Die Arbeit befasst sich mit Herausforderungen im Kindergarten, die durch Diversität entstehen. Im Zentrum der Arbeit steht dabei die Frage, wie es erfolgreich gelingen kann, Kinder, die Flucht erlebt haben, in Kindertageseinrichtungen zu integrieren.
Zu Beginn wird dazu die aktuelle Situation von Flüchtlingskindern geschildert. Anschließend wird näher erläutert, welche Bedeutung die Flucht für Kinder hat, um dann im dritten Teil darauf einzugehen, welche pädagogischen Möglichkeiten sich im Umgang ergeben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Aktuelle Situation von Flüchtlingskindern
1.2 Die Bedeutung von Kindertagesstätten für geflüchtete Kinder
2. Flüchtlingskinder in Krippe und Kindergarten
2.1 Allgemeiner Begriff „Flüchtling“
2.2 Bedeutung von Flucht für Kinder
3 Feinfühliger Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten
3.1 Pädagogische Möglichkeiten
3.2 Wie kann feinfühliger Umgang mit geflüchteten Kindern in Kindertagestätten gelingen
3.3 Bindung und Resilienz von Flüchtlingskindern
4. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Aktuelle Situation von Flüchtlingskindern
Kinder mit Fluchthintergrund haben auf ihrem Weg in ein gewünscht besseres Leben viele Erfahrungen gemacht, die nachhaltig einer professionellen, zugewandten, pädagogischen Begleitung bedürfen. Krieg, Armut, körperliche und seelische Verletzungen, der Tod der Eltern - all diese traumatischen Erlebnisse müssen berücksichtigt werden. Besonders geflüchtete Kinder befinden sich in einer hoch belasteten Lebenssituation, welche ein gesteigertes Entwicklungsrisiko birgt (Anger- endt 1997, S.31).
Die Gesellschaft hat in den letzten Jahren verstärkt die Flüchtlingsproblematik miterlebt. Flüchtlinge sind keine Ausnahme mehr. Menschen anderer Nationalitäten gehören zum Alltagsbild. Im Jahr 2015 wurden 890.000 Erstregistrierungen gezählt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 14. Dezember 2016). 157.790 Asylanträge wurden zwischen Januar 2015 und November 2016 für Kleinkinder gestellt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016a, S. 22, 2016b, S. 7).
Durch Flucht die Heimat verlorene Kinder besuchen gemeinsam mit deutschsprachigen Kindern Tageseinrichtungen und erleben den deutschen Alltag. Im Elementarbereich und in der Fachliteratur wird der Handlungsbedarf hervorgehoben und effektive Maßnahmen zur Integration von Kindern mit Fluchterfahrungen gefordert (vgl. Otto, Migas, Austermann & Bos, 2016). In noch jungen Jahren haben diese Kinder Leid und Elend erlebt, Gewalt und Hunger sind ihnen nicht fremd. In der neuen Heimat prasseln unbekanntes auf sie ein, sie können sich anfangs nicht verständigen, fühlen sich hilflos und missverstanden und durchleben weitere traumatische Erfahrungen, die es zu beachten gilt. Fehlt hier eine angemessene pädagogische Intervention, kann dies signifikante Auswirkungen auf eine gesunde emotionale Entwicklung der Kinder zur Folge haben (Jungmann & Koch 2017, S. 1-2).
1.2 Die Bedeutung von Kindertagesstätten für geflüchtete Kinder
Krippe und Kindergarten haben in den vergangenen Jahren als erste institutionelle Bildungsstätten für Kinder an Wichtigkeit stark zugenommen. Sie stehen im Fokus bei der Bevölkerung und in der Politik. Die geforderte, qualitativ gute, frühkindliche Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern ist ein wesentlicher Faktor für die Chancengleichheit allgemein und die Integration von Flüchtlingskindern im Speziellen. Bereits in den ersten Lebensjahren werden Grundsteine für die spätere Entwicklung gelegt. Entwicklungspsychologische Studien belegen, dass auch die Teilhabe - und Aufstiegschancen positiv beeinflusst werden (Jungmann und Koch 2016, S 1). Gelingen kann das jedoch nur dann, wenn der feinfühlige Umgang mit Flüchtlingskindern gefördert und unterstützt wird und dadurch traumatische Erlebnisse aufgearbeitet und intensiv begleitet werden. Kindertagesstätten sind eine wichtige Ressource, um das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein zu stärken und Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen (Perras-Emmer und Atzinger, 2001).
