I. Einleitung
Ziel dieser Arbeit mit dem Titel „Die Ich-Problematik bei Ingeborg Bachmann in der dritten Frankfurter Poetik-Vorlesung und in der Erzählung Das dreißigste Jahr“ ist es, die Identitätsfrage im Zusammenhang mit anderen Problematiken bei Bachmann am Beispiel der Erzählung "Das dreißigste Jahr" darzustellen und zu überprüfen.
Dafür wird vorerst ein Überblick über die Entstehung der Frankfurter Poetik-Dozentur allgemein und im Speziellen über die Vorlesungen Bachmanns gegeben. Es schließt sich die Darbietung der theoretischen Aufbereitung der Ich- bzw. Identitätsproblematik Bachmanns in der dritten Vorlesung an. Im Folgenden wird kurz der Erzählband "Das dreißigste Jahr" umschrieben, um danach die Erzählung mit der enthaltenen Identitätskrise des Protagonisten vor dem Hintergrund der Vorlesung genauer zu untersuchen. Im Schlussteil werden die Ergebnisse zusammengefasst.
Es sei an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass nicht alle Aspekte in die Darstellung einfließen können, da die Ich-Problematik im Vordergrund steht. So wird beispielsweise auf die Thematisierung der Rezeptionsgeschichte sowohl der Vorlesungen als auch des Erzählbandes verzichtet. Ebenso ist anzumerken, dass „die Frage der Geschlechterzugehörigkeit I…I bei der Behandlung der Ich-Problematik in den Frankfurter Vorlesungen noch keine Rolle [spielt]. In einigen Erzählungen des Erzählbandes Das dreißigste Jahr kommt dieser Frage hingegen bereits ein ganz entscheidendes Gewicht zu, insbesondere in der Erzählungen Ein Schritt nach Gomorrha und Undine geht.“ Doch auf Grund des begrenzten Umfangs kann bzgl. der Erzählung "Das dreißigste Jahr" auch hierauf nicht weiter eingegangen werden.
Inhalt
I. Einleitung
II. Die dritte Frankfurter Poetik-Vorlesung
1.Entstehung und Geschichte der Frankfurter Poetik-Vorlesungen im Überblick
2.Die Frankfurter Poetik-Vorlesungen Ingeborg Bachmanns im Überblick
3.Die dritte Frankfurter Poetik-Vorlesung: Das schreibende Ich
III. Das dreißigste Jahr
1. Der Erzählband
2. Die Erzählung
3. Die Ich-Problematik in der Erzählung Das dreißigste Jahr und in der dritten Frankfurter Poetik-Vorlesung
IV. Schlussteil
V. Literaturverzeichnis
1. Primärtexte
2. Sekundärliteratur
I. Einleitung
Ziel dieser Arbeit mit dem Titel „Die Ich-Problematik bei Ingeborg Bachmann in der dritten Frankfurter Poetik-Vorlesung und in der Erzählung Das dreißigste Jahr“ ist es, die Identitätsfrage im Zusammenhang mit anderen Problematiken bei Bachmann am Beispiel der Erzählung Das dreißigste Jahr darzustellen und zu überprüfen.
Dafür wird vorerst ein Überblick über die Entstehung der Frankfurter Poetik-Dozentur allgemein und im Speziellen über die Vorlesungen Bachmanns gegeben. Es schließt sich die Darbietung der theoretischen Aufbereitung der Ich- bzw. Identitätsproblematik Bachmanns in der dritten Vorlesung an. Im Folgenden wird kurz der Erzählband Das dreißigste Jahr umschrieben, um danach die Erzählung mit der enthaltenen Identitätskrise des Protagonisten vor dem Hintergrund der Vorlesung genauer zu untersuchen. Im Schlussteil werden die Ergebnisse zusammengefasst. Es sei an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass nicht alle Aspekte in die Darstellung einfließen können, da die Ich-Problematik im Vordergrund steht. So wird beispielsweise auf die Thematisierung der Rezeptionsgeschichte sowohl der Vorlesungen als auch des Erzählbandes verzichtet. Ebenso ist anzumerken, dass „die Frage der Geschlechterzugehörigkeit I...I bei der Behandlung der Ich- Problematik in den Frankfurter Vorlesungen noch keine Rolle [spielt]. In einigen Erzählungen des Erzählbandes Das dreißigste Jahr kommt dieser Frage hingegen bereits ein ganz entscheidendes Gewicht zu, insbesondere in der Erzählungen Ein Schritt nach Gomorrha und Undine geht.“[1] Doch auf Grund des begrenzten Umfangs kann bzgl. der Erzählung Das dreißigste Jahr auch hierauf nicht weiter eingegangen werden.
