Diese Arbeit widmet sich der Analyse der Besonderheiten und Verfahren bei der Bewertung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Um ein Bewusstsein für die Problemstellungen der Unternehmensbewertung zu schaffen, wird dafür auf die theoretischen Grundlagen der Unternehmensbewertung und die in Praxis und Literatur gängigen Bewertungsverfahren eingegangen. Anschließend werden die bewertungsrelevanten Spezifika von KMU erläutert, um daraus praxisrelevante Anwendungshinweise abzuleiten. Es soll die Forschungsfrage beantwortet werden, inwiefern spezifische Merkmale von KMUs zu Besonderheiten bei einer Unternehmensbewertung führen und welche Verfahren sich für die Bewertung von KMU eignen.
Die Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen ist relevanter denn je. Bis zum Jahr 2022 steht bei über 500.000 deutschen kleinen und mittleren Unternehmen eine Nachfolgeregelung an. Es handelt sich dabei um 13,7% der deutschen mittelständischen Unternehmen. In Ihrer Gesamtheit repräsentieren die KMU einen Anteil von 99,5% aller deutschen Unternehmen und beschäftigen gleichzeitig 57,6% aller sozialversicherungspflichtigen Angestellten in Deutschland.
Selbst wenn nicht jedes einzelne Unternehmen von einer Nachfolge betroffen ist, besteht zukünftig dennoch ein großer Bedarf an Unternehmensnachfolgen. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Nachfolgeregelung sind vielfältig. Das Unternehmen kann an Familienmitglieder, externe Käufer, Mitarbeiter oder Miteigentümer übergeben werden. Durch diesen Generationenwechsel entsteht eine große Nachfrage an Unternehmensbewertungen.
Hinzu kommt die ansteigende Bedeutung der Unternehmensbewertung für Steuer- und Finanzierungszwecke. Die KMU rücken dadurch weiter in den Fokus der Unternehmensbewertung. Die Unternehmensbewertung beschäftigt sich mit der Ermittlung von Werten und potenziellen Preisen für Unternehmen unter Berücksichtigung aller darauf einwirkenden Einflüsse. Die Wertermittlung setzt einen Zukunftsbezug voraus. Zudem ist der Zweck der Unternehmensbewertung maßgeblich für eine zielführende Wertermittlung. Trotz des hohen Bedarfs an Bewertungen für kleine und mittlere Unternehmen, liegt der Forschungsschwerpunkt der Unternehmensbewertung dennoch auf kapitalmarktorientierten Großunternehmen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Merkmale und Besonderheiten von kleinen und mittleren Unternehmen
2.1 Definition von kleinen und mittleren Unternehmen, Möglichkeiten und Grenzen
2.1.1 Quantitative Merkmale
2.1.2 Qualitative Merkmale
2.2 Volkswirtschaftliche Bedeutung
3 Grundlagen der Unternehmensbewertung
3.1 Wert und Preis
3.2 Werttheorien
3.2.1 Objektive Werttheorie
3.2.2 Subjektive Werttheorie
3.2.3 Funktionale Werttheorie
3.3 Funktionen der Unternehmensbewertung
3.3.1 Hauptfunktionen
3.3.2 Nebenfunktionen
3.4 Anlässe der Unternehmensbewertung
3.4.1 Transaktionsbezogene Bewertungsanlässe
3.4.1.1 Dominierte Bewertungsanlässe
3.4.1.2 Nicht dominierte Bewertungsanlässe
3.4.2 Nicht transaktionsbezogene Bewertungsanlässe
4 Bewertungsverfahren
4.1 Einzelbewertungsverfahren
4.1.1 Substanzwertverfahren
4.1.2 Liquidationswertverfahren
4.2 Gesamtbewertungsverfahren
4.2.1 Ertragswertverfahren
4.2.2 Discounted Cashflow-Verfahren
4.2.3 Multiplikatorverfahren
4.2.4 Realoptionsverfahren
4.2.5 Schwartz/Moon Modell
4.3 Mischverfahren
4.3.1 Mittelwertverfahren
4.3.2 Übergewinnverfahren
5 Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen
5.1 Grenzen der Aussagefähigkeit eines Unternehmenswertes von kleinen und mittleren Unternehmen
5.2 Besonderheiten bei der Bewertung von KMU
5.2.1 Besonderheiten bei der Prognose künftiger Cashflows
5.2.1.1 Personenbezogene Einflüsse und Besonderheiten
5.2.1.2 Besonderheiten bei der Unternehmensanalyse
5.2.2 Besonderheiten bei der Ableitung der Kapitalkosten
5.2.3 Berücksichtigung von Insolvenzrisiken
5.2.4 Berücksichtigung einer mangelnden Fungibilität
5.3 Bewertungsverfahren für KMU in der Praxis
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Qualitative Merkmale von KMU
Abbildung 2: Funktionen der Unternehmensbewertung
Abbildung 3: Anlässe, Zweck und Verfahren/Wertermittlung
Abbildung 4: Übersicht der DCF-Verfahren
Abbildung 5: Funktionsweise der Multiplikatorbewertung
Abbildung 6: Mögliche Vergangenheitsbereinigungen
Abbildung 7: Eigenkapitalquoten nach Beschäftigungsgrößenklassen
Abbildung 8: Anteil der für KMU verwendeten Bewertungsverfahren
Abbildung 9: Bewertungsverfahren der Größenklassen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Größenklassen nach §267 HGB
Tabelle 2: Quantitative Größenordnungen von KMU
Tabelle 3: Nebenfunktionen der Unternehmensbewertung
Tabelle 4: Klassifizierungsansätze der Unternehmensbewertungsanlässe
Tabelle 5: Bewertungsanlässe nach Änderung der Eigentumsverhältnisse
Tabelle 6: Schema Berechnung Unternehmenswert Einzelbewertungsverfahren
Tabelle 7: Schema Berechnung Liquidationswert
Tabelle 8: Free Cashflow Berechnung
Tabelle 9: Total Cashflow Berechnung
Tabelle 10: Enterprise-Value-Multiplikatoren
Tabelle 11: Equity-Value-Multiplikatoren
Tabelle 12: Besonderheiten von KMU und deren Auswirkung auf die Bewertung
Tabelle 13: Insolvenzen nach Umsatzgrößenklassen 2019 für Deutschland in Mio. Euro
Abkürzungsverzeichnis
APV Adjusted present Value
BUD Bundesverband Deutscher Unternehmensberater
BewG Bewertungsgesetz
CAPM Capital Asset Pricing Modell
CE Capital Employed
DCF Discounted-Cashflow
EBIT Earnings before Interest and Taxes
EBITDA Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation
EK Eigenkapital
ErbStRG Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
EU Europäische Union
EUR Euro
e.V. eingetragener Verein
EVA Economic Value Added
FCF Free Cash Flow
FK Fremdkapital
GK Gesamtkapital
GoP Grundsätze ordnungsgemäßer Planung
HGB Handelsgesetzbuch
IDW Institut der Wirtschaftsprüfer
IDW S 1 Institut der Wirtschaftsprüfer Standard S 1
IfM Institut für Mittelstandsforschung
IKS Internes Kontrollsystem
KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis
KMU kleine und mittlere Unternehmen
M&A Mergers & Acquisitions
Mio. Millionen
NAV Net Asset Value
n.b.V. nicht betriebsnotwendiges Vermögen
OpFCF Operating Free Cashflow
PEG-Ratio Price/Earnings/Growth-Ratio
TCF Total Cash Flow
Tz. Textziffer
UW Unternehmenswert
WACC Weighted Average Cost of Capital
1 Einleitung
Die Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen ist relevanter denn je. Bis zum Jahr 2022 steht bei über 500.000 deutschen kleinen und mittleren Unternehmen eine Nachfolgeregelung an. Es handelt sich dabei um 13,7% der deutschen mittelständischen Unternehmen.1 In Ihrer Gesamtheit repräsentieren die KMU einen Anteil von 99,5% aller deutschen Unternehmen und beschäftigen gleichzeitig 57,6% aller sozialversicherungspflichtigen Angestellten in Deutschland.2
Selbst wenn nicht jedes einzelne Unternehmen von einer Nachfolge betroffen ist, besteht zukünftig dennoch ein großer Bedarf an Unternehmensnachfolgen. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Nachfolgeregelung sind vielfältig. Das Unternehmen kann an Familienmitglieder, externe Käufer, Mitarbeiter oder Miteigentümer übergeben werden. Durch diesen Generationenwechsel entsteht eine große Nachfrage an Unternehmensbewertungen. Hinzu kommt die ansteigende Bedeutung der Unternehmensbewertung für Steuer- und Finanzierungszwecke. Die KMU rücken dadurch weiter in den Fokus der Unternehmensbewertung.3 Die Unternehmensbewertung beschäftigt sich mit der Ermittlung von Werten und potentiellen Preisen für Unternehmen unter Berücksichtigung aller darauf einwirkenden Einflüsse. Die Wertermittlung setzt einen Zukunftsbezug voraus. Zudem ist der Zweck der Unternehmensbewertung maßgeblich für eine zielführende Wertermittlung.4 Trotz des hohen Bedarfs an Bewertungen für kleine und mittlere Unternehmen, liegt der Forschungsschwerpunkt der Unternehmensbewertung dennoch auf kapitalmarktorientierten Großunternehmen.5
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Analyse der Besonderheiten und Verfahren bei der Bewertung kleiner und mittlerer Unternehmen. Um ein Bewusstsein für die Problemstellungen der Unternehmensbewertung zu schaffen, wird dafür auf die theoretischen Grundlagen der Unternehmensbewertung und die in Praxis und Literatur gängigen Bewertungsverfahren eingegangen. Anschließend werden die bewertungsrelevanten Spezifika von KMU erläutert um daraus praxisrelevante Anwendungshinweise abzuleiten. Es soll die Forschungsfrage beantwortet werden, inwiefern spezifische Merkmale von KMU zu Besonderheiten bei einer Unternehmensbewertung führen und welche Verfahren sich für die Bewertung von KMU eignen.
