Lebenslanges Lernen wird in der heutigen Gesellschaft groß geschrieben und ist im Beruf, wie im Privaten fast selbstverständlich. Trotz der enormen Wichtigkeit von Lernen, wissen viele nicht, wie man optimal Lernen kann. Diese Arbeit beschäftigt sich deshalb mit Optimierungsmöglichkeiten des Lernens durch das Lerntypenkonzept und Lernstrategien. Ende der siebziger Jahre wurden erste Gedanken zum Thema Lerntypen und Lernstile veröffentlicht. Allen voran Frederic Vester, der mit seinem Werk „Denken, Lernen,
Vergessen“ große Popularität erlang. Seitdem ist in der Ratgeberliteratur viel zum Thema Lerntypen erschienen und auch die Hirnforschung beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie Lernprozesse ablaufen und optimiert werden können, damit Unterricht verbessert werden
kann. Zahlreiche Erkenntnisse belegen, dass Menschen unterschiedliche Gehirndominanzprofile
haben und damit individuelle Lernpräferenzen aufweisen. Diese Tatsache bestärkt die These,dass es unterschiedliche Lerntypen gibt und die Lernleistung und der Lernerfolg von der
Förderung der individuellen Vorlieben abhängt.
Die Kernfrage dieser Arbeit ist deshalb, ob die Ermittlung von Lerntypen bei Schülern
sinnvoll ist und sich dadurch vielleicht neue Handlungsmöglichkeiten für die Lernenden oder
für die Lehrpersonen ergeben. Es wird untersucht ob das Konzept der Lerntypen in der Schule
einsetzbar ist und falls ja, welche Ermittlungsmethoden zur Bestimmung von Lerntypen praktikabel sind. In diesem Zusammenhang wurden Lerntypen mit Hilfe verschiedener Tests bei Schülern festgestellt und die Ergebnisse anschließend ausgewertet und diskutiert.Abschließend werden Handlungsmöglichkeiten für die Schule aufgezeigt, die das Konzept der Lerntypentheorien unterstützen können.
INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
I. Einleitung
1. Hintergrund und Fragestellung
2. Aufbau der Arbeit
II. Theoretische Grundlagen
3. Definitionen
3.1 Lernen
3.2 Lernstil
3.3 Lerntypen
4. Lernpsychologische Grundlagen
4.1 Der sensorische Spe icher
4.2 Der Kurzzeitspeicher (KZS)
4.3 Der Langzeitspeicher (LZS)
5. Neurobiologische Grundlagen
5.1 Der Aufbau des Gehirns
5.2 Die Asymmetrie des Gehirns
6. Lerntypentheorien
6.1 Lerntypentheorie nach Frederic Vester
6.2 Lerntypentheorie des NLP
7. Lernstiltheorie nach Kolb
8. Kritische Betrachtungen
III. Möglichkeiten der Ermittlung von Lerntypen
9. Lerntypentests
9.1 Die Ermittlung von Lerntypen mit Hilfe von Fragebögen am Beispiel des HALB- Tests
9.2 Die Ermittlung von Lerntypen mit Hilfe von Reproduktionstests
9.3 Weitere Tests
10. Umsetzung eines Lerntypentests
10.1 Vorüberlegungen und Aufbau
10.2 Durchführung
10.3 Auswertung und Ergebnisse
11. Die Bedeutung der Selbstwahrnehmung
IV. Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der individuellen Lernleistungen
12. Lernstrategien für den jeweiligen Lerntyp
12.1 Der auditive Lerntyp
12.2 Der visuelle Lerntyp
12.3 Der kinästhetische Lerntyp
12.4 Der Lese- und Schreib-Typ
13. Lernstrategien
13.1 Kognitive Lernstrategien
13.2 Metakognitive Lernstrategien
13.3 Ressourcenmanagement
V . Schlussfolgerungen
14. Die Bedeutung der Lerntypentheorie für den Unterricht
15. Lehrstrategien
15.1 Definition
15.2 Formen
15.3 Bedeutung der Lehrstrategien für Lernende
VI. Fazit
VII. Literaturverzeichnis
VIII. Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Mehrspeichermodell des Gedächtnisses
Abbildung 2: Überkreuzsteuerung
Abbildung 3: Funktionen der Großhirnrinde
Abbildung 4: Funktionen der rechten und linken Gehirnhälfte
Abbildung 5: Lernstile nach Kolb
Abbildung 6: Verteilung der Lerntypen beim HALB-Test
Abbildung 7: Geschlechtliche Unterschiede der Lerntyphäufigkeit
Abbildung 8: Koordinatensystem der Lerneingangskanäle
Abbildung 9: Ergebnisse der Lerntypenverteilung nach Fragebogentest
Abbildung 11: Gegenüberstellung der Ergebnisse aus Fragebogen und Reproduktionstest ...
Abbildung 12: Gegenüberstellung des Lerntyps nach Geschlecht
Abbildung 12: Mind-Map: Die Bedeutung des Waldes für den Menschen
Abbildung 13: Die Tagesleistungskurve
Abbildung 14: Lernleistungskurve
Abbildung 15: Unterrichtsmodell nach Meyer
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Das Dreispeichermodell
Tabelle 2: Die Arbeitsweisen des Bewusstseins I
Tabelle 3: Die Arbeitsweisen des Bewusstseins II
Tabelle 4: Fähigkeiten, die speziell in einer Hemisphäre lokalisiert sind
Tabelle 5: Neurologische Indikatoren
Tabelle 6: Lernpausen
I. Einleitung
1. Hintergrund und Fragestellung
Erzähle mir - und ich werde vergessen.Zeige mir - und ich werde mich erinnern.Lass es mich tun - und ich werde verstehen .1
Zugegeben, diese Weisheit des chinesischen Philosophen Konfuzius ist nicht neu. Schon um 500 vor Christus verfasste er seine moralischen Verhaltensvorschriften für das chinesische Volk und dennoch hat dieses Zitat nicht an Aktualität verloren. Er erkannte, dass Inhalte in Bezug auf die Art Präsentation unterschiedlich gut gespeichert werden können. Den auditiven Wahrnehmungsfähigkeiten sprach er somit weniger Leistung zu als der visuellen und handelnden Art der Wissensaneignung. Ob Konfuzius mit dieser Beobachtung auch heute noch Recht hat, wird im Weiteren gezeigt werden. Deutlich wird, dass die Behaltensleistungvon Informationen abhängig vom Eingangskanal ist und dass Lernen und Verstehen eng mi dem eigenen Handeln zusammenhängen.
