Dieser Essay befasst sich mit dem Begriff der "wehrhaften Demokratie" und diskutiert einen Text von Leggewie und Meier, der auf diesen Bezug nimmt.
Der Begriff der wehrhaften (streitbaren) Demokratie stellt eine aktive Verteidigung der Demokratie durch rechtsstaatliche Mittel dar und ist die Folge der politischen Gegebenheiten, die nach 1945 eingeleitet wurden. Diese bedeuteten rechtliche, polizeiliche und sicherheitspolitische Instrumente zur Abwehr von Verfassungsfeinden und zum Schutz der demokratischen Ordnung. Die Grundrechte waren geboren und stehen seitdem über allen anderen Artikeln und Gesetzen. Jedoch reichen institutionelle Strukturen nicht aus, wie im folgenden Kapitel 2 mit einigen Fallbeispielen skizziert wird. Um das primäre Ziel einer lebendigen, starken und ‚wehrhaften‘ Demokratie auf Dauer aufrecht zu erhalten, ist ein pro-aktives Eintreten der Staatsbürger von entscheidender Bedeutung. Eine selbstbewusste zivile Gesellschaft muss genauso verantwortlich sein für die nachhaltige Stabilität einer Demokratie wie staatliche Institutionen, wenn in Zeiten größerer gesellschaftlicher Umwälzungen Teile der Bevölkerung versuchen, demokratische Errungenschaften als Ursache allen Übels zu sehen und diese nachhaltig zu schaden. Ein demokratisches Gemeinwesen kann nur getragen werden, wenn sich Teile der Menschen dafür stark machen, die sich abseits antidemokratischer, fremdenfeindlicher Tendenzen aufhalten. Diese sollten im direkten Aus-tausch miteinander Grundsätze bestimmen und durchsetzen, die weder indifferent gegenüber erkämpften demokratischen Werte sind, noch die Verteidigung der Demokratie grundlegend in Frage stellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Historischer Kontext und Grundsatz der ‚wehrhaften‘ Demokratie
2. Herausforderungen
3. Diskussion
4. Literaturverzeichnis
1. Historischer Kontext und Grundsatz der ‚wehrhaften‘ Demokratie
Das Grundgesetz mit seiner Einführung im Jahr 1949 ist das Ergebnis der fehlgeleiteten Weimarer Politik, die dem Missbrauch der Grundrechte nach dem 1. Weltkrieg ab 1919 tatenlos zusah und in der Folge den zerstörerischen Nationalsozialismus sowie nach 1945 in den Ostblockstaaten den Kommunismus einleitete. Damit sich diese demokratiefeindlichen politischen Realitäten nicht wiederholen, haben sich wichtige Akteure in der frühen Nachkriegsära nach langem Austausch auf demokratiestärkende Gesetze, Maßnahmen und Grundsätze geeinigt, die einen möglichen Missbrauch auf Kosten der freiheitlichen Verfassung unmöglich machen sollen und in der Folge Frieden stärken (Konrad-Adenauer-Stiftung Online, 2019).
Der Begriff der wehrhaften (streitbaren) Demokratie stellt eine aktive Verteidigung der Demokratie durch rechtsstaatliche Mittel dar und ist die Folge der politischen Gegebenheiten, die nach 1945 eingeleitet wurden. Diese bedeuteten rechtliche, polizeiliche und sicherheitspolitische Instrumente zur Abwehr von Verfassungsfeinden und zum Schutz der demokratischen Ordnung. Die Grundrechte waren geboren und stehen seitdem über allen anderen Artikeln und Gesetzen. Jedoch reichen institutionelle Strukturen nicht aus, wie im folgenden Kapitel 2 mit einigen Fallbeispielen skizziert wird. Um das primäre Ziel einer lebendigen, starken und ‚wehrhaften‘ Demokratie auf Dauer aufrecht zu erhalten, ist ein pro-aktives Eintreten der Staatsbürger von entscheidender Bedeutung (Konrad-Adenauer-Stiftung Online, 2019). Eine selbstbewusste zivile Gesellschaft muss genauso verantwortlich sein für die nachhaltige Stabilität einer Demokratie wie staatliche Institutionen, wenn in Zeiten größerer gesellschaftlicher Umwälzungen Teile der Bevölkerung versuchen, demokratische Errungenschaften als Ursache allen Übels zu sehen und diese nachhaltig zu schaden. Ein demokratisches Gemeinwesen kann nur getragen werden, wenn sich Teile der Menschen dafür stark machen, die sich abseits antidemokratischer, fremdenfeindlicher Tendenzen aufhalten. Diese sollten im direkten Austausch miteinander Grundsätze bestimmen und durchsetzen, die weder indifferent gegenüber erkämpften demokratischen Werte sind, noch die Verteidigung der Demokratie grundlegend in Frage stellen (Leggewie & Meier, S. 469f).
