Egal, wen man nach der Lesart des Begriffes Generation fragen würde, ob Wissenschaftler oder Laie. Jeder einzelne würde sicher eine andere, wenn vielleicht auch ähnliche Antwort zurückgeben und mit Sicherheit würden viele verschiedene Beispiele zur Untermauerung der Definition benutzt werden. Von der ,Nachkriegs-’ und der ,Flakhelfergeneration’, von der ,Generation Golf’ und gewiss von der ,68er-Generation’ wäre die Rede. Jeder weiß scheinbar etwas mit dem Ausdruck Generation anzufangen und viele meinen demnach auch ganz genau differenzieren zu können, was diesen Begriff ausmacht. Bei dessen Aktualität stellt sich die Frage, ob man diesen weiterhin als wissenschaftlich bezeichnen darf. Kann er in der Geschichtswissenschaft überhaupt noch objektiv gebraucht werden, ohne sich dabei aus dem Gebiet der Wissenschaften heraus zu begeben?
In diesem Essay wird sich mit der Frage beschäftigt und abwägt werden, ob und inwiefern der Generationenbegriff der Geschichtswissenschaft von Nutzen oder gar von Nachteil ist.
Egal, wen man nach der Lesart des Begriffes Generation fragen würde, ob Wis- senschaftler oder Laie. Jeder einzelne würde sicher eine andere, wenn vielleicht auch ähnliche Antwort zurückgeben und mit Sicherheit würden viele verschie- dene Beispiele zur Untermauerung der Definition benutzt werden. Von der ,Nachkriegs-’ und der ,Flakhelfergeneration’, von der ,Generation Golf’ und gewiss von der ,68er-Generation’ wäre die Rede. Jeder weiß scheinbar etwas mit dem Ausdruck Generation anzufangen und viele meinen demnach auch ganz genau differenzieren zu können, was diesen B egriff ausmacht. Bei dessen Aktualität stellt sich mir die Frage, ob man diesen weiterhin als wissenschaft- lich bezeichnen darf. Kann er in der Geschichtswissenschaft überhaupt noch objektiv gebraucht werden, ohne sich dabei aus dem Gebiet der Wissenschaften heraus zu begeben?
Im Folgenden werde ich mich mit der Frage beschäftigen und abwägen, ob und inwiefern der Generationenbegriff der Geschichtswissenschaft von Nutzen oder gar von Nachteil ist.
Grundsätzlich kann man meiner Meinung nach sagen, dass es das Ziel der Ge- schichtswissenschaft ist, Erkenntnis zu erlangen, mit der wiederum die Ver- gangenheit und gegebenenfalls auch die Gegenwart erklärt werden kann. Viel- leicht ist es sogar möglich, mit dieser gewonnenen Erkenntnis Aussagen über die Zukunft zu machen, doch auf diese These möchte ich erst am Ende des Es- says zurückkommen.
Der Generationenbegriff ist in diesem Zusammenhang ein Hilfsmittel für die Geschichtswissenschaft, vergleichbar mit der Periodisierung in Epochen, um Geschichte „greifbar“ zu machen. Der Begriff Generation wird an vielen Stellen genutzt, doch stellt sich die Frage, ob ihm unterschiedliche Bedeutungsinhalte zugeschrieben werden und inwiefern sich diese Bedeutungsinhalte tatsächlich gravierend unterscheiden. Gerd Dietrich unterstellt dem Begriff Generation, der Gruppe der „Plastikwörter“[1] anzugehören, welche sich dadurch auszeichnen würden, erfolgreich zu sein, da ihre Definition schwer bis unmöglich sei.[2] Für den Laien ist daher der Begriff Generationen sicherlich hilfreich, um Geschichte greifbarer zu machen. Unter anderem aufgrund des Problems der Definition und der Abgrenzung zu anderen Begriffen, wie zum Beispiel Kohorte, Genera- tivität und Genealogie ist es allerdings fragwürdig, ob der Generationenbegriff objektiv genug ist, um glaubwürdig in der Geschichtswissenschaft Verwendung zu finden.
Des Weiteren ist meines Erachtens vorab klarzustellen, ob Generationen Natur- phänomene sind oder Konstrukte. Reulecke unterscheidet in dieser Frage zwi- schen der „Pulsschlag-Hypothese“, die Generationen eher als Naturphänomen sieht und der „Prägungshypothese“. Letztere sei die, seit den 1870er-Jahren stärker vertretene These und unter anderem von Wilhelm Dilthey formuliert worden.[3] Meiner Ansicht nach ist die Bildung einer Generation kein reines Na- turphänomen, das regelmäßig wiederkehrt („Pulsschlag-Hypothese“), kann aber als natürliche Reaktion auf Vorrangegangenes gesehen werden. Wie Karl Mannheim in seinem „ Problem der Generationen“[4] definierte, hängt die Bil- dung eines Generationszusammenhanges unter anderem mit Ereignisschich- tung zusammen und das Bilden einer Generationseinheit ist eben jene genannte natürliche Reaktion auf vorangegangene, erlebte oder prägende Ereignisse.