Lebenslanges Lernen wird in der heutigen Gesellschaft groß geschrieben und ist im Beruf,wie im Privaten fast selbstverständlich. Trotz der enormen Wichtigkeit von Lernen, wissenviele nicht, wie man optimal Lernen kann. Diese Arbeit beschäftigt sich deshalb mitOptimierungsmöglichkeiten des Lernens durch das Lerntypenkonzept und Lernstrategien.
Ende der siebziger Jahre wurden erste Gedanken zum Thema Lerntypen und Lernstileveröffentlicht. Allen voran Frederic Vester, der mit seinem Werk „Denken, Lernen,Vergessen“ große Popularität erlang. Seitdem ist in der Ratgeberliteratur viel zum ThemaLerntypen erschienen und auch die Hirnforschung beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wieLernprozesse ablaufen und optimiert werden können, damit Unterricht verbessert werdenkann.
Zahlreiche Erkenntnisse belegen, dass Menschen unterschiedliche Gehirndominanzprofilehaben und damit individuelle Lernpräferenzen aufweisen. Diese Tatsache bestärkt die These, Die Bedeutung der Ermittlung von Lerntypen in der Schule - Eröffnung neuer Handlungsmöglichkeiten für Lernende und Lehrende? dass es unterschiedliche Lerntypen gibt und die Lernleistung und der Lernerfolg von der Förderung der individuellen Vorlieben abhängt.2
Die Kernfrage dieser Arbeit ist deshalb, ob die Ermittlung von Lerntypen bei Schülernsinnvoll ist und sich dadurch vielleicht neue Handlungsmöglichkeiten für die Lernenden oder für die Lehrpersonen ergeben. Es wird untersucht ob das Konzept der Lerntypen in der Schule einsetzbar ist und falls ja, welche Ermittlungsmethoden zur Bestimmung von Lerntypen praktikabel sind. In diesem Zusammenhang wurden Lerntypen mit Hilfe verschiedener Tests bei Schülern festgestellt und die Ergebnisse anschließend ausgewertet und diskutiert.
Abschließend werden Handlungsmöglichkeiten für die Schule aufgezeigt, die das Konzept der Lerntypentheorien unterstützen können.
2. Aufbau der Arbeit
Im Anschluss an diese Einleitung erörtert Kapitel zwei den theoretischen Hintergrund derLerntypentheorie und bildet damit eine Ausgangsbasis für die nachfolgenden Ausführungen.Hier wird über eine Literaturrecherche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen derLernpsychologie und Neurobiologie gesucht, auf die sich die Lerntypentheorien stützen.Des Weiteren werden unterschiedliche Ansätze in der Lerntypentheorie beleuchtet.Insbesondere die von Frederic Vester, Michael Grinder aus dem Bereich des NLP und dieLernstiltheorie von David Kolb.
Im dritten Kapitel erfolgt auf Grundlage der Erkenntnisse des zweiten Kapitels eine Auswahl geeigneter Lerntypentests. Diese wurden bei Schülern eines Gymnasiums durchgeführt und die Ergebnisse anschließend analysiert.
Das vierte Kapitel untersucht die Handlungsmöglichkeiten für die Lernenden, die sich durch die Festestellung des Lerntyps ergeben. Hier werden sowohl lerntypspezifische Hinweise für das Lernen gegeben, aber auch allgemeine Faktoren aufgezeigt, die das Lernen beeinflussen. Aus diesen Untersuchungen werden im nächsten Abschnitt Schlussfolgerungen für das Lernen in der Schule genannt, welche die Lehrenden an sich betreffen aber auch den Unterrichtsalltag im Allgemeinen.
Das letzte Kapitel zieht aus den Ergebnissen dieser Arbeit ein abschließendes Fazit und gibt einen Ausblick.
II. Theoretische Grundlagen
Dieses Kapitel soll die Klärung von relevanten Begriffsdefinitionen und wissenschaftlichen Grundlagen zum Thema Lerntypen liefern. Betrachtet werden grundlegende Aspekte zu Lerntypen, Lerntypentheorien, des Lernens im Allgemeinen sowie den dazugehörigen Theorien der Lernpsychologie. Abschließend werden die Lernertypologien auf ihre Praxisrelevanz untersucht.
3. Definitionen
3.1 Lernen
Lernen umfasst alle nicht sichtbaren Prozesse, die zu einer Verhaltensänderung führen. Esbeinhaltet den Erwerb von Wissen, Verhaltensweisen und Einstellungen und setzt sich ausProzessen des Behaltens, Erinnerns und Vergessens zusammen.3 Es lässt sich sagen, dassLernen alle Verhaltensweisen umfasst, die aufgrund von Erfahrungen zustande kommen undeine Verhaltensänderung auslösen. Eine Lernleistung besteht neurobiologisch betrachtet ausSpeicher- und Abrufprozessen im Gehirn. Empirische Befunde der Lernforschung habenbelegt, dass die Erinnerbarkeit von Informationen mit deren Übermittlungsartzusammenhängen. Danach behalten wir etwa 20 Prozent von dem was wir hören, 30 Prozentvon dem, was wir lesen, 70 bis 80 Prozent von dem, was wir in eigenen Worten und Sätzensagen, und sogar 90 Prozent von dem, was wir eigenverantwortlich tun.4 Schlussfolgerndkann also gesagt werden, dass je mehr Sinne bei einem Lernvorgang beteiligt werden, dieErinnerbarkeit desto besser ist.
