Musik im Film kann vielerlei Funktionen übernehmen. Einerseits dient sie einer äußeren Gestaltung eines Films, so bildet sie in Form von Titel- und Abspannmusik einen äußeren Rahmen. Andererseits besitzt sie auch eine strukturierende Wirkung und hebt Szenenhöhepunkte hervor, trennt Real- von Traumhandlungen oder verknüpft Szenenfolgen. Filmmusik versucht also eine Bindung zwischen Film und Publikum zu schaffen, indem sie auf Erwartungen eingeht. Oft wird diese Musik für einen konkreten Film komponiert.
Eine Ausnahme bei der Wahl der Musik für seine Filme bildet der Regisseur Quentin Tarantino. Bevor er die Arbeit an einem neuen Film beginnt, sucht er erst einmal in seiner Plattensammlung, „um eine passende Eingangsmusik zu finden. Einen Song, der die Frage, das Wesen, das Ende eines Films schon enthält.“ Demnach sind es bereits existierende Lieder, die er auch für seinen Film Jackie Brown gewählt hat.
Besonders die Verwendung vorhandener Musik verbindet immer eine filmische und außerfilmische Erfahrung, die es in dieser Hausarbeit unter anderem zu untersuchen gilt. Dieses wird exemplarisch an drei Musikbeispielen aus dem Film Jackie Brown erfolgen. Leitfragen bei dieser Analyse erfolgen nach den Gesichtspunkten des Einsatzes, der Wirkung und dem jeweiligen Hintergrund der Musikstücke.
Wie schafft es der Regisseur Quentin Tarantino Musik, die bereits existiert und ihre eigene Geschichte und Herkunft besitzt, in seinem Film Jackie Brown in der Weise einzuknüpfen, so dass der Inhalt des Filmes und der Textinhalt des jeweils untersuchten Liedes thematisch zueinander passen, beziehungsweise sich in ihrer Wirkung wechselseitig dem Zuschauer erklären?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Musik im Film – Wirkung und Spannungsverhältnis
3. Quentin Tarantino und die Musik zu „Jackie Brown“
3.1. Kurze Inhaltsangabe zum Film
3.2. Musik als Aufmerksamkeitsauslöser am Beispiel „Across 110th Street“
3.3. Der Effekt des Polarisierens am Beispiel „Streetlife“
3.4. Beschreibung der Bindung von Max Cherry & Jackie Brown durch Musik
4. Abschlussbetrachtung
5. Bibliographie
1. Einleitung
Musik im Film kann vielerlei Funktionen übernehmen. Einerseits dient sie einer äußeren Gestaltung eines Films, so bildet sie in Form von Titel- und Abspannmusik einen äußeren Rahmen. Andererseits besitzt sie auch eine strukturierende Wirkung und hebt Szenenhöhepunkte hervor, trennt Real- von Traumhandlungen oder verknüpft Szenenfolgen. Filmmusik versucht also eine Bindung zwischen Film und Publikum zu schaffen, indem sie auf Erwartungen eingeht. Oft wird diese Musik für einen konkreten Film komponiert. [i]
Eine Ausnahme bei der Wahl der Musik für seine Filme bildet der Regisseur Quentin Tarantino. Bevor er die Arbeit an einem neuen Film beginnt, sucht er erst einmal in seiner Plattensammlung, „um eine passende Eingangsmusik zu finden. Einen Song, der die Frage, das Wesen, das Ende eines Films schon enthält.“[ii] Demnach sind es bereits existierende Lieder, die er auch für seinen Film Jackie Brown gewählt hat.
Besonders die Verwendung vorhandener Musik verbindet immer eine filmische und außerfilmische Erfahrung, die es in dieser Hausarbeit unter anderem zu untersuchen gilt. Dieses wird exemplarisch an drei Musikbeispielen aus dem Film Jackie Brown erfolgen. Leitfragen bei dieser Analyse erfolgen nach den Gesichtspunkten des Einsatzes, der Wirkung und dem jeweiligen Hintergrund der Musikstücke.
Wie schafft es der Regisseur Quentin Tarantino Musik, die bereits existiert und ihre eigene Geschichte und Herkunft besitzt, in seinem Film Jackie Brown in der Weise einzuknüpfen, so dass der Inhalt des Filmes und der Textinhalt des jeweils untersuchten Liedes thematisch zueinander passen, beziehungsweise sich in ihrer Wirkung wechselseitig dem Zuschauer erklären?