II. Die dritte Frankfurter Poetik-Vorlesung
1. Entstehung und Geschichte der Frankfurter Poetik-Vorlesungen im Überblick
Die Frankfurter Poetik-Vorlesungen sind spezielle Vorträge an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität und wurden 1959 nach dem Vorbild der Oxforder Poetik-Dozentur von Helmut Viehbrock, damaliger Rektor der Hochschule, eingerichtet.[2] Bedeutende zeitgenössische Literaten oder Literaturwissenschaftler lesen jeweils für ein bis zwei Semester über selbst gewählte Themen. Im Anschluss an die Vorlesungen werden zudem Seminare zur Diskussion angeboten. Die Veranstaltungen dienen nicht den wissenschaftlichen, sondern der Preisgabe der literarischen Interessen der jeweiligen Dozenten.
Im Wintersemester 1959/60 las Ingeborg Bachmann als erste Gastdozentin an der Frankfurter Universität. Sie bekam in den 1950er Jahren die Auszeichnung der Gruppe 47 und den Hörspielpreis für Kriegsblinde, war demnach eine anerkannte Autorin, die zu diesem Zeitpunkt durch ihre Lyrik überzeugte und eine Identifizierung der Zeitgenossen ermöglichte. Es folgten Maire Luise Kaschnitz, Karl Krolow etc. Nach einer wegen der Studentenproteste erzwungenen Unterbrechung ab 1968 leiteten im Jahr 1978 die Vorlesungen von Uwe Johnson mit dem Titel Bemerkungen zur Poetik die zweite, bis in die Gegenwart andauernde Phase der Frankfurter Poetik-Vorlesungen ein. U. a. führten in den nächsten Jahren Günter Grass (Sommersemester 1981) und Christa Wolf (Sommersemester 1982) ihre literarischen Anliegen aus. Weltweite Übersetzungen und das große gesellschaftliche Interesse beweisen den heutigen hervorzuhebenden Status der Frankfurter PoetikVorlesungen, die sich zu einer Tradition der Frankfurter Universität entwickelt haben.[3]
2. Die Frankfurter Poetik-Vorlesungen Ingeborg Bachmanns im Überblick
Bachmanns Vorlesungsreihe mit dem Titel Fragen zeitgenössischer Dichtung, der später nach Bachmanns Aussage im Züricher Rundfunk in Probleme zeitgenössischer Dichtung umbenannt wurde, beinhaltet grob zusammengefasst selbstkritische Fragen nach dem Wesen der dichterischen Erfahrung und Existenz. Sie spricht über ihre Sprachmoral, diskutiert beispielsweise die Frage des Sinns des Schreibens und zieht für ihre Darstellungen Beispiele aus der vergangenen und gegenwärtigen Literatur heran.[4]
Die erste Vorlesung mit dem Titel Fragen und Scheinfragen beinhaltet beispielsweise die Diskussion über die Fragen: „Warum schreiben? Wozu?“[5] ; Bachmann setzt sich also mit der Frage nach der Existenzgrundlage eines Schriftstellers auseinander. Dabei betont sie die Probleme von Autoren, geht bei ihren Ausführungen in die Geschichte zurück (zitiert z.B. aus dem Chandos-Brief Hofmannsthals), leitet den Begriff der Sprachskepsis ein und suggeriert den Zusammenhang der Probleme mit der Sprache:
„Religiöse und metaphysische Konflikte sind abgelöst worden durch soziale, mitmenschliche und politische. Und sie alle münden für den Schriftsteller in den Konflikt mit der Sprache.“[6]
Bachmann konstatiert im Zusammenhang mit der Frage nach der Aufgabe der Literatur, dass eine neue Sprache in der Literatur als Lösung Zugang finden sollte:
„Eine neue Sprache muß eine neue Gangart haben, und diese Gangart hat sie nur, wenn ein neuer Geist sie beiwohnt.“[7]
Bachmann spricht weiterhin in dieser ersten Vorlesung über den Zusammenhang von Literatur und Wirklichkeit („Nennen wir es vorläufig: Realität“[8] ), von Literatur und
(Leid-)Erfahrungen sowie, hinweisend auf die nächste Vorlesung, von Literatur und Schuld bzw. Moral.[9]
In der zweiten Vorlesung (Über Gedichte) widmet sich Bachmann vorrangig der Frage, wie Literatur mit der Moral zusammenhängt: es gibt ein Wort, von dem Karl Kraus nie losgekommen ist und das zu unterstreichen man nicht müde werden möchte: >> Alle Vorzüge einer Sprache münden in der Moral«.“
Bachmann weist drauf hin, dass „von jedem Schriftsteller die Maßstäbe von Wahrheit und Lüge immer neu errichtet werden müssen“[10]. Die Zusammenhänge von Literatur, Moral, Sprachskepsis und Sprachhoffnung, die Bachmann hier in dieser zweiten Vorlesung besonders im Hinblick auf die Lyrik darstellt, sollte „vor dem Hintergrund von Adornos Diktum, nach Auschwitz könne kein Gedicht mehr geschrieben werden“[11] betrachtet werden.
