In der Sozialpolitik-Forschung werden häufig die Gründe dafür gesucht, warum bei europäischen Staaten wohlfahrtsstaatliche Programme bereits zwischen den 1880ern und 1920ern zu finden sind, während die Vereinigten Staaten von Amerika eine vergleichbare Politik erst mit dem Social Security Act von 1935 begannen. Der Text „Gender and the Origins of Modern Social Policies in Britain and the United States“ von Theda Skocpol und Gretchen Ritter behandelt diese Problemstellung, indem die Politikwissenschaftlerinnen die wohlfahrtsstaatliche Politik Englands und der USA von den 1880ern bis zu den 1920ern vergleicht. Die Autorinnen argumentieren, indem sie die wichtigsten Akteure im politischen Kampf um eine mögliche Sozialpolitik herausstellen und soziale bzw. institutionelle Umstände für deren Hintergründe, Strategien und Möglichkeiten erläutern. Ihre Herangehensweise an die Untersuchung dieser Periode begründen die Autorinnen mit der Notwendigkeit, die Entwicklung der Sozialpolitik nicht nur mit dem Fokus auf Institutionen und Politik im Allgemeinen, sondern auch unter Beachtung sozialer Determinanten wie Geschlechterrollen und Gesellschaftsvorstellungen betrachten zu müssen. Skocpol/Ritter analysieren das Thema dabei in folgenden Bereichen:
a) Gesetzgebung im sozialpolitischen Bereich
b) Rechtlich-institutionelle Unterschiede zwischen England und den USA
c) Interessengruppen im wohlfahrtsstaatlichen Entwicklungsprozess
d) Die Rolle der Frauengruppen bei der Durchsetzung sozialpolitischer Maßnahmen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. England und USA im Vergleich
a) Gesetzgebung im sozialpolitischen Bereich
b) Rechtlich-institutionelle Unterschiede zwischen England und den USA
c) Interessengruppen im wohlfahrtsstaatlichen Entwicklungsprozess
d) Die Rolle der Frauengruppen bei der Durchsetzung sozialpolitischer Maßnahmen
3. Fazit
4. Anhang
1. Einleitung
In der Sozialpolitik-Forschung werden häufig die Gründe dafür gesucht, warum bei europäischen Staaten wohlfahrtsstaatliche Programme bereits zwischen den 1880ern und 1920ern zu finden sind, während die Vereinigten Staaten von Amerika eine vergleichbare Politik erst mit dem Social Security Act von 1935 begannen. Der Text „Gender and the Origins of Modern Social Policies in Britain and the United States“ von Theda Skocpol und Gretchen Ritter behandelt diese Problemstellung, indem die Politikwissenschaftlerinnen die wohlfahrtsstaatliche Politik Englands und der USA von den 1880ern bis zu den 1920ern vergleicht. Die Autorinnen argumentieren, indem sie die wichtigsten Akteure im politischen Kampf um eine mögliche Sozialpolitik herausstellen und soziale bzw. institutionelle Umstände für deren Hintergründe, Strategien und Möglichkeiten erläutern. Ihre Herangehensweise an die Untersuchung dieser Periode begründen die Autorinnen mit der Notwendigkeit, die Entwicklung der Sozialpolitik nicht nur mit dem Fokus auf Institutionen und Politik im Allgemeinen, sondern auch unter Beachtung sozialer Determinanten wie Geschlechterrollen und Gesellschaftsvorstellungen betrachten zu müssen. Skocpol/Ritter analysieren das Thema dabei in folgenden Bereichen:
a) Gesetzgebung im sozialpolitischen Bereich
b) Rechtlich-institutionelle Unterschiede zwischen England und den USA
c) Interessengruppen im wohlfahrtsstaatlichen Entwicklungsprozess
d) Die Rolle der Frauengruppen bei der Durchsetzung sozialpolitischer Maßnahmen
In diesem Essay soll die These der Autorinnen belegt werden, dass sich in dem betrachteten Zeitraum sowohl für Großbritannien als auch die USA Beispiele für erste Schritte im sozialpolitischen Sektor finden lassen, England vor allem durch ein paternalistisches, zentrales System geprägt wurde, während Amerika zuvorderst ein maternalistisches, föderales Sozialpolitik-Konzept hervorbrachte.