Hierfür ist zunächst eine Definition von KMU erforderlich. Auf die Einleitung folgen die Möglichkeiten und Grenzen der Definition von KMU anhand qualitativer und quantitativer Merkmale. Die volkswirtschaftliche Bedeutung von KMU findet dabei ebenfalls Erwähnung. Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Grundlagen der Unternehmensbewertung wobei auf die in Theorie und Praxis vorherrschenden Meinungen der Werttheorien eingegangen wird. Nebst der Werttheorien werden die Funktionen der Unternehmensbewertung und die Anlässe, welche eine Unternehmensbewertung erfordern, vorgestellt. Die häufig diskutieren Bewertungsverfahren der Einzel-, Gesamt- und Mischverfahren werden im 4. Kapitel thematisiert. Kapitel 5 beschäftigt sich mit den bewertungsrelevanten Merkmalen und Besonderheiten der KMU. Es wird auf die Problematik der Prognose zukünftiger finanzieller Überschüsse und die Schwierigkeit der Ableitung von Kapitalkosten zur Diskontierung der finanziellen Überschüsse eingegangen. Weiterhin wird die Berücksichtigung von Insolvenzrisiken und einer mangelnden Fungibilität der Unternehmensanteile von KMU diskutiert. Schließlich werden die im 4. Kapitel vorgestellten Bewertungsverfahren hinsichtlich ihrer Eignung zur Ermittlung eines zukunftserfolgsorientierten Unternehmenswertes beurteilt. Das letzte Kapitel stellt eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und die daraus ableitbaren Praxishinweise dar.
2 Merkmale und Besonderheiten von kleinen und mittleren Unternehmen
“Die Begriffe mittelständisches Unternehmen, Mittelstand, Kleine und mittlere Unternehmen und Familienunternehmen werden überwiegend synonym verwendet.”6
International betrachtet wird vorrangig von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) gesprochen, einem vorwiegend statistisch festgelegten Teil von der Gesamtwirtschaft.7
2.1 Definition von kleinen und mittleren Unternehmen, Möglichkeiten und Grenzen
Um die Analyse der Verfahren und Problematiken bei der Bewertung kleiner und mittlerer Unternehmen vornehmen zu können, muss eine Definition kleiner und mittlerer Unternehmen als Bewertungsobjekt getroffen werden. Dies ist im Rahmen einer Abgrenzung zu Großunternehmen erforderlich.
Aufgrund ihrer Heterogenität gibt es keine allgemeingültige Definition. Um allerdings eine weitest mögliche Eingrenzung vorzunehmen, wird in Literatur und Praxis zwischen quantitativen und qualitativen Differenzierungskriterien unterschieden. Der Vorteil quantitativer Kriterien ist eine eindeutige Zuordenbarkeit. Die quantitativen Kriterien werden von unterschiedlichen Institutionen definiert. Qualitative Eigenschaften hingegen bieten eine große Vielfältigkeit weshalb keine konkrete Standardisierung oder Präzisierung vorgenommen werden kann. Dennoch ergeben sich dadurch bewertungsrelevante Anhaltspunkte, auf die im Laufe der Untersuchung eingegangen wird.8
Wie aus der Empfehlung der EU Kommission betreffend der Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen bereits hervorgeht, sind einzelne quantitative Merkmale wie beispielsweise der Umsatz des Unternehmens kritisch zu betrachten. Branchenbedingt ergeben sich große Unterschiede bei einzelnen für sich allein stehenden Merkmalen wie beispielsweise dem Umsatz. So liegt der Umsatz eines Handelsunternehmens regelmäßig über dem Umsatz eines Unternehmens im verarbeitenden Gewerbe. Dadurch wird eine Vergleichbarkeit erschwert. Vielmehr ist es erforderlich, eine Kombination aus finanziellen Kennzahlen und der Anzahl der Mitarbeiter zur Einordnung vorzunehmen.9
2.1.1 Quantitative Merkmale
Die in der Praxis und durch gesetzliche Vorschriften meist verwendeten quantitativen Merkmale zur Einordnung der Unternehmensgröße sind die Kennzahlen Umsatz, Mitarbeiteranzahl und Bilanzsumme. Der Vorteil liegt hierbei in der Verfügbarkeit dieser Informationen. Die Definition der jeweiligen Abgrenzungsmerkmale unterscheidet sich allerdings.
Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) definiert in §267 HGB, dass Kapitalgesellschaften als kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften gelten, sofern sie mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschreiten.
Tabelle 1: Größenklassen nach §267 HGB
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: § 267 Abs. 1-2 HGB
Die Definition der EU- Kommission lautet, dass ein Unternehmen zu den KMU zählt, wenn es nicht mehr als 249 Beschäftigte hat und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erwirtschaftet oder eine Bilanzsumme von maximal 43 Millionen Euro aufweist.10
Das in Bonn ansässige Institut für Mittelstandsforschung nimmt ebenfalls eine Definition von KMU anhand quantitativer Kriterien vor. Demnach darf die Anzahl der Mitarbeiter 499 nicht überschreiten und weiterhin ist zur Erfüllung der Kriterien ein Jahresumsatz bis zu 50 Millionen EUR zulässig.11
Die aufgeführten Definitionen von KMU durch das deutsche Handelsgesetzbuch, die EU- Kommission und das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn weisen bereits Unterschiede auf. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die vielschichtigen Definitionen von KMU durch die jeweiligen Institutionen beziehungsweise Gesetze anhand quantitativer Merkmale.
