Beim Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Osteuropa waren es zuerst Polen und Ungarn, die den Weg der Demokratisierung beschritten. Im Zuge des Systemwechsels wurde in Polen letztendlich 1997 eine neue Verfassung verabschiedet und damit das semi-präsidentielle Regierungssystem endgültig festgeschrieben. In Ungarn fand die grundlegende Verfassungsrevision 1989/90 statt; damit wurde das parlamentarische Regierungssystem installiert. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Ursachen der Herausbildung unterschiedlicher Regierungssystemtypen in Polen und Ungarn geklärt werden. Zur Eingrenzung des Themas werden nur die Ereignisse in Polen ab dem November 1987 und in Ungarn ab dem Mai 1988 bis zu den jeweils ersten freien Parlamentswahlen im Rahmen einer Querschnittsanalyse berücksichtigt. Die wesentlichen zu beantwortenden Fragen betreffen die Gründe für das Ende der autokratischen Regime und den Einfluss, der sich aus dem Verhalten der wesentlichen Akteure beim Regimewechsel ergibt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Regime, Staat und System
2.2 Transformation
2.3 Demokratische und autokratische Systeme
3 Theoretische Ansätze zum Systemwechsel
3.1 Überblick theoretischer Ansätze
3.2 Systemtheoretische Ansätze
3.3 Akteurstheorien
4 Der Systemwechsel in Polen und Ungarn
4.1 Die Ausgangssituation
4.2 Die Positionen der wesentlichen Akteure in den Verhandlungen
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Merkmale von demokratischen, autoritären und totalitären Systemen (Quelle: Merkel 1998, 16)
Tabelle 2: Transformationstheoretische Erklärungsansätze (vgl. Sandschneider 1995, 58)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Beim Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Osteuropa waren es zuerst Polen und Ungarn, die den Weg der Demokratisierung beschritten. Der Systemwechsel bahnte sich in Polen bereits 1980 mit der Gründung der Gewerkschaft Solidarnósc an, die tatsächliche Ablösung des autokratischen Regimes begann im November 1987, als General Jaruzelski ein Referendum zu seinem wirtschaftlichen Krisenprogramm verlor (Merkel 1998, 282). Ungarn hatte bereits seit 1968 eine schrittweise Liberalisierung vor allem im wirtschaftlichen Bereich eingeleitet. Das Ende des autokratischen Regimes beschleunigte sich ab Mai 1988, als auf dem Sonderparteitag der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (MSZMP) mit der Machtübergabe an Grósz die über 30jährige Kádár-Ära zu Ende ging und die Reformer innerhalb der MSZMP an Gewicht gewannen (Pállinger 1997, 163ff). Im Zuge des Systemwechsels wurde in Polen letztendlich 1997 eine neue Verfassung verabschiedet und damit das semi-präsidentielle Regierungssystem endgültig festgeschrieben. In Ungarn fand die grundlegende Verfassungsrevision 1989/90 statt; damit wurde das parlamentarische Regierungssystem installiert.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Ursachen der Herausbildung unterschiedlicher Regierungssystemtypen in Polen und Ungarn geklärt werden. Zur Eingrenzung des Themas werden nur die Ereignisse in Polen ab dem November 1987 und in Ungarn ab dem Mai 1988 bis zu den jeweils ersten freien Parlamentswahlen im Rahmen einer Querschnittsanalyse berücksichtigt. Ferner werde ich nur auf Veränderungen im politischen System eingehen. Die Phase der Konsolidierung wird bei dieser Analyse nicht einbezogen. Die wesentlichen zu beantwortenden Fragen betreffen die Gründe für das Ende der autokratischen Regime und den Einfluss, der sich aus dem Verhalten der wesentlichen Akteure beim Regimewechsel ergibt.