2. Musik im Film – Wirkung und Spannungsverhältnis
Mit Beginn des Tonfilms beschäftigen sich die meisten Schriften in der Sekundärliteratur über Musik im Film mit verschiedenen ästhetischen Themen. Dabei geht es hauptsächlich um die Interaktion zwischen Musik und Film. Claudia Gorbman bezeichnet diese Betrachtungsweise als den ästhetischen Ansatz. Nach Gorbman sind diese ästhetischen Positionen zum Großteil impressionistisch und beruhen auf keiner ausformulierten Theorie. Der französische Komponist Maurice Jaubert ging mit der neuen Beziehung, der neuen Mischform zwischen Musik und Film konform. Ihm zufolge gehen wir nicht ins Kino, um Musik zu hören. Vielmehr sei die Musik dafür da, den „inneren Rhythmus der Bilder zur Geltung zu bringen“.[iii] Der compilation score war die typische Form von Filmbegleitung. Volkslieder, Opernarien und Popularmusik wurden aneinander gefügt und konnte so vom Zuschauer durchaus wieder erkannt werden. Hierin wird der Anfang der Etablierung von „Musik im Vordergrund“[iv] gesehen.
Eine weiterte Debatte zum Thema dieser Ästhetik betrifft den Gegensatz parallel und kontrapunktisch. So sollte die Musik der Stimmung oder der Handlung des Geschehenen ähneln oder in einem bestimmten Kontrast dazu stehen. Der Regisseur Wsewolod Pudowkin war ein Befürworter des Kontrapunktes. Er argumentierte damit, dass „Musik im Tonfilm nie Begleitung sein sollte. Sondern sollte der eigenen Linie folgen.“[v] Im Vergleich hierzu ist der gegensätzliche Einsatz von Musik des Hollywood-Kinos[vi] zu nennen. Dort wird Filmmusik hauptsächlich illustrativ und untermalend eingesetzt, um damit im Film für Kontinuität zu sorgen. Der weiterführende Ansatz, der vor allem bei der Bearbeitung dieser Seminararbeit zum Tragen kommt, ist der Narratologische. Dieser wird mit der Benennung des diegetischen Tonfilms gekennzeichnet.
Im diegetischen Tonfilm wird die Atmosphäre in der die Protagonisten gezeigt werden, für den Zuschauer besonders deutlich. Die prägnanteste Aufteilung dieser Betrachtungsweise von Musik und Film betrifft die Frage, in wiefern Musik als Bestandteil der erzählten Welt oder nur als Teil der Tonspur zu sehen ist. Diesen unterschiedlichen Ebenen, so Grobman, bringen wir verschiedene Erwartungen entgegen. Die Frage richtet sich demnach auf die Art und Weise, wie die Musik mit dem filmischen Erzählprozess in Zusammenhang gebracht werden kann. Das heißt bei der Analyse nach diegetischer Musik werden Leitmotive, Rollen oder Strukturierungen der Musik und ihrer Bedeutung für die Erzählperspektive untersucht. So vermag die Untersuchung von Filmmusik in ihren vielfältigen kulturellen Kontexten einen Hinweis zum Verständnis ihrer Funktion geben. Nach Peer Raben hilft uns die Musik, unsere Emotionen beim Sehen eines Films besser kontrollieren zu können. Demnach erfolgt die Auseinandersetzung mit Gesehenem und der Wirklichkeit in unserem Intellekt, welcher uns das Empfinden gibt, was wir sehen, wirklich geschieht. Die Musik trennt unsere Emotionen „von dem Geschehen auf der Leinwand ab, sodaß der Kopf frei wird zum Denken“.[vii]
3. Quentin Tarantino und die Musik zu „Jackie Brown“
„Für mich gehen Film und Musik Hand in Hand. Wenn ich ein Skript schreibe, denke ich zuerst daran, die passende Musik für die Eröffnungsszene zu finden.“
Quentin Tarantino[viii]
Für den Film Jackie Brown benutzte Quentin Tarantino ausschließlich source music, das heißt er verwendete bereits existierende Lieder für diesen Film. Diese Art der Musikverwendung ermöglicht es, den Zeitgeist der Musik in den Film zu übertragen. Mit Hilfe von source music können Emotionen, Stil und Geschmack der ursprünglichen Epoche lebendig gemacht werden.[ix] Im Film Jackie Brown verwendete Tarantino Musikstücke aus den 1970er Jahren, vorwiegend aus den Genres Soul, Funk und Disco. Die meisten dieser Lieder stammen aus Filmen jener Zeit, die dem amerikanischen Filmgenre Blaxploitation zugeordnet werden können. Diese Bezeichnung wird für Filme verwendet, die aus der Sicht von Afroamerikanern gedreht wurden. Themen waren meist Drogenschmuggel, Waffengeschäfte und der Alltag in den Schwarzenghettos der Großstädte. Tarantino nutzt die Historie der Lieder, um die Musik einerseits auf der diegetischen Ebene der Erzählstruktur einzusetzen, das heißt die Musik ist Bestandteil der erzählten Welt und andererseits sie in die nichtdiegetischen Ebene als Bestandteil der Tonspur, ohne dass der Protagonist sie hören kann, zu verwenden. Gleichzeitig bekommt die Musik, aufgrund ihrer Historie und des Liedtextes, die Funktion der erzählerischen Komponente, je nach dem auf welcher Ebene sie in dem Film eingesetzt wird, zugeteilt. Vorausgesetzt der Rezipient hat ein Kontextwissen zu dem Lied, dann übernimmt die Musik die Funktion der Empathie. Der Zuschauer erinnert sich beim Hören des bestimmten Musikstückes an ein gewisses Ereignis oder gar an den Film, in dem er die Musik schon einmal gehört hat und stellt Verbindungen zum Gesehenem und der dazugehörigen Handlung her. Dieses scheint die Absicht Tarantinos zu sein. Durch Einsatz dieser bestimmten Musik und der Besetzung der Protagonistin durch Pam Grier, einer Ikone der bereits erwähnten Blaxploitation-Filme der Siebziger wird ein Rahmen geschaffen, der auf vergangene Zeiten, die der 1970er Jahre, verweist.
