Migration und Globalisierung haben seit ca. 1955 eine zunehmend bedeutendere
Zuwanderung ausgelöst. Handelte es sich in den 50er und 60er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts überwiegend um Arbeitsmigration durch angeworbene
Arbeitskräfte, ist das Wanderungsverhalten seit Mitte der 70er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts in der Hauptsache gekennzeichnet durch
Familiennachzug, durch die politische und wirtschaftliche Situation in den
Herkunftsländern – zu nennen sind hier u.a. Asylbewerber, Flüchtlinge und
Aussiedler aus Osteuropa – sowie die Freizügigkeiten innerhalb der Europäischen
Union. Laut Statistischem Bundesamt (2007 a, S. 8)) betrug die durchschnittliche
Aufenthaltsdauer der in Deutschland lebenden Ausländer und Ausländerinnen
Ende 2005 17,3 Jahre. Ein Drittel von ihnen lebt bereits seit über 20 Jahren hier.
Die im Juni 2006 veröffentlichte kleine Volkszählung (Mikrozensus 2005) fragte
danach, wie viele Bürger mit deutschem Pass geografisch nicht deutscher
Herkunft sind, also selbst eingewandert sind oder von Einwanderern abstammen.
Dem Ergebnis zu Folge leben derzeit in Deutschland 15,3 Mio. Menschen mit
Migrationshintergrund (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT, 2007 a, S. 3).
Deutschland hat sich somit zu einer multikulturellen Gesellschaft entwickelt.
Diese Veränderungen in der Bevölkerungszusammensetzung haben Einfluss auf
das Gesundheitssystem. Die Zahl der Migranten und Migrantinnen als Kunden im
Gesundheitswesen nimmt rasch zu. In Zeiten einer zunehmenden Ökonomisierung
und eines zunehmenden Konkurrenzdruckes nehmen Migranten als (potentielle)
Kunden keinen unwesentlichen Platz ein. In Regionen mit einem hohen
Migrantenanteil in der Bevölkerung wird sich eine interkulturelle Orientierung
schon bald als zukunftssichernd erweisen. Der rasante Anstieg ist einerseits
begründet durch die Verschiebung der Altersstrukturen innerhalb der
Migrantenbevölkerung. Laut Prognose des Statistischen Bundesamtes wird die
Zahl der über 60-jährigen Personen mit ausländischer Herkunft bis 2010 auf 1,3
Mio. und bis 2030 auf 2,8 Mio. anwachsen (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT,
2007 a, S. 7). Gerade ältere Ausländer weisen ein, durch jahrelange schwere und
belastende Arbeitsbedingungen hervorgerufenes, erhöhtes Risikoprofil auf.
Dadurch kann eine hohe Hilfs- und Pflegebedürftigkeit vorausgesagt werden.
Andererseits verzeichnen in der klinischen Versorgung die Bereiche Gynäkologie
/ Geburtshilfe, sowie Pädiatrie einen sehr hohen Anteil an Migranten als Kunden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
1 Theoretische Konzepte
1.1 Kultur
1.1.1 Kulturdefinition
1.1.2 Kulturstandards
1.1.3 Kulturdimensionen
1.1.4 Kulturelle Überschneidungssituationen
1.2 Interkulturelle Kompetenz
2 Ausgangssituation und Ziele der Befragung
2.1 Migrantinnen in der Gynäkologie / Geburtshilfe
2.2 Das Pflegepersonal
2.3 Ziele der Studie
3 Fragebogenkonstruktion
3.1 Auswahl der Methode
3.2 Fragebogenbestandteile und Itemauswahl
3.2.1 Demografische Fragen und Selbstauskunft
3.2.2 Wissensfragen
3.2.3 Situative Fragen
3.3 Formulierung der Fragen
3.4 Pretest
3.5 Gütekriterien
3.5.1 Reliabilität
3.5.2 Validität
3.5.3 Objektivität
4 Durchführung der Mitarbeiterbefragung
4.1 Unterstützung durch das direkte Umfeld
4.2 Das Untersuchungsfeld
4.3 Vollerhebung
4.4 Rücklaufsteigerung
5 Auswertung und Aufbereitung der Daten
5.1 Deskriptive Auswertung
5.2 Grafische Darstellung der Ergebnisse und Interpretation
6 Empfehlungen
7 Kritische Auseinandersetzung
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang 1: Fragebogen
Anhang 2: Feedback-Bogen
Anhang 3: Mitarbeiterinformationsschreiben
Anhang 4: Auswertungsanleitung für den Fragebogen
Anhang 5: Detaillierte Datenaufbereitung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 5.2.1: Situative Fragen – themenbezogene Auswertung
Abbildung 5.2.2: Wissensfragen – themenbezogene Auswertung
Abbildung 5.2.3: Gesamtauswertung
Abbildung 5.2.4: Selbsteinschätzung zur interkulturellen Kompetenz
Abbildung 5.2.5: Selbsteinschätzung zum eigenen Fortbildungsbedarf
Abbildung 5.2.6: Ergebnis der situativen Fragen im Verhältnis zu Migrationserfahrungen und regelmäßigen privaten interkulturellen Kontakten
Abbildung 5.2.7: Ergebnis der Wissensfragen im Verhältnis zu Migrationserfahrungen und regelmäßigen privaten interkulturellen Kontakten
Abbildung 5.2.8: Ergebnis der situativen Fragen im Verhältnis zur Altersstruktur
Abbildung 5.2.9: Ergebnis der Wissensfragen im Verhältnis zur Altersstruktur
Einleitung
Migration und Globalisierung haben seit ca. 1955 eine zunehmend bedeutendere Zuwanderung ausgelöst. Handelte es sich in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts überwiegend um Arbeitsmigration durch angeworbene Arbeitskräfte, ist das Wanderungsverhalten seit Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in der Hauptsache gekennzeichnet durch Familiennachzug, durch die politische und wirtschaftliche Situation in den Herkunftsländern – zu nennen sind hier u.a. Asylbewerber, Flüchtlinge und Aussiedler aus Osteuropa – sowie die Freizügigkeiten innerhalb der Europäischen Union. Laut Statistischem Bundesamt (2007 a, S. 8)) betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der in Deutschland lebenden Ausländer und Ausländerinnen Ende 2005 17,3 Jahre. Ein Drittel von ihnen lebt bereits seit über 20 Jahren hier. Die im Juni 2006 veröffentlichte kleine Volkszählung (Mikrozensus 2005) fragte danach, wie viele Bürger mit deutschem Pass geografisch nicht deutscher Herkunft sind, also selbst eingewandert sind oder von Einwanderern abstammen. Dem Ergebnis zu Folge leben derzeit in Deutschland 15,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. S TATISTISCHES B UNDESAMT, 2007 a, S. 3). Deutschland hat sich somit zu einer multikulturellen Gesellschaft entwickelt. Diese Veränderungen in der Bevölkerungszusammensetzung haben Einfluss auf das Gesundheitssystem. Die Zahl der Migranten und Migrantinnen als Kunden im Gesundheitswesen nimmt rasch zu. In Zeiten einer zunehmenden Ökonomisierung und eines zunehmenden Konkurrenzdruckes nehmen Migranten als (potentielle) Kunden keinen unwesentlichen Platz ein. In Regionen mit einem hohen Migrantenanteil in der Bevölkerung wird sich eine interkulturelle Orientierung schon bald als zukunftssichernd erweisen. Der rasante Anstieg ist einerseits begründet durch die Verschiebung der Altersstrukturen innerhalb der Migrantenbevölkerung. Laut Prognose des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der über 60-jährigen Personen mit ausländischer Herkunft bis 2010 auf 1,3 Mio. und bis 2030 auf 2,8 Mio. anwachsen (vgl. S TATISTISCHES B UNDESAMT, 2007 a, S. 7). Gerade ältere Ausländer weisen ein, durch jahrelange schwere und belastende Arbeitsbedingungen hervorgerufenes, erhöhtes Risikoprofil auf. Dadurch kann eine hohe Hilfs- und Pflegebedürftigkeit vorausgesagt werden. Andererseits verzeichnen in der klinischen Versorgung die Bereiche Gynäkologie / Geburtshilfe, sowie Pädiatrie einen sehr hohen Anteil an Migranten als Kunden. Hier ist die Frage nach einer kultursensiblen Versorgung besonders aktuell, um eine patientenzentrierte, individuelle, an den Bedürfnissen des kranken Menschen orientierte Pflege, unter Berücksichtigung seiner kulturellen Prägung, gewährleisten zu können. Kranksein in einem fremden Kulturkreis bedeutet ein Ausgeliefertsein an fremde Bezugspersonen, fremde Behandlungsformen und fremde Medizin. Fremdheit mobilisiert häufig Angst, Unsicherheit und Hilflosigkeit bei den betroffenen Patienten, aber auch bei den jeweiligen Pflegepersonen, die mit fremden Erwartungen konfrontiert werden. Diese Faktoren beeinflussen Heilungsprozesse oft in negativer Weise, wirken ihnen vielfach sogar entgegen. Neben einer angepassten, interkulturellen Organisationsentwicklung im Gesundheitswesen sind gerade in Dienstleistungsunternehmen die Qualifikationen und Fähigkeiten der Mitarbeiter zur Erreichung von betrieblichen Zielen von entscheidender Bedeutung. Zu einer kultursensiblen Versorgung von Migranten bedarf es hier einer interkulturellen Kompetenz, die dem Mitarbeiter erweiterte Handlungsspielräume eröffnet und ihn so befähigt bei einem differenten Umgang mit Krankheit, Schmerz, Trauer, etc. oder einem unterschiedlichem Verständnis von Gesundheit, Krankheit und Pflege angepasste Unterstützung bieten zu können.