2. Herausforderungen
Die Autoren Leggewie und Meier warnen, dass bei einer gravierenden Bedrohung rechtsstaatlicher Werte und Normen strafjustizielle Folgen als Ultima Ratio gelten müssen, die unsere erkämpfte und zu verteidigende Freiheit und Demokratie um jeden Preis sicherstellen. Auch wenn es zu keiner Zeit eine hundertprozentige Garantie für eine einwandfreie demokratische Gesellschaftsordnung gibt, sollte anstelle eines einzig normativ geprägten und vordefinierten Wertekanons die offene Bürgergesellschaft auf ihr Recht des politischen Streits zurückgreifen, selbst wenn diese Freiheit unter dem Schein einer erkämpften Radikalität steht (Leggewie & Meier, S. 470). Das bedeutet, dass für eine unantastbare Freiheit der Bürger die Verteidigung dieser immanenten Werte unter allen Umständen in den Händen der zivilen Gesellschaft verweilt, anstatt diese einzig unter ein staatliche Fürsorgeprinzip wie dem Staatsschutz zu stellen. Die Gefahr besteht darin, dass die ‚unsichtbare‘ Hand sich bürokratisch und technisch verselbstständigt und tief in die privaten Handlungsabläufe der Bürger einzugreifen versucht. „ Der Staat müsse so ‚demokratieschonend wie möglich‘ und so ‚durchsetzungsstark wie nötig‘ handeln [...]“, so die Autoren weiter. Es müsse ein ständiger Ausgleich und Kompromiss hergestellt werden in der Intensität der Auseinandersetzung. Wenn der Staat zu hart gegenüber dem unliebsamen politischen Gegner wird und den konstruktiven Diskurs meidet sowie mit hartem repressiven Durchgreifen Symbolpolitik betreibt, hat er möglicherweise bereits exekutive Ansprüche verwirkt, bevor diese überhaupt zur Anwendung kommen. Die Autoren ziehen somit den freien politischen Wettbewerb staatsfeindlicher Parteien und radikaler Oppositioneller einer ständigen gesellschaftlichen Stigmatisierung und wahlrechtlicher Verzerrungen vor (Leggewie & Meier, S. 471f).
Als Negativbeispiel dysfunktionaler politischer Institutionen galt in den 90iger Jahren der Verfassungsschutz. Dieser verwirkte sein Fortbestehen in der gesamtdeutschen Republik, da eine Aneinanderreihung demokratiefeindlicher Skandale diese Institution politisch obsolet und gesellschaftlich überflüssig machte. Unter dem Vorwand einer „nackten“ und wehrlosen Demokratie wurde nach der Wende der Fortbestand dieses zweifelhaften Sicherheitsinstrumentes begründet. Als Gegensatz zum skandalösen Verfassungsschutz wurde jedoch der polizeiliche Staatsschutz als Abteilung der Kriminalpolizei mit ihrem staatlichen Gewaltmonopol hervorgehoben, welcher mit Hilfe des einschlägigen Gesetzbuches rechtsstaatlich eingehegt, angepasst und kontrolliert werden kann (Leggewie & Meier, S. 471f).
Ein weiteres Fallbeispiel für eine empfindliche Störung des inneren Friedens waren die im Jahre 1995 auftretenden Mordversuche mit terroristischen und fremdenfeindlichen Motiven, die gesellschaftliche und politische Spannungen hervorgerufen haben. Politische Forderungen nach schärferen Gesetzen einerseits und das Vollzugsdefizit der Strafjustiz anderseits brachten kaum Besserung. Nicht die Freiheit Anderer sollte beschränkt werden, sondern die politische Freiheit von Exekutive, Legislative und Judikative müsse gewährleistet werden. Ein ideologisch geprägtes Recht auf präventive Abwehr gegenüber fremden Menschen sollte niemals eine politische Alternative sein, sondern die Bemühungen, Bürger verschiedenster kultureller Identitäten unter das Dach der Vielvölkerrepublik Sicherheit, Schutz und Rechtssicherheit zu bieten (Leggewie & Meier, S. 474f).
Ein starkes Werkzeug zur Stärkung einer wehrhaften Demokratie wurde mit dem Artikel 18 GG geschaffen. Es wird damit rechtlich ermöglicht, bei verfassungsfeindlichen Aktionen den Anspruch auf das Grundrecht zu verlieren. Verwirkung und Ausmaß der Strafe können aber nur vom unabhängigen Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden, welches als einzigartige Besonderheit in der Verfassungsgeschichte seit Anfang an mit einem Ermittlungs- und Entscheidungsmonopol versehen wurde (Prantl, 2019: Online in Sueddeutsche-Zeitung.de).