Tabelle 2: Quantitative Größenordnungen von KMU
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 4
Die Abbildung enthält sowohl unterschiedliche Merkmale als auch abweichende Größenkriterien. Somit kann eine allgemeingültige Definition eines KMU anhand quantitativer Merkmale nicht vorgenommen werden.12
Die bisherigen Erläuterungen zeigen, dass eine quantitative Definition kleiner und mittlerer Unternehmen Beurteilungsschwierigkeiten aufweist. Die minimale Überschreitung der festgelegten Größenkriterien führt willkürlich zum Ausschluss der Unternehmenskategorie KMU. Die ökonomischen Auswirkungen der Erhöhung der Mitarbeiter von 250 um 1 Angestellten können jedoch nicht als signifikant betrachtet werden.13 Weiterhin ist eine Aufspaltung vieler abhängiger Konzernunternehmen in lediglich rechtlich und formal unabhängige Unternehmen zur Erreichung der vorgegeben quantitativen Kriterien möglich. Dabei kommt die Frage auf, ob die quantitative Definition trotz der genannten Beurteilungsschwierigkeiten tatsächlich zielführend ist.14 Die Über- oder Unterschreitung der in Tabelle 2 aufgeführten Werte liefert keine theoretische Begründung, die eine Bewertungsbesonderheit rechtfertigt.15 Da die (unterschiedlichen) quantitativen Definitionen somit keine Bewertungsbesonderheit darstellen, wird keine detaillierte Definition von quantitativen Merkmalen vorgenommen und die unterschiedlichen Definition für den Fortgang der Arbeit als nicht problematisch betrachtet.
2.1.2 Qualitative Merkmale
Die Beurteilung, ob ein KMU vorliegt, erfolgt in der wissenschaftlichen Literatur und in der Praxis durch die Analyse qualitativer Merkmale. Dies ist erforderlich um die strukturellen Eigenschaften und Besonderheiten dieses Segmentes zu identifizieren und daraus bewertungsrelevante Unterschiede abzuleiten.
Ein Leitmotiv kleiner und mittlerer Unternehmen drückt sich in der Praxis häufig durch die enge Verbindung des Unternehmens und des Inhabers aus.16 In den Unternehmen prägt sich dies anhand der Eigenschaften wie der Einheit von Risiko und Lenkung, Unabhängigkeit bei der Entscheidungsfähigkeit und Übernahme von Verantwortung sowie der Einheit wirtschaftlicher Existenz des Unternehmensinhabers und Existenz des Betriebes aus.17 KMU agieren regelmäßig in Nischen und verfügen über flache Hierarchien. Ihre Kunden sind ihnen dabei häufig persönlich bekannt. Eine klar formulierte und schriftlich festgehaltene Unternehmensstrategie liegt oftmals nicht vor. Vermehrt liegt auch kein oder nur ein eingeschränkter Kapitalmarktzugang vor. Eine robuste Eigenkapitalbasis muss somit stets überprüft und sichergestellt werden.18
In der folgenden Abbildung werden häufig genannte qualitative Merkmale kleiner und mittlerer Unternehmen dargestellt.
Abbildung 1: Qualitative Merkmale von KMU
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Ihlau, S., und Duscha, H., Hinweise, 2012, S. 490
Während bei Großunternehmen der Einfluss auf strategische Entscheidungen durch die Eigentümer und Gesellschafter als eher gering zu beurteilen ist, werden kleine und mittlere Unternehmen in der Regel mindestens von einem Eigentümer geführt. Dabei ist der geschäftsführende Eigentümer unmittelbar in die alltägliche Geschäftstätigkeit eingebunden und übernimmt nicht zuletzt auch operative Tätigkeiten.19 Aufgrund der Tatsache, dass 99,5% aller aktiv am Markt tätigen Unternehmen in Deutschland zu den KMU gezählt werden,20 und diese nicht grundsätzlich alle vorgegeben Merkmale erfüllen, kann keine allgemeingültige Definition getroffen werden. Dennoch ist an dieser Stelle festzuhalten, dass zur Feststellung und Beurteilung des Unternehmenssegmentes KMU eine dichotomische Betrachtung anhand qualitativer und quantitativer Merkmale vorgenommen werden muss. Aus Sicht des Autors ist hierbei der Schwerpunkt auf die individuellen qualitativen Eigenschaften zu legen. Die in Abbildung 1 enthaltenen qualitativen Merkmale dienen dabei als Leitmotiv. Liegen diese vor, ist die Ausprägung festzustellen und es muss beurteilt werden, ob diese eine Bewertungsrelevanz haben und wenn ja, wie diese in der Bewertung berücksichtigt werden können.
2.2 Volkswirtschaftliche Bedeutung
„Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind der Motor der europäischen Wirtschaft. Sie tragen wesentlich zur Entstehung der Arbeitsplätze bei, fördern den Unternehmergeist und die Innovationstätigkeit in der EU und spielen deshalb eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung“.21 Im Zeitraum von 2006 bis 2018 erfuhren kleine und mittlere Unternehmen ein Wachstum an Arbeitnehmern im Umfang von 5,5 Mio. Erwerbstätigen. Zum Ende des Jahres 2018 sind damit 31,7 Mio. Erwerbstätige in Deutschland in KMU beschäftigt. In Relation zur Gesamtanzahl Erwerbstätiger in Höhe von 45,1 Mio. Personen wird die gesamtwirtschaftliche Präsenz und Relevanz des Segmentes KMU deutlich.22 Auch die vom IfM berichteten 3,47 Mio. Unternehmen, welche 99,5% aller Unternehmen mit Umsatz aus Lieferungen und Leistungen darstellen, repräsentieren die Ausprägung und Relevanz von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland.23
3 Grundlagen der Unternehmensbewertung
3.1 Wert und Preis
Der Wert eines Objektes ist abhängig von seinen Eigenschaften aber insbesondere von seinem Nutzen für ein Subjekt. Da jede Person ein individuelles Nutzenbedürfnis hat, wird auch jeder Wert subjektiv eruiert. Eine Wertermittlung kann durch einen Vergleich der Nutzeneigenschaften, mit dem Nutzen anderer Objekte vorgenommen werden. Die individuelle und subjektive Wahrnehmung der Eigenschaften von Objekten führt zur Schlussfolgerung, dass der Wert einer Sache nicht gleich dem Preis dieser Sache entspricht.24 Der ökonomische Wert entspricht einer Subjekt-Objekt-Beziehung und setzt die Unbegrenztheit menschlicher Bedürfnisse und Knappheit der Güter, die für die Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen als Grundtatbestände des Wirtschaftens voraus.25 Der Preis entsteht als Ergebnis aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf freien Kapitalmärkten. Unterschiede zwischen Wert und Preis entstehen dabei in Verhandlungen durch die jeweilige subjektiv geprägte Nutzeneinschätzung der Bewertungssubjekte hinsichtlich des Bewertungsobjektes.26
Bei dem Bewertungssubjekt handelt es sich um die Partei, unter dessen Annahmen und für dessen Zweck die Bewertung vorgenommen wird. Das zu bewertende Unternehmen ist das Bewertungsobjekt.27 Unter dem „Unternehmenswert“ versteht man einen potentiellen Preis des Unternehmens. […] ein solcher Preis kann verstanden werden als der „tatsächliche“ Preis (der wirklich gezahlt wird) oder als ein „potentieller“ Preis (ein bloß „möglicher“ Preis).28
3.2 Werttheorien
3.2.1 Objektive Werttheorie