Im Elementarbereich werden pädagogische Fachkräfte herausgefordert, diesen Kindern einen Einstieg in den hier gebräuchlichen Alltag zu ermöglichen, sie zu fördern und ihnen Orientierung und Hilfestellung zu geben, damit Integration erfolgreich sein kann. Es obliegt diesen Fachkräften zu einer positiven Entwicklung beizutragen und setzt Feinfühligkeit, Kompetenz und Offenheit für das Anders-sein voraus. Das Vorschulalter bietet dabei Möglichkeiten, um zielgerichtet zu fördern, zu unterstützen und zu betreuen (Textor 2016). Auf Grundlage der genannten Erläuterungen soll erörtert werden, wie der feinfühlige Umgang mit Kindern mit Fluchthintergrund besser gelingen kann, der Vielfältigkeit gerecht und Kinder tatsächlich integriert werden.
2. Flüchtlingskinder in Krippe und Kindergarten
2.1 Allgemeiner Begriff „Flüchtling“
Im Jahr 1948 wurden die Menschenrechte festgelegt, die am 22.August 1894 erstmals beschriebene Genfer Flüchtlingskonvention tituliert in Artikel 1 wer ein Flüchtling ist, beschreibt dies u. A. mit: „ die Person hat eine begründete Furcht vor Verfolgung auf Grund einer Zugehörigkeit zu Religion, Rasse, Nationalität, einer sozialen Gruppe oder politischer Anschauung(en)“ (UNHCR, 3. Aufl. 2011, deutsche Übersetzung 2013, S. 232). Weltweit sind mehr als die Hälfte der Flüchtlinge Kinder, die mit dieser - nicht den allgemein gültigen Menschenrechten entsprechenden Situation - konfrontiert wurden und ihr Heimatland verlassen mussten (Statista, 2020, letzter Zugriff: 14.02.2020).
2.2 Bedeutung von Flucht für Kinder
Flucht bedeutet immer den Verlust von Heimat, Familienangehörigen, Freunden, Sitten und Gebräuchen. Flucht bedeutet auch, dass Menschen Erfahrungen gemacht haben, die mit Angst und Traumatisierung verbunden sind. Geflüchtete Kinder erleben Gewalt, Not und Verfolgung anders als Erwachsene. Sie sind diesen Szenarien hilflos ausgeliefert und auf beschützende Erwachsene angewiesen. Depression, Aggression und Machtlosigkeit kennzeichnen die Auswirkungen bei Flüchtlingskindern, wenn diese keine angemessene Unterstützung erfahren. Flüchtlingskinder unterscheiden sich somit von Peers in vielerlei Hinsicht. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sie in Kindertageseinrichtungen Verhaltensweisen zeigen, die erkannt und verstanden werden müssen. Die besondere Unterstützung durch Fachkräfte ist deshalb dringend notwendig, um - im letztendlich nicht frei gewählten neuen Heimatland - ankommen und möglichst schnell am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können (Textor 2016b).
2.3 Auswirkungen und Folgeerscheinungen der Flucht auf Kinder
Meist leben die Flüchtlingsfamilien in beengten Unterkünften oder sehr kleinen Wohnungen, in denen sie sich kaum bewegen oder die Kinder in Ruhe spielen können (Textor, 2016b). Die Hierarchie innerhalb der Familie ist streng nach den aus der Heimat bekannten Regeln und Erziehungsmethoden festgelegt: die Eltern sind die unangefochtene Autorität und erwarten von ihren Kindern Gehorsam. Spielsachen, wie Kinder in Deutschland sie kennen, sind Flüchtlingskindern oft unbekannt. Da sie meist große Not erlebt haben horten sie die Spielsachen, zeigen sich auch im Essverhalten auffällig, versuchen möglichst viel Nahrung auf einmal zu sich nehmen. Die enge Bindung an Geschwisterkinder ist eine Reaktion auf durchlebte Bedrohungen, die Kinder spielen überwiegend untereinander und suchen kaum Kontakt zu anderen Kindern. Die geschlechterspezifische Erziehung hat zur Folge, dass sich Jungen oft Tätigkeiten gegenüber verweigern, die sie für „Frauenarbeit“ halten (Textor 2016b).