3.2 Lernstil
In der wissenschaftlichen Diskussion um eine Klassifikation von Lernen ist nur vonLernstilen die Rede. Bei Lernstilen handelt es sich um Strategien, sie sich einander ähnlichsind und in verschiedenen Situationen verwendet werden. Strategien sind relativ festeHandlungsmuster, die im Gedächtnis gespeichert und abgerufen werden.5 Keefe und Ferrell verstehen Lernstile als Komplexe miteinander verbundener Merkmale, diein ihrer Summe mehr ergeben als die einzelnen Teile.6 „Somit bildet ein individueller Lernstileine „Gestalt“ (im psychologischen Sinne) von internen und externen Abläufen, die sich ausder Neurobiologie, Persönlichkeit und Entwicklung des Individuums herleiten und imLernverhalten widerspiegeln.“7 Der Begriff Lernstile wird benutzt, um überdauerndeTendenzen bei Personen zu kennzeichnen, die bestimmte Techniken stärker oder wenigerstark benutzen.
3.3 Lerntypen
Die Tatsache, dass Schüler unter gleichen Lernbedingungen unterschiedliche Lernerfolgeerbringen, kann verschiedene Ursachen haben: Intellektuelle Unterschiede, abweichendeVorkenntnisse oder fehlende Motivation stellen nur einige dar. In den letzten Jahrzehnten hatman Vermutungen aufgestellt, dass es weitere individuelle Unterschiede geben muss. Dieseergeben sich aus unterschiedlich ausgeprägten Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmustern,die die Lerneffektivität beeinflussen.8 In der Literatur findet man dazu Begriffe wie„Wahrnehmungsstil“, „Denkstil“ oder „Lernstil“, die alle zusammen als Lerntyp bezeichnetwerden.
In der Literatur sind die verschiedensten Einteilungen von Lerntypen zu finden, die sich auchteilweise überschneiden können. Stangl hat einige Lerntypenklassifikationenzusammengestellt und an dem Beispiel der Berechnung des Volumens einer Kugelverdeutlicht:
Der visuelle Typ muss ein Bild vor sich haben, also etwa eine schematische Zeichnung einer Kugel mit den entsprechenden Bemaßungen.
Der auditive oder akustische Typ kann sich die Formel durch bloßes Hören merken, nämlich indem er den Satz "Radius hoch drei zu nehmen und mit 4/3 Pi multiplizieren" mehrmals vernimmt.
Der diskutierende Typ braucht jemanden, mit dem er über dieses mathematische Problem reden kann bzw. einen Lehrer, der die Formel dialogisch mit ihm erarbeitet. Der haptische oder motorische Typ braucht ein massives Kugelmodell, das er „begreifen“ oder in das er einen Nagel stechen kann.
Der psychomotorische Typ muss aktiv in Bewegung sein, also sollte er vermutlich beim Bowling oder Kugelstoßen lernen.
Der olfaktorische oder gustatorische Typ muss an kugelförmigen Früchten riechen oder in diese hineinbeißen können.
Der einsichtanstrebende Typ benötigt den Beweis; vor allem stört ihn die Zahl 4/3 oder Pi. Bekommt er den Beweis nicht, kann er sich die Formel kaum merken.
Der kontakt- oder personenorientierte Typ benötigt einen Lehrer, den er mag, denn vom unsympathischen Lehrer nimmt er keine Erklärungen an.
Dem abstrakt-verbal denkenden Typ genügt die Vorstellung von der Formel 4/3 Pi Radius hoch drei.
Der medienorientierte Typ entwickelt die Formel lieber selbstständig am Computer im Rahmen eines animierten Lernprogramms.9
Natürlich kommen keine reinen Lerntypen sondern nur Mischtypen vor, die sich flexibel aufdie Gegebenheiten einstellen können. Auf der Grundlage der Lerntypentheorie wird oftbehauptet, dass das deutsche Bildungssystem bestimmte Lerntypen bevorzugt und anderedadurch benachteiligt werden. Dies bedingt sich durch schriftliche Arbeiten, schnelleInformationsaufnahme und -verarbeitung und dem vorwiegenden Medieneinsatz von Tafel,Overhead oder Lehrbuch.10
4. Lernpsychologische Grundlagen
Die Aufnahme und Speicherung von neuen Informationen ist von vielen Faktoren abhängig, zum Beispiel von der Tageszeit, dem körperlichen und seelischen Befinden oder dem Hungergefühl und der Schlafdauer. Aber warum kann man sich an manche Dinge, wie beispielsweise Jugenderlebnisse ein Leben lang erinnern und andere Dinge wie eine gerade herausgesuchte Telefonnummer oder Vokabeln sind sofort wieder vergessen?Lernen hängt mit dem Gedächtnis unmittelbar zusammen. „Die Begriffe Lernen und Gedächtnis sind durchaus austauschbar, ohne Lernen kommt nichts in das Gedächtnis, ohne die Speicherung im Gedächtnis ist kein Lernen möglich.“11 Deshalb ist es notwendig, einige Grundcharakteristika zum Gedächtnis zu wissen.
Grundlegende Erkenntnisse über das Lernverhalten haben gezeigt, dass der zeitliche Verlaufder Informationsaufnahme und deren Speicherung mit unterschiedlichen Komponenten desGedächtnisses zusammenhängen. Das von Atkinson und Shiffrin entwickelteDreispeichermodell „unterscheidet zwischen drei Gedächtnissystemen, die interagierendarbeiten“12. Es dient als Modell für eine ganze Reihe von beobachteten Tatsachen desLernverhaltens. Lernen ist der Erwerb von Informationen und motorischen Fähigkeiten unddas Gedächtnis spielt die Hauptrolle beim Abrufen von Informationen und derenAnwendung.13
Im Folgenden wird ein Überblick über das Dreispeichermodell des Gedächtnisses gegeben. Tabelle 1: Das Dreispeichermodell14
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.1 Der sensorische Speicher
Der amerikanische Psychologe Sperling hat in den 60er Jahren eine Reihe von Experimentendurchgeführt, die die Existenz eines sensorischen Speichers im Gedächtnis nachweisenkonnten. Wenn man Informationen über die Sinne aufnimmt, gelangen sie zunächst in densensorischen Speicher. Die Sinneseindrücke, die über Auge, Ohr, Geschmacks- oderGeruchssinn oder die Haut eintreffen, können hier vollständig, aber nur sehr kurzfristiggespeichert werden. Das heißt, sie sind für circa eine viertel Sekunde im sensorischenSpeicher verfügbar.15 Ein Teil der Informationen wird unbewusst wahrgenommenen, andereInformationen gelangen erst nach einer weiteren Verarbeitung ins Bewusstsein. Das bedeutetalso, dass Informationen, denen keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt wird, wiederverloren gehen.16 Es findet eine strenge Selektion im Gedächtnis statt, damit es nicht zu einerReizüberflutung kommt.