In den vergangenen Jahren sind in der Bundesrepublik im Rahmen der neu konstituierten Pflegewissenschaft zahlreiche Bemühungen erkennbar geworden, eine migrantengerechte Pflege zu fördern und damit einen pflegespezifischen Anteil in die Qualitätsentwicklung und –sicherung der gesundheitlichen Versorgung von Migranten einzubringen (vgl. H ABERMANN, 2001, S. 153). Dennoch werden in der derzeitigen interkulturellen Pflegepraxis immer wieder Defizite von Seiten der Pflegenden, sowie auch von Seiten der Pflegeempfänger konstatiert, wie dies Interviewauswertungen von Frankfurter Pflegewissenschaftlerinnen illustrieren (vgl. H UNSTEIN u. a., 2001, S. 155 ff.).
Die vorliegende Studie soll einen Beitrag leisten für eine weitere zielgerichtete interkulturelle Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen. Sie ist als quantitative deskriptive Querschnittstudie eine Momentaufnahme, erfasst und beschreibt die derzeitige interkulturelle Kompetenz des Pflegepersonals in der gynäkologischen / geburtshilflichen Abteilung des Katholischen Klinikums Mainz und bietet dadurch eine geeignete Informationsgrundlage für weitere spezifische Personalentwicklungsmaßnahmen.
1 Theoretische Konzepte
Zunächst werden die in der Fragestellung auftretenden Begriffe definiert und operationalisiert und so einer Messung zugänglich gemacht. Da es sich bei dem Denkgebilde, dem Konstrukt „interkulturelle Kompetenz“ um einen recht komplexen, mehrdimensionalen Begriff handelt, ist es notwendig dessen einzelne Dimensionen herauszuarbeiten (vgl. D IEKMANN, 2006, S.168).
1.1 Kultur
1.1.1 Kulturdefinition
In der Wissenschaft existiert noch keine einheitliche Kulturdefinition. In einem entsprechenden Vergleich unterschieden Kulturanthropologen über 150 verschiedene Definitionsversuche zum Begriff „Kultur“ (vgl. L OSCHE, 2005, S. 15). Zur Erfassung interkultureller Kompetenz erweist sich die Kulturdefinition des Psychologen T HOMAS (2003) als geeignet, da sie in hohem Maße anwendungsbezogen ist. Sein Anliegen ist es vor allem die Interaktion und Zusammenarbeit zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen zu verbessern (vgl. T HOMAS, 2003, S. 21).
„Kultur ist ein universelles Phänomen. Alle Menschen leben in einer spezifischen Kultur und entwickeln sie weiter. Kultur strukturiert ein für die Bevölkerung spezifisches Handlungsfeld, welches von geschaffenen und genutzten Objekten bis hin zu Institutionen, Ideen und Werten reicht. Kultur manifestiert sich immer in einem für eine Nation, Gesellschaft, Organisation oder Gruppe typischen Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen (z. B. Sprache, Gestik, Mimik, Kleidung, Begrüßungsritualen) gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft, Organisation oder Gruppe tradiert, das heißt, an die nachfolgende Generation weitergegeben. Das Orientierungssystem definiert für alle Mitglieder ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft oder Gruppe und ermöglicht ihnen ihre ganz eigene Umweltbewältigung. Kultur beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft. Das Kulturspezifische Orientierungssystem schafft einerseits Handlungsmöglichkeiten und Handlungsanreize, andererseits aber auch Handlungsbedingungen und setzt Handlungsgrenzen fest“ (ebd ., 2003, S. 22).
1.1.2 Kulturstandards
Das jeweilige kulturspezifische Orientierungssystem wird bestimmt von Kulturstandards. Diese sind Arten des Wahrnehmens, Denkens, Urteilens und Handelns, die von der Mehrheit der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich und andere als normal, typisch, selbstverständlich und verbindlich angesehen werden. Sie regulieren weite Bereiche des eigenen und fremden Verhaltens und sind insbesondere für die Steuerung der Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Handlungsprozesse zwischen Menschen bedeutsam (vgl. ebd., 2003, S.25).
1.1.3 Kulturdimensionen
„In den letzten Jahrzehnten haben zahlreiche Wissenschaftler versucht, kulturelles Handeln auf bestimmte Grunddimensionen menschlichen Verhaltens zurückzuführen. Diese werden in der interkulturellen Forschung als Kulturdimensionen bezeichnet“ (B REUNINGER / B RÖNNEKE, 2006, S. 12). Kulturdimensionen sind hilfreich zur Beschreibung von Kulturen, sowie für das Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Kulturen. Somit bietet dieses Konzept eine Chance der Verminderung grundsätzlicher kulturell determinierter Missverständnisse ohne die dazugehörigen kulturellen Standards bereits im Detail zu kennen. Es ist gerade für die Pflege ein sehr hilfreiches Konzept, da Pflegende täglichen Kontakt mit einer Vielzahl von Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen haben und es nicht möglich ist alle notwendigen Kulturstandards zu kennen.
In die vorliegende Studie fließen Kulturdimensionen nach dem Grundwerte-Modell von M AYERS ein. Bei der Konstruktion des Fragebogens können auf dieser Grundlage relevante Items formuliert werden. M AYERS unterscheidet 6 Kulturdimensionen: Zeitorientierung versus Erlebnisorientierung, analytisches versus synthetisches Denken, Krisenorientierung versus Gelassenheit, Zielorientierung versus Personenorientierung, Ansehen auf Grund der gesellschaftlichen Stellung versus Ansehen auf Grund persönlicher Leistungen und Furcht vor Bloßstellung versus Mut zur Bloßstellung (vgl. L INGENFELTER / M AYERS, 2004, S. 24 f.).
Anzumerken ist hier, dass Kulturdimensionen, Kulturstandards immer nur als Orientierungspunkte mit Tendenzwerten betrachtet werden können. Einzelne Kulturen lassen sich nicht klar voneinander abgrenzen. Auch in Hinblick an das heutige Ausmaß an Kulturbegegnungen, Migrationsbewegungen und Wandlungsprozessen ist zu bedenken, dass Menschen nahezu unendliche Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Lebensentwürfe haben. Heutige Gesellschaften sind durch zunehmende Heterogenisierung und Differenzierung gekennzeichnet (vgl. U ZAREWICZ / U ZAREWICZ, o. J., S. 9 ff.). Menschen entwickeln sich individuell und gehen unterschiedlich mit ihrem „kulturellen Erbe“ um. Eine zu starke Abgrenzung von verschiedenen Kulturen führt zu einer Stereotypenbildung und somit zu einer nicht adäquaten Wahrnehmung der fremdkulturellen Person, was wiederum wenig hilfreich für ein gelingendes kultursensibles Zusammenleben ist. Andererseits können kulturelle Unterschiede dennoch nicht geleugnet werden.
1.1.4 Kulturelle Überschneidungssituationen
T HOMAS beschreibt eine kulturelle Überschneidungssituation als eine Situation, in der beide Partner nicht alleine aus einem kulturspezifischen Orientierungssystem heraus agieren können, sondern es mit zwei unterschiedlichen Orientierungssystemen zu tun haben, die mehr oder weniger deutlich wahrgenommen werden (vgl. T HOMAS, 2003, S.26). Das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln in einer solchen Situation wird jeweils an den eigenen, gewohnten Kulturstandards ausgerichtet. Diese Kulturstandards sind unterschiedlich und den betroffenen Personen meist nicht bewusst, bilden aber die Grundlage zur Bewertung des Verhaltens des Interaktionspartners. Dies kann im interkulturellen Umgang zu Missverständnissen und Konflikten führen (vgl. T HOMAS, 1997, S. 47), wie dies im pflegerischen Alltag immer wieder zu beobachten ist.