Als Vorgehensweise wurde die Folgende gewählt: Nach der Einleitung werden im zweiten Kapitel die relevanten Begriffe definiert, das dritte Kapitel ist Theorien zum Systemwechsel gewidmet. Im darauf folgenden Kapitel erfolgt die Analyse der Systemwechsel in Polen und Ungarn. Abschließend wird eine Bewertung der erarbeiteten Ergebnisse erfolgen.
2 Begriffsbestimmungen
Ausgehend von der Regime-, Staats- und Systemdefinition werden im Folgenden die einzelnen Transformationsmöglichkeiten sowie demokratische und autokratische Systeme näher bestimmt.
2.1 Regime, Staat und System
Ein Regime umfasst die formalen und tatsächlichen Regelungen bezüglich des Zugangs zur Regierungsmacht und der Ausübung derselben. Es definiert die Art und Weise des Umgangs der Herrschaftsträger untereinander und deren Verhältnis zur Opposition (Merkel 1998, 48).
Als Staat bezeichnet man in der klassischen staatsrechtlichen Auffassung jedes Gebilde, welches „über Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt verfügt“ (Sandschneider 1995, 108). Das Regime kann als Teil des Staates verstanden werden.
Politische Systeme enthalten „die Gesamtheit von Strukturen (Institutionen) und Regeln (Verfahren) […], die politische und gesellschaftliche Akteure (Parteien, Verbände, Organisationen, Individuen) in eine regelgeleitete Beziehung zueinander [setzen]“ (Merkel 1998, 38). Dies schließt auch den Staat und das jeweilige Regime mit ein.
2.2 Transformation
Transformation ist ein Sammelbegriff für alle Gesichtspunkte der Veränderung eines Systems und seiner Subsysteme. Dies beinhaltet Systemwandel, Systemwechsel, Regimewechsel, Transition und Systemzusammenbruch (Sandschneider 1995, 38).
Während Systemwandel den evolutionären Prozess der Veränderung eines Systems ohne den zwangsläufigen Wechsel zu einem anderen Systemtypus beschreibt, wird unter Systemwechsel der tatsächliche Wechsel der Form politischer Herrschaftsausübung verstanden. Ein Systemwechsel liegt nur vor, wenn sich Herrschaftszugang, Herrschaftsstruktur, Herrschaftsanspruch und Herrschaftsweise des Systems grundlegend geändert haben. Transition ist eine besondere Form des Systemwechsels, sie bezeichnet den Übergang vom autokratischen System zur Demokratie (Merkel 1998, 50f).
Beim Systemwechsel werden nach O’Donnell und Schmitter drei Phasen unterschieden: 1) Das Ende des autokratischen Systems: Diese Phase beginnt mit der Erosion der Macht der alten Herrschaftseliten und wird abgeschlossen mit deren Machtteilung, Machtaufgabe oder dem Kollaps des Systems. 2) Die Phase der Institutionalisierung der Demokratie bahnt sich an, wenn die Kontrolle der politischen Entscheidungen nicht mehr in den Händen der alten autokratischen Herrschaftseliten liegt und endet mit der Verabschiedung einer neuen beziehungsweise der Revision der alten Verfassung. Mit der Verfassung sind die wesentlichen demokratischen Institutionen bestimmt, der Typus des Regierungssystems ist festgelegt. 3) Die Konsolidierung der Demokratie stellt die letzte Phase des Systemwechsels dar. Sie beginnt je nach Autor mit den ersten freien Wahlen oder mit der Verabschiedung der neuen oder der Revision der alten Verfassung und endet mit der Etablierung des neuen demokratischen Systems (Merkel 1998, 54ff).
