Der Begriff “Dienste“ oder “Dienstleistungen", der Versuch diesen zu den “Waren“ abzugrenzen und die Diskussion, ob Dienstleistungen einen produktiven Beitrag zum Sozialprodukt leisten, sind in der Wirtschaftstheorie schon seit den Klassikern bekannt.
Adam Smith betonte zwar schon die Unterscheidung zwischen Gütern (i.e.S = “Waren“) und Dienstleistungen, maß aber der Beschäftigung mit Dienstleistungsproduktion einen unproduktiven, der Herstellung von Gütern (i.e.S.) dagegen einen produktiven Wert bei.
Dagegen warf Say die Frage auf, warum zwar die an einen Stoff verwendete Arbeit als wertschaffend angesehen werde, die Arbeit, der keine stoffliche Basis zugrunde liege, aber keinen Wert schaffen soll.
Wie lassen sich nun ganz allgemein Dienstleistungen von Waren bzw. Dienstleistungsproduktion von Warenproduktion unterscheiden? Die vorliegende statistische Hauptseminararbeit stellt in Teil A verschiedene heute gängige wissenschaftliche Definitionsversuche vor. Teil B befaßt sich mit den Arten von Dienstleistungen. Teil C zeigt die “institutionelle Sicht“, wie die amtliche Statistik (hier Statistisches Bundesamt) den Dienstleistungsbegriff in die Praxis umsetzt sowie Erfassungsmöglichkeiten von Dienstleistungen, auf.
INHALTSVERZEICHNIS
TEIL A: ZUM BEGRIFF “DIENSTLEISTUNGEN“
1. Dienstleistungen in der Wirtschaftstheorie
2. Wissenschaftliche Definitionen
2.1 Enumerativdefinitionen
2.2 Negativdefinitionen
2.3 Merkmalsdefinitionen
2.3.1 Beispiele für prozeßorientierte Definitionsversuche
2.3.2 Produktbezogene Definitionskonzepte
1. Immaterialität von Dienstleistungen
2. Nicht - Lagerfähigkeit und Nicht -Transportierfähigkeit von Dienstleistungen
3. Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsumption
4. Der Definitionsvorschlag von Bösl
TEIL B: ARTEN VON DIENSTLEISTUNGEN 13
1. Dienstleistungen an Personen - Dienstleistungen an Gütern
2. Marktbestimmte - Nichtmarktbestimmte Dienstleistungen
3. Interne - externe Dienstleistungen
4. Intermediäre produktionsbezogene - finale Dienstleistungen
5. Persönliche - öffentliche Dienstleistungen
TEIL C: INSTITUTIONELLE ABGRENZUNG UND ERFASSUNGS-
MÖGLICHKEITEN VON DIENSTLEISTUNGEN 17
1. Institutionelle Abgrenzung des Dienstleistungssektors gemäß der
Systematik der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes
2. Die Erfassungsmöglichkeiten von Dienstleistungen
2.1 Outputorientierte Ansätze
2.1.1 Bruttoproduktionswert
2.1.2 Nettoproduktionswert
2.1.3 “Census-Value-Added“
2.1.4 Die Erfassung nichtmarktbestimmter Dienstleistungen
2.1.5 Erfassung der Outputmenge
2.2 Inputorientierte Ansätze
2.2.1 Beschäftigtenzahlen
2.2.2 Stundenrechnung
2.2.3 Personalkostenkonzept
2.2.4 Erfassung nichtmarktbestimmter Dienstleistungen
3. Produktivitätsmaßzahlen
Literaturverzeichnis
TEIL A ZUM BEGRIFF “DIENSTLEISTUNGEN“
1. Dienstleistungen in der Wirtschaftstheorie
Der Begriff “Dienste“ oder “Dienstleistungen", der Versuch diesen zu den “Waren“ abzugrenzen und die Diskussion, ob Dienstleistungen einen produktiven Beitrag zum Sozialprodukt leisten, sind in der Wirtschaftstheorie schon seit den Klassikern bekannt. Adam Smith betonte zwar schon die Unterscheidung zwischen Gütern (i.e.S = “Waren“) und Dienstleistungen, maß aber der Beschäftigung mit Dienstleistungsproduktion einen unproduktiven, der Herstellung von Gütern (i.e.S.) dagegen einen produktiven Wert bei:
“So vermehrt ein Fabrikarbeiter den Wert des Rohmaterials, das er bearbeitet, i.a. um den Wert des eigenen Lebensunterhalts und um den Gewinn seines Unternehmens. Die Arbeit eines Dienstbotens dagegen erzeugt nirgendwo einen solchen Wert."[1]
Dagegen warf Say die Frage auf, warum zwar die an einen Stoff verwendete Arbeit als wertschaffend angesehen werde, die Arbeit, der keine stoffliche Basis zugrunde liege, aber keinen Wert schaffen soll.