Die objektive Werttheorie besagt, dass Gegenstände ungeachtet subjektiver Nutzenpräferenzen einen eigenen Wert haben. In Bezug auf die Unternehmensbewertung entsteht dieser Wert durch die individuellen Erfolgspotentiale von Unternehmen, welche für jede Person enthalten sind. Dabei wird kein Bezug auf die jeweiligen Käufer oder Verkäufer genommen. Da die in eine Unternehmensbewertung involvierten Parteien Käufer und Verkäufer allerdings subjektive Normen und Grundsätze für die Bewertung heranziehen können, wurden Gründe formuliert, welche die Existenz der objektiven Werttheorie rechtfertigen. Dabei wird unter anderem die mangelnde Fähigkeit eines Subjektes zur Beurteilung der bewertungsrelevanten Eigenschaften angeführt. Die objektive Werttheorie berücksichtigt keine individuellen und subjektiven Interessen und strategischen Vorstellungen von Käufer und Verkäufer. Da es sich bei einem ermittelten Unternehmenswert allerdings um eine Subjekt-Objekt-Beziehung handelt, ist ein objektiver Unternehmenswert nicht ermittelbar. Zur Sicherung der Existenzberechtigung der objektiven Werttheorie, hat das IDW den objektivierten Unternehmenswert als Ausgangslage zur Ermittlung subjektiver Unternehmenswerte etabliert.29 Dabei handelt es sich um einen Zukunftserfolgswert, unter Annahme eines unveränderten Unternehmenskonzeptes und Berücksichtigung aller realistischen Zukunftserwartungen. Mit der Berücksichtigung wertrelevanter steuerlicher Verhältnisse der Anteilseigner fließen hierbei jedoch subjektive Eigenschaften in die Bewertung mit ein.30 Der objektivierte Unternehmenswert wird häufig als Informationsgrundlage durch neutrale Wirtschaftsprüfer ermittelt.31 In Ihrer Gesamtheit besagen alle objektiven Werttheorien, dass jeder Sache oder jedem Ding Eigenschaften zugeordnet werden, wobei der „Wert“ eine dieser Eigenschaften darstellt. In Bezug auf die Unternehmensbewertung entsteht daraus die Schlussfolgerung, dass für jedes Unternehmen ein objektivierbarer und allgemeingültiger Wert bestimmbar ist.32
3.2.2 Subjektive Werttheorie
Die in der objektiven Werttheorie begründete Vorstellung, dass der Unternehmenswert vollständig unabhängig von subjektiven Interessen und Präferenzen durch Eigenschaften des Unternehmens entsteht, herrschte bis in die 1960er Jahre vor.33 In Konfrontation dazu wurde die subjektive Werttheorie entwickelt. Diese leitet den Wert aus dem Gebrauchswert ab, wodurch die subjektive Komponente in die Bewertung einfließt. Gebrauchswerte sind stets individuell, wodurch aus unterschiedlichen Ausgangspunkten, unterschiedliche subjektive Werte entstehen.34 Der Gebrauchswert eines Gutes lässt sich aus der Grenznutzentheorie ableiten. Unter dem Grenznutzen versteht man den Nutzen, der aus der letzten konsumierten Einheit erreicht werden kann. Auch kann man den Grenznutzen durch abnehmende Intensität in der Bedürfnisbefriedigung durch häufigen oder wiederholten Konsum beschreiben. Der Wert eines Unternehmens ist somit nicht mehr in seinen Eigenschaften begründet, sondern ergibt in der individuellen Bedürfnisbefriedigung, unterschiedliche Werte für unterschiedliche Personen.35
Die jeweilige konkrete Bewertung ergibt somit einen Wert in Bezug auf subjektive Verhältnisse, Situationen und Ziele eines konkreten Bewertungssubjektes. Dabei handelt es sich um einen subjektiv ermittelten Gebrauchswert, beispielsweise den Grenzpreis, den der Käufer maximal zu zahlen bereit ist, nicht aber um den tatsächlichen Kaufpreis. Der Kaufpreis entsteht durch Verhandlungen zwischen den Beteiligten Subjekten aus deren unterschiedlichen abgeleiteten Unternehmenswerten aus den subjektiven Gebrauchswerten.36 Der durch die Verhandlungen entstehende Kaufpreis stellt einen unterschiedlich interpretierten Tauschwert im Sinne eines Austauschverhältnisses des Gutes dar.37 Die Sinnhaftigkeit einer Unternehmenstransaktion kann durch die Begriffe Gebrauchswert und Tauschwert beurteilt werden. So lohnt sich die Akquisition wenn der Gebrauchswert größer als der Tauschwert ist. Liegt der Gebrauchswert betragsmäßig unter dem Tauschwert, ist ein Verkauf ökonomisch sinnvoll.38
Die Wahl der Werttheorie drückt sich in Konsequenzen für die Wertansätze aus. Für die subjektive Werttheorie gilt dabei, dass der ermittelte Wert lediglich für ein Subjekt gilt. Dabei besteht auch ein Kritikpunkt der subjektiven Werttheorie indem unterstellt wird, dass die ermittelten Werte aufgrund der Subjektivität nicht oder nur schwer nachvollziehbar sind. Weitere Auswirkungen auf die Wertansätze stellen die zugrunde gelegten Zahlungsreihen des Investors als Ertragsgröße und der subjektive Zinssatz für eine alternative Anlage des Investors dar. Kritisch beurteilt wird die subjektive Werttheorie auch aufgrund ihrer Untauglichkeit bei der Ermittlung von Werten als Grundlage für faire Interessensausgleiche zwischen Käufern und Verkäufern.39
3.2.3 Funktionale Werttheorie
Die heute vorherrschende funktionale Werttheorie wurde Anfang der 1970er Jahre entwickelt und etablierte sich anschließend Mitte der 1970er Jahre in der theoretisch fundierten Unternehmensbewertungsliteratur.40 Ausschlaggebend für die Entstehung der funktionalen Werttheorie, welche auf die „Kölner Schule“ zurückgeht, war das Ziel der Überwindung der Gegensätze und Kritik an objektiver und subjektiver Werttheorien.41 Die funktionale Werttheorie bringt zum Ausdruck, dass es keinen einheitlichen Unternehmenswert gibt. Der zu ermittelnde Unternehmenswert unterscheidet sich je nach Aufgabenstellung und ist stets zweckbezogen zu ermitteln. Dabei werden die Prinzipien der subjektiven Werttheorie Subjektivität, Zukunftsbezogenheit und Gesamtbewertung weiterhin angewendet und um das Prinzip der Zweckabhängigkeit erweitert.42 Die Kritik an der subjektiven Werttheorie, dass die ermittelten Werte nicht nachvollziehbar seien, wird im Rahmen der zweckabhängigen und damit funktionalen Wertermittlung beseitigt. Die Anwendung der funktionalen Werttheorie beinhaltet zwar eine im Rahmen der Handlungsmöglichkeiten subjektive Wertermittlung, dennoch lassen sich die Ergebnisse aufgrund der Zweckbezogenheit nachvollziehen.43 Zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit wird innerhalb der funktionalen Werttheorie zwischen verschiedenen Haupt- und Nebenfunktionen der Unternehmensbewertung differenziert. Dabei werden den einzelnen Bewertungsaufgaben die entsprechenden objektiven und subjektiven Ansätze beigemessen. Es wird in der funktionalen Unternehmensbewertung zwischen den folgenden Haupt- und Nebenfunktionen unterschieden:44
Abbildung 2: Funktionen der Unternehmensbewertung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
3.3 Funktionen der Unternehmensbewertung
3.3.1 Hauptfunktionen
In der Literatur und Praxis besteht überwiegend Einigkeit über drei Hauptfunktionen der Unternehmensbewertung. Abweichungen liegen häufig aufgrund unterschiedlicher Begriffsverwendungen vor. Die allgemein anerkannten Hauptfunktionen der Unternehmensbewertung sind die Beratungsfunktion, Vermittlungsfunktion und Argumentationsfunktion.45 Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) führt zudem die Funktion des neutralen Gutachters an.46