2. England und USA im Vergleich
a) Gesetzgebung im sozialpolitischen Bereich
Der Vergleich durchgesetzter Maßnahmen soll hier kurz zusammengefasst werden. Die Autorinnen stellen zu Beginn ihrer Analyse eine Tabelle vor (Vgl. Anhang S. 8) und erläutern die grundlegenden Gesetze beziehungsweise Regulierungsmaßnahmen der beiden Staaten in dieser Phase: Sowohl Großbritannien als auch die USA führten bereits mit Beginn des 20. Jahrhunderts Arbeiterversicherungen ein. Auffällig ist allerdings, dass England in diesem Zeitraum bereits wohlfahrtsstaatliche Unterstützungen gegen Marktversagen und plötzliche schwerwiegende Lebensumstände bot. Ähnliche Maßnahmen konnten in den USA bis in die 1930er nicht durchgesetzt werden. Lediglich sog. mother‘s pensions (S. 76) wurden vor der Großen Depression eingeführt. Gründe sehen Skocpol/Ritter in der fehlenden Armengesetzgebung, wobei eine Mischung aus Elisabethanischen und New Poor Gesetzen in unterschiedlichster Gestaltung auf lokaler Ebene durchgesetzt wurde, weil dort sowohl die finanzielle als auch gesetzliche Verantwortung lag. In der Progressive Era fanden Forderungen nach Regulationen für Arbeitszeit, Mindestlöhnen bzw. Arbeitsbedingungen breite öffentliche Unterstützung, aber Pensionsgesetze oder Sozialversicherungen waren nicht möglich, weil diese den korrumpierten Behörden beträchtliche finanzielle Mittel in die Hand gegeben hätten. Die Autorinnen betonen, dass wohlfahrtsstaatliche Gesetzgebungen vor allem dort zeitig auftauchten, wo die Arbeiterklasse zahlreich organisiert war und ein entsprechendes Gewicht gegenüber den Unternehmern aufbauen konnte. Während in England vor allem die Arbeiterorganisationen maßgebend bei der Durchsetzung von Arbeitsregulationen waren, spielten diesen Part in den USA vor allem die Frauenverbände als „Vorhut der Sozialreformen“ (S. 124).
b) Rechtlich-institutionelle Unterschiede zwischen England und den USA
Beim institutionellen Vergleich stellen die Autorinnen die zentralstaatliche Struktur Englands und die föderale Struktur Amerikas heraus. Britische Wohlfahrtspolitik fand vor allem auf nationaler Ebene statt und wurde frühzeitig von den Parteien aufgegriffen, wohingegen die Verantwortung für Sozialpolitik in den USA auf einzelstaatlicher und lokaler Ebene lag. Hier verweisen Skocpol/Ritter auf das Problem, dass ein rein institutioneller Vergleich nicht genügen würde, um die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung insgesamt zu verstehen.
Da Amerika sehr vom Laissez-faire-Liberalismus geprägt wurde, nahmen persönliche und Vertragsrechte eine wichtige Rolle ein. Dem Staat konnte nicht vertraut werden und er sollte in seinem Wirken möglichst begrenzt werden, um der persönlichen Freiheit nur wenige Grenzen zu setzen. Mithilfe der Beschreibung der vielfältig verzweigten Struktur des Checks & Balances (sowohl zwischen Bund und Einzelstaaten als auch Legislative und Exekutive) erklären Skocpol/Ritter, unter Verweis auf die wichtigen Supreme Court-Entscheidungen, wie wohlfahrtsstaatliche Gesetzesinitiativen von der einflussreichen, mächtigen Judikative gestoppt wurden. Berücksichtigt werden muss auch das allgemeine Männerwahlrecht in Amerika: Das politische System war sowohl auf Seiten der Institutionen als auch in den Parteien von einer umfassenden Patronage geprägt. Die von Korruption geschwächten Institutionen sollten nach den Ideen der progressiven Reformer in professionelle, leistungsfähige Behörden umgewandelt werden, um überhaupt eine institutionelle Grundlage für (soziale) Reformen zu schaffen.
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- Arbeit zitieren
- Renard Teipelke (Autor:in), 2008, Die sozialpolitischen Anfänge des paternalistisch-zentralen Wohlfahrtssystems Englands und des maternalistisch-föderalen Wohlfahrtssystems Amerikas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93764
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