Wenn wir den Begriff Akkulturation hören, dann denken wir vielleicht zu aller erst an eine Verknüpfung des Begriffs mit anderen Begriffen aus der Pädagogik, wie der Assimilation oder der Akkomodation. Wir denken vielleicht an andere Länder, andere Menschen. An Wanderungen und an andere Kulturen. Denken an unsere eigene Kultur, und was sie eigentlich ausmacht, und von anderen unterscheidet. Nun, allgemein gehalten findet Akkulturation dann statt, wenn ein Mensch in ein anderes Land zieht, und versucht, dort „Fuß zu fassen“. Nur, wie findet dieser Vorgang statt? Wie muss man sich einen „Kultur-Schock“ vorstellen? Welche Rolle spielen dabei die Identität und die Rollenübernahme? Was fühlt ein Mensch, der sich plötzlich in einem „fremden“ Land – sei es freiwillig oder unfreiwillig – wiederfindet? Wie steht die einheimische Bevölkerung zu den „Fremden“? Werden diese problemlos akzeptiert? Welche Verhalten können Ausländer entwickeln, um im Aufnahmeland aufgenommen zu werden? Wie steht es um Immigranten, also Menschen, die ihr Heimatland verließen, und sich wieder dazu entschließen, zurückzukehren. Welche Stellung haben diese Menschen in Deutschland? Wie sehen sie sich selbst, und wie werden sie von den Einheimischen gesehen? Welche Gründe bewegen Menschen dazu, ihr Land zu verlassen, und woanders einen Neubeginn zu wagen? Wie verarbeiten Jugendliche den Prozess der Akkulturation? Welche Probleme stellen sich ihnen und wie können sie diese bewältigen? Von welchen Faktoren hängt eine erfolgreiche Eingliederung in die Aufnahmekultur ab? Wodurch lässt sich die außergewöhnliche Abneigung der Deutschen gegenüber den Türkinnen begründen? Ich werde versuchen, dies an einem Beispielfall aufzuzeigen. Im letzten Teil dieser Arbeit möchte ich noch auf jugendliche Einwanderer aus Polen näher eingehen, sowie an zwei Beispielen deren Situation widerspiegeln, die sie hier in Deutschland erfahren haben.
Ich bin der Ansicht, dass die Deutsche Bevölkerung durch ihre Abwehrhaltung gegenüber den Migranten die Situation für beide Seiten zusätzlich verschärft. Denn durch rassistische Äußerungen und Handlungen durch die Deutsche Bevölkerung fühlen sich die Migranten nicht willkommen und gehen ihrerseits auch in Abwehrhaltung. Somit findet keine wirkliche Annäherung statt. Hier finde ich die Theorie der Abwehrreaktion sehr interessant.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Einleitung
2. Definition der Akkulturation
3. Hintergrundinformationen zur Akkulturation
4. Die Entwicklung des „Selbst“
5. Bedingungen für die Aufnahme von Kontakten
6. Die Übernahme von Rollen
7. Der Akkulturationsprozess aus interaktionistischer Sicht
8. Akkulturation von Migranten als Interaktionsprozess
9. Randbedingungen in Deutschland
10. Theoretische Perspektiven auf Akkulturation am Beispiel Deutschland
11. Kulturelle Identität am Beispiel deutscher Aussiedler
12. Konzept der kulturellen Identität
13. Die Relation zwischen Minorität und Majorität
14. Von Stabilität zu sozialem Wandel: das Verhaltensrepertoire der Minderheiten
15. Soziale Einstellung der Deutschen gegenüber ausländischen Männer und Frauen
16. Den Akkulturationsprozess behindernde Einflüsse am Beispiel Jugendlicher Migranten aus Polen
17. Eigene Stellungnahme
1 Einleitung
