Die Bronzezeit vor mehr als 2000 bis 800 v. Chr. gilt als die erste und längere der Metallzeiten in Europa. In dieser Zeit wurden Werkzeuge, Waffen und Schmuck aus Bronze hergestellt. In einigen Gebieten hatte die Bronzezeit eine andere Zeitdauer. So begann sie in Süddeutschland schon vor etwa 2300 v. Chr. und endete um 800 v. Chr. In Norddeutschland dagegen währte sie von etwa 1600 bis 500 v. Chr.
Zu den in Deutschland verbreiteten Kulturen der Bronzezeit gehören die Lüneburger Gruppe in der älteren Bronzezeit (etwa 1500 bis 1200 v. Chr.), die Lüneburger Gruppe in der mittleren Bronzezeit (etwa 1200 bis 1100 . Chr.) und die Lüneburger Gruppe in der jüngeren Bronzezeit (etwa 1100 bis
800 v. Chr.).
Von der „Lüneburger Bronzezeit“ sprach 1939 erstmals der damals in München tätige Prähistoriker Friedrich Holste (1908–1942). Den heute gebräuchlichen Begriff „Lüneburger Gruppe“ prägte 1971 der zu jener Zeit am Museum Lüneburg arbeitende Prähistoriker Friedrich Laux, dem diese Publikation aus Dankbarkeit für seine wertvolle Unterstützung gewidmet ist.
Die Texte über die Lüneburger Gruppe stammen aus dem vergriffenen Buch „Deutschland in der Bronzezeit“ (1996) des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst in alter deutscher Rechtschreibung und entsprechen dem damaligen Wissensstand. Weitere Kulturen der Bronzezeit aus Deutschland werden ebenfalls in Einzelpublikationen vorgestellt.
Inhalt
Vorwort
Flügelhauben und Totenhäuser Die Lüneburger Gruppe in der älteren Bronzezeit von etwa 1500 bis 1200 v. Chr.
Mit angeschmiedetem Schmuck ins Bett Die Lüneburger Gruppe in der mittleren Bronzezeit von etwa 1200 bis 1100 v. Chr.
Selbstausstattungen für das Jenseits Die Lüneburger Gruppe in der jüngeren Bronzezeit von etwa 1100 bis 800 v. Chr.
Anmerkungen
Literatur
Bildquellen
Die wissenschaftliche Graphikerin Friederike Hilscher-Ehler
Der Autor Ernst Probst
Bücher von Ernst Probst
Vorwort
R und 700 Jahre Urgeschichte von etwa 1500 bis 800 v. Chr. passieren in dem Taschenbuch »Die Bronzezeit in der Lüneburger Heide« in Wort und Bild Revue. Geschildert werden die Siedlungen, Kleidung, der Schmuck, die Keramik, Werkzeuge, Waffen, der Handel und die Religion der damaligen Ackerbauern, Viehzüchter und Bronzegießer.
Verfasser dieses Taschenbuches ist der Wiesbadener Wissenschaf tsautor Ernst Probst. Er hat sich vor allem durch seine Werke »Deutschland in der Urzeit« (1986), »Deutschland in der Steinzeit« (1991) und »Deutsch- land in der Bronzezeit« (1996) einen Namen gemacht. Das Taschenbuch »Die Bronzezeit in der Lüneburger Heide« ist dem Hamburger Prähistoriker Dr. Friedrich Laux gewidmet, der den Autor mit Rat und Tat bei den Recherchen für sein Buch »Deutschland in der Bron- zezeit« unterstützt hat. Es enthält Lebensbilder der wissenschaftlichen Graphikerin Friederike Hilscher- Ehlert aus Königswinter.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der dänische Archäologe
Christian Jürgensen Thomsen (1788-1865) hat 1836 die Urgeschichte
nach dem jeweils am meisten verwendetem Rohstoff in drei Perioden eingeteilt:
Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
FRIEDRICH HOLSTE,
geboren am 30. April 1908 in Tann a. d. Rhön, gefallen am 22. Mai 1942 bei Semenowka. Er absolvierte eine zweijährige Banklehre und studierte in Wien, Breslau und Marburg. 1934 promovierte er und arbeitete danach in Mainz, Landshut und München. 1939 habilitierte er sich in München, war ab 1940 Dozent in München und ab 1942 au ß erordentlicher Professor in Marburg. Holste sprach 1939 von der Lüneburger Bronzezeit, heute sagt man statt dessen Lüneburger Gruppe.
Flügelhauben und Totenhäuser
Die Lüneburger Gruppe in der älteren Bronzezeit
In der Lüneburger Heide existierte während der älte- ren Bronzezeit von etwa 1500 bis 1200 v. Chr. die nach dieser Region bezeichnete Kulturstufe namens Lüneburger Gruppe. Ihr Verbreitungsgebiet erstreck- te sich von der Lüneburger Heide über die Weser hinweg bis zur Wildeshausener Geest. Es umfasste die heutigen Kreise Celle, Soltau-Fallingbostel, Uelzen, Lüneburg, Harburg und teilweise auch Lüchow-Dannenberg.