Als Ergebnis einer erfolgreichen wehrhaften Demokratie sprechen die Entwicklungen damals verfassungsfeindlich eingestufter Parteien. Die PDS musste sich im Rahmen demokratischer Ordnungspolitik einem kontroversen Diskurs stellen und wurde so inzwischen zu einer legitimen politischen Institution bis hin zur Abstellung des ersten linken Ministerpräsidenten in Thüringen. Umgekehrt haben sich ausländer- und menschenfeindliche Parteien in den 90iger Jahren durch Inkompetent und Populismus diskreditiert.
3. Diskussion
Obwohl der Text von Leggewie und Meier bereits 1995 veröffentlicht und damit einen gewissen Zeitwert besitzt, ist das Thema rund um den Schutz der demokratischen Ordnung so aktuell wie selten. Populistische und fremdenfeindliche Parteien genießen gegenwärtig national wie auch international breite Zustimmung in der Bevölkerung. Bleibt abzuwarten, wie sich in Deutschland vor dem Hintergrund der Rekultivierung politisch verfassungsfeindlich eingestellter Politiker und Bürger die Partei Alternative für Deutschland im politischen Alltag entwickelt. Die Partei „Die Linke“ hat gelernt, sich den demokratischen Grundwerten anzuschließen und ist so zu einer festen politischen Größe in der Bundesrepublik Deutschland geworden.
Es ist wichtig, demokratische Positionen gegen verfassungsfeindliche Tendenzen jeglicher Art zu etablieren. Das Risiko, sich in politischen Auseinandersetzungen um die Hoheit gemeinsamer Werte und Grundsätze lediglich auf staatliche Institutionen und Parteien zu verlassen, ist zu groß, als dass es ohne eine zivilgesellschaftliche Debatte geht, die sich mit Bezug auf das Grundgesetz auch zur Wehr setzen kann und darf. Somit könnte ein positiver Beitrag zur Stabilität der Demokratie erfolgen. Es müsse vermieden werden, dass eine durch inkonsequente Zweideutigkeit betriebene Politik die Glaubwürdigkeit an die wehrhafte Demokratie als Säule der Freiheit in Misskredit bringt. Die Notwendigkeit besteht darin, demokratischen Strukturen und Institutionen so dem Zeitgeist der Gesellschaft anzupassen, dass nationalsozialistische Praktiken in der breiten Gesellschaft niemals wieder hoffähig werden. Auch die Aufrechterhaltung einer Institution wie es der Verfassungsschutz ist, darf und muss öffentlich kritisiert und diskutiert werden, sobald eine effektive und demokratieverträgliche Sicherheitsarchitektur nicht gewährleistet werden kann. Beispielhaft dafür war die mangelhafte Aufklärung der fremdenfeindlich motivierten Morde in den 90iger Jahren. Bei der Strafbemessung demokratiefeindlicher Gewalttaten sollten weder nur Kavaliersdelikte gelten – noch drakonische Exempel statuiert werden. Nur verfassungskonforme Maßstäbe zur Beurteilung politisch motivierter Gewalt werden langfristig den sozialen Frieden und das Vertrauen in einen unabhängigen souveränen Staat sichern. Trotz der Tatsache, dass demokratiefeindlichen Verstößen jeglicher Art häufig noch zu selten geahndet werden, steht der Artikel 18 GG für den Behauptungswillen der Demokratie und gehört zu dem Repertoire einer funktionierenden wehrhaften Demokratie. Erst solche verfassungsmäßigen Konformitäten bauen langfristig Vertrauen und Respekt in der Bevölkerung auf und unterbinden bzw. erschweren parallel sämtliche staatliche Bestrebungen, politische Willkür und Repression anzuwenden.
4. Literaturverzeichnis
Konrad-Adenauer-Stiftung Online Webseite: Autor unbekannt. In: https://www.kas.de/statische-inhalte-detail/-/content/wehrhafte-demokratie. Zugriff am: 14.11.2019.
Leggewie, Claus; Meier, Horst: Maßstäbe für die Verteidigung der Demokratie, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 4/1995, S. 470-475, verfügbar unter https://www.blaetter.de/sites/default/files/downloads/zurueck/zurueckgeblaettert_201504.pdf . Zugriff am: 12.11.2019.
Prantl, Heribert (2019): Online in: https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-heribert-prantl-grundgesetz-artikel-18-rechtsextremismus-1.4503782 Zugriff: 14.11.2019.
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- Arbeit zitieren
- Marcus Herzberg (Autor:in), 2019, Der Erhalt einer wehrhaften Demokratie. Welche Rollen spielen Staat und Gesellschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/938168
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