1.2 Interkulturelle Kompetenz
In der Pflege gibt es derzeit noch keine einheitlichen Begrifflichkeiten. Es wird von multikultureller, interkultureller und transkultureller Pflege gesprochen. Dementsprechend existieren derzeit auch Definitionen für kulturelle Kompetenz (vgl. P APADOPOULOS, 2003, S. 90), sowie transkulturelle Kompetenz. D OMENIG beschreibt den Kern der transkulturellen Kompetenz als eine transkulturell kompetente Interaktionsfähigkeit im Migrantenkontext. Transkulturelle Kompetenz stützt sich dabei auf die drei Pfeiler: Selbstreflexion, Hintergrundwissen / Erfahrung und Empathie im Umgang mit Migranten und Migrantinnen (vgl. D OMENIG, 2001, S. 148).
In der vorliegenden Studie wird die allgemeine Definition der interkulturellen Handlungskompetenz von T HOMAS zugrunde gelegt. Diese wird dem interaktionistischen Ansatz gerecht, der sich in der heutigen interkulturellen Forschung durchgesetzt hat. Danach ist der Handlungserfolg von der wechselseitigen Beeinflussung zwischen Eigenschaften der Person und der Umwelt abhängig. Diese Definition zeigt wesentliche Parallelen zur Definition von D OMENIG.
„Interkulturelle Handlungskompetenz zeigt sich in der Fähigkeit kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei fremden Personen zu erfassen, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit“ (T HOMAS, 2003, S.143). Interkulturell kompetentes Handeln versteht sich somit als ein Prozess in dem persönliche und situationale Faktoren interaktiv zusammenwirken.
T HOMAS integriert in seiner Definition kognitive, affektive und verhaltensbezogene Aspekte. Die kognitive Dimension bezeichnet das Wissen um Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Kulturen, sowie das Erkennen, Einschätzen und adäquate Urteilen in kulturellen Überschneidungssituationen. Die affektive Dimension bezeichnet Persönlichkeitseigenschaften, wie Empathiebereitschaft, Offenheit, Toleranz und Geduld, Sensibilität für die Sichtweisen und Emotionen der fremdkulturellen Person. Die Verhaltensbezogene Dimension bezeichnet die Fähigkeit kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren produktiv zu nutzen, um die aus der kulturellen Andersartigkeit resultierenden Probleme und Konflikte von vorneherein vermeiden zu können (vgl. ebd., 2003, S. 145 ff.).
Auf der Grundlage der beschriebenen Definition leiten B REUNINGER / B RÖNNEKE eine vereinfachte Arbeitsdefinition ab, die für die nachfolgende Fragebogenkonstruktion von Bedeutung ist. Auf dieser Basis können präzise Items formuliert werden. „Interkulturelle Kompetenz zeigt sich darin, eigene und fremde Kulturstandards im Denken und Handeln zu kennen und zu erkennen (Kognition) sowie sein Verhalten darauf abzustimmen, d.h. zur wechselseitigen Zufriedenheit – angeregt durch ein kulturelles Interesse (Affekt, Motiv) – kultursensibel und wirkungsvoll interagieren zu können (Verhalten)“ (B REUNINGER / B RÖNNEKE, 2006, S. 19).
2 Ausgangssituation und Ziele der Befragung
2.1 Migrantinnen in der Gynäkologie / Geburtshilfe
Derzeit leben in Rheinland-Pfalz 312.926 nicht deutsche Mitbürger. Dies entspricht einem Ausländeranteil von 7,7% (S TATISTISCHES B UNDESAMT 2007 b). Das Haupteinzugsgebiet des Katholischen Klinikums Mainz (KKM) bezieht sich auf die Stadt Mainz und den Landkreis Mainz-Bingen. Für beide Gebiete liegen keine extra Werte vor. Doch kann von ähnlichen Verhältnissen ausgegangen werden. Diese multikulturelle Realität spiegelt sich auch in der Gesundheitsversorgung wieder. Das Medizincontrolling des KKM erfasste für das Jahr 2006 25.474 Patienten, die im Klinikum behandelt wurden. Unter ihnen befinden sich 1.653 Patienten nicht deutscher Nationalität. Dies entspricht einem Ausländeranteil von 6,48%. Davon fallen auf die Abteilung Gynäkologie / Geburtshilfe 3.945 Patienten. Darunter befinden sich wiederum 508 Patientinnen nicht deutscher Nationalität. Dies entspricht einem Ausländeranteil von 12,87%. Der Ausländeranteil in der Gynäkologie / Geburtshilfe ist somit doppelt so hoch, wie im gesamten Klinikum. Nicht erfasst werden bei diesen Zahlen Patienten mit Migrationshintergrund, die mittlerweile jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Die mit Abstand größte Gruppe der behandelten ausländischen Patientinnen in der Gynäkologie / Geburtshilfe stellen mit 147 Personen, Frauen türkischer Nationalität dar. Daran schließt sich mit 44 Patientinnen, die Gruppe der italienischen Frauen an. Dicht gefolgt von 42 behandelten Marokkanerinnen. Es folgen Patientinnen portugiesischer und polnischer Nationalität mit 39 und 33 Personen. Insgesamt wurden im Jahr 2006 ausländische Patientinnen aus 53 verschiedenen Nationen behandelt. Alle genannten Zahlen stammen vom Medizincontrolling des KKM (vgl. H ETZENECKER, 2007).
2.2 Das Pflegepersonal
Bezüglich der aktuellen interkulturellen Kompetenz des Pflegepersonals der gynäkologischen Abteilung lassen sich bislang keine konkreten Aussagen treffen. Es liegen keinerlei Untersuchungen diesbezüglich vor. H ABERMANN beschreibt ein in Großbritannien entwickeltes gestuftes Kompetenzmodell zur Evaluierung der interkulturellen Kompetenz. Die Stufe eins markiert das Stadium der unbewussten, nicht wissenden Inkompetenz. Sie ist charakterisiert durch routinemäßiges Pflegen und Nichtwahrnehmen des interkulturellen Pflegebedarfs. Die Stufe zwei wird als Stadium der wissenden Inkompetenz bezeichnet. Die Pflegenden sind sich der Unzulänglichkeit ihrer Pflege im interkulturellen Kontext bewusst, wissen aber nicht wie sie dies verändern können oder die strukturellen Voraussetzungen für eine Veränderung fehlen. Häufig können selbst verfügbare Mittel und Kompetenzen durch die entstandene Hilflosigkeit nicht mehr aktiviert werden. Die Stufen drei und vier werden definiert als bewusste und unbewusste Kompetenz. Sie sind gekennzeichnet durch wachsende Sicherheit im interkulturellen Pflegekontext. Eine Sicherheit die einerseits durch einen kulturübergreifenden, selbstreflexiven Umgang mit Migranten getragen ist sowie von persönlicher Flexibilität und Anpassungsbereitschaft und andererseits auch von einem vertieften, kulturspezifischem Wissen (vgl. H ABERMANN, 1998, S. 156 f.). K OLLAK / K ÜPPER weisen dabei auf die Wichtigkeit hin, Ausländer nicht als eine spezielle Problemgruppe zu identifizieren, für die besondere Konzepte und Kompetenzen zu entwickeln sind. Vielmehr geht es darum, durch die Einnahme interkultureller Perspektiven zu einem erweiterten Pflegeverständnis für alle Patienten zu gelangen. Viele Unsicherheiten, Schwierigkeiten bei der pflegerischen Betreuung von ausländischen Patienten stellen nur eine Intensivierung, Vergrößerung von vorhandenen Defiziten bei der Versorgung von Patienten des gleichen Kulturkreises dar. Fremdheitserfahrungen sind nicht auf so genannte ausländische Patienten beschränkt (vgl. K OLLAK / K ÜPPER, 1997, S. 129).
In der Literatur wird angenommen, dass die interkulturelle Kompetenz von Pflegenden hierzulande teilweise der Stufe eins und mehrheitlich der Stufe zwei zuzuordnen sind (vgl. H ABERMANN., 1998, S. 156). Detaillierte Studien aus diesem Bereich liegen derzeit noch nicht vor. Ein ähnliches Ergebnis wird auch für die gynäkologische / geburtshilfliche Abteilung des Katholischen Klinikums Mainz erwartet.