Die vierte Vorlesung (Der Umgang mit Namen) handelt von der Problematik für Schriftsteller, geeignete Namen für ihre Figuren und Schauplätze zu finden. Bachmann weist darauf hin, dass Namen nicht nur Namen sind, sondern Vorstellungen, Erinnerungen und/ oder Erfahrungen implizieren. Als Beispiel aus der Literatur verwendet sie Kafkas Werke und am Ende verweist sie auf Proust. Weiterhin konstatiert die Autorin:
„In der neuen Literatur ist, was die Namen anbelangt, nun einiges geschehen, das nachdenklich macht, eine bewusste Schwächung der Namen und eine Unfähigkeit, Namen zu geben, obwohl es weiterhin Namen gibt und manchmal noch starke Namen“.[12]
Die abschließende fünfte Vorlesung mit dem Titel Literatur als Utopie geht von der Frage aus, was Literatur denn eigentlich ist („Denn was versteht man darunter?“[13] ). „Sie ist ein Wunschbild, das man sich zurechtkorrigiert, in dem man Fakten stehen lässt und andere ausmerzt.“[14] Bachmann beschreibt Literatur als „ein Sammelsurium von Vergangenem und Vorgefundenem I...I, das Erhoffte, das Erwünschte, das wir ausstatten aus dem Vorrat nach unserem Verlangen - so ist sie ein nach vorn geöffnetes Reich von unbekannten Grenzen. I...I An jedem großen Werk I...I ist für uns etwas verblüht, verwittert, es gibt einen Mangel I...I, der so groß ist, daß er uns antreibt, mit der Literatur als Utopie zu verfahren.“[15]
Der Inhalt der dritten Vorlesung (Das schreibende Ich), der in dieser Arbeit als Grundlage für die Untersuchung des Ich bei Bachmann in der Erzählung Das Dreißigste Jahr gilt, wird im nächsten Unterpunkt schwerpunktartig herausgearbeitet. Die Methode, die Vorlesung als einzelne aus den fünf Vorträgen für die Untersuchung heranzuziehen, könnte gegen die Konzeption der Frankfurter Vorlesungen sprechen. Die Inhalte gehören zusammen und bauen aufeinander auf. Dennoch bietet es sich an, die dritte Vorlesung als einzelnen Bereich herauszutrennen, da sich Bachmann hier explizit mit dem Ich beschäftigt. Zudem schließt es die Heranziehung der Aussagen der anderen Vorlesungen nicht aus und sollte gerade wegen den Zusammenhängen zwischen der Identitäts- und Sprachproblematik, dem Wahrheits- bzw. Realitätskonzept, der Namensgebung und der Utopie nicht ausgeschlossen werden.
[...]
[1] Eberhardt, Joachim: Literaturkritische Essays und Frankfurter Vorlesungen, S. ISS.
[2] Vgl. Viehbrock, Helmut: Dichter auf dem Lehrstuhl, S. 288ff.
[3] Vgl. Schlosser, Horst Dietrich: Schriftsteller als Vermittler, S. 295ff.; Beicken, Peter: ingeborg Bachmann, S. 5ff.
[4] Vgl. Bachmann, ingeborg; Frankfurter Vorlesungen, S. 97ff. (Anmerkungen).
[5] Bachmann, ingeborg; Frankfurter Vorlesungen, S. 10.
[6] Ebenda, S. 15, vgl. ebenda, S. 12f.
[7] Ebenda, S. 16.
[8] Ebenda, S. 17.
[9] Ebenda, S. 81.
[10] Ebenda, S. 81.
[11] Ebenda, S. 82f.
[12] Vgl. ebenda, S. 14ff.
[13] Ebenda, S. 30.
[14] Eberhardt, Joachim: Literaturkritische Essays und Frankfurter Vorlesungen, S. 197.
[15] Ebenda, S. 65f.
- Quote paper
- Cora Wenzel (Author), 2007, Die Ich-Problematik bei Ingeborg Bachmann in der dritten Frankfurter Poetik-Vorlesung und in der Erzählung "Das dreißigste Jahr“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93986
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