer Fähigkeiten dienen? Wie begründen sich die beiden Konzepte? Wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sowie Stärken und Schwächen der beiden Ansätze? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Umsetzung von Klassenmusizieren im Musikunterricht? Wie unterscheidet sich ein Klassenmusizieren zum Aufbau musikalischer Fähigkeiten von einem selbstzweckhaften (d. h. ästhetischen) Musizieren?
In dieser Arbeit werden nach der Klärung des Begriffs »Klassenmusizieren« mit seinen verschiedenen Formen und Zielen, die beiden Ansätze der Musikalisch-ästhetischen Bildung mit ihrem Kern ästhetischer Praxis und des AMU mit seinem Praxisfeld Aufbau musikalischer Fähigkeiten erläutert. Dabei stehen deren Begründung, Ziele und Umsetzung des Klassenmusizierens im Fokus. Diese werden jeweils anhand ausgewählter Beispiele verdeutlicht. In einer darauffolgenden Gegenüberstellung werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Konzepte aufgezeigt. Die Ergebnisse werden im »Klassenmusizieren als integratives Modell« (KiM) zusammengeführt. Abschließend folgt ein Fazit, welches die Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfasst und die Eingangsfrage beantwortet. Außerdem wird die Relevanz der Ergebnisse für die Planung und Umsetzung von Klassenmusizieren aufgezeigt.
2 Klassenmusizieren
Der Bildungsplan 2016 für Baden-Württemberg schreibt dazu:
Das gemeinsame Erlernen von Instrumenten ist Teil des Musikunterrichts. Besondere Modelle des Klassenmusizierens (Instrumental- und Singklassen) sind möglich und ergänzen den allgemeinbildenden und ganzheitlich orientierten Musikunterricht, auch in Verbindung mit außerschulischen Kooperationspartnern, wie regionalen Musikschulen oder Vereinen.(Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 2016, S. 5)
Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, welches musikdidaktische Konzept für das Klassenmusizieren am geeignetsten ist, sollte zunächst definiert werden, was mit dem Begriff in dieser Arbeit gemeint ist.
2.1 Definition
Eine weit verbreitete Definition stammt vonBähr(2005, S. 160)und definiert Klassenmusizieren wie folgt:
Im umfassenden Sinn ist Klassenmusizieren in der allgemein bildenden Schule eine gemeinsame musikalische Tätigkeit aller Mitglieder einer Lerngruppe. Klassenmusizieren ist didaktisch-methodisch geplante, gemeinsame Ausübung mit Gesang, Instrumentalspiel, Bewegung und Szene – einzeln bzw. in Kombinationen. Als musikalischer Lernprozess und als ästhetische-musikalische Gebrauchspraxis enthält Klassenmusizieren sowohl Anteile von musikalischem Handwerk und von künstlerischer Ausübung als auch von Reflexion der Material- und Bedeutungsdimension von Musik sowie der musikalischen Handlungen.
Wallbaum(2012, S. 65)kritisiert Bährs Begriffsbestimmung als widersprüchlich und meint damit die Miteinbeziehung von Bewegung (z. B. Tanz) und Szene (z. B. szenische Interpretation) in das Klassenmusizieren. Er schlägt deshalb vor „nur solche Situationen Klassenmusizieren zu nennen, in denen alle Schüler Klänge herstellen“. An anderer Stelle beschreibt er es als „eine über einen längeren Zeitraum unternommene musikalische Praxis, bei der jeder Einzelne einen Teil des gemeinsamen Gesamtklangs erzeugt“(Wallbaum 2005, S. 72).
Terhag(2012, S. 20)bewertet diesen Vorschlag äußerst kritisch:
Tanz und Bewegung aus dem Klassenmusizieren auszuschließen . . . geht aus praktischer Sicht völlig am Wesen des Klassenmusizierens und des Musizierens generell vorbei: Nicht nur ist Bewegung untrennbar mit allen Formen des Musizierens verbunden . . . sie ist auch bei vielen Formen des Musizierens mit Schulklassen integraler Bestandteil des Prozesses der Musikproduktion.
Pabst-Krueger(2013, S. 159)schließt sich dieser Kritik an und ergänzt: Wallbaum schließe damit kategorisch alle Lernsituationen aus, bei denen nicht alle Kinder aktiv musizieren. Dass diese Kritik durchaus berechtigt ist, zeigen Aussagen Wallbaums, die darauf schließen lassen, dass seine eng gefasste Definition Probleme mit sich bringt. So schreibt er z. B. „der strenge Begriff von Klassenmusizieren . . . [könnte] um das Herstellen selbst komponierter Stücke erweitert werden“(Wallbaum 2005, S. 88)oder „durch eine Erweiterung des Begriffs (der »Grenzen«) von Klassenmusizieren [kann dies teilweise] wettgemacht werden“(ebd., S. 91).
Pabst-Krueger äußert jedoch auch Bedenken an der sehr weit gefassten Definition Bährs und befürchtet Unklarheiten, da Kombinationen, wie z. B. Bewegung zur Tonaufnahme kein aktives Musizieren der gesamten Klasse einschließt. Seine angebotene Definition kann als Kompromiss angesehen werden und wird dieser Arbeit zugrunde gelegt:
„Klassenmusizieren“ (bzw. „Musizieren mit Schulklassen“) ist ein Oberbegriff für Aktionsformen im Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen, bei denen alle Schüler musikbezogen handeln und ein überwiegender Teil der Klasse aktiv musiziert. Aktivitäten zur Klangerzeugung können hierbei auch mit anderen musikbezogenen Tätigkeiten wie z. B. Tanzen, Zeichnen, Lichtmalen, Dirigieren, Zuhören kombiniert werden. (Pabst-Krueger 2013, S. 160)
Wird Klassenmusizieren nach dieser Definition praktiziert, sollte darauf geachtet werden, dass nicht immer derselbe Teil der Klasse aktiv musiziert. Es empfiehlt sich daher eine rotierende Form der Zuweisung musikbezogener Tätigkeiten (→3.2.2), sodass allen Lernenden das aktive Musizieren ermöglicht wird.
2.2 Verwandte Begriffe
Zum besseren Verständnis des Begriffs »Klassenmusizieren« ist es wichtig, die in diesem Zusammenhang häufig auftretenden Ausprägungen »Ensembles«, »Musizierklassen«, »Musikklassen« und »erweiterter Musikunterricht“ voneinander abzugrenzen.
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- Quote paper
- David Heinzelmann (Author), 2019, Klassenmusizieren als ästhetische Praxis oder als Aufbau musikalischer Fähigkeiten?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/941146
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