2.3 Ziele der Studie
Betrachtet man ein Forschungsvorhaben unter ethischen Gesichtspunkten, stellt sich immer auch die Frage nach dem Sinn und Zweck einer Untersuchung. Ohne einen praktischen und / oder theoretischen Nutzen sind solche Studien nur schwer begründbar. Erst der durch den Forscher prognostizierte Erkenntnisgewinn verleiht solchen Untersuchungen ihre Bedeutung. Der Vorteil für die Praxis sollte auf jeden Fall kritisch geprüft werden. Forschungsprojekte können entweder bestehende Hypothesen, Annahmen deduktiv in der Praxis überprüfen oder induktiv neue Erkenntnisse und Theorien hervorbringen. Im Bereich der interkulturellen Kompetenz in der Krankenpflege liegen noch wenig empirische Erkenntnisse vor. Damit Gesundheitseinrichtungen ihrem Versorgungsauftrag im Hinblick auf Migranten gerecht werden können und eine adäquate Pflege anbieten können sind diese jedoch notwendig. Ziel der Studie ist es deshalb zunächst, datenbasierte Aussagen hinsichtlich der derzeitigen interkulturellen Kompetenz der Pflegenden treffen zu können. Bereits vorhandene Fähigkeitspotentiale sollen identifiziert werden, sowie Qualitätslücken und Verbesserungspotentiale benannt und beschrieben werden. Eine verbesserte, migrantengerechtere pflegerische Versorgung kann nun angestrebt werden. Aus den Qualitätsdefiziten ergibt sich der konkrete Personalentwicklungsbedarf. Fort- und Weiterbildungen sind kostenintensive Maßnahmen für ein Unternehmen. Um vorhandene Ressourcen effizient einsetzen zu können, soll die Studie deshalb zusätzlich durch Kohortenbildung Aussagen bezüglich mitarbeitergruppenbezogenen Fortbildungsbedarf ermöglichen. Dadurch wird das Unternehmen in die Lage versetzt den Personalentwicklungsbedarf durch verschiedene Fortbildungsmodule für konkrete Mitarbeitergruppen zu decken. An den spezifischen Unternehmenszielen ausgerichtete, systematische Personalentwicklungsmaßnahmen werden allgemein hin als zukunftssichernde Maßnahmen gewertet. Die Erstellung eines solchen Personalentwicklungskonzeptes wird Aufgabe der sich anschließenden Diplomarbeit sein. Einerseits führen bedarfsorientierte Fort- und Weiterbildungen zu einer Erweiterung der beruflichen Handlungskompetenzen der Mitarbeiter. Sie können dadurch schwierigen und konfliktträchtigen Situationen professioneller, mit mehr Sicherheit begegnen. Dies dürfte wiederum einen Einfluss auf ihre Arbeitszufriedenheit nehmen. Andererseits ist zu erwarten, dass, eine verbesserte pflegerische Versorgungsqualität – die einhergeht mit einer interkulturellen Organisationsentwicklung – auf der Empfängerseite, also auf der Seite der ausländischen Kunden, eine erhöhte Zufriedenheit bewirken. Hohe Kundenzufriedenheit wiederum bewirkt ein positives Image in der Öffentlichkeit. Dadurch werden Wettbewerbserhalt und Unternehmenserfolg gesichert.
3 Fragebogenkonstruktion
3.1 Auswahl der Methode
Kein Instrument ist in der Lage, die Wirklichkeit genau abzubilden, das Konstrukt „interkulturelle Kompetenz“ exakt zu messen. Die „volle“ Wahrheit lässt sich nicht erkennen, sondern nur mit Ungenauigkeit behaftete Näherungswerte. Da aber eine solide Informationsbasis für eine zielgerichtete und ökonomische Personalentwicklung von Bedeutung ist, wird an dieser Stelle wert darauf gelegt ein Erhebungsinstrument mit hinreichender Sensitivität und Genauigkeit zu entwickeln, bezogen auf den Bedarf und das Patientengut der gynäkologischen / geburtshilflichen Abteilung. Um die verschiedenen Komponenten des Konstrukts „Interkulturelle Kompetenz“ zu erfassen, erscheint ein multimodales Messinstrument sinnvoll. Dabei wurde ein dreiteiliges Erhebungsinstrument realisiert. Ein Wissenstest erfasst die kognitive Komponente. Ein situativer Fragebogen, bestehend aus kritischen Interaktionssituationen, erfasst die verhaltensbezogene und affektive Komponente. Zusätzlich wurde ein demografischer Fragebogen entwickelt. Nach T HOMAS ist interkulturelle Kompetenz das Resultat eines lebenslangen Lern- und Reflektionsprozesses (vgl. T HOMAS, 1996, S. 56). Frühere Lebenserfahrungen und deren Reflektion können daher hilfreiche Informationen liefern.
Wissensfragen, sowie demografische Fragen können in Interviews oder in einer schriftlichen Befragung erfasst werden. Da die Befragung das gesamte Pflegepersonal der gynäkologischen / geburtshilflichen Abteilung einschließen soll und so eine größere Anzahl an Befragungen durchzuführen ist, wird sich hier für einen Fragebogen entschieden. Interviews würden den zeitlichen begrenzten Rahmen der Studie sprengen.
Das tatsächliche Verhalten einer Person in einer spezifischen Situation lässt sich nur durch teilnehmende Beobachtung erfassen. Nach L ATHAM erfassen situative Fragen Verhaltensvorsätze oder kognizierte Verhaltensmöglichkeiten. Vorsätze und Intentionen werden dabei als unmittelbare Vorläufer des Verhaltens einer Person angesehen. Durch die erfassten Verhaltensvorsätze lassen sich auch Rückschlüsse auf voraussichtliches Verhalten ziehen, so dass Aussagen zu der verhaltensbezogenen Dimension und der affektiven Dimension des Konstrukts „interkulturelle Kompetenz“ gezogen werden können (vgl. B REUNINGER / B RÖNNEKE, 2006, S. 28). Teilnehmende Beobachtung überschreitet bei weitem den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen, so dass sich auch hier für einen situativen Fragebogen entschieden wird.
Der Fragebogen soll einerseits das Konstrukt „interkulturelle Kompetenz“ in einer ausreichenden Tiefe erfassen, andererseits das Pflegepersonal nicht überfordern. Um einen hohen Rücklauf zu ermöglichen, soll die Bearbeitungszeit nicht mehr als 30 Minuten betragen. Durch die Anwendung eines strukturierten Fragebogens und überwiegende Verwendung von Ankreuzfragen kann eine rasche Bearbeitung des komplexen Themas gewährleistet werden. Gleichzeitig wird dadurch eine Vergleichbarkeit der Antworten ermöglicht.
3.2 Fragebogenbestandteile und Itemauswahl
Alle Fragebogenbestandteile, Items, Elemente des Fragebogens dienen der Messung ein und desselben Merkmals, der interkulturellen Kompetenz des Pflegepersonals. Somit muss sich jedes Item, jede Frage vernünftig auf dieses Konstrukt beziehen lassen (vgl. M UMMENDEY, 1995, S. 53).
Grundlage der Itemsammlung ist ein weitläufiges Studium der Literatur verschiedener Fachgebiete wie Pflegewissenschaft, Medizinethnologie und Psychologie.
3.2.1 Demografische Fragen und Selbstauskunft
Die demografischen Fragen erfassen zunächst allgemeine interkulturelle Erfahrungen. Hier wird eingegangen auf persönliche und familiäre Migrationserfahrungen und deren Reflektion, längere Auslandsaufenthalte (Aufenthalte außerhalb von Deutschland) von mehr als 6 Monaten Dauer ohne Unterbrechung und deren Reflektion, sowie Kontakte zu Menschen aus anderen Kulturen. Zu den verschiedenen Items werden Aussagen formuliert. Die Zustimmung zu den einzelnen Aussagen kann an Hand einer 2-stufigen Nominalskala, bzw. einer 5-stufigen Ordinalskala durch ankreuzen dargestellt werden. Hinsichtlich der 2-stufigen Skalen werden 2 verschiedene Antwortschemen verwendet: „stimmt“ oder „stimmt nicht“, bzw. „trifft zu“ oder „trifft nicht zu“. Hinsichtlich der 5-stufigen Likertskala kann der Zustimmungsgrad zwischen „trifft voll zu“ bis „trifft nicht zu“ angegeben werden. Es werden bewusst verschiedene Skalen verwendet, damit die Befragten nicht in eine gewisse „Ankreuzroutine“ verfallen. Zu den meisten Items gibt es jeweils unter dem Punkt „Sonstiges“ für die Befragten die Möglichkeit zusätzliche Aussagen zu formulieren und deren Zustimmungsgrad in der angegebenen Antwortskala darzustellen. Nachfolgend werden spezifische Sprachkenntnisse mit dem jeweiligen Kenntnisniveau erfasst. Diese sind 5 verschiedenen Kategorien zwischen „Muttersprache“ und „keine Kenntnisse“ zuzuordnen. Schließlich werden spezifische interkulturelle Erfahrungen mit ausländischen Patienten erfasst. Der Zustimmungsgrad der formulierten Aussagen kann wiederum auf einer 5-stufigen Likertskala zwischen „trifft voll zu“ und „trifft nicht zu“ angegeben werden. Dieser Fragenteil dient der Vorbereitung der Befragten auf den darauf folgenden Fragenkomplex, der abschließend Fragen zu interkulturellen Fortbildungen beinhaltet. Die gegebenen Antworten verweisen u.a. auf ein Interesse der Befragten an interkulturellen Themen. Erfasst werden besuchte Fortbildungen, gelesene Literatur, Selbsteinschätzungen der derzeitigen eigenen interkulturellen Kompetenzen, sowie Einschätzung des eigenen Fortbildungsbedarfes und der Nennung der konkreten Fortbildungsthemen.