Wenn wir den Begriff Akkulturation hören, dann denken wir vielleicht zu aller erst an eine Verknüpfung des Begriffs mit anderen Begriffen aus der Pädagogik, wie der Assimilation oder der Akkomodation. Wir denken vielleicht an andere Länder, andere Menschen. An Wanderungen und an andere Kulturen. Denken an unsere eigene Kultur, und was sie eigentlich ausmacht, und von anderen unterscheidet. Nun, allgemein gehalten findet Akkulturation dann statt, wenn ein Mensch in ein anderes Land zieht, und versucht, dort „Fuß zu fassen“. Nur, wie findet dieser Vorgang statt? Wie muss man sich einen „Kultur-Schock“ vorstellen? Welche Rolle spielen dabei die Identität und die Rollenübernahme? Was fühlt ein Mensch, der sich plötzlich in einem „fremden“ Land – sei es freiwillig oder unfreiwillig – wiederfindet? Wie steht die einheimische Bevölkerung zu den „Fremden“? Werden diese problemlos akzeptiert? Welche Verhalten können Ausländer entwickeln, um im Aufnahmeland aufgenommen zu werden? Wie steht es um Immigranten, also Menschen, die ihr Heimatland verließen, und sich wieder dazu entschließen, zurückzukehren. Welche Stellung haben diese Menschen in Deutschland? Wie sehen sie sich selbst, und wie werden sie von den Einheimischen gesehen? Welche Gründe bewegen Menschen dazu, ihr Land zu verlassen, und woanders einen Neubeginn zu wagen? Wie verarbeiten Jugendliche den Prozess der Akkulturation? Welche Probleme stellen sich ihnen und wie können sie diese bewältigen? Von welchen Faktoren hängt eine erfolgreiche Eingliederung in die Aufnahmekultur ab? Wodurch lässt sich die außergewöhnliche Abneigung der Deutschen gegenüber den Türkinnen begründen? Ich werde versuchen, dies an einem Beispielfall aufzuzeigen. Im letzten Teil dieser Arbeit möchte ich noch auf jugendliche Einwanderer aus Polen näher eingehen, sowie an zwei Beispielen deren Situation widerspiegeln, die sie hier in Deutschland erfahren haben.
2 Definition der Akkulturation
Von Akkulturation ist die Rede, wenn Menschen in ein anderes Land ziehen, und in Kontakt mit der dortigen Kultur kommen. Die damit verbundene Veränderung bedeutet für den Migranten vor allem eine psychische Veränderung, die als „psychische Akkulturation“ bezeichnet wird. Das in diesem Begriff befindliche Wort „Kultur“ bezeichnet den gemeinsamen Lebensstil einer Gruppe von Menschen. Dieser Lebensstil erfordert Akkulturationsprozesse, damit zwischen Mitgliedern verschiedener Kategorien getrennt werden kann. Durch interkulturelle Kontakte wird eine andere Umwelt aufgenommen oder blockiert. Dabei stellt die Grundlage des Akkulturationsprozesses die Zugehörigkeit bzw. Identifikation des Migranten mit der Herkunfts- und / oder Aufnahmekultur dar. Akkulturation ist daher ein Gruppenprozess. Der Migrant kann bei diesem Prozess entweder vollständig von dem kulturellen System absorbiert, sowie auch gänzlich ausgeschlossen werden. Die Erfahrungen, die die Einwanderer dabei machen, können sich sowohl in Glücks-, wie auch Stressgefühlen, oder im Extremfall in Protesthandlungen äußern. Eine spezifische Form der Akkulturation stellt die Adaption dar, bei der die Identifiaktions- und Kategorisierungsprozesse des Aussiedlers bei der Akkulturation eine entscheidende Rolle spielen.[1]
3 Hintergrundinformationen zur Akkulturation
Wenn wir von Akkulturation sprechen, dann ist damit immer auch das menschliche Bestreben verbunden, die bisherige Heimat zu verlassen, was wir als Migration bezeichnen. Gründe hierfür können z. B. Nahrungsknappheit oder Arbeitsmangel sein. Ebenso gibt es politisch oder religiös motivierte Migrationen. Am Beispiel Deutschland lässt sich schon seit Jahren ein Trend erkennen, der einer kritischen Haltung gegenüber Ausländern gleicht, und nicht selten zu rassistischen Äußerungen und Handlungen führt. Leider lässt sich mit dem steigenden Ausländeranteil in Deutschland auch eine ansteigende Zahl der ausländischen Straftäter erkennen. Hier muss sich der Staat fragen, wie es dazu kommen kann. Denn eines ist doch klar: Wenn ich in einem anderen Land von der Bevölkerung nicht akzeptiert werde, wenn ich mich in diesem für mich fremden Land nicht willkommen fühle, dann kann ich mich mit diesem Land und seiner Kultur nicht identifizieren. Dies wiederum würde zu einem Zwiespalt der Identität führen und somit zu gesteigertem Unbehagen und Aggressionen.