Die Beratungsfunktion in der Unternehmensbewertung dient für die Vertragsparteien zur Vorbereitung einer Entscheidung. Sowohl Käufer als auch Verkäufer nehmen jeweils Unternehmensbewertungen vor und vergleichen die Ergebnisse mit ihren möglichen Alternativinvestitionen. Dabei werden Grenzpreise ermittelt woraus sich die Sinnhaftigkeit des Unternehmenstransaktion ableiten lässt. Die Preisobergrenze legt dabei den betragsmäßig größten zu zahlenden Preis für den Käufer dar. Für den Verkäufer stellt die Preisuntergrenze den Geldbetrag dar, der nicht unterschritten werden sollte um sich im Vergleich zu einer alternativen Investitionsmöglichkeit nicht schlechter zu positionieren. Die ermittelten Werte beinhalten subjektive Wertvorstellungen und Eigenschaften, weshalb es zu unterschiedlichen Grenzpreisen kommt. Verkäufer bewerten das Unternehmen in der Regel durch eine Zukunftsprognose der aktuellen Entwicklung des Unternehmens. Unternehmenskäufer berücksichtigen hingegen die geplanten Maßnahmen und Veränderungen. Auch unterschiedlich unterstellte Kapitalisierungszinssätze aufgrund verschiedener Möglichkeiten von alternativen Investitionsmöglichkeiten stellen eine Begründung für abweichende Werte dar. Der jeweiligen Partei muss der eigene Entscheidungswert bzw. Grenzpreis bekannt sein um eine Kaufpreisverhandlung beginnen zu können. Der jeweils anderen Partei ist der Grenzpreis nicht bekannt und kann lediglich geschätzt werden. Das Ergebnis der Kaufpreisverhandlung drückt sich im Kaufpreis aus. Damit eine Transaktion zustande kommt, muss ein Einigungsbereich zwischen den Grenzpreisen von Käufer und Verkäufer vorliegen. Das bedeutet, dass der Grenzpreis des Käufers über dem Grenzpreis des Verkäufers liegen muss um eine Einigung zu erzielen. Die Beratungsfunktion wird immer dann eingesetzt, wenn sich eine Vertragspartei auf einen Entscheidungswert festlegen muss, der im Rahmen von Verhandlungen einen Grenzpreis darstellt. Die Beratungsfunktion ist nicht nur auf den Kauf und Verkauf von Unternehmen beschränkt. Sie kann auch bei Fusionen, Einbringung von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen oder Änderungen im Konzern zur Anwendung kommen und setzt keinen externen Berater voraus.47
Die Vermittlungsfunktion kommt zum Einsatz wenn zwischen Käufer und Verkäufer ein fairer Einigungspreis bestimmt oder vorgeschlagen werden muss. Dieser Einigungspreis wird auch Arbitriumwert genannt. Wie auch bei der Beratungsfunktion müssen subjektive Entscheidungswerte der Parteien festgelegt werden oder vom Schiedsgutachter ermittelt werden. Die ermittelten Entscheidungswerte markieren als Grenzpreise den Einigungsbereich. Um das Ziel des fairen und angemessenen Interessenausgleichs der Beteiligten zu erreichen, müssen dem Vermittler die jeweilige Situation der Parteien bekannt sein um diese bei der Vermittlung innerhalb des Einigungsbereiches zu berücksichtigen.48 Der vorgeschlagene oder festgelegte Arbitriumwert soll zur Konfliktlösung beitragen und als Kompromiss unter Berücksichtigung der Interessen der beteiligten Vertragsparteien verstanden werden.49 Hierfür kommt regelmäßig ein Wirtschaftsprüfer in der Funktion als Schiedsgutachter zur Feststellung eines Einigungswertes oder als Vermittler zum Vorschlag eines Ergebnisses zum Einsatz.50 Entsteht bei nicht-dominierten Bewertungsanlässen ein Vorteil aus der Transaktion, so neigt der Wirtschaftsprüfer zur gleichmäßigen Verteilung dieses Vorteils an die Beteiligten. Liegt eine dominierte Bewertungssituation vor, so sollte sich der Arbitriumwert, nach individueller Fallbeurteilung durch den Gutachter, grundsätzlich näher am Entscheidungswert der schwächeren Partei orientieren, da die dominante Partei die Änderung der Eigentumsverhältnisse beeinflussen kann.51
Ziel der Argumentationsfunktion ist die positionelle Stärkung einer Partei innerhalb von Verhandlungen oder vor Gericht. Sie wird eingesetzt um den Transaktionspreis gemäß der subjektiven Vorstellungen und Entscheidungswerte positiv zu beeinflussen. Der Argumentationswert wird dabei der gegenüberstehenden Partei mitgeteilt und mit Überzeugung vertreten.52 Es handelt sich um einen parteiischen Wert, der möglichst nah am Entscheidungswert der anderen Partei liegt. Daher ist der Versuch der Ermittlung des Entscheidungswertes der anderen Partei in Bezug auf die Zielerreichung hilfreich.53 Gutachten, die zur Erstellung eines parteiischen Argumentationswertes erstellt werden, beinhalten nicht ausdrücklich die Funktion des handelnden Bewertungssubjektes. Es handelt sich nicht um einen objektiv ermittelten Wert, weshalb der Argumentationswert mit den Berufsgrundsätzen von Wirtschaftsprüfern nicht vereinbart werden kann. Daher hat das IDW die Argumentationsfunktion für Wirtschaftsprüfer nicht anerkannt.54 Wie jedoch eingehend erläutert wurde, wird die Argumentationsfunktion allgemein anerkannt und somit lediglich vom IDW ausgeschlossen.
Das IDW legt zudem die Funktionen des Wirtschaftsprüfers bei Unternehmensbewertungen als neutralen Gutachter und Schiedsgutachter/Vermittler fest. Dieser Funktion liegt die intersubjektiv nachvollziehbare Ermittlung von objektivierten Unternehmenswerten zugrunde.55
3.3.2 Nebenfunktionen
Die drei Hauptfunktionen der Unternehmensbewertung werden um drei weitere Nebenfunktionen ergänzt.
Tabelle 3: Nebenfunktionen der Unternehmensbewertung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Dabei ist die Aufgabe der Informationsfunktion aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und der Cashflow-Rechnung eine Information über die Ertragskraft des Unternehmens abzuleiten. Grundlage dieser Wertermittlung sind die Bewertungsvorschriften der Rechnungslegung. Stark eingeschränkt wird die Aussagekraft dieser Unternehmensbewertung durch die vom HGB vorgeschriebenen Konventionen des Vorsichtsprinzips und des Realisationsprinzips.56 Die Steuerbemessungsfunktion stellt eine weitere Nebenfunktion der Unternehmensbewertung dar. Sie hat zur Aufgabe eine Bemessungsgrundlage für die Erhebung von Steuern auf Substanz und Ertrag zu ermitteln. Bei einem steuerlichen Bewertungsverfahren wird vorausgesetzt, dass zur serienmäßigen Anwendung ein möglichst einfaches Verfahren zur Verfügung steht. Hierfür verweisen die §§ 199-203 BewG auf die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahren zur Ermittlung des gemeinen Wertes. Die Vertragsgestaltungsfunktion findet ihre Bedeutung in der Wahrung der Interessen der Gesellschafter durch Formulierungen zur Abfindung der Gesellschafter in Gesellschaftsverträgen. Diese Formulierungen können sich im Einzelnen stark unterscheiden. Sie können Werte, Bewertungsverfahren, Bewertende oder auch Ziele beinhalten.57
3.4 Anlässe der Unternehmensbewertung
Unternehmensbewertungen werden für unterschiedlichste Zwecke durchgeführt. Dabei ist der ermittelte Unternehmenswert vom Bewertungszweck abhängig. Die unterschiedlichen Anlässe definieren den Zweck.58
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Anlässe, Zweck und Verfahren/Wertermittlung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Quelle: In Anlehnung an Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 19
Die Vielfältigkeit der Bewertungsanlässe hat zur Folge, dass sich eine Einordnung als schwierig gestaltet. So kann beispielsweise eine Klassifizierung nach der Lebensphase oder nach der Art der Regelung differenziert werden.59 Die Tabelle auf der Folgeseite beinhaltet eine Übersicht über mögliche Klassifizierungen:
Tabelle 4: Klassifizierungsansätze der Unternehmensbewertungsanlässe
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Peemöller, V., H., Anlässe, 2019, S. 19-20
Einen weiteren Ansatz zur Systematisierung der unterschiedlichen Anlässe stellt Schütte-Biastoch vor: Dabei soll insbesondere „eine Unterscheidung nach der Art und Weise der Berücksichtigung und Verarbeitung bewertungsrelevanter Informationen im Rahmen der Wertermittlung“60 durchgeführt werden. Die nachfolgende Übersicht stellt für KMU besonders relevante Anlässe dar. Das hierbei gewählte Kriterium der Systematisierung ist die potentielle Änderung der Eigentumsverhältnisse des Bewertungsobjektes.