3.2.2 Wissensfragen
Wissensfragen erfassen das bereits vorhandene Hintergrundwissen. Dieses kann u.a. auch als Interesse des / der Befragten an interkulturellen Themen gewertet werden. Zusätzlich kann der / die Befragte erkennen, in welchen Bereichen es ihm / ihr noch an Informationen und Kenntnissen mangelt. Wissensfragen sind bei postalischen Befragungen problematisch. Hier wird häufig Literatur oder das Wissen dritter Personen bei der Beantwortung der Fragen hinzugezogen (vgl. D IEKMANN, 2006, S.439). Diese Befragung ist jedoch als Gruppenbefragung geplant, so, dass diesbezügliche Defizite nicht auftreten können.
Interkulturelle Kompetenz basiert auf kulturellem Wissen, welches in kulturallgemeines und kulturspezifisches Wissen unterschieden werden kann. Kulturallgemeines Wissen hat eine Sensibilisierung in der interkulturellen Interaktion im Allgemeinen zum Ziel, eine Reflektion der eigenen kulturellen Geprägtheit und dadurch eine veränderte Sichtweise von Menschen aus uns fremden Kulturen. Kulturspezifisches Wissen bezieht sich auf Informationen über eine spezifische Kultur.
Pflegepersonal hat während seiner täglichen Arbeit Kontakt zu Menschen mit sehr unterschiedlichem kulturellem Hintergrund. Es ist unmöglich über kulturspezifisches Wissen für all diese bestimmten Kulturen zu verfügen. Vielmehr ist von Bedeutung ein Kulturwissen zu besitzen, das Pflegende in ihrem interkulturellen Berufsalltag befähigt flexibel zu handeln. Eine hohe Relevanz kommt hier dem kulturallgemeinen Wissen zu, welches ergänzt werden kann durch kulturspezifisches Wissen. Dieser Gedanke ist richtungweisend für die Itemauswahl.
D OMENIG beschreibt Kenntnisse zu nachfolgenden Themen für eine gelingende interkulturelle / transkulturelle Pflege als hilfreich: Gesundheits- und Medizinsysteme, Gesundheits- und Krankheitskonzepte, migrationsspezifische Hintergründe, Wechselwirkungen zwischen Migration und Gesundheit, Familienstrukturen, interkulturelle Kommunikation (vgl. D OMENIG, 2001, S. 149 f.). Die genannten Themen werden bei der Itemauswahl berücksichtigt und werden ergänzt durch die Bereiche Kultur, sowie interkulturelle Pflege. Weitere spezifische, relevante Themen aus dem Bereich Gynäkologie / Geburtshilfe die einer kulturellen Prägung unterliegen werden hinzugefügt. Hierzu gehören die Themen: Schmerz, Geburt / Wochenbett, Beschneidung. Auf die kulturabhängigen Themen Trauer, Tod und Sterben wird an dieser Stelle nicht eingegangen, da dies einfach den Rahmen der Studie sprengen würde. Abschließend werden noch religionsspezifische Themen aufgenommen. Der weitaus größte Teil der ausländischen Patientinnen sind Muslime, dabei ist der Anteil der türkisch-stämmigen Muslime am größten. Aus diesem Grund werden Fragen zum Islam, sowie zur Situation von Frauen in der islamischen Welt formuliert. Zum Einstieg in die Wissensfragen werden Ausländerquoten in Deutschland, Rheinland-Pfalz, dem Katholischen Klinikum Mainz, sowie der gynäkologischen / geburtshilflichen Abteilung erfragt. Insgesamt decken die Fragen das derzeitig verfügbare interkulturelle Wissensspektrum ab, welches für eine angemessene und adäquate interkulturelle Pflege im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe als notwendig erscheint. Das Faktenwissen zur Generierung der Fragen wurde aus nachfolgenden Quellen bezogen: Ausländerquoten: vgl. S TATISTISCHES B UNDESAMT, 2007 b und H ETZENECKER, 2007; Migration und Gesundheit: vgl. K ELLNHAUSER / S CHEWIOR- P OPP, 1999, S. 15 ff. und S ALMAN, 2001, S. 67 ff.; Kultur: vgl. U ZAREWICZ / U ZAREWICZ, o. J., S. 9 ff. und D ORNHEIM, 2001, S. 145 ff.; Medizinsysteme: vgl. U ZAREWICZ / U ZAREWICZ, o. J., S. 29 f. und G REIFELD, 2003, S. 8 ff.; Gesundheits- und Krankheitskonzepte: vgl. G REIFELD, 2003, S. 49 ff. und U ZAREWICZ / U ZAREWICZ, o. J., S. 32 ff. und Z IELKE- N ADKARNI, 2001, S.124 ff.; Kultursensitive Pflege: vgl. V ISSER / J ONG, 2002, S. 151 ff. und H UNSTEIN u.a., 1997, S. 155 ff. und D OMENIG, 2001, S. 147 ff.; Interkulturelle Kommunikation: vgl. S CHEIBLER, 1997, S. 46 ff. und S CHULZ VON T HUN, 2006, S. 230 ff. und K ELLNHAUSER / S CHEWIOR- P OPP, 1999, S. 24 ff. und S TUKER, 2001, S. 186 ff.; Schmerz: vgl. H ÜPER, 1997, S. 171 ff. und K ELLNHAUSER / S CHEWIOR- P OPP, 1999, S. 55 ff.; Geburt / Wochenbett: vgl. W UNN, 2006, S. 98 ff. und B INDER- F RITZ, 1997, S. 143 ff. und K UNTNER, 2001, S. 365 ff. und I LKILIC, 2005, S. 40 ff.; Beschneidung: vgl. B INDER- F RITZ, 1997, S. 146 f. und S TÖCKLI, 2001, S. 330 ff.; Islam: vgl. I LKILIC, 2005, S. 17 ff. und W UNN, 2006, S. 98 ff; Frauen in der islamischen Welt: vgl. I LKILIC, 2005, S. 44 f. und W UNN, 2006, S. 98 ff. und K ELLNHAUSER / S CHEWIOR- P OPP, 1999, S. 49 ff.
Zu jedem der 12 Items werden 3 bis 4 Fragen entwickelt. Insgesamt entstehen 39 Fragen. Die vorgegebenen Antwortalternativen werden im Multiple-Choice-Format angegeben. Dabei handelt es sich jeweils um eine falsche Antwort, sowie 3 bis 4 richtige Antworten und eine Antwortmöglichkeit „weiß nicht“. Durch dieses Verfahren kann eine relativ große Menge an Wissen in einer relativ kurzen Zeit erfragt werden. Jedoch kann sich die Kompaktheit dieses Fragebogenbestandteils negativ auf die Rücklaufquote auswirken.