4.2 Der Kurzzeitspeicher (KZS)
Informationen gelangen aus dem sensorischen Gedächtnis durch Enkodierung (Entschlüsselung) ins Kurzzeitgedächtnis, wenn man die Aufmerksamkeit auf sie richtet. Dort werden sie mit bereits vorhandenen Informationen des Langzeitgedächtnisses in Verbindung gebracht. Im KZS erfolgt eine weitere Selektion und Interpretation der Informationen. Die Speicherdauer liegt nur bei drei bis vier Minuten und die Speicherkapazität beträgt 7 ± 2 Informationseinheiten, die gleichzeitig aktiviert gehalten und verarbeitet werden können.17 Informationen des KZS werden durch häufiges Wiederholen in den LZS überführt. Das Kurzzeitgedächtnis wird auch als Arbeitsspeicher bezeichnet, da vorhandene Informationen, die abgerufen werden sollen, auch den KZS passieren müssen.
Um Informationen aufzubereiten, werden im KZS Strategien benutzt. Dabei geht es darum,Kategorien zu bilden und die eintreffenden Informationen so zu vereinfachen und anzupassen,dass sie in das „Ordnungssystem“ im LZS einsortiert werden können. Eine Strategie ist das Elaborieren und bedeutet so viel wie „gründlich durchdenken“. Mehrere Informationseinheiten werden in Chunks (= „Pakete“) eingeteilt. Ein Chunk ist eine
bedeutende Informationseinheit, die aus einzelnen Buchstaben, Zahlen, Wörtern oder sogarSätzen bestehen kann. Zur Verdeutlichung kann die Sequenz 1 9 8 2 herangezogen werden.Sie besteht aus vier Ziffern, die die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses (7 ± 2 Elemente) inVerbindung mit anderen Informationen überschreiten könnte. Die Jahreszahl 1982 ist jedochnur ein Chunk, der mit einem wichtigen Ereignis in Verbindung gebracht werden kann.Dadurch hat man Speicherkapazität gespart, die für andere Informationen genutzt werdenkann.18
4.3 Der Langzeitspeicher (LZS)
Manche Informationen sind so gespeichert, dass sie nie vergessen werden. Emotionen,Erfahrungen, Fertigkeiten, Wörter, Begriffsklassen, Regeln und Urteile, die man sich mitHilfe des sensorischen Speichers angeeignet hat, werden im Langzeitgedächtnis gespeichert.Diese Informationen bedingen das Gesamtwissen einer Person und deren Sichtweise auf dieWelt.19 Selbst nach einer Ausschaltung der elektrischen Aktivität des Gehirns, zum Beispieldurch Elektroschocks oder in Folge eines Unfalls, können zwar Inhalte, die geradeaufgenommen wurden (etwa der Inhalt des Kurzzeitspeichers), gelöscht werden, nicht aberdie dauerhaften Inhalte.20 Interessant ist dabei, wie die Erinnerungen ein Leben lang verfügbarbleiben. Lindsay und Norman (1981) haben das Langzeitgedächtnis mit einer Bibliothekverglichen, wobei das menschliche Ordnungssystem viel flexibler ist.21 Das Abrufen vonInhalten hängt dabei von der Organisation der Wissensbasis ab. So müssen Informationen inbestehende Zusammenhänge eingeordnet werden, damit sie wiedergefunden werdenkönnen.22 Je nach dem, wie bewusst eine bestimmte Information aufgenommen und verknüpftwurde, lässt sich die Spur im LZS leichter oder schwerer verfolgen und inhaltlichreproduzieren. Vester spricht von einer Ordnung im Wissenspool.23
Ein großer Teil der Erinnerungen ist jedoch nicht mehr willentlich abrufbar. Es gibt imGedächtnis sehr viele Eintragungen, die nicht mehr bewusst abgerufen werden können. Das zeigten Experimente und Studien zur Hypnose in denen vergessene frühere Erlebnisse wieder bewusst wurden.24
Bei der langfristigen Speicherung von Informationen kommt es darauf an, die neuen Informationen mit dem bestehenden Vorwissen zu verknüpfen und eine Beziehung herzustellen. Die Speicherung von neuen Informationen, die zunächst ohne einen hintergründigen Sinn wie das zum Beispiel bei Terminen oder Vokabeln der Fall ist, werden schwieriger ins Langzeitgedächtnis überführt als Informationen, die leicht mit bestehenden Erfahrungen verknüpft werden können.
Zusammenfassung:
Bevor sich ein Erlebnis oder eine Information dauerhaft im Langzeitspeicher einprägen kann, muss erst einmal die Stufe des sensorischen Speichers und des Kurzzeitgedächtnisses durchlaufen werden, ehe die Erinnerungen permanent gespeichert werden.