In Deutschland nicht als Deutscher anerkannt zu werden, empfinden viele Aussiedler als schmerzliche Erfahrung. Woanders sind sie „Faschisten“, in ihrem Heimatland „Deutsche“. In Deutschland lebende Migranten sind dem Gesetz nach zwar Deutsche, im Auftreten aber fremd, und somit bereitet die Annäherung an die Einheimischen Probleme. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe legt sich weniger über die Abstammung, denn über Merkmale wie Kultur, Sprache, Werte, Sitten, und Gebräuche fest. Viele Deutsche in der ehemaligen Sowjetunion, in Rumänien und in Polen sprechen beispielsweise kaum noch die deutsche Hochsprache. Auch gegenseitige Wertorientierungen tragen zu einem Gefühl der gegenseitigen Fremdheit bei. Während den Deutschen eine eher individualistische Werthaltung zu eigen ist, legen gesellschaftsorientierte Kulturen mehr Wert auf Familie und Gemeinschaft. Diese Kluft zwischen Ursprungs- und Aufnahmekultur ist hier weitaus geringer, als bei den Immigranten. Die Immigranten wollen in ihr Heimatland zurückkehren, und finden sich dabei plötzlich mit dem Problem konfrontiert, dass sie sich einerseits mit ihrem Heimatland identifizieren können, jedoch andererseits die eigene, als die ihnen vertraute, mit der Zeit jedoch fremd gewordene Kultur, wiederaufzunehmen[2]
4 Die Entwicklung des „Selbst“
Der Prozess der Rollenübernahme beinhaltet durch die Reflexivität der Alter-Rolle immer auch die Validierung eines Selbstbildes.
„Das Ziel ist, das Selbst in einer Weise zu präsentieren, die der Rollenkonzeption des relevanten Anderen entsprechen soll, durch die der Akteur sich repräsentiert sehen möchte.“
Dadurch, dass ich mich in andere hineinversetze, kann ich mich von außen selbst als Objekt betrachten. Das Selbst entsteht in und durch Interaktionen. Nach und nach entwickelt das Individuum die Fähigkeit, sein eigenes Verhalten aus einer Vielzahl von Perspektiven heraus zu betrachten und zu bewerten um daraufhin sein Handeln auszurichten. Liegt jedoch keine Kongruenz der Bedeutungsmuster beider Personen vor, so tritt eine soziale und psychische Desorganisation des Handelnden ein.[3]
5 Bedingungen für die Aufnahme von Kontakten
Laut den Ergebnissen mehrerer Studien (Mehrländer 1981:529) wünschen ca. 16 % der Migranten keinen Kontakt zu Deutschen. Auch Kontakte, die über das reine Grüßen hinausgehen sind äußerst selten erwünscht. In einer Untersuchung fand man heraus, dass 51 % der Migranten keine Kontakte zu Deutschen haben. Am stärksten zeigt sich eine abweisende Tendenz bei weiblichen Türken, bei denen 68 % keine Kontakte zu Deutschen haben. Im Vergleich dazu verfügen nur 54 % der männlichen Türken über Kontakte zu Deutschen. Die beste Möglichkeit für eine Kontaktaufnahme bietet sich vorwiegend in Wohngebieten mit hoher Ausländerkonzentration. Dort haben lediglich 38 % der dort lebenden Ausländer Kontakte zu Deutschen, in Gegenden mit niedriger Ausländerquote liegt dieser Wert überraschend bei 57 %.[4]
Eine andere Studie von Kremer / Spangenberg belegt, dass 31 % der Deutschen über interethnische Kontakte verfügen. Von denen, in deren Wohnhaus Ausländer leben (13 % der befragten Deutschen ), geben unabhängig vom Ausländeranteil in der Wohnumgebung 48 % der Befragten an, dass sie Kontakte zu Ausländern haben. Wohnen keine Ausländer im Haus, so sinkt dieser Anteil lauf 28 %.