3.2.3 Situative Fragen
Wenn Menschen mit unterschiedlichen Wertorientierungen und Kulturstandards zusammentreffen, kann es zu Verwirrungen und Schwierigkeiten in der Kommunikation und Interaktion kommen. Im letzten Teil des Fragebogens sollen nun solche kritischen Interaktionssituationen und kulturellen Überschneidungssituationen aus dem Krankenhausalltag dargestellt werden. Die Itemauswahl wurde anhand der derzeit vorhandenen deutschsprachigen Literatur getroffen. Insgesamt ist dieser Bereich noch wenig erforscht, was auch an der dezimierten Zahl der Publikationen ersichtlich ist. Kulturelle Überschneidungssituationen werden für die Bereiche kulturbedingte Nahrungsgewohnheiten, Gesundheits- und Krankheitskonzepte, interkulturelle Kommunikation, Schmerz, Geburt / Wochenbett beschreiben. Diese fließen in die Itemauswahl mit ein. Zusätzlich wird der Bereich „Frauen in der islamischen Welt“ mit aufgenommen, da, wie oben bereits erwähnt, ein sehr großer Anteil von muslimischen Frauen in der Gynäkologie und Geburtshilfe zu verzeichnen ist. Zu jedem Item werden zwei bis drei Beispielsituationen formuliert. Der jeweiligen Situation werden jeweils drei Antwortalternativen gegenübergestellt, die die Situation erklären könnten. Von den angebotenen Antwortmöglichkeiten beschreibt nur eine die Situation aus der Sicht der Fremdkultur adäquat. Die anderen Antwortalternativen sind Fehlinterpretationen, die auf Unkenntnis kultureller Einflussfaktoren beruhen. Die Beispielsituationen sind alle aus der Literatur entnommen und basieren auf reellen Vorkommnissen. Die Beispielsituationen wurden aus nachfolgenden Quellen bezogen: kulturbedingte Nahrungsgewohnheiten: vgl. H UNSTEIN u.a., 1997, S.155 und I LKILIC, 2005, S.33; Gesundheits- und Krankheitskonzepte: vgl. Z IELKE- N ADKARNI, 2001, S. 131; Interkulturelle Kommunikation: vgl. S CHEIBLER, 1997, S. 47 und I LKILIC, 2005, S. 32; Frauen in der islamischen Welt: vgl. I LKILIC, 2005, S. 31 und B INDER- F RITZ, 1997, S. 143 f; Schmerz: vgl. K ELLNHAUSER / S CHEWIOR- P OPP, 1999, S. 56 und S CHEIBLER, 1997, S. 53 und V ISSER / J ONG, 2002, S. 150; Geburt und Wochenbett: vgl. V ISSER / J ONG, 2002, S. 150 und K UNTNER, 2001, S.371.
Der gesamte Fragebogen ist in ANHANG 1 abgebildet.
3.3 Formulierung der Fragen
Um zuverlässiges Datenmaterial zu erhalten und anschließend stichhaltige Schlussfolgerungen ableiten zu können, ist es notwendig für die spezifische Zielgruppe des Pflegepersonals verständliche Fragen zu formulieren. F ODDY hat hierzu einige wertvolle Ratschläge formuliert, die bei der Erstellung des Fragebogens beachtet wurden:
In the case of each question the researcher should:
(a) Make sure that the topic has been clearly defined.
(b) Be clear both about the information that is required about the topic and the reason for wanting this information.
(c) Make sure that the topic has been defined properly for the respondents by: avoiding the use of words that are so abstract or general that they lack specific empirical referents; avoiding words that are unlikely to be understood by all respondents either because they are rarely used, or are specialist words.
(d) Make sure that sets of response options are complete; make sure that sets of response options are balanced; avoiding using words that are likely to invoke stereotypical reactions.
(e) Eliminate complexities that prevent respondents from easily assimilating the meaning of the question by: avoiding asking 2 or more questions at once; avoiding the use of words that have several meanings; checking, whether the question has been worded as simply as possible; avoiding the use of too many ‘meaningful’ words in one question; avoiding the use of qualifying clauses and phrases; making sure that the question is as short as possible; avoiding the use of both negatives and double negatives.
(f) Ensure that respondents understand what kind of answer is required by: setting the question in context; informing respondents why the question is being asked; informing respondents what will be done with the information they give, specifying the perspective that respondents should adopt (vgl. F ODDY, 1993, S. 184 f.).
Durch das Verwenden von verständlichen Fragen, unter Berücksichtigung des Bildungsniveaus des Pflegepersonals, können Missverständnisse beim Ausfüllen, sowie eine Überforderung des Pflegepersonals vermieden werden. Dies leistet einen Beitrag für eine hohe Rücklaufquote.
3.4 Pretest
Ein Fragebogen kann selten vollständig am Schreibtisch konstruiert werden. Es erscheint sinnvoll, den Fragebogen in einem Vorlauf an einer kleinen Stichprobe zu testen. Schwächen, Fehler oder Unklarheiten können so vor Beginn der offiziellen Datenerhebung aufgedeckt und beseitigt werden. Als Untersuchungsfeld für den Vortest dienen zehn Pflegepersonen aus dem Neugeborenenzimmer der geburtshilflichen Abteilung. Neben der Versorgung der Neugeborenen sind sie auch in die pflegerische Versorgung der Mütter und Schwangeren mit einbezogen. Somit stellen sie eine vergleichbare Untersuchungsgruppe dar. Nach der versuchsweisen Bearbeitung des Fragebogens erhalten diese Mitarbeiter einen Feedback-Bogen (siehe ANHANG 2), der nachfolgende Fragen enthält: (1) Wie gefällt Ihnen dieser Fragebogen vom Aufbau her? (2) Finden Sie die Instruktionen verständlich? (3) Welche der Fragen erscheint Ihnen unklar? (4) Wo meinen Sie, dass der ein oder andere Kollege Schwierigkeiten bei der Beantwortung haben könnte und warum? (5) Weitere Bemerkungen. Der Feedback-Bogen wird insgesamt nur von 4 der 10 befragten Personen beantwortet. Insgesamt wird der Fragebogen als anspruchsvoll bewertet. Die Fragen und Antworten erscheinen klar formuliert, jedoch auf hohem Niveau und Schwierigkeitsgrad. Die Instruktionen erscheinen verständlich. Bei der Auswertung des Pretests zeigt sich, dass 2 Fragen von allen Befragten falsch beantwortet werden. Diese beiden Fragen werden entfernt, da sie keine verwertbaren Ergebnisse liefern.
3.5 Gütekriterien
Weiterhin ist die Frage nach der Güte des Fragebogens zu stellen, die an Hand der anerkannten Kriterien Reliabilität, Validität und Objektivität beurteilt werden kann. Um den vorgegebenen Rahmen der Hausarbeit nicht zu sprengen, wird hier nur sehr kurz auf diese eingegangen.
3.5.1 Reliabilität
„Unter Reliabilität versteht man den Grad der Messgenauigkeit, mit dem ein Test ein bestimmtes Merkmal misst“ (B ÜHNER, 2006, S. 35). Bezogen auf diesen Fragebogen heißt dies: wie genau trennt der Fragebogen Personen mit einer hohen interkulturellen Kompetenz von Personen mit einer geringen interkulturellen Kompetenz. Dazu wurden die Fragebogenergebnisse des Pretests einer Reliabilitätsschätzung nach dem Cronbach-alpha-Koeffizienten unterzogen. Die Auswertung zeigt nachfolgenden Wert an: Cronbach-α = 0,84. Dies deutet auf eine relativ gute Messgenauigkeit hin.
3.5.2 Validität
„Unter Validität versteht man das Ausmaß, in dem ein Test das misst, was er zu messen vorgibt“ (B ÜHNER, 2006, S. 36). Für den vorliegenden Fragebogen heißt dies: misst der Fragebogen wirklich die interkulturelle Kompetenz des Pflegepersonals? Hierzu wird eine Prüfung der Inhaltsvalidität vorgenommen. Inhaltsvalidität ist gegeben, wenn ein Messinstrument den zu untersuchenden Gegenstand in seinen wesentlichen Aspekten erschöpfend erfasst (vgl. F LICK, o. J., S. 32). Bei der Auswahl der Bestandteile, Aspekte und Themen des Fragebogens wird sich orientiert an den in der aktuellen pflegewissenschaftlichen Literatur angeführten Erkenntnissen (vgl. D OMENIG, 2001, S. 148 ff.). Die verschiedenen Fragebogenbestandteile beziehen sich auf alle angeführten Dimensionen, Aspekte des Konstruktes Interkulturelle Kompetenz: Kognition, Affekt, Verhalten. Inhaltlich werden alle in der Literatur angegeben kulturabhängigen Themenbereiche, durch die Fragen abgedeckt. Somit kann von einer ausreichenden Inhaltsvalidität ausgegangen werden.
3.5.3 Objektivität
„Unter Objektivität versteht man den Grad, in dem die Ergebnisse eines Tests unabhängig vom Untersucher sind“ (B ÜHNER, 2006, S. 34).