Im einfachsten Sinne kann man diese Reaktion am Eltern-Kind-Verhältnis se- hen. Die Einstellung des Kindes gestaltet sich stets durch Nachahmung oder strikte Abgrenzung - wobei fraglich ist, inwieweit diese gelingt - aber immer im Bezug auf die elterliche Ideologie. Durch diesen Prozess bildet sich laut Mann- heim die unterste und damit auch am festesten verankerte Erlebnisschicht.[5] In- sofern kann auch das natürliche Vorhandensein der Eltern, die gegebenenfalls eine radikale Einstellung haben, zu einer neuen Generation führen, die selbst über kein weiteres stark prägendes Erlebnis, wie zum Beispiel die Teilnahme am Krieg verfügt.
Stellt man zum Beispiel zwei politische Generationen des 20. Jahrhunderts ge- genüber, die so genannte „33er-“ oder auch „Kriegsjugendgeneration“ und die so genannte „68er-Generation“[6] könnte man, wie Götz Aly, das eben genannte Eltern-Kind-Verhältnis untersuchen. Aly stellte in einem Zeitungsartikel[7] unter anderem die gewagte und umstrittene These auf, den „68ern“ sei die strikte Abgrenzung von den Ideologien der Elterngeneration nicht vollständig gelungen, denn sie seien in der gegensätzlichen Denkweise radikal und er macht auf Parallelen der beiden Generation aufmerksam, welche ebenfalls sehr umstritten[8] sind. Meiner Meinung nach wäre eine genauere Untersuchung dieser Theorie, die meine oben genannte These eventuell weiterführen würde, sehr interessant aber an dieser Stelle leider zu umfangreich.
Das große Problem beim Gebrauch des Generationenbegriffes, welches Karl Mannheim erkannte und versuchte zu lösen, ist die Verallgemeinerung und somit die auftretende Subjektivität, wenn man von Generationen spricht. Wie Pinder kann man an dieser Stelle von einer „Ungleichzeitigkeit des Gleichzeiti- gen“ sprechen. Mit diesem Modell sagt Pinder aus, dass das Angehören eines Geburtsjahrganges nicht ausreicht, um einer Generation angehörig zu sein. Blickt man erneut auf die ,68er-Generation’ zurück und vertraut auf Herberts Aussage über die „Reichweite und Aussagekraft der Kategorie der Politischen Generation“, so waren lediglich 5-10% der Altersgruppe, die man gemeinhin zu den ,68ern’ zählt Aktivisten, Begeisterte und Sympathisanten.[9] Sicherlich spre- chen sich im Nachhinein eine größere Gruppe den ,68ern’ an - selbst Menschen, die vom Geburtenjahrgang nicht mehr der Kohorte angehören - da diese so ge- nannte Generation damals Trends gesetzt hat, die heute wie selbstverständlich ausgelebt werden. Doch zu der aktiven Zeit dieser ,Generation’ kann man hier nicht von einer repräsentativen Gruppe der Gesamtzahl der gleichaltrigen Be- völkerung sprechen. Dieses Problem tritt selbstverständlich ebenfalls bei der Beobachtung anderer Generationen auf. Karl Mannheim versuchte dasselbe zu lösen, indem er den Generationenbegriff aufteilte, um so beide Gruppen zu er- fassen, die Gesamtheit und die kleinere Gruppe der Aktivisten. Er teilt den Beg- riff Generation in „Generationslagerung“, „Generationszusammenhang“ und „Generationseinheit“[10], wobei er unter Generationslagerung die „Zugehörigkeit zueinander verwandter Geburtsjahrgänge“[11] versteht.
[...]
[1] Vgl. Uwe Pörksen: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur, Stuttgart 1992.
[2] Vgl. Gerd Dietrich, Rez.: Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, hrsg. von Jürgen Reule- cke/ Elisabeth Müller-Luckner, München 2003, in: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-1- 180 (28.02.2008, 13.07 Uhr).
[3] Vgl. Jürgen Reule>
[4] Vgl. Karl Mannheim: Das Problem der Generationen (1928), in: Ders., Wissenssoziologie, Neuwied 1964, S.509-565.
[5] Ebd., hier: S. 536.
[6] Vgl. Ulrich Herbert: Drei politische Generationen im 20. Jahrhundert, in: Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, hrsg. von Jürgen Reulecke, München 2003, S. 95-114.
[7] Vgl. Götz Aly: Machtübernahme. Die Väter der 68er, in: Frankfurter Rundschau, 30.01.2008. http://www.fr- online.de/in_und_ausland/politik/reportage/?em_cnt=1279789 (27.02.2008, 14.57 Uhr).
[8] Eine Gegenposition zu Alys Artikel ist ebenfalls in der FR zu finden. Vgl. Peter Grottian u.a.: Erwiderung auf Götz Aly. Keinerlei Ähnlichkeit, in: Frankfurter Rundschau, 09.02.2008. http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/reportage/?em_cnt=1285285 (27.02.2008, 15.02 Uhr).
[9] Vgl. Herbert: Generationen, hier: S. 113.
[10] Vgl. Mannheim: Problem.
[11] Ebd., hier: S. 528.
- Arbeit zitieren
- Christiane Hillebrecht (Autor:in), 2008, Ein generationsübergreifendes Problem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93722
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