Diese Zahlen sind insofern überraschend, als Kontaktaufnahme die Knüpfung von Kontakten voraussetzt. Diese können im Wohnbereich, im Arbeitsbereich oder durch Partizipation in formalen Organisationen geschlossen werden. Gerade das gemischte räumliche Zusammen-leben der Minderheiten mit den Majoritäten hat bestimmte Konsequenzen an das Interaktionsverhalten. Dann nämlich erhöhen sich Kontaktmöglichkeiten und die Zahl möglicher Interaktionen. Der Anteil der Minoritäten an der Gesamtbevölkerung stellt einen wichtigen Faktor für den Verlauf interethnischer Kontakte dar. Mit einem steigenden Anteil der Minoritäten steigt die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung negativer Einstellungen, und hat ein erhöhtes Ausmaß der Segregation zu Folge. Falls seitens der Majoritäten Diskriminierungen existieren, werden sich die Minoritäten in schlecht ausgestatteten Wohngebieten konzentrieren. Der Zuzug von Minderheitsangehörigen führt zu einem vermehrten Auszug von Mitgliedern der dominanten Gruppe, die infolge der negativen Bewertungen der Minderheiten durch die eigene Bezugsgruppe einen Statusverlust befürchten. Die zunehmende räumliche Konzentration führt zu einer Überschätzung der Größe der Minorität bei der Majorität, und verstärkt die Wahrnehmung tatsächlicher oder vermeintlicher Unterschiede.
Bei der Majorität lässt sich häufig auch ein Angstgefühl um die bestehenden Ressourcen feststellen. Die Minoritäten werden als Konkurrenten angesehen, und es entstehen Diskriminierungsabsichten und Spannungen zwischen den Gruppen. Fest steht, eine hohe Kontaktdichte führt nicht zum Abbau von Vorurteilen. Welche Maßnahmen für eine Förderung von ethnischen Interaktionen lassen sich aus diesen Erkenntnissen ableiten?
- Erlernen der deutschen Sprache.
- Erwachsenenbildung fördern.
- Sprachförderprogramme in den normalen Schulbetrieb einführen.
- Förderung der Auftritte wichtiger gesellschaftlicher Gruppen (Vereine, Parteien Verbände) zu den Integrationsproblemen.
- Anwerbung ausländischer Arbeiter durch Organisationen .
- Verhinderung von Ausländerkonzentrationen in Wohngebieten --> Verhindert den Spracherwerb und die Assimilation.
- Beseitigung von Segregation zur Verbesserung der Kontaktaufnahme.
- Gleichverteilung von Ausländerpopulationen in den Städten durch gezielte Wohnungsvermittlung.
- Einrichtung von Kulturzentren.
6 Die Übernahme von Rollen
In Relation zur Akkulturation, die soziale Interaktion voraussetzt, steht die Annahme der Rollenhandlung. Rollen sind Sachverhalte, die in Interaktionsprozessen ausgebildet werden müssen. Nach Blumer beschreiben Rollen ein Bündel von aufeinander bezogenen Bedeutungen, die das Verhalten des einzelnen in Interaktionssituationen bestimmen und leiten. Der Handelnde bildet Annahmen über die Situation. In wechselseitiger Zuschreibung von Rollen, die Annahmen über wahrscheinliche und akzeptable Verhaltensweisen für den gemeinsamen Interaktionsprozess erlauben, bildet jeder der Handelnden sein eigenes Verhalten dem Interaktionspartner gegenüber so aus, dass es in Bezug auf die dem anderen zugeschriebene Rolle abgestimmt und koordiniert ist. Unterstützt wird dieser Prozessablauf dadurch, dass das Subjekt der Rollenübernahme, seine eigene Rolle aus der Perspektive des Alters reflektieren kann, und die von Anderen an sich selbst gerichteten Erwartungen sowohl wahrnimmt, als auch – mit kritischer Distanz – übernimmt. Dieses Rollensystem zeichnet