“Gleichwohl befriedigt die Industrie eines Arztes ...,. eines Verwalters von Staatsvermögen, eines Ad- vokaten und eines Richters ... so notwendige Bedürfnisse, daß ohne ihre Arbeit kein Staat bestehen könnte.“[2]
Auf den Aspekt der Bedürfnisbefriedigung wird auch in folgender Lehrbuchdefinition Bezug genommen, wonach Dienste grundsätzlich auch Mittel zur Bedürfnisbefriedigung sind, die somit wie alle anderen Güter auch Marktgüter sein können, die Knappheitsverhältnissen und der Preisbildung auf Märkten unterliegen:
“Mittel der Bedürfnisbefriedigung können materielle Gegenstände sein, die man Produkte, Waren, Sachgüter oder Güter (i.e.S.) nennt, sowie Produktionsakte, die als Dienstleistungen bezeichnet wer- den.“[3]
Wie lassen sich nun ganz allgemein Dienstleistungen von Waren bzw. Dienstleistungsproduktion von Warenproduktion unterscheiden? Teil A stellt verschiedene heute gängige wissenschaftliche Definitionsversuche vor. Teil B befaßt sich mit den Arten von Dienstleistungen. Teil C zeigt die “institutionelle Sicht“, wie die amtliche Statistik (hier Statistisches Bundesamt) den Dienstleistungsbegriff in die Praxis umsetzt sowie Erfassungsmöglichkeiten von Dienstleistungen, auf.
2. Wissenschaftliche Definitionen
Versuche zur wissenschaftlichen Definition des Begriffs Dienstleistung lassen sich in Anlehnung an Corsten[4] in drei Gruppen einteilen: Enumerativdefinitionen, Negativdefinitionen, Merkmalsdefinitionen.
2.1 Enumerativdefinitionen
Bei der Methode der sog. enumerativen Definition wird der Dienstleistungsbegriff auf der Grundlage einer Aufzählung von Beispielen zu erfassen versucht.[5] Der Begriff wird festgelegt, indem möglichst alle Tätigkeiten (wie z.B. Auskunft geben, Daten verarbeiten) oder Institutionen (z.B. Handelsunternehmen, Konzertagenturen), die dem Dienstleistungsbegriff zugeordnet werden sollen, aufgelistet werden.
Das Problem bei diesem Verfahren besteht allerdings darin, daß nicht explizit angegeben wird, aufgrund welcher Kriterien die jeweiligen Wirtschaftstätigkeiten oder Institutionen unter den Dienstleistungsbegriff subsumiert werden.
Die Methode der Aufzählung von Dienstleistungstätigkeiten bzw. Dienstleistungsinstitutionen zur Begriffsbestimmung wird häufig in empirischen Untersuchungen angewandt.
2.2 Negativdefinitionen
Bei diesen Verfahren werden über eine Negativdefinition Dienstleistungen zu den Waren abgegrenzt. Als anschauliches Beispiel sei die Dienstleistungsdefinition von Rasmussen angeführt:
“Dienstleistungen sind alle Tätigkeiten, die sich nicht auf eine unmittelbare Gewinnung, Verarbeitung oder Bearbeitung von Sachgütern richten.“[6]
Negativdefinitionen stellen aber für Corsten eine “wissenschaftliche Verlegenheitslösung“[7] dar. Außerdem ist es auch bei dieser Methode nötig, anhand bestimmter Kriterien festzulegen, welche Tätigkeiten zur Gewinnung, Ver- und Bearbeitung von Sachgütern gerechnet werden. Alle anderen Tätigkeiten wären somit Dienstleistungstätigkeiten.
2.3 Merkmalsdefinitionen
Bei der letzten großen Gruppe von Definitionsversuchen, den Merkmalsdefinitionen, wird versucht, durch Herausarbeiten konstitutiver Merkmale, die Dienstleistungen allgemein und umfassend charakterisieren sollen, zu einer expliziten Begriffsbestimmung zu gelangen. Innerhalb dieser Gruppe unterscheidet man häufig zwischen produktorientierten und prozeßorientierten Dienstleistungsdefinitionen, je nachdem ob Dienstleistungen als Produkt, d.h. als das Ergebnis von Tätigkeiten oder als diese Tätigkeiten selbst verstanden werden[8], wobei eine eindeutige Zuordnung eines Definitionsvorschlages wegen der besonderen “Eigenschaften“ von Dienstleistungen nicht immer möglich ist.
2.3.1 Beispiele für prozeßorientierte Definitionsversuche
Ein Beispiel für eine sehr weite und abstrakte Definition von Dienstleistungen stellt die fast schon “klassische“ Definition von Hill dar, die ausschließlich auf die vollziehende Tätigkeit (des Veränderns) abstellt:
“A service may be defined as a change in the condition of a person, or of a good belonging to some economic unit, which is brought about as the result of the activity of some economic unit, with the prior agreement of the former person or economic unit.“[9]
Die Hill‘sche Definition läßt sich aber auch auf die Güterproduktion anwenden, da auch hierbei der Zustand von ökonomischen Einheiten (z.B. Rohstoffen) durch Aktivitäten von anderen ökonomischen Einheiten verändert wird. Somit gäbe es als Mittel zur Bedürfnisbefriedigung nur noch Tätigkeiten, also immaterielle Güter. Eine Abgrenzung zu Waren ist aus dieser Sicht nicht mehr möglich.