Tabelle 5: Bewertungsanlässe nach Änderung der Eigentumsverhältnisse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schütte-Biastoch, S., Unternehmensbewertung von KMU, 2011, S. 11
3.4.1 Transaktionsbezogene Bewertungsanlässe
Transaktionsbezogene Bewertungsanlässe stellen entscheidungsabhängige Situationen mit potentieller Eigentumsveränderung am Unternehmen dar. Diese werden unterteilt in Bewertungsanlässe, die von einer beteiligten Partei dominiert werden und nicht dominierte Situationen.61 Diese Unterscheidung dient der Darstellung der Machtverhältnisse zwischen den Beteiligten. Es geht darum, ob eine einzelne Partei eine Änderung der Eigentumsverhältnisse erzwingen kann oder nicht.62
3.4.1.1 Dominierte Bewertungsanlässe
Dominierte Bewertungsanlässe liegen vor, wenn eine einzelne Konfliktpartei aufgrund ihrer Machtverhältnisse eine Änderung der Eigentümerstruktur durchsetzen kann. Auch wenn sich die schwächere Partei gegen die Transaktion ausspricht, kann die Transaktion durch den dominierenden Beteiligten durchgesetzt werden. Die erzwungene Eigentumsänderung kann unmittelbar durchgeführt werden wobei die jeweils andere Partei die Eigentumsänderung gerichtlich prüfen lassen kann. Die dominierte Partei hat lediglich Einfluss auf die Art und Weise der Durchführung, nicht aber auf die Entscheidung ob die Veränderung durchgesetzt wird.63 Ein typischer und für KMU bedeutender dominierter Bewertungsanlass ist das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft. Regelmäßige Ursachen für das Ausscheiden eines Gesellschafters sind z.B.:64
- Kündigung des Gesellschafters und Fortführung der Unternehmung durch die verbleibenden Gesellschafter
- Ausschluss eines von den anderen Gesellschaftern als „lästig“ angesehen Gesellschafters/Streit
- Eröffnung eines Insolvenzverfahren gegenüber einem Gesellschafter
- Kündigung der Gesellschaft durch einen Privatgläubiger eines Gesellschafters nach §135 HGB
- Ausscheiden eines Gesellschafters aufgrund Beendigung der Berufstätigkeit/Pension
3.4.1.2 Nicht dominierte Bewertungsanlässe
Nicht dominierte Bewertungsanlässe stellen Transaktionen dar, bei welchen die Beteiligten frei über die Durchführung und die entsprechend folgende Eigentumsveränderung entscheiden können.65 Der Kauf oder Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen sowie die Verschmelzung oder Spaltung von mehreren Unternehmen weisen typische Charakteristika eines nicht dominierten Bewertungsanlasses auf.66 Das Zustandekommen der Transaktion erfordert eine Lösung, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist.67 In Bezug auf KMU sollen dabei die notwendigen individuellen Gestaltungen Erwähnung finden. Ein Beispiel stellt die Möglichkeit von Earn-Out-Klauseln für die Gestaltung der Übergangsphase bei Nachfolgeregelungen von Personenunternehmen dar.68 Earn-Out-Klauseln dienen zum Abbau von Risiken und Unstimmigkeiten, welche die Transaktion gefährden könnten. Liegen Differenzen hinsichtlich eines angemessenen Kaufpreises vor, so haben diese oft ihren Ursprung in Uneinigkeiten im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, die beinhalteten Risiken der Unternehmung sowie unterschiedliche Ansichten der Planungsrechnung des zu erwerbenden Unternehmens. In so einem Fall kann mittels einer Earn-Out-Klausel ein Kaufpreisbestandteil variabel vereinbart werden. Folglich muss dieser variable Teil des Kaufpreises nur dann bezahlt werden, wenn bestimmte vorher festgelegte Erfolgsgrößen erreicht werden. Dadurch wird das Risiko der bestehenden Informationsasymmetrie, die trotz umfangreicher Due Diligence besteht, reduziert. Das Bestehen einer Earn-Out-Klausel muss in die Wertermittlung Einfluss finden.69
3.4.2 Nicht transaktionsbezogene Bewertungsanlässe
Die nicht transaktionsbezogenen Bewertungsanlässe gehen zunächst nicht von einer Eigentumsveränderung aus. Vielmehr entstehen sie aus der Notwendigkeit zur Berechnung und Ermittlung von beispielsweise Besteuerungsgrundlagen, wertorientierter Unternehmenssteuerung oder zur Ermittlung von Bilanzansätzen.70 So sind im deutschen Steuerrecht eine Vielzahl von Bewertungsanlässen enthalten, die auch für KMU bedeutsam sind. Darunter hat der gemeine Wert insbesondere durch die 2008 verabschiedeten Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (ErbStRG) an Bedeutung zugenommen. Der gemeine Wert wird darin als zentraler Maßstab für die Ermittlung von erbschafts- und schenkungsteuerlichen Grundlagen vorgegeben. Die im Rahmen des ErbStRg erfolgte Reform beinhaltet auch, dass nicht börsennotierte Unternehmen oder Unternehmensanteile im Erbfall oder bei Schenkungen für steuerliche Zwecke gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 BewG grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind. Der gemeine Wert entspricht dabei dem Verkehrswert/Marktwert und wird durch eine Unternehmensbewertung ermittelt.71
4 Bewertungsverfahren
Die zur Verfügung stehenden Verfahren der Unternehmensbewertung sind vielfältig und nehmen in Ihrer Anzahl stetig zu. Begründet werden kann dies durch die Notwendigkeit eines dem Bewertungszweck angemessenen Bewertungsverfahren. Aber auch die stetige Weiterentwicklung der einzelnen Verfahren durch neue Erkenntnisse tragen zur Vervielfältigung bei.72 Eine grobe Gliederung der Verfahren kann in die Bereiche Einzelbewertungsverfahren, Gesamtbewertungsverfahren und Mischverfahren vorgenommen werden.73
4.1 Einzelbewertungsverfahren
Den Einzelbewertungsverfahren liegt das Schema einer Bilanz zugrunde. Die einzelnen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten werden einzeln bewertet, um im Endergebnis durch Addition der Vermögensgegenstände zum Eigenkapital zu gelangen.74 Die Unterschiede der Einzelbewertungsverfahren sind geprägt durch differenzierte Wertmaßstäbe, die bei der Bewertung von Aktiva und Passiva Verwendung finden.75 Der Wert des Unternehmens berechnet sich dabei zu einem festgelegten Stichtag in der Regel nach folgendem Schema:
Tabelle 6: Schema Berechnung Unternehmenswert Einzelbewertungsverfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S. 86