besonders das „Gefasstsein“ auf den anderen aus. Die Interaktionspartner werden ihr Handeln gemäß der Konsistenz ausrichten, die es verlangt. Damit also eine gelungene Interaktion passiert, bedarf es einer gewissen Sensibilität für Antizipationen im Sinne von „Vorhersagen können“. Auch damit die Interaktion mit anderen Akteuren gelingt, braucht es Konsistenz. Es gibt auch Situationen, in denen Herrschaft die Interaktion bestimmt. Durch das Unter- bzw. Überordnen nimmt die Konsistenz deutlich restriktiven Einfluss auf das Verhalten.[5]
7 Der Akkulturationsprozess aus interaktionistischer Sicht
Erkenntnisgegenstand des symbolischen Interaktionismus ist das Alltagshandeln von Menschen. Hier sind zwei Punkte von Bedeutung, das „Selbst“ und „soziale Erfahrungen“. Durch die Übernahme der Rollen anderer Personen erfolgt die Ausbildung des Selbst. Dies geschieht bei Aktivitäten des Zusammenlebens mit anderen Menschen. Es wird angenommen, dass der Einzelne fähig ist, sein Schicksal selbst mitzugestalten. Kultur und Gesellschaft werden als Größen verstanden, die einer ständigen Entwicklung unterliegen. Das Individuum schafft sich durch sein Handeln immer wieder eine neue Wirklichkeit, deren konkrete Erfahrung sein Bewusstsein strukturiert.[6]
8 Akkulturation von Migranten als Interaktionsprozess
Die Akkulturation von Migranten erfolgt immer prozesshaft, als eine Verkettung vieler Handlungen durch die Interaktion von Menschen, insbesondere über Migranten und Mitglieder des Aufnahmesystems. Aus den verschiedenen ethnischen Zugehörigkeiten ergeben sich Kommunikationsprobleme, da jede Ethnie über ein anderes Zeichensystem zur Kommunikation verfügt. Daraus resultieren eine Menge Missverständnisse und Nachteile für Ausländer. Dem Ausländer fehlt die intersubjektive Voraussetzung der Alltagsroutine, sowie seine gewohnte Art der Kommunikation. Ihm wird eine soziale Identität aufgestempelt, die entgegen seiner eigenen Selbstachtung konträr verläuft. Durch das Einwirken der Migration wird oft auch die Biographie des wandernden Individuums tangiert, weil es die Veränderung seiner Identität verarbeiten muss. Das Individuum muss seine Identität durch den Erwerb der neuen Sprache und Bräuche neu konstituieren, es muss eine neue Alter-Perspektive erlernen.
Nach Phasen der Verwirrung und Desorientierung kann eine neue Handlungsbasis in der neuen Umgebung entwickelt werden, allerdings setzt der erforderliche Identitätswandel bestimmte soziale und psychische Fähigkeiten voraus, deren Erlernen seinerseits von interethnischer Kommunikation abhängt. Ganz nebenbei erwähnt, Menschen aus industrieell-komplexen Gesellschaften prägen bei der Identitätsumstrukturierung die personale Identität stärker aus, als die soziale Identität. Hieraus lässt sich eine Überbetonung der individuellen Einzigartigkeit ableiten, die in der Leistungs- und Kompetenzforderung der heutigen Leistungsgesellschaft begründet sein könnte. Wenn wir den Gedanken jetzt weiterverfolgen, dann wäre es doch wahrscheinlich, dass Menschen, die einem gesellschaftlichen Kontext mit sozialer Identitätsprägung entstammen, sich in der Situation einer Individualitätsgesellschaft befremdet fühlen, was wiederum sehr wahrscheinlich zu Kommunikationsmissverständnissen führen könnte. Oder vereinfacht gesagt: Kommt ein Bauer in die Großstadt, wird er dort nicht zurecht kommen, sowohl auf kommunikativer wie auch auf menschlicher Basis. Für den Migranten bedeutet das, dass er seine Identitätsstruktur auf die Erfordernisse der industriellen Aufnahmekultur hin ausrichten muss. Die nachwachsende Migrantengeneration ist durch ihre Position des „marginal man“, also einer Position des sich „am-Rande-befindens“, besonders vielen Ambivalenzen ausgesetzt. Zum Beispiel kann die durch die Eltern, oder der ethnischen