Viele Kleinkinder haben im Herkunftsland, auf der Flucht oder nach ihrer Ankunft in Deutschland traumatische Erfahrungen gemacht, die ihre Eltern nicht angemessen begleiten konnten, da diese selbst ebenfalls traumatisiert wurden und die Problematik bei ihren Kindern nicht wahrgenommen haben. Ein Trauma kann z. B. dazu führen, dass Flüchtlingskinder Angst vor der Dunkelheit haben, sie schlecht schlafen, Alpträume haben, oder auf plötzliche, laute Geräusche, wie das Zuknallen einer Tür, panisch reagieren (Textor, 2016b). Flashbacks und Trigger begleiten diese Kinder im Alltag und belasten die Psyche schwer. Daraus wiederum können sich Posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln, die sich bei jedem Flüchtlingskind anders darstellen, da diese Kinder nicht die gleichen, traumatischen Ereignisse durchlebt haben.
Körperlich versehrte Kinder müssen mit den neuen Lebensumständen zurechtkommen, sie müssen sich an ein anderes Körpergefühl gewöhnen und ihr Handicap akzeptieren lernen.
Eine weitere Belastung stellt sich auf der psychosozialen Ebene dar. Die Stellung der Flüchtlinge in der Gesellschaft ist teilweise geprägt von Unverständnis, oder nur bedingt vorhandener Akzeptanz. Der unsichere Aufenthaltsstatus, geringe finanzielle Mittel und eine schlechte Wohnsituation tragen ebenfalls nicht zu einer zügigen Integration von Flüchtlingen allgemein, und den Flüchtlingskindern im Speziellen, bei.
3. Feinfühliger Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten
3.1 Pädagogische Möglichkeiten
Inklusion ist ein weitreichender Begriff, der sich nicht exakt definieren lässt, jedoch sowohl in Krippe, Kindergarten als auch in Schulen Anwendung findet. Unterschieden wird zwischen einem weiten sowie einem engen Inklusionsverhältnis (Felder & Schneiders 2016, S. 20).
Pädagogische Fachkräfte sind gefordert, alle Möglichkeiten der Inklusion auszuschöpfen und sich entsprechend darauf vorzubereiten. Andrea Hendrich empfiehlt dazu, das Fremdsein miteinzubeziehen und als gegeben anzunehmen (Hendrich, 2016). In der Elementarpädagogik hat es sich bewährt, vor der Aufnahme von Flüchtlingskindern verschiedene Marker zu berücksichtigen: das Sammeln von Informationen des Herkunftslandes über Religion, Kultur und Lebensweise der Menschen erleichtert den Einstieg in die Betreuung des Flüchtlingskindes. Fotos können im Gruppenraum ausgehängt werden. Sowohl das pädagogische Personal wie auch die Kinder der Gruppe, gewinnen so einen ersten Eindruck vom erwarteten Neuankömmling. Eigene Erwartungen und Befürchtungen der Fachkraft sollten im Team besprochen werden, Kenntnisse zur Sprachförderung und zur kultursensiblen Erziehung sollten sich die betroffenen Pädagogen aneignen, das Wissen über familiäre Strukturen, die Anbindung an Behörden oder weitere Institutionen sollten bekannt sein (Textor 2016). Eine positive Grundhaltung und das Überwinden von Berührungsängsten ist die Grundvoraussetzung für die Betreuung von Kleinkindern in Tageseinrichtungen, das Einbeziehen der Eltern hat einen hohen Stellenwert. Patenschaften durch ältere Kinder unterstützen die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte zusätzlich. Das Heranziehen von Spielen, Rollenspiel - Utensilien oder Bilderbüchern aus den Herkunftsländern der betroffenen Flüchtlingskinder ist eine weitere Möglichkeit, den Kindern das Gefühl von „sich heimisch“ fühlen zu vermitteln. Im Eingangsbereich der Kindertagesstätte angebrachte Plakate und Kollagen stellen für jeden verständlich dar, wie vielfältig die Sprache in der jeweiligen Einrichtung ist. Multilinguale Lernposter (z.B. Keller 2015) bereichern ebenfalls das Arbeitsfeld und unterstützen die pädagogische Arbeit anschaulich und nachhaltig.