Abbildung 1: Das Mehrspeichermodell des Gedächtnisses25
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5. Neurobiologische Grundlagen
Die Geschichte der Hirnforschung ist noch eine sehr junge Wissenschaft. Man hatte versucht,einzelne Funktionen bestimmten Hirnarealen zuzuordnen. Deutlich wird dies in denBemühungen, „die geistigen Funktionen des Menschen entsprechend der offensichtlichenZweiteilung des Gehirns zu gliedern“26, sie also der rechten oder linken Gehirnhälftezuzuschreiben. Die funktionelle Asymmetrie der Hemisphären wurde im 19.Jh. entdeckt. BeiPatienten mit Verletzungen einer Gehirnhälfte konnten Verhaltensänderungen beobachtet undSchlussfolgerungen der Hirnfunktion im Bezug auf das Verhalten gezogen werden. DasInteresse auf diesem Forschungsgebiet stieg nochmals an, als in den sechziger Jahren zurBehandlung von Epilepsiepatienten Split-Brain Operationen durchgeführt wurden, also dieDurchtrennung von Nervenbündeln, die die beiden Gehirnhälften miteinander verbinden. Diesführte zu Verhaltensveränderungen bei den Patienten und steigerte das Interesse derWissenschaftler, den Hirnarealen Funktionen für das menschliche Verhalten zuzuordnen.„Beträchtliche Aufmerksamkeit wurde auch der Frage geschenkt, in wieweit dieseUnterschiede mit so verschiedenartigen Phänomenen wie Lernschwierigkeiten,psychiatrischen Erkrankungen und kulturabhängigen Variationen im Denkstilzusammenhängen könnten.“27
Im Folgenden werden Strukturen des Gehirns beleuchtet, die eine relevante Bedeutung für das Lernen haben.
5.1 Der Aufbau des Gehirns
Bei äußerlicher Betrachtung des Gehirns wird eine Dreiteilung der miteinander verbundenen Teilbereiche sichtbar: Großhirn, Kleinhirn und Stammhirn. Es gibt also nicht nur ein Gehirn, sondern mehrere Gehirne, „welche phylogenetisch betrachtet nacheinander im Verlaufe der letzten ungefähr 280 Millionen Jahren entstanden sind.“28
Stammhirn:
Die tiefste Schicht im Gehirn ist der Hirnstamm oder das Stammhirn. In ihm befinden sich Strukturen, die hauptsächlich verantwortlich sind für die Steuerung der autonomen Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung, Schlucken und Verdauung. Der Hirnstamm enthält vier Strukturen: Medulla (Verlängertes Rückenmark), Formatio reticularis (Neuronennetzwerk im Stammhirn), Pons (Brücke) und Thalamus.29
Eine Funktionseinheit des Stammhirns ist das limbische System, welchespopulärwissenschaftlich auch als Emotionshirn bezeichnet wird. Es befindet sich oberhalb desZwischenhirns und setzt sich aus einer Gruppe von Strukturen zusammen. Die Aufgaben deslimbischen Systems bestehen unter anderem in der Unterstützung der Homöostase (derAufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts), indem es die Körpertemperatur, denBlutdruck und den Blutzuckerspiegel reguliert.30 Eine weitere wichtige Funktion kommt demlimbischen System jedoch im Zusammenhang mit Lernprozessen zu. Es reguliert Gefühle undStimmungen und ist verantwortlich für die Speicherung und das Abrufen von Erinnerungen.Es vermittelt Affekte, Gefühle und Motivation und ist somit einer der Hauptkontrolleure beimLernerfolg.31
Kleinhirn:
Das Kleinhirn umfasst nur circa zehn Prozent der gesamten Hirnmasse, enthält allerdings 50 Prozent aller Neuronen.32 Es ist dem Hirnstamm am Hinterkopf angeschlossen und hauptsächlich für die Koordination der Körperbewegungen, Körperhaltung und des Gleichgewichts verantwortlich. Es spielt vermutlich auch bei der sogenannten sensomotorischen Intelligenz (Piaget) eine Rolle, bei der der Mensch Gegenstände betastet und manipuliert, um sie zu „begreifen“.33 Sowohl alle Informationen, die von den Sinnesorganen wahrgenommen werden als auch sämtliche Befehle der Großhirnrinde, werden über das Kleinhirn an die Muskulatur weitergegeben.
Großhirn:
Den größten Teil der Gehirnmasse mit einem Anteil von circa 85 Prozent macht das Großhirn(Cerebrum) aus. Bei allen Primaten, also Affen und Menschen, ist das Großhirn durch eineZweiteilung, den sogenannten zerebralen Hemisphären, gekennzeichnet. Diese sind nur durchein Bündel von Nervenfasern miteinander verbunden (corpus callosum, Balken). JeneVerbindung transportiert die Botschaften zwischen den Hemisphären hin und her. Die äußereSchicht des Großhirns ist die Großhirnrinde (zerebraler Kortex). Diese ist notwendig für dasbewusste Denken und eine genaue Wahrnehmung. Im Großhirn erfolgen Prozesse desDenkens und Erkennens, der Erinnerung, der Kombination, des Lernens und Vergessens.34
5.2 Die Asymmetrie des Gehirns
Wenn vom Großhirn gesprochen wird, muss man eigentlich präzisierend von der rechten und linken Hemisphäre (Hirnhälfte) sprechen. Diese sind durch den Balken (corpus callosum) miteinander verbunden. In der Draufsicht werden zwei spiegelbildliche Hälften sichtbar, die durch einen tiefen Einschnitt scheinbar voneinander getrennt sind.
Fast alle Teile des Gehirns sind zweifach angelegt: das Großhirn, das Kleinhirn und vieleTeile des Stammhirns. Diese Zweiteilung und scheinbare Rechts-Links-Symmetrie zeigt sicham gesamten Körper. Wir haben zwei Augen, zwei Ohren, zwei Arme, zwei Beine und soweiter.35 Die motorischen (auf die Bewegungen gerichtet) und sensorischen (die Sinnebetreffend) Grundfunktionen des Körpers sind gleichmäßig zwischen beiden Gehirnhälftenaufgeteilt. „Die Zuordnung erfolgt über Kreuz: Die linke Hemisphäre kontrolliert die rechteSeite des Körpers (rechte Hand, rechtes Bein usw.), und die rechte Hemisphäre ist für dielinke Seite verantwortlich.“36
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Überkreuzsteuerung37
Diese äußerliche Symmetrie geht jedoch mit einer funktionellen Asymmetrie einher. Diebeiden Hemisphären stellen jede für sich ein eigenes „Bearbeitungs-“ oder „Betriebssystem“dar.38 Sie unterscheiden sich sowohl in ihren Fähigkeiten als auch in ihrer Organisation.