Zur “Verteidigung“ dieses Vorschlages stellt Corsten jedoch auf die Frage nach der nachgefragten Leistung ab, die bei Dienstleistungen eine unmittelbare Teilnahme an einer Verrichtung (zeitraumbezogenes Produkt) darstellt.[10]
So wird beispielsweise bei einem Autokauf nicht der Fertigungsvorgang “Auto produzieren“, sondern das Endprodukt “Auto“ nachgefragt, wohingegen bei einer Theateraufführung die unmittelbare Teilnahme an diesem Vorgang nachgefragt wird.
Das Merkmal der unmittelbaren Teilnahme des Nachfragers bzw. des Nachfragerobjektes am Dienstleistungsproduktionsprozeß sowie der prozessuale Charakter der Dienstleistungsproduktion sind auch für eine im Vergleich zu Hill engere Fassung des Dienstleistungsbegriffs, die von Berekoven vorgelegt wurde, die entscheidenden Abgrenzungskriterien zur Warenproduktion:
“Dienstleistungen im weitesten Sinne sind der Bedarfsdeckung Dritter dienende Prozesse mit materiellen und/ oder immateriellen Wirkungen, deren Vollzug und deren Inanspruchnahme einen synchronen Kontakt zwischen Leistungsgeber und Leistungsnehmer bzw. deren Objekten von der Bedarfsdeckung her erfordert.“[11]
Damit stellt Berekoven bei seinem Abgrenzungsversuch ebenfalls auf die nachgefragte Leistung, auf den Prozeß der Dienstleistungserbringung selbst oder dessen unmittelbare Wirkung, ab; demgegenüber wird bei einem Sachgut nur das Leistungsergebnis nachgefragt, der vorhergehende Prozeß des Produzierens bleibt jedoch für den Nachfrager weitgehend uninteressant und ist auch ohne Beteiligung des Nachfragers möglich, während gerade Dienstleistungserbringung ein synchrones Dienstleistungs-Produzenten-Abnehmer-Verhältnis erfordert.
Mit diesem Definitionsvorschlag ist sicher ein plausibel scheinender Versuch zur Abgrenzung von Diensteistungen von Waren gelungen, doch lassen sich mit der Forderung des räumlich-zeitlich synchronen Produzenten-Abnehmer-Verhältnisses neuere Dienstleistungsarten wie beispielsweise Datenfernverarbeitung und BTX von dieser Begriffsdefinition nicht mehr erfassen.
2.3.2 Produktbezogene Definitionskonzepte
Diese Gruppe von Definitionsversuchen faßt Dienstleistung als Produkt auf und versucht für die Abgrenzung zu den Waren, typische Produktmerkmale herauszuarbeiten. Einige wichtige Eigenschaften, mit denen Dienstleistungen als Produkt[12] charakterisiert werden, sollen nun vorgestellt werden.
[...]
[1] Smith, Adam, Der Wohlstand der Nationen, übertragen von H.C. Recktenwald, München 1974, zitiert nach Völker, Adolf, Allokation von Dienstleistungen, Frankfurt/M., 1974, S. 14
[2] Say, J.B., Ausführliche Darstellung der Nationalökonomie oder der Staatswissenschaft. Aus dem Französischen der fünften Auflage übersetzt von C.E. Marstadt. Erster Band, Stuttgart 1833, S. 185 zitiert nach Völker, Adolf, a.a.O, S. 15
[3] Woll, Arthur, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 1974
[4] vgl. Corsten, Hans, Zum Problem der Mehrstufigkeit in der Dienstleistungsproduktion, Jahrbuch der Absatz- und Verbraucherforschung 1984, S. 253
[5] Corsten, a.a.O., S.253
[6] Rasmussen, Thomas, Entwicklungslinien des Dienstleistungssektors, Göttingen 1977, S. 46
[7] Corsten, a.a.O., S. 253
[8] Ertl, Reiner, Was sind Dienstleistungen? Definitorische Anmerkungen, in: Perspektiven der Dienstleistungswirtschaft - Beiträge zu einem Internationalen Dienstleistungssymposium der Niedersächsischen Landesregierung vom 13.- 15. Mai in Hannover
[9] Hill, T.P., a.a.O., S. 318
[10] Corsten, a.a.O., S. 255
[11] Berekoven, Ludwig, Der Dienstleistungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland. Theoretische Fundierung und empirische Analyse. Bd.l und Bd.2, Göttingen 1983, S. 23
[12] vgl. Lützel, Heinrich, Statistische Erfassung von Dienstleistungen, in: Allgemeines Statistisches Archiv 71(1987) S.21 ff. Skolka, Jiri, Der Dienstleistungssektor der österreichischen Wirtschaft, in: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, Monatsberichte, Heft 9, S.584
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