4.1.1 Substanzwertverfahren
Das Substanzwertverfahren bewertet lediglich die betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände. Als Wertmaßstab wird der Reproduktionswert angesetzt. Beim Reproduktionswert handelt es sich um den Zeitwert oder Wiederbeschaffungsaltwert eines bestimmten Vermögensgegenstandes. Der Reproduktionswert dient hauptsächlich zur Ermittlung des Geldbetrages, welcher für die Reproduktion des Unternehmens anfallen würde. Es wird der Nachbau oder Wiederaufbau des Unternehmens simuliert. Da alle betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände in die Bewertung einfließen, müssen auch die immateriellen Vermögensgegenstände bewertet werden. Um zu einem Vollreproduktionswert zu gelangen, ist es erforderlich auch die sonstigen immateriellen Vermögensgegenstände zu bewerten. Dazu gehören unter anderem der Kundenstamm, die Organisation und die Qualität der Mitarbeiter. Für die Praxis stellt die Bewertung dieser zuletzt genannten Aktiva eine so gut wie unlösbare Problemstellung dar. Daher kann der Vollreproduktionswert lediglich als ein theoretisches Modell betrachtet werden; der Teilreproduktionswert hat sich jedoch als anwendbares Verfahren in der Praxis etabliert. Dabei werden die sonstigen immateriellen Vermögensgegenstände nicht betrachtet. Durch die Umstellung zu einem anwendbaren Verfahren werden nun essenzielle Werte der sonstigen immateriellen Vermögensgegenstände nicht herangezogen, weshalb die Aussage getroffen werden kann, dass sich ein Substanzwertverfahren auf der Grundlage von Reproduktionswerten nicht für eine Entscheidungswertermittlung eignet. Dennoch werden durch die Anwendung wertvolle Informationen sichtbar, die bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden sollten. Unter anderem wird die Altersstruktur des Anlagevermögens ersichtlich, woraus sich der bestehende und zukünftige Investitionsbedarf ableiten lässt.76
4.1.2 Liquidationswertverfahren
Im Gegensatz zum Substanzwertverfahren wird beim Liquidationswertverfahren keine Fortführung des Unternehmens unterstellt sondern eine Auflösung. Die Vermögensgegenstände werden zu Verwertungserlösen bewertet. Dabei sind die Umstände der Liquidation und der dafür benötigte Zeitraum zu berücksichtigen. So können für Verbindlichkeiten höhere oder zusätzliche Kosten für die vorzeitige Auflösung entstehen. Um die zeitliche Komponente und die daraus unterschiedlich entstehenden Werte zu berücksichtigen, muss eine weitere Annahme getroffen werden. Bei der Liquidationswertermittlung kann daher eine Auflösung unter Zeitdruck (Zerschlagung) oder einer Auflösung ohne Zeitdruck (Liquidation) angenommen werden.77 Grundsätzlich kann folgendes Schema zur Ermittlung des Liquidationswertes herangezogen werden:
Tabelle 7: Schema Berechnung Liquidationswert
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S. 90
Im IDW S 1 findet der Liquidationswert eine Erwähnung als eine Wertuntergrenze für den Unternehmenswert bei schlechter Ertragslage. Übersteigt der Barwert der finanziellen Überschüsse den Fortführungswert, bildet der Liquidationswert die Wertuntergrenze für den Unternehmenswert.78 Zusätzlich wird im IDW auf potentielle Ertragssteuern hingewiesen, welche bei der Veräußerung eines Vermögensgenstandes fällig werden könnten und die Vermögenswerte zusätzlich mindern.79 Die Berechnung des Liquidationswertes kann in Betracht gezogen werden, um diesen mit einem ermittelten Ertragswert des identischen Unternehmens zu vergleichen.
4.2 Gesamtbewertungsverfahren
Die Gesamtbewertungsverfahren unterstellen in Ihren Annahmen, dass sich der Unternehmenswert aus der Fähigkeit des Unternehmens ableitet, Zukunftserfolge zu erzielen. Das Unternehmen wird dabei im Vergleich zu den Einzelbewertungsverfahren als Gesamtheit oder eine Einheit betrachtet.80 Berechnet wird der Unternehmenswert durch eine Abzinsung der zukünftigen finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag. Die Abzinsung erfolgt durch Verwendung eines risikoadäquaten Zinssatzes.81
4.2.1 Ertragswertverfahren
Die grundlegende Theorie des Ertragswertverfahrens geht von der Überlegung aus, dass der mit dem Unternehmen erzielbare Nutzen ausschlaggebend für dessen Wert ist. Daher kann der auf dem subjektiven Nutzen basierende Wert als Unternehmensgesamtwert betrachtet werden.82 Der Unternehmenswert bei den Ertragswertverfahren wird durch Diskontierung der zukünftig erwarteten Ertragsüberschüsse ermittelt. Damit stellt der Unternehmenswert den Barwert der zukünftig zu erwartenden Erträge dar. Um zu einem Ertragswert zu gelangen, müssen dem Barwert der zukünftigen Erträge die Barwerte der nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände, welche durch Veräußerung entstehen, addiert werden. Die theoretische Grundlage der Ertragswertverfahren bildet die Kapitalwertmethode der Investitionsrechnung.83 Die Ermittlung des Ertragswertes setzt eine Prognose der zukünftigen Erträge des Unternehmens voraus. Die Prognose der finanziellen Überschüsse erfolgt auf der Grundlage der bereinigten Ergebnisse der Vergangenheit sowie einer Planungsrechnung, welche auf den Vergangenheitsergebnissen aufbaut. Üblicherweise wird die Planungsrechnung in zwei Phasen unterteilt. Die 1. Phase wird auch Detailplanung genannt. Für diesen Zeitraum werden die künftigen Überschüsse im allgemeinen aus der dafür erstellten Aufwands- und Ertragsplanungsrechnung abgeleitet. In der 2. Phase wird bei der Annahme einer unendlichen Unternehmensdauer, ein gleichbleibender finanzieller Periodenüberschuss unterstellt, welcher nachhaltig erzielt werden kann. Dieser gleichbleibende und nachhaltig erzielbare Betrag wird auch als ewige Rente bezeichnet.84 Im Falle der Annahme einer unendlichen Unternehmensdauer wird der Unternehmenswert wie folgt berechnet:85
Formel 1: Unternehmenswert nach Ertragswertverfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2015, S 57 mit: : künftig erwarteter Unternehmensertrag in der Periode t; r: Kalkulationszinsfuß; : Barwert der erwarteten Liquidationserlöse aus der Veräußerung des n.b.V.