3.1. Kurze Inhaltsangabe
Die Stewardess Jackie Brown wird am Flughafen mit Schwarzgeld in ihrem Gepäck erwischt. Durch Jackies Aussage erhofft sich das FBI, einen Schmuggler-Ring auszuheben. Sie bieten ihr einen Deal an, sobald sie den Namen ihres Auftraggebers preisgibt, bekäme sie Straffreiheit. Die Entscheidung fällt ihr schwer, denn Ordell Robbie, ihr Boss und Drahtzieher der dubiosen Waffenschmuggel-Geschäfte, würde sie umbringen, sollte er erfahren, dass sie einen Deal mit dem FBI eingegangen ist. Doch bevor sie sich entscheiden kann, lernt sie den Kautionsvermittler Max Cherry kennen. Beide schmieden gemeinsam einen Plan, wie sie Ordell gegen die Polizei ausspielen könnten. Mit einer geglückten Geldübergabe gelingt ihr Plan und Jackie kann sich der drohenden Strafe und der Gewalt durch Ordell entziehen.
3.2. Musik als Aufmerksamkeitsauslöser
am Beispiel „Across 110th Street“
Zu Beginn des Films wird die Hauptperson Jackie Brown eingeführt, musikalisch begleitet wird diese Sequenz durch das Lied Across 110th street von Bobby Womack. Jackie Brown steht auf einem Förderband und fährt gleichmäßig von links nach rechts in das Bild ein. Sobald sie im medium shot zu sehen ist, beginnt auch der Gesang Bobby Womacks. Hier gibt es eine Gleichrangigkeit von Handlung und Musik, da beide Aktionen, also der Einsatz von Gezeigtem und Gehörtem, zur selben Zeit beginnen. Der Zuschauer folgt Jackie Brown in der gleichen Einstellung in einer Parallelfahrt. Dieser tracking shot lenkt die Aufmerksamkeit auf Jackie Brown und durch die Statik des Blickwinkels auch die Wahrnehmung auf den gesungenen Text. Dieser Effekt beruht auf dem unveränderten Blickwinkel, den der Zuschauer auf das Geschehen hat, das heißt es gibt keine neuen Bilder und Reize für unser Auge. Dementsprechend kann sich die Aufmerksamkeit von der visuellen Wahrnehmung hin zur Akustischen verlagern. Der Zuschauer erfährt durch das Lied eine mögliche Biografie, mit einigen Einschränkungen („…third brother…”) der dargestellten Protagonistin.
[...]
[i] Vgl. Bullerjahn, Claudia: Grundlagen der Wirkung von Filmmusik. Wissner, Augsburg 2001
[ii] Zitiert nach Georg Seeßlen: Zärtliche Zerstörungen: Anmerkungen zur Musik in Tarantinos Filmen. In: Fischer, Robert: Quentin Tarantino. 2.erweiterte Auflage Bertz + Fischer, Berlin 1998, S.65.
[iii] zitiert nach Maurice Jaubert in: Gorbman, Claudia: Filmmusik, Texte und Kontexte in: Schlagnitweit, Regina; Schlemmer, Gottfried: Film und Musik. Synema, Wien 2001
[iv] Gorbman, C., ebda., S.17.
[v] Sargeant, Amy: Vsevolod Pudovkin: classic films of the Soviet Avant-Garde. Amy Sargeant. - London 2000
[vi] Pollach, Andrea (Hrsg.): Singen und Tanzen im Film. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2003, S.45ff.
[vii] Schlagnitweit, Regina; Schlemmer, Gottfried: Film und Musik. Synema, Wien 2001, S.5f.
[viii] Fischer, Robert: Quentin Tarantino. 2.erweiterte Auflage Bertz + Fischer, Berlin 1998, S.8.
[ix] nach Georg Seeßlen: Zärtliche Zerstörungen: Anmerkungen zur Musik in Tarantinos Filmen. In: Fischer, Robert: Quentin Tarantino. 2.erweiterte Auflage Bertz + Fischer, Berlin 1998, S.12ff.
- Citation du texte
- Wilkin Schröder (Auteur), 2007, Musik als filmdramaturgisches Gestaltungsmittel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93950
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