Laut Merkel ergeben sich aus den Analysen der bisherigen Demokratisierungswellen sechs Verlaufsformen der Ablösung autokratischer Systeme. Hierbei kann es sich um 1) eine lang andauernde Evolution über zeitlich längere Phasen, 2) einen von alten Regimeeliten gelenkten Systemwechsel, der von den autokratischen Regimeeliten initiiert und kontrolliert wird, 3) einen von unten erzwungenen Systemwechsel etwa durch eine mobilisierte Öffentlichkeit, 4) einen ausgehandelten Systemwechsel zwischen Regime und Opposition, 5) einen Regime-Kollaps in Form eines jähen Zusammenbruchs oder 6) eine Neugründung von Staaten handeln (Merkel 1998, 61ff).
2.3 Demokratische und autokratische Systeme
Das Wort Demokratie stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet “Herrschaft des Volkes”. Demokratie wurde seit Platon und Aristoteles als alternative Staatsform zur Monarchie und Aristokratie gesehen (Saage 2005, 13ff). Heute werden stattdessen totalitäre, autoritäre und demokratische Systeme unterschieden. Dabei gelten totalitäre und autoritäre Systeme als autokratische Systeme. Gemäß Hans Kelsen „können alle nicht-demokratischen politischen Systeme Autokratien genannt werden“ (Merkel 1998, 21).
Demokratische Systeme sind gekennzeichnet durch Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, dabei liegt der Ursprung der politischen Willensbildung im Volksvotum. Je nach Art der Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung können parlamentarische, semi-präsidentielle und präsidentielle Regierungssysteme unterschieden werden (Hartmann 2000, 18ff).
In seinem Werk „Polyarchy“ zeigte Dahl 1971 Bedingungen auf, anhand derer eine Demokratie identifiziert wird: „1) Wahl und Abwahl der Amtsinhaber, 2) regelmäßig stattfindende freie und faire Wahlen, 3) inklusives Wahlrecht in dem Sinne, dass alle oder nahezu alle Erwachsenen bei der Wahl von Amtsinhabern aktiv und passiv wahlberechtigt sind, 4) freie Meinungsäußerung, 5) Informationsfreiheit, 6) Organisations- und Koalitionsfreiheit zur Bildung politischer Parteien und Interessengruppen sowie 7) ein ‚inklusiver Bürgerschaftsstatus’ […]“ (Schmidt 2000, 394). Diese Kriterien gelten als demokratische Minimaldefinition.
Merkel hingegen unterteilt politische Systeme ausgehend von dem leitenden Kriterium der politischen Herrschaft nach Herrschaftszugang, Herrschaftsstruktur, Herrschaftsanspruch, Herrschaftsweise und Herrschaftslegitimation wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Merkmale von demokratischen, autoritären und totalitären Systemen
(Quelle: Merkel 1998, 16)
Gemäß Linz existieren „drei zentrale Merkmale autoritärer Systeme: (1) begrenzter Pluralismus, (2) keine umfassend formulierte Ideologie, (3) weder extensive noch intensive Mobilisierung“ (Nohlen 1997, 67). Merkel dagegen identifiziert autoritäre Systeme am ideologischen Anspruch der Herrschaftslegitimation wobei er die folgenden Formen unterscheidet: „Kommunismus, Faschismus, ‚Militarismus’, Korporatismus, Rassismus, Modernisierung, Theokratie, Dynastie“ (Merkel 1998, 23). Diese Formen liegen in realen autoritären Systemen meist kombiniert vor.
Während autoritäre Herrschaft gemäß Arendt die Freiheit einschränke, wird diese bei totalitärer Herrschaft abgeschafft. Anhand folgender Kriterien können totalitäre Systeme nach Friedrich und Brzezinski identifiziert werden: 1) Umfassende, alle Lebensbereiche einschließende Ideologie, 2) eine Einheitspartei, die über einem hierarchisch aufgebauten Staatsapparat steht, 3) Terrorsystem mit Hilfe von Geheimdienstkontrolle, 4) zentrale Lenkung und Zensur der Medien, 5) nur das Regime allein darf Kampfwaffen besitzen, 6) von Partei und Staat gelenkte Wirtschaft. (Merkel 1998, 29ff).
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