5.2.1 Split-Brain Operationen
Die ersten Hinweise auf das Vorhandensein einer funktionellen Asymmetrie beruhen aufBeobachtungen hirngeschädigter Personen. Es konnte festgestellt werden, dass zwischenSchäden der linken Hemisphäre und dem Verlust der Sprache ein Zusammenhang besteht.Rechtsseitige Gehirnschäden führen hingegen häufiger zu Wahrnehmungs- undAufmerksamkeitsstörungen.39 Diese Erkenntnisse beruhen auf klinischen Beobachtungenhirngeschädigter Menschen und liegen bereits seit mehr als 100 Jahren vor. NeuereErkenntnisse wurden durch sogenannte Split-Brain Operationen gewonnen (wörtlich:Spalthirn). Hierbei werden aus medizinischen Gründen die Verbindungen zwischen denHemisphären getrennt, so dass rechte und linke Gehirnhälfte nicht mehr miteinander„kommunizieren“ können. Bei Menschen, die unter schwerer Epilepsie litten, wurde derBalken zwischen den Gehirnhälften getrennt, um zu verhindern, dass sich ein epileptischerAnfall von einer Hirnhälfte auf die andere ausbreitet und dadurch lebensgefährlich werdenkönnte.
Das gesunde Gehirn ist ein präzises Kommunikationsnetzwerk, das alle Teile und Funktionenintegriert. Bei einer Trennung der verbindenden Nerven (Balken) wird das Gehirn gespalten,was ein doppeltes Bewusstsein zur Folge hat. Das bedeutet, dass dargebotene Reize in denGehirnhälften unabhängig voneinander bearbeitet werden und zur gleichen Zeit separat zurReaktion kommen.40 Werden Reize nur einer Seite präsentiert, so wird die Reaktion entwederemotional oder analytisch ausfallen, je nach dem, welche Gehirnhemisphäre beansprucht wird(siehe Punkt 3.2.2).
5.2.2 Die Arbeitsteilung des Großhirns
Nicht nur Sprache und Aufmerksamkeit konnte den Gehirnhälften zugeordnet werden. BeiExperimenten an Epilepsiepatienten, die mit einer Split-Brain Operation therapiert wurden,konnte jede Gehirnhälfte einzeln getestet werden. „Die Mediziner entwarfen eineKopfapparatur, die von der Mitte der Stirn über die Nase nach unten reichte, so dass die[Patientin] gleichzeitig (aber voneinander getrennt) mit dem rechten Auge einen Gegenstand(zum Beispiel einen Stift) und mit dem linken Auge einen anderen (zum Beispiel eine Tasse)sehen konnte. Als sie sagen sollte, was sie sah, beschrieb sie immer, was sie mit dem rechten
Auge gesehen hatte.“41 Die Erkenntnis war also, dass das Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte lokalisiert sein muss, aufgrund der Überkreuz-Schaltung. Eine weitere Erkenntnis war, dass kinästhetische Fähigkeiten (Bewegungen und Berührungen) in der rechten Hemisphäre lokalisiert sind. Um dies festzustellen, musste die Patientin aus mehreren Gegenständen denjenigen herausnehmen, den sie gesehen hatte. Sie wählte den Gegenstand, den sie mit dem linken Auge gesehen hatte, also die Tasse.
Seitdem wurde die Liste der Fähigkeiten sowohl der rechten als auch der linken Gehirnhälfte stetig erweitert. Physiologen und Neurologen gelang es, einzelne Funktionen des Großhirns in Felder abzugrenzen. Es gibt Felder für Tätigkeiten wie Bewegung, Sinneswahrnehmung, Gedächtnis und andere kognitive Funktionen.42
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Funktionen der Großhirnrinde43
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Funktionen der rechten und linken Gehirnhälfte44
Die folgenden Charakteristika der gehirn-physiologischen Zuteilung sind im Allgemeinen akzeptiert und gesichert.
Tabelle 2: Die Arbeitsweisen des Bewusstseins I45
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der Aufteilung von Charakteristika auf die rechte und linke Hemisphäre weist Schüpbachdarauf hin, dass viele verbreitete Darstellungen sehr viel weiter gehen als die in Tabelle 2,3,4verwendete. Dabei handelt es sich allerdings nicht um neuro-anatomischeForschungsergebnisse, sondern eher um Metaphern und sinngemäßes Denken.46 Das Denkenin Metaphern und Analogien hält er zwar durchaus für sinnvoll bei der Einteilung vonCharakteristika, fordert allerdings eine klarere Abgrenzung zu wissenschaftlichenErkenntnissen. Denn dies wird oftmals nicht getan. Genauso sieht er die Verwendung der Bezeichnung rechte und linke Hemisphäre als Metapher für die zugeschriebenen Fähigkeitenan.
Ausgehend von Forschungsergebnissen hat Grinder eine Einteilung in „Arbeitsweisen des Bewusstseins“ vorgenommen und „Fähigkeiten, die speziell in einer Hemisphäre lokalisiert sind“, aufgeschlüsselt.
Tabelle 3: Die Arbeitsweisen des Bewusstseins II47
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: Fähigkeiten, die speziell in einer Hemisphäre lokalisiert sind48
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5.2.3 Das Konzept der zerebralen Dominanz
Die Vorstellung der Spezialisierung der beiden Hirnhälften hat zu dem Konzept der Lateralität geführt - „zu dem Gedanken, dass sich ein bestimmter Mensch mehr auf die eine Denkweise oder Hemisphäre verlässt als auf die andere.“49 Bestimmte körperliche oder geistige Tätigkeiten werden dominierend von einer Gehirnhälfte kontrolliert. Es wird hierbei von einer zerebralen (das Großhirn betreffend) Dominanz oder Lateralität gesprochen. Die Aufteilung der Hirnfunktionen ist individuell. Ob eine Dominanz der rechten Hemisphäre, der linken Hemisphäre oder eine ausgewogene Aufteilung auf beide besteht, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Aber es scheint die Tendenz zu geben, dass Menschen offensichtlich eine „charakteristische Wahrnehmungsasymmetrie“ besitzen.50
Hannaford geht davon aus, dass die laterale Dominanz einer Hemisphäre überwiegend angeboren ist. Im Laufe der Entwicklung werden neue Fertigkeiten und Anpassungsstrategien für das Lernen angeeignet, so dass Einschränkungen, die sich durch das angeborene Grundmuster ergeben, überwunden werden können.51 Das angeborene Dominanzprofil beeinflusst das Verhalten allerdings das ganze Leben lang, besonders in Situationen, in denen etwas Neues gelernt wird oder die Person unter Stress steht.