Durchführung der Befragung, Auswertung und Interpretation des Fragebogens erfolgte ausschließlich durch die Untersucherin. Um möglichst subjektive Deutungen und Bewertungen auszuschließen wurden nachfolgende Maßnahmen ergriffen:
- Die Durchführung der Befragung fand auf den einzelnen Stationen unter gleichen Bedingungen innerhalb der monatlichen Teambesprechungen statt.
- Für die Auswertung der Multiple-Choice Fragen wurde eine genaue, verbindliche Auswertungsanleitung (siehe ANHANG 4) angefertigt, so dass die Ergebnisse anhand des vorgegebenen Schemas und frei von Subjektivität erfasst werden.
- Die Darstellung der erfassten Daten erfolgt rein quantitativ durch einfache Auszählung der gegebenen Daten. „Fehler“ durch Subjektivität werden so vermieden.
Mit diesen Rahmenbedingungen kann von einer ausreichenden Objektivität der Studie ausgegangen werden.
4 Durchführung der Mitarbeiterbefragung
4.1 Unterstützung durch das direkte Umfeld
Da die Untersuchung in der gynäkologischen Abteilung stattfinden soll, werden vorab die Idee, das Vorhaben und die Ziele mit der pflegerischen Abteilungsleitung besprochen.
Zur Genehmigung der Studie wird der Geschäftsführung ein Kurzexposé vorgelegt, in welchem die Thematik der Studie, das Studiendesign, der Nutzen der Studie für das Krankenhaus erläutert wird. Die pflegerische Abteilungsleitung erhält eine Kopie davon. Mitarbeiterbefragungen sind generell von Seiten der Mitarbeitervertretung (MAV) zustimmungspflichtig. Aus diesem Grunde wird der fertig gestellte Fragebogen der Geschäftsführung zugesandt, welche anschließend die Zustimmung bei der MAV einholt. Nach der endgültigen Genehmigung werden die Stationsleitungen und Mitarbeiter der beteiligten Stationen informiert. Ein Informationsschreiben (siehe ANHANG 3) wird ca. 3 Wochen vor der Befragung auf diesen Stationen ausgehängt. Mit der Durchführung der Befragung kann nun begonnen werden.
4.2 Das Untersuchungsfeld
Als Untersuchungsfeld dienen die Mitarbeiterinnen der Entbindungsstation, sowie die der beiden gynäkologischen Stationen. Insgesamt sind dort 40 Pflegepersonen tätig. Davon sind 32 Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, 5 Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und 2 Krankenpflegehelferinnen, sowie eine Hebamme vertreten. Es handelt sich ausschließlich um weibliches Pflegepersonal. Auf allen drei Stationen ist ein multikulturelles Pflegeteam eingesetzt.
4.3 Vollerhebung
Geplant ist eine Vollerhebung. Um zu einer breiten und aussagekräftigen Informationsbasis zu gelangen, soll das gesamte Pflegepersonal der o.g. Stationen in die Studie eingeschlossen werden. Ausgeschlossen von der Befragung werden lediglich die Krankenpflegeschülerinnen, da sie sich noch in der Ausbildung befinden und somit nicht die primäre Zielgruppe des angestrebten Fortbildungskonzeptes darstellt. Um eine hohe Anzahl der Pflegenden zu erreichen, werden die monatlichen Teambesprechungen der einzelnen Stationen genutzt. In der Regel besteht Teilnahmepflicht bei diesen Besprechungen. So ist zu erwarten, dass ein Großteil der Pflegenden anwesend ist. MitarbeiterInnen, die zu diesem Zeitpunkt erkrankt oder im Urlaub sind, haben die Möglichkeit die Termine auf den jeweils anderen beiden Stationen wahrzunehmen.
4.4 Rücklaufsteigerung
Das wichtigste Ziel einer Mitarbeiterbefragung ist zunächst das Erreichen einer hohen Beteiligung, um aussagekräftige Daten zu erhalten und relevante Schlussfolgerungen daraus ziehen zu können. B ORG sieht den Schlüssel dafür in der möglichst günstigen Gestaltung des Verhältnisses der subjektiven Kosten zum erwarteten Nutzen jedes einzelnen Befragten. Dieser ist entsprechend darzustellen. Zu den Kosten zählen: das Risiko, doch nicht anonym zu bleiben, der Zeitaufwand für das Bearbeiten des Fragebogens und die Denkanstrengung beim Beantworten der Fragen. Zum Nutzen zählen spätere Maßnahmen, die die Arbeitssituation verbessern, das Gefühl der Solidarität, zur gemeinsamen Sache beizutragen und das Gefühl, mit den Antworten den Lauf der Dinge mitzugestalten (vgl. B ORG, 2002, S. 65 f.).
Die vorliegende Befragung ist mit einer Bearbeitungszeit von ca. 30 Minuten relativ umfangreich für den jeweiligen Mitarbeiter. Gerade für die Wissensfragen sind einige Denkanstrengungen notwendig, so dass die Beantwortung schon mit verschiedenen Kosten auf der Mitarbeiterseite verbunden ist. Andererseits ist das Thema „Versorgung von Migranten“ in der Gynäkologie / Geburtshilfe aktuell und dürfte auf das Interesse der Mitarbeiter stoßen. Eine Unterstützung der Studie ihrerseits kann deshalb erwartet werden. Durch die Teilnahme an der Studie nehmen die Pflegenden Einfluss auf ein späteres Fort- und Weiterbildungsangebot, welches im günstigen Fall ihre Handlungsfähigkeiten erweitert, ihnen mehr Souveränität im beruflichen Alltag ermöglicht und so evtl. zu einer höheren Arbeitszufriedenheit beiträgt. Dies dürfte zu einer hohen Rücklaufquote beitragen. Um eine hohe Teilnahme zu erzielen werden die Mitarbeiter frühzeitig, zwei Monate vorab, durch die Abteilungsleitung und die jeweilige Stationsleitung über die geplante Befragung und deren Ziele informiert. Ein Rundschreiben (siehe ANHANG 3), wird nach der endgültigen Genehmigung auf den beteiligten Stationen ausgehängt. Damit erhält die Studie einen offiziellen Charakter und die Unterstützung durch das direkte Umfeld wird sichtbar. In dem genannten Rundschreiben wird den Pflegenden eine freiwillige Teilnahme, sowie die diskrete anonyme Datenauswertung zugesichert.
5 Auswertung und Aufbereitung der Daten
5.1 Deskriptive Auswertung
Insgesamt dauerte die Datenerhebung drei Monate. Es beteiligten sich 37 der 40 Pflegepersonen. Ein Fragebogen musste aus der Auswertung ausgeschlossen werden, da er nicht vollständig ausgefüllt wurde. Somit kann auf 36 vollständige Fragebögen zurückgegriffen werden, was einer Rücklaufquote von 90% entspricht. Diese Auswertungsgesamtheit stellt die Basis für die Datenanalyse dar. Das genaue Auswertungsverfahren für die Muliple-Choice Fragen in den Fragebogenbestandteilen „Situative Fragen“ und „Wissensfragen“ wird in der Auswertungsanleitung in ANHANG 4 dargestellt. Die auszuwertenden Informationen werden in das Statistikprogramm NSDstat Pro 1.3 transkribiert. Dabei werden die Fragen an Hand der im Fragebogen angegebenen Nummer aufgenommen. Die vorhandenen Antwortmöglichkeiten erhalten eine eindeutige Ziffer. Anschließend werden die Daten aus den Fragebögen in codierter Form in die jeweiligen Urlisten eingegeben und zu einer Datenmatrix zusammengeführt. Zunächst werden univariate Statistiken erstellt und Häufigkeiten erfasst. Die detaillierten Zahlen dieser Datenanalyse sind in ANHANG 5 tabellarisch dargestellt. Um der spezifischen Fragestellung der Studie gerecht zu werden, werden nun Zusammenhänge hergestellt und diese analysiert. So können eventuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden. Es erfolgen bivariate und multivariate Statistiken. Auch diese sind in ANHANG 5 abgebildet. Zum Teil werden Mittelwerte erfasst. Zur besseren Übersicht wird die Komplexität der vorhandenen Daten weiter reduziert, die Ergebnisse nochmals komprimiert und grafisch dargestellt.