Eine große Anforderung an die pädagogischen Fachkräfte stellt die Fähigkeit zur Kommunikation und die Zusammenarbeit mit Menschen unterschiedlicher Herkunft dar, welche die Ziele und Inhalte der frühkindlichen Bildung umfasst (von Balluseck 2017, S. 13). Das ressourcenorientierte, zukunftsweisende, kompetente Arbeiten mit Flüchtlingskindern ist wichtig. Die Probleme und traumatischen Erfahrungen müssen zwar ihre Berücksichtigung finden, sollen jedoch nicht im Vordergrund stehen. Persönliche Hintergründe und die gegebene Geschichte des einzelnen Kindes hat ihren Stellenwert und darf nicht außer Acht gelassen werden, jedoch sollte die Gewichtung auf Wachstum und dem Stärken der Persönlichkeit des Kindes liegen (Fischer 2012).
Um eine konstant gute Arbeit leisten zu können müssen pädagogische Fachkräfte ihre Selbstfürsorge ernst nehmen. Das Schicksal der Flüchtlingskinder kann belastend und kräftezehrend sein. Der Dialog mit Kollegen, oder hinzugezogenen weiteren Fachkräften, unterstützt die Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit im Arbeitsalltag einer Kindertagesstätte (Textor 2016b). Rückzugsorte und Ruhephasen gehören ebenfalls dazu. Alle Kinder der Gruppe profitieren von ausgeglichenen, belastbaren Fachkräften, die Flüchtlingskinder erleben ein stabiles, tragfähiges Umfeld durch gestärkte Persönlichkeiten, die mit auftretenden Problemen ruhig und professionell umgehen können.
3.2 Wie ein feinfühliger Umgang mit geflüchteten Kindern in Kindertagestätten gelingen kann
Bereits die Eingewöhnung in Krippe oder Kindergarten ist essenziell. Nicht alle Eltern können die Eingewöhnungsphase ihres Kindes begleiten, da sie z. B. selbst einen Integrationskurs besuchen, um die Sprache zu erlernen, oder gar nicht verstehen können, warum sie sich in der Nähe der Tagesstätte aufhalten und auf ihr Kind warten sollen. Im Heimatland wird das Kind gebracht und nach der vorgegebenen Zeit wieder abgeholt; ein sanfter Übergang, wie wir ihn kennen, findet nicht statt. Die pädagogischen Fachkräfte sind somit bereits ab Eintritt des Flüchtlingskindes in die Kindertagesstätte mit Herausforderungen konfrontiert, die es zu meistern gilt. Meist erfolgt die Krippen- oder Kindergarteneingewöhnung des Kindes wie bei deutschen Kindern. Manchmal kann es - auf Grund der Fluchtgeschichte oder der engen Verbundenheit zu den Geschwisterkindern- etwas länger dauern (Textor, 2016). Eher untypisch ist das Suchen der Flüchtlingskinder nach intensiver Nähe zu anderen Kindern. Die Bereitschaft, sich hier auf die kindliche Ebene einzulassen und feinfühlig damit umzugehen, ermöglicht, das Verhalten und die Gefühle des Kindes zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren. Die Bedürfnisse des Flüchtlingskindes und seines Umfeldes müssen stets individuell betrachtet und berücksichtigt werden, nur so kann eine vertrauensvolle Beziehung entstehen (Staatsinstitut für Frühpädagogik 2016). Kulturelle und religiöse Zugehörigkeiten müssen ebenfalls einen angemessenen Platz finden. Pädagogische Fachkräfte können die Vielfältigkeit in den Kindergartenalltag einbauen und Einblicke in verschiedene Richtungen eröffnen. Die Akzeptanz der Flüchtlingskinder mit deren eigenen Bedürfnissen nach der Anerkennung ihrer Zugehörigkeit zu religiösen Gruppen steht genauso im Mittelpunkt einer wertfreien, empathischen Tätigkeit, wie eine wertschätzende Haltung gegenüber den kulturellen Gepflogenheiten der einzelnen Nationalitäten. All diese Facetten harmonisch in Einklang zu bringen ist eine große Herausforderung, die jedoch zielführend und gewinnbringend für jedes Kind und das pädagogische Personal sind, um Inklusion und Integration zu leben. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Bemühen um ein friedvolles Zusammenleben in der Kindergartengruppe, geprägt von Akzeptanz und Respekt allen Kindern gegenüber (Leisau 2000).
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2020, Diversität im Kindergarten. Die Integration von geflüchteten Kindern in den Alltag der Kindertagesstätte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/937071
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