Aus dem Konzept der Hemisphärendominanz und den damit bevorzugtenWahrnehmungskanälen entsteht eine Korrelation zu bestimmten Lerntypen. Auditive und„links-visuelle“ Typen sind nach Grinder eher linkshemisphärisch orientiert, währendkinästhetische und „rechts-visuelle“ Typen eher rechtshemisphärisch orientiert sind.52 Da dasSehzentrum sowohl auf der rechten Großhirnrinde als auch auf der Linken lokalisiert ist, gibtes eine funktionelle Asymmetrie: „Der linke Bezirk ist vor allem für Schriftbilder (Wörterund Buchstaben) der zuständige Eingangskanal, der rechte Bezirk mehr derjenige für Figurenund Formen.“53
Im Normalfall ist das deutsche Bildungssystem so ausgelegt, dass die Fertigkeiten der linken Gehirnhälfte bevorzugt werden. Untersuchungen ergaben, dass Schüler des „Korridors“ (Sonderschulen usw.) überwiegend rechtshemisphärisch orientiert sind.54
6. Lerntypentheorien
Mit Hilfe der Lern- und Lerntypentheorien wird versucht, das menschliche Verhalten undDenken nicht auf angeborene Reaktionen zurückzuführen, sondern Modelle und Theorien zuentwickeln, die das Lernen beschreiben und erklären können. Der Lernprozess soll dabei mitmöglichst einfachen Regeln und Prinzipien erklärt werden. Die Entwicklung derlerntheoretischen Positionen reicht weit zurück und wird insbesondere im Bereich derLernpsychologie umfassend bearbeitet. „Auch mehr als 100 Jahre moderne Lernforschunghaben zu keiner einheitlichen psychologischen Lerntheorie geführt. In Psychologie undPädagogik finden sich verschiedene Varianten, die die unterschiedlichen theoretischenAnsätze in übergeordnete Kategorien zusammenfassen. Eine gängige Unterteilung, die auchim Kontext des Lernens mit neuen Medien häufig anzutreffen ist, ist die Unterteilung in diebehavioristische, kognitivistische und konstruktivistische Lerntheorie.“55
6.1 Lerntypentheorie nach Frederic Vester
Der Begründer und Urheber der Lerntypentheorie ist Frederic Vester. Sein 1975 erstmals erschienenes Werk „Denken, Lernen, Vergessen“ beruht auf der gleichnamigen Fernsehsendung, die 1973 ausgestrahlt wurde. „Die Absicht der damals an das große Publikum gerichteten Sendungen war es, den Zuschauern anhand der neuesten biologischenErkenntnisse einen Einblick in die faszinierenden Zusammenhänge zwischen Körper undGeist zu geben.“56 Die Fernsehsendung wurde ein großer Erfolg und das nachfolgendeSachbuch führte einundzwanzig Wochen lang die Bestsellerlisten an. Vesters Aussagen indem Buch basieren teilweise auf den Inhalten seiner Vorlesungen an verschiedenenUniversitäten und den Recherchen der Studiengruppe für Biologie und Umwelt zu einem„biologisch sinnvollen Lernen“.57 Seine Grundaussagen wurden in den zahlreichenNeuauflagen des Buches nicht korrigiert, sondern nur anhand neuester Fachliteratur ergänzt.
Diese Popularität schützte allerdings nicht vor zahlreichen Kritikern, die seine Erkenntnisse als oberflächlich und inkonsistent bezeichnen, obwohl er diese auf wissenschaftlichen Tatsachen aufbaut.
Die im Folgenden dargestellten Inhalte beruhen auf der 26. Auflage des Buches „Denken, Lernen, Vergessen“.
Vesters Annahmen über das Lernen begründen sich darauf, dass der Mensch im Laufe seinerEntwicklung ein spezielles Grundmuster erwirbt. Das Grundmuster ist bei Vester einelementarer Begriff. Die Entwicklung des Grundmusters beginnt in der Säuglingsphase, wenndie ersten Eindrücke, die ein Säugling erfährt, eine innere Struktur von Nervenzellenaufbauen. Diese Eindrücke sind für das spätere Lernen und Verstehen prägend und bilden dasGrundmuster.58 Er vergleicht die Neubildung von und Verdrahtungen zwischen denGehirnzellen mit der „Hardware“ eines Computers. Diese bilden ein Grundmuster vonAssoziationen und Beziehungen. Alles was der Mensch erlebt, wird darin „aufgehängt“ und„eingeordnet“ und auch gegebenenfalls wieder „abgerufen“ und „erinnert“.59 NeueInformationen werden durch das Wachstum weiterer Zellen und Verknüpfungen zwischenden Zellen in dieses Gerüst eingegliedert. Die Frage ist, in wie weit die unterschiedlichenBedingungen wie zum Beispiel unterschiedliche Erziehungsstile, die ein Säugling erfährt oderKulturkreise, in denen es aufwächst, sich auf die späteren Denkvorgänge auswirken.