5.2 Grafische Darstellung der Ergebnisse und Interpretation
Ziel der Studie ist es zunächst bereits vorhandene Fähigkeitspotentiale des Pflegepersonals darzustellen, Qualitätslücken und Verbesserungspotentiale zu beschreiben. Hierzu ist Abbildung 5.2.1 hilfreich, die eine themenbezogene Auswertung der situativen Fragen präsentiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5.2.1: Situative Fragen – themenbezogene Auswertung
Ziel der situativen Fragen ist es Aussagen hinsichtlich des voraussichtlichen Verhaltens der Befragten in interkulturellen Überschneidungssituationen treffen zu können. Die „richtigen“ Antwortmöglichkeiten beschreiben die jeweilige Situation adäquat aus der Sicht der Fremdkultur und ermöglichen somit auch eine adäquate Reaktion und Handlungsweise. Die übrigen Antwortalternativen stellen Fehlinterpretationen dar, die auf Unkenntnis kultureller Einflussfaktoren beruhen. In der Konsequenz führen diese Fehlinterpretationen zu einer kulturunsensiblen Reaktion des Pflegepersonals. Betrachtet man nun das obige Ergebnis, erkennt man, dass der Themenbereich „Frauen in der islamischen Welt“ sehr hohe Werte mit fast 80% der erreichbaren Punkte erzielt. Hier scheint eine relativ hohe kulturelle Sensibilität des Pflegepersonals vorzuliegen. Andererseits weisen die Themenbereiche „Geburt / Wochenbett“, „Schmerz“, sowie „Gesundheits- und Krankheitskonzepte“ lediglich Werte zwischen 30% und 50% der erreichbaren Punktzahl auf. Dies lässt darauf schließen, dass in mehr als der Hälfte der Situationen eine Fehlinterpretation von Seiten des Pflegepersonals vorgenommen wird. In der Folge kommt es dann zu einer nicht adäquaten Reaktion und zu nicht adäquaten Handlungen. In den Bereichen „interkulturelle Kommunikation“ und „kulturbedingte Nahrungsgewohnheiten“ liegen die Werte unterhalb von 30% der erreichbaren Punktzahl. In ca. 2/3 der Situationen neigt das Pflegepersonal hier zu Fehlinterpretationen.
In Abbildung 5.2.2 werden die Ergebnisse der Wissensfragen themenbezogen dargestellt. Kulturelles Wissen dient als Hintergrundinformation zum besseren Verständnis in kulturellen Überschneidungssituationen. Es hat eine Sensibilisierung in der interkulturellen Interaktion zum Ziel, unterstützt eine Reflektion der eigenen kulturellen Geprägtheit und befähigt zum flexiblen Handeln im interkulturellen Kontext. Somit ist es grundlegende Voraussetzung für ein kultursensibles Handeln, eine kultursensible Krankenpflege.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5.2.2: Wissensfragen – themenbezogene Auswertung
In den Themenbereichen „Islam“, „Frauen in der islamischen Welt“, „Geburt / Wochenbett“, „Schmerz“, „interkulturelle Kommunikation“, „Gesundheits- und Krankheitskonzepte“, „Kultur“, sowie „Migration und Gesundheit“ werden zwischen 30% und 40% der möglichen Punkte erzielt. In den Themenbereichen „Beschneidung“ und „kultursensitive Pflege“ liegen die erreichten Werte um die 20% und zum Thema Medizinsysteme werden Werte um ca. 15% erzielt. Dies weist auf erhebliche Wissenslücken in allen angeführten Themenbereichen hin und könnte ein Hinweis auf relativ enge Handlungsspielräume der Pflegenden im interkulturellen Kontext sein. Ein flexibles und adäquates Handeln in den entsprechenden Situationen wird dadurch erschwert bis unmöglich. Eine angemessene kultursensible Versorgung von Migranten kann auf Grund des fehlenden Wissens behindert werden.
Um nun die objektiven Ergebnisse in Bezug zur subjektiven Selbsteinschätzung der befragten Pflegepersonen setzen zu können, wird, in Abbildung 5.2.3 das Gesamtergebnis grafisch dargestellt und der Selbsteinschätzung (Abbildung 5.2.4) gegenübergestellt. 44% der Befragten schätzen ihre interkulturelle Kompetenz als Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abb. 5.2.3: Gesamtauswertung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5.2.4: Selbsteinschätzung zur interkulturellen Kompetenz
mäßig ein. Jeweils 11% fallen auf die Kategorien sehr hoch, hoch, gering, sehr gering und keine. Die Selbsteinschätzung fällt dabei deutlich positiver aus wie die
gemessene interkulturelle Kompetenz, die Pflegenden schätzen ihre Fähigkeiten höher ein. Vergleicht man dieses Resultat mit dem von H ABERMANN beschriebenen Kompetenzmodell (vgl. H ABERMANN, 1998, S. 156 f.), so könnte dies ein Hinweis sein, dass Pflegende zum Teil den tatsächlich vorhandenen interkulturellen Pflegebedarf und somit vorhandene Kompetenzdefizite nicht wahrnehmen.
Wirft man nun einen Blick auf die Selbsteinschätzung des persönlichen Fortbildungsbedarfs zeigt sich, dass mehr als 20% der Befragten angeben, einen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abb. 5.2.5: Selbsteinschätzung zum eigenen Fortbildungsbedarf
hohen Fortbildungsbedarf zu haben, 27% geben einen mäßigen Fortbildungsbedarf an. Hier kann davon ausgegangen werden, dass eigene Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten wahrgenommen werden und der Wunsch besteht mehr Souveränität zu erlangen, um eigene Handlungsspielräume zu erweitern. 16,6 % geben einen geringen, 11% einen sehr geringen Fortbildungsbedarf und mehr als 20% der Befragten geben an, keinen Fortbildungsbedarf zu haben. Letzteres könnte neben der oben angeführten Interpretation auch als Ausdruck eines geringen allgemeinen Interesses an interkulturellen Themen gewertet werden.
Ein weiteres Ziel der Studie ist es datenbasierte Aussagen zur interkulturellen Kompetenz spezifischer Mitarbeitergruppen treffen zu können. In Abbildung 5.2.6 und 5.2.7 werden hierzu Pflegepersonen mit Migrationshintergrund, Pflegepersonen ohne Migrationshintergrund, sowie Pflegepersonen mit
regelmäßigen privaten interkulturellen Kontakten betrachtet, jeweils im Verhältnis zum erzielten Ergebnis hinsichtlich der situativen Fragen bzw. der Wissensfragen.
Zusätzlich werden die dazugehörigen Mittelwerte erfasst (vgl. ANHANG 5).
Pflegepersonen mit Migrationserfahrungen erzielten dabei im Mittel 4,0 Punkte, Pflegepersonen ohne Migrationserfahrungen erzielten im Mittel 6,81 Punkte und Pflegepersonen mit regelmäßigen privaten interkulturellen Kontakten erzielten im Mittel 6,93 Punkte. Bei einer Interpretation dieser Ergebnisse ist hier
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.: 5.2.6: Ergebnis der situativen Fragen im Verhältnis zu Migrationserfahrungen und regelmäßigen privaten
interkulturellen Kontakten
Vorsicht geboten. Es handelt sich bei den 3 Mitarbeitertypen nicht um 3 gleichgroße Vergleichsgruppen. Auch könnte der hohe Schwierigkeitsgrad des Fragebogens zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Aus diesem Grund wird sich auf eine rein deskriptive Darstellung beschränkt. Auch hinsichtlich der Wissensfragen werden Mittelwerte bestimmt. Pflegepersonen mit
Migrationserfahrungen erzielten im Mittel 27,22 Punkte, Pflegepersonen ohne Migrationserfahrungen erzielten im Mittel 39,85 Punkte und Pflegepersonen mit regelmäßigen privaten interkulturellen Kontakten erreichten im Mittel 30,87 Punkte. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie oben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.: 5.2.7: Ergebnis der Wissensfragen im Verhältnis zu Migrationserfahrungen und regelmäßigen privaten
interkulturellen Kontakten
Nachfolgend werden nun die erzielten Ergebnisse hinsichtlich der situativen Fragen und der Wissensfragen im Verhältnis zur Altersstruktur des Pflegepersonals analysiert. Wiederum werden hier zur besseren Übersicht Mittelwerte gebildet. In der Altersgruppe 21-30 Jahre wurden im Mittel 5,0 Punkte erreicht, in der Altergruppe 31-40 Jahre wurden im Mittel 5,2 Punkte erreicht, in der Altersgruppe 41-50 Jahre wurden im Mittel 7,7 Punkte erreicht und in der Altersgruppe 51-60 Jahre wurden im Mittel 7,0 Punkte erreicht.
Dieses Resultat könnte ein vorsichtiger Hinweis sein, interkulturelle Kompetenz als das Ergebnis eines lebenslangen Lernprozesses zu verstehen, die sich mit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
- Quote paper
- Andrea Fecher (Author), 2008, Erfassung der interkulturellen Kompetenz in der Krankenpflege, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93856
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