Der Unternehmensertrag (E) bildet grundsätzlich eine Summe aller finanziellen Vorteile, die der Unternehmenseigner zukünftig aus dem Unternehmen erwarten darf.86 Der Kalkulationszinsfuß wird aus der besten Investitionsalternative, die dem Investor zur Verfügung steht, abgeleitet.87 Mandl und Rabel führen einen vereinfachten Vergleich an unter der Annahme, dass kein nicht betriebsnotwendiges Vermögen vorhanden ist. Zudem wird ein periodenkonstanter Ertrag (E) unterstellt, der in den aufeinanderfolgenden Perioden stets gleich hoch ist. Dadurch ergibt sich die folgende Formel für den Unternehmenswert:
Formel 2: Unternehmenswert nach vereinfachtem Ertragswertverfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S 57
Durch diese vereinfachte Herangehensweise wird deutlich, dass es sich bei der Wertermittlung um einen Vergleich der Erträge des Bewertungsobjektes und der besten Alternativanlage handelt. Die Alternativerträge drücken sich in Form des Kalkulationszinsfußes als Rendite der alternativen Investition aus. Dieses Vorgehen setzt jedoch eine Vergleichbarkeit der Unternehmens- und Alternativerträge voraus. Ist diese Vergleichbarkeit anfangs nicht gegeben, kann diese durch Anpassung der Unternehmenserträge oder Anpassung der Alternativrendite geschaffen werden. Das Ertragswertverfahren kann als entscheidungsorientiertes Verfahren charakterisiert werden, da das Konzept auf einem Vergleich zwischen zwei Investitionsmöglichkeiten, die einem Subjekt zur Verfügung stehen, basiert.88
4.2.2 Discounted Cashflow-Verfahren
Die verschiedenen Discounted Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) ermitteln Unternehmenswerte durch die Diskontierung der zukünftigen Cashflows. Der zum Stichtag ermittelte Unternehmenswert entspricht dabei dem abgezinsten Wert der zukünftigen finanziellen Überschüsse. Die Ermittlung der Diskontierungssätze erfolgt dabei über kapitalmarkttheoretische Modelle. Die Kategorisierung der DCF Verfahren hängt von der Art der Berechnung der Cashflows ab und unterscheidet zwischen Cashflows, die lediglich den Eigenkapitalgebern zustehen, und Cashflows, die sowohl Eigenkapital- als auch Fremdkapitalgebern zustehen. Dadurch ergeben sich die Kategorien der Nettoverfahren, welche den Marktwert des Eigenkapitals ermitteln und Bruttoverfahren, die den Marktwert des Gesamtkapitals ermitteln.89 Die Diskontierungssätze, welche zur Abzinsung verwendet werden, sollen dabei das Risiko des Eintretens einer Abweichung von den erwarteten Cashflows darstellen. Unter Risiko wird dabei die positive oder negative Abweichung vom erwarteten oder geplanten Wert verstanden.90 Die folgende Darstellung stellt eine Übersicht der verschiedenen DCF-Verfahren dar:
Abbildung 4: Übersicht der DCF-Verfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Die Wertermittlung bei den Verfahren der Bruttokapitalisierung erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird der Marktwert des Gesamtkapitals des Unternehmens ermittelt. Anschließend wird der Marktwert des Fremdkapitals vom Marktwert des Gesamtkapitals subtrahiert, um zum Marktwert des Eigenkapitals zu gelangen. Die Grundlage, der auf der Bruttokapitalisierung beruhenden DCF-Verfahren bilden die operativen zukünftigen Cashflows, die allen Kapitalgebern zur Verfügung stehen. Die auf Bruttokapitalisierung beruhenden DCF-Verfahren unterscheiden sich lediglich in der spezifischen Berücksichtigung des Steuerunterschiedes durch die Fremdfinanzierung. Ein vollständig oder zum Teil fremdfinanziertes Unternehmen zahlt Zinsen für das Fremdkapital. Diese Zinsen reduzieren die Bemessungsgrundlage der Unternehmensteuer, wodurch sich für ein fremdfinanziertes Unternehmen ein Steuervorteil ergibt. Dieser sich aus dem Steuervorteil ergebende Unterschied wird auch Tax Shield genannt.91
[...]
1 Vgl. KfW Research, Generationenwechsel, 2018, S. 1-2.
2 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Mittelstand, 2020, o.S.
3 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 1-2.
4 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 3.
5 Vgl. Franken, L., Koelen, P., Personengesellschaften, 2019, S. 1125.
6 Becker, W., Ulrich, P., Mittelstand, 2009, S. 2.
7 Vgl. Günterberg, B., Wolter, H.-J., Unternehmensgrößenstatistik, 2002, S. 1-2.
8 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 3-4.
9 Vgl. EU-Kommission, Empfehlung, 2003, o.S.
10 Vgl. EU-Kommission, Empfehlung, 2003, o.S.
11 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn, KMU, 2016, o.S.
12 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 3-4.
13 Vgl. Welter, F., Strategiegenese, 2003, S. 30.
14 Vgl. Wolter. H.-J., Hauser, H.-E., Eigentümerunternehmen, 2001, S. 29.
15 Vgl. Schütte-Biastoch, S., Unternehmensbewertung von KMU, 2011, S. 6.
16 Vgl. Welter, F., Strategiegenese, 2003, S. 28.
17 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Definition, 2020, o. S.
18 Vgl. Häming, C., M&A, 2019, S. 58-59.
19 Vgl. Schütte-Biastoch, S., Unternehmensbewertung von KMU, 2011, S. 7.
20 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Überblick, 2017, o.S.
21 Verheugen, G., KMU, 2006, S. 3.
22 Vgl. KfW Research, Mittelstandspanel, 2020, o. S.
23 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Mittelstand, 2020, o. S.
24 Vgl. Born, K., Unternehmensanalyse, 2003, S. 5.
25 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 3.
26 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 13.
27 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Funktionale Unternehmensbewertung, 2014, S. 1.
28 Moxter, A., Grundsätze, 1983, S. 5.
29 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 4-6.
30 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 29.
31 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 30.
32 Vgl. Behringer, S., Geschichte der Unternehmensbewertung, 2020, S. 8.
33 Vgl. Meitner, M., Prognoseunsicherheit, 2017, S. 106-111.
34 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 4-6.
35 Vgl. Behringer, S., Geschichte der Unternehmensbewertung, 2020, S. 8-12.
36 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 4-6.
37 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G. Unternehmensbewertung, 2013, S. 7.
38 Vgl. Reimherr, A., Wertlehre, 2005, S. 277 ff.
39 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 4-6.
40 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Unternehmensbewertung, 2013, S. 22-25.
41 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 7-8.
42 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Unternehmensbewertung, 2013, S. 22-25.
43 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 7-8.
44 Vgl. Born, K., Unternehmensanalyse, 2003, S. 22.
45 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Funktionale Unternehmensbewertung, 2014, S. 9.
46 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 12.
47 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 8-9.
48 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 9-10.
49 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Grundzüge, 2008, S.14.
50 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 12.
51 Vgl. Born, K., Unternehmensanalyse, 2003, S. 23.
52 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 10-11.
53 Vgl. Born, K., Unternehmensanalyse, 2003, S. 24.
54 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 10-11.
55 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 12.
56 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 13.
57 Vgl. Peemöller, V., H., Unternehmensbewertung, 2019, S. 13.
58 Vgl. Peemöller, V., H., Anlässe, 2019, S. 19.
59 Vgl. Peemöller, V., H., Anlässe, 2019, S. 19.
60 Schütte-Biastoch, S., Unternehmensbewertung von KMU, 2011, S. 10.
61 Vgl. Schütte-Biastoch, S., Unternehmensbewertung von KMU, 2011, S. 11.
62 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Unternehmensbewertung, 2013, S. 93.
63 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Unternehmensbewertung, 2013, S. 93-94.
64 Vgl. Drukarczyk, J., Schüler, S., Unternehmensbewertung, 2016, S. 6.
65 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 23.
66 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Unternehmensbewertung, 2013, S. 93.
67 Vgl. Matschke, M., J., Brösel, G., Unternehmensbewertung, 2013, S. 93.
68 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 23.
69 Vgl. Ihlau, S., Gödecke, S., Earn-Out-Klauseln, 2010, S. 687-688.
70 Vgl. Schütte-Biastoch, S., Unternehmensbewertung von KMU, 2011, S. 11.
71 Vgl. Beumer, J., Duscha, H., Bewertungsmaßstäbe, 2019, S. 1553-1554.
72 Vgl. Nölle, J.-U., Grundlagen, 2009, S. 18.
73 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 42.
74 Vgl. Ballwieser, W., Hachmeister, D., Methoden, 2016, S. 10.
75 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 64.
76 Vgl. Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S. 86-89.
77 Vgl. Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S. 90.
78 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 140.
79 Vgl. IDW, S 1, 2008, Tz. 141.
80 Vgl. Heesen, B., Basiswissen, 2018, S. 3.
81 Vgl. Ihlau, S., Duscha, H., Besonderheiten, 2019, S. 43.
82 Vgl. Peemöller, V.-H., Kunowski, S., Ertragswertverfahren, 2019, S. 341.
83 Vgl. Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S. 57.
84 Vgl. Serf, C., Ertragswert, 2009, S. 171-172.
85 Vgl. Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S 57.
86 Vgl. Moxter. A., Grundsätze, 1983, S. 9 zitiert nach Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S 57.
87 Vgl. Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S 57.
88 Vgl. Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S 57-58.
89 Vgl. Mandl, G., Rabel, K., Bewertungsmethoden, 2019, S 68.
90 Vgl. Damodaran, A., Valuation, 2006, S. 25-27.
91 Vgl. Baetge et al, DCF-Verfahren, 2019, S. 416-417.
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- Anonymous,, 2020, Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen. Verfahren und Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/941124
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