Vester schlussfolgert, dass die Art der individuellen Grundmuster eine geringe Bedeutung fürdie Intelligenz hat. Also die Fähigkeit zu kombinieren, Zusammenhänge zu erkennen oder dieGedächtnisleistung an sich. Das Grundmuster wird erst dann bedeutsam, wenn eineKommunikation mit der Umgebung erfolgt. Dann spielen Faktoren wie Sympathie oderAntipathie eine Rolle und diese werden laut Vester stark von dem Grundmuster beeinflusst.„Wichtig für die Verständigung zweier Menschen, also für die Kommunikation zwischen demeigenen und dem fremden Muster, ist ihre Resonanz, das heißt, dass beide Muster gleicheSchwingungen aufweisen. Das können sie aber nur, wenn sie in ihrer Struktur ähnlich sind.“60 Übertragen auf das Lernen und Denken bedeutet das also, dass zum Beispiel Schüler beieinem Lehrer dann gut lernen können, wenn die Grundmuster ähnlich sind. Diese äußern sichbei dem Lehrer in der Wahl der Unterrichtsmethode, der Erklärungsweise oder dem Abfragemuster.
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1 ;http://www.aphorismen.de/display_aphorismen.php?xanarioID=45711cf2e7391708f588fd0baf4b31ef> Rev.2008-01-07.
2 Vgl. Sally Springer/ Georg Deutsch: Linkes Rechtes Gehirn. Funktionelle Asymmetrien. Heidelberg: Spektrum Verlag. 1993, S. 13.
3 Vgl. Philip Zimbardo/ Richard Gerrig: Psychologie. Berlin: Springer 2003, S. 206.
4 Vgl. Kurt Witzenbacher: 1985, in: Heinz Klippert: Methodentraining. Weinheim: Beltz 2005. S. 62.
5 Vgl. Maike Looß: Lerntypen? Ein pädagogisches Konstrukt auf dem Prüfstand, in: Die Deutsche Schule. Ausg. 93, 2001, S. 186-198.
6 Vgl. Werner Stangl 2005: <http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PUBLIKATIONEN/Lernstile.shtml>Rev: 2007-06-29.
7 Werner Stangl 2005: <http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/PUBLIKATIONEN/Lernstile.shtml> Rev: 2007-06-29.
8 Vgl. ebd.
9 Vgl. ebd.
10 Vgl. ebd.
11 Eberhardt Hofmann/ Monika Löhle: Erfolgreich Lernen. Göttingen: Hogrefe-Verlag GmbH & Co. KG 2004, S. 13.
12 Werner Metzig/ Martin Schuster: Lernen zu lernen. Berlin: Springer Verlag 2003, S. 7.
13 Vgl. Richard Thompson: Das Gehirn. Von der Nervenzelle zur Verhaltenssteuerung. Heidelberg: Spektrum Verlag 2001 S.359.
14 Vgl. Metzig/ Schuster (2003), S. 8.
15 Vgl. Hofmann & Löhle (2004), S. 14.
16 Vgl. Schuster & Metzig (2003), S. 10.
17 Vgl. o.Verf. <http://www.psych.uni-goettingen.de/abt/5-alt/lehre/Mo_Fol040510?lang=de>, S. 9Rev. 2007-11-08
18 Vgl. Zimbardo/ Gerrig (2003), S. 242.
19 Vgl. Ebd. S. 244f.
20 Vgl. Metzig/ Schuster (2003), S.16.
21 Vgl. ebd. S. 17.
22 Vgl. ebd. S. 18.
23 Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2006, S. 72.
24 Vgl. Metzig/ Schuster (2003), S. 18.
25 Nach Atkinson/ Shiffrin
26 Springer/ Deutsch (1993), S. 13.
27 Ebd. S. 13.
28 Jürgen Schüpbach (1997): Nachdenken über das Lehren - Vorder- und Hintergründiges zur Didaktik im Schulalltag. Bern: Paul Haupt Verlag, S. 100.
29 Vgl. Zimbardo/ Gerrig (2003): S. 69f.
30 Vgl. ebd. S. 71.
31 Gerhardt Roth: Möglichkeiten und Grenzen von Wissensvermittlung und Wissenserwert. In: Ralf Caspary (Hg.):Lernen und Gehirn, Freiburg: Herder Spektrum 2006, S. 58.
32 Vgl. Schüpbach (1997), S. 101.
33 Gottlieb Guntern: Irritation und Kreativität. Hemmende und fördernde Faktoren im kreativen Prozess. Zürich: ISO-Stiftung und Scalo Verlag 1993, S. 47.
34 Vgl. Vester (2006), S. 27.
35 Vgl. ebd.
36 Springer/ Deutsch (1993), S. 15.
37 Springer/ Deutsch (1993), S. 16.
38 Vgl. Schüpbach (1993), S. 104.
39 Vgl. Springer/ Deutsch (1993), S. 17.
40 Vgl. Zimbardo/ Gerrig (2003), S. 91.
41 Grinder, Michael: NLP für Lehrer. Freiburg: Verlag für angewandte Kinesiologie 1997. S. 51f.
42 Vgl. Encarta Enzyklopädie 2003, Stichwort: Gehirn.
43 Vgl. ebd.
44 Vgl. ebd.
45 Vgl. Springer/ Deutsch (1993), S. 207f.
46 Vgl. Schüpbach (1997), S. 106.
47 Grinder (1997), S. 52.
48 Ebd.
49 Sprinter/ Deutsch (1993), S. 210.
50 Zitat von Kim/ Levine 1992, in: Zimbardo/ Gerrig (2003), S. 93.
51 Vgl. Carla Hannaford: Mit Auge und Ohr, mit Hand und Fuß. Gehirnorganisationsprofile erkennen und optimal nutzen. Freiburg: Verlag für angewandte Kinesiologie 1997, S. 15.
52 Vgl. Grinder (1997), S. 54.
53 Vester (2006), S. 27.
54 Vgl. Grinder (1997), S. 54.
55 O.Verf. (2007): http://comas.offeneslernen.de/lerno/MPX_rubrik.php?PHPSESSID=&pos=0&rubrik_id=678>Rev. 2007-11-02.
56 Vester (2006), S. 7.
57 Ebd. S. 6.
58 Vgl. ebd., S. 11.
59 Ebd. S. 48.
60 Ebd. S. 49.
- Citation du texte
- Anne Barthelmes (Auteur), 2008, Die Bedeutung der Ermittlung von Lerntypen in der Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93617
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