Subkultur vermittelte kollektive Identität, mit einer starken Ich-Identität konfligieren. Diese kollektive Identität muss ihrerseits aber nicht mit der im Aufnahmeland erwünschten sozialen Identität äquivalent sein. Den Kindern fehlt häufig auch eine Veranschaulichung der Werte und Normen des Landes durch die Eltern. Somit erfolgt keine innerliche Aufnahme dieser Werte im Kinde, die Kinder bleiben auf der kognitiven Ebene. Das Gegenteil gilt für die Aufnahmeseite, durch ihre affektive und konative Veranschaulichung wird ihnen die Verinnerlichung erleichtert, allerdings fehlt ihnen die kognitive Ebene. Eine Migration bedeutet aber nicht immer nur Brüche in der Migrantenbiographie, sondern bedeutet auch, dass sie ihre Bräuche im Aufnahmeland wiederfinden. Sie finden im für sie „neuen Land“ viele kleine Spiegel in Form von Kaffees, oder Bars vor, in denen sich ihre Heimat für kurze Zeit widerspiegelt. Sie finden „Ihresgleichen“ im „neuen Land“, das bedeutet für den Migranten eine erhebliche Erleichterung, und fördert zudem eine schnelle und unkomplizierte Integration in die einheimische Kultur. Denn die Art ihres Alltagshandelns ist zugleich auch Teil der Konstituierung einer veränderten Umgebung für die alltäglichen Interaktionen der Einheimischen. Auch die Einheimischen haben gelernt die fremden Bräuche, Sprachen, Verhaltensweisen und Essgewohnheiten anzunehmen, und sie in ihrem Kulturkreis akzeptiert.
Das ist aber nur die glänzende Seite der Medaille, nicht selten provozieren die Migranten durch ihre Verhaltensweisen eine strikte Ablehnung durch die Einheimischen, bis hin zu ausländerfeindlichen Reaktionen. Die Einheimischen versuchen durch ihre Reaktionen, eine von ihnen geglaubte, und durch die „Fremden“ beschädigte „Deutsche Identität“ mit den Werten der Religion, des Arbeitsverhaltens, der Einstellung zu Kindern etc. zu schützen und wiederherzustellen. Diese Ablehnungshaltung gegenüber den Migranten lässt keineswegs auf eine Gleichgültigkeit, sondern viel mehr auf eine Auseinandersetzung mit den fremdartigen Gewohnheiten schließen. Natürlich ist eine ausländerfeindliche Reaktion der Deutschen kein geeignetes Mittel, um die Identität der eigenen Kultur zu bewahren und zu stabilisieren. Dazu aber später noch eine interessante These im letzten Thema dieser Arbeit.
In Relation zum symbolischen Interaktionismus bedeutet dies:[7]
„Vielmehr ist das Ziel aller sozialer Interaktionen die Aushandlung gemeinsamer Bedeutungen und Rollenmuster für die beteiligten Akteure, angetrieben durch das Streben, aller Interaktionspartner nach einer ausgeglichenen Identität.“[8]
[...]
[1] Vgl. Silbereisen Rainer K, Lantermann, Ernst-Dieter, Schmitt-Rodermund (Hrsg.) Aussiedler in Deutschland, Akkulturation von Persönlichkeit und Verhalten 303 – 304.
[2] Vgl. Silbereisen Rainer K, Lantermann, Ernst-Dieter, Schmitt-Rodermund (Hrsg.) Aussiedler in Deutschland, Akkulturation von Persönlichkeit und Verhalten 15 – 17.
[3] Vgl. Schmidt-Koddenberg, Angelika, Akkulturation von Migrantinnen 33 – 34.
[4] Vgl. Deutsche Unesco-Kommission, Die Multikulturellen, Über die Chancen im Zusammenleben mit Ausländern 61 – 71.
[5] Vgl. Schmidt-Koddenberg, Angelika, Akkulturation von Migrantinnen 32 – 33.
[6] Vgl. Schmidt-Koddenberg, Angelika, Akkulturation von Migrantinnen 29.
[7] Vgl. Schmidt-Koddenberg, Angelika, Akkulturation von Migrantinnen 36 – 39.
[8] Schmidt-Koddenberg, Angelika, Akkulturation von Migrantinnen 39.
- Arbeit zitieren
- Manuel Berg (Autor:in), 2008, Akkulturation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93836
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