Die Hinterlassenschaften der Lüneburger Gruppe ähneln jenen der süddeutschen Hügelgräber-Kultur. Deshalb wird sie von manchen Autoren als eine Lo- kalgruppe der Hügelgräber-Kultur betrachtet (etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.). Die zentrale Lüneburger Gruppe bestand auch in der mittleren Bronzezeit von etwa 1200 bis 1100 v. Chr. weiter.
Von der »Lüneburger Bronzezeit« sprach 1939 erstmals der damals in München tätige Prähistoriker Friedrich Holste (1908-1942). Den heute gebräuchlichen Begriff »Lüneburger Gruppe« prägte 1971 der zu jener Zeit am Museum Lüneburg arbeitende Prähistoriker Friedrich Laux. Er grenzte 1989 durch den Vergleich unter- schiedlicher Tracht-, Bewaffnungs- und Bestattungssit- ten mehrere Lokalgruppen der älteren und mittleren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
FRIEDRICH LAUX,
geboren am 8. März 1938 in Roth bei Nürnberg. Er arbeitete 1969 bei der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt/Main, 1970 bis 1975 am Museum Lüneburg, 1976/77 am Institut für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken und wirkte von 1977 bis 2001 am Hamburger Museum für Archäologie. Laux benannte 1971 den Sögel-Wohlde-Kreis und die Lüneburger Gruppe sowie 1987/90 die Südhannoversche Gruppe, die Oldenburg-emsländische Gruppe und die Allermündungs-Gruppe.
Bronzezeit in Niedersachsen voneinander ab. Der 1949 vom damals in Bonn wirkenden Prähistoriker Kurt Tackenberg (1899-1992) vorgeschlagene Aus- druck Ilmenau-Kultur hat sich nicht durchgesetzt. Die Angehörigen der Lüneburger Gruppe pflegten mit Bewohnern anderer Gegenden rege Kontakte. Dabei kam es nicht nur zu Tauschgeschäften, sondern manchmal auch zu Hochzeiten. Dies schließt man aus fremdartigen Arm- und Beinringen mit deutlichen Tragespuren, die weit entfernt vom Herstellungsgebiet in Frauengräbern geborgen wurden. So ist durch Schmuckfunde in Oldendorf bei Amelinghausen1 (Kreis Lüneburg) die Einheirat einer Frau aus Südthüringen in die Lüneburger Heide belegt. Andererseits kennt man aus Heimatregionen benachbarter Gruppen auch Frauengräber mit typischen Flügelhauben oder Schmuckstücken der Lüneburger Gruppe, die ebenfalls durch Einheirat dorthin gelangten.
Bei den Kopfbedeckungen waren Flügelhauben aus Wolle oder Leder nur Frauen der Oberschicht vorbe- halten. Funde aus Frauengräbern bei Bleckmar2 (Kreis Celle) zeigten, dass in jeder Generation lediglich einer Frau das Recht zustand, eine Lüneburger Flügelhaube zu tragen. Solche Kopfbedeckungen bestanden aus einem fezartigen Mittelstück, auf dessen beide Seiten schmale längliche Flügel genäht wurden. Die Flügel endeten in Höhe des Kinns der Frau und waren reich mit bronzenen Blechröhrchen, kegelförmigen Hütchen und Spiralröllchen besetzt.
Die teilweise sehr zerbrechlichen Schmuckgehänge wurden auch auf Stoff- oder Lederbänder genäht. Manchmal reichten mit kegelförmigen Hütchen ver- zierte Bänder bis über den Rücken der Frau und ver- hinderten, dass die Flügel beim Neigen des Kopfes nach vorne klappten. Nach der Anordnung von Spiralkopf- nadeln und kegelförmigen Hütchen am Kopf von manchen Frauen zu schließen, könnten mitunter an Kappen auch Tücher oder Schleier festgesteckt worden sein.
Vereinzelt blieben Stoffreste der Kleidung von weniger als Fingernagelgröße an bronzenen Gegenständen in Gräbern erhalten. Die kleinen Fetzen sind durch austretende Bronzesalze konserviert worden. Dabei handelt es sich um Gewebe aus Schafwolle in verschiedener Stärke und Ausführung. Sie belegen die Haltung von Schafen als Haustiere.
Funde aus Bleckmar und Wardböhmen3 (beide Kreis Celle) ergaben, dass die Lüneburger Frauen steife aus Leder oder Filz hergestellte, glockenförmige Umhän- ge von ponchoartigem Zuschnitt trugen. Sie wurden reich mit bronzenem Zierrat geschmückt. Das Cape aus Wardböhmen war auf der Vorder- und Rückseite mit kegelförmigen bronzenen Hütchen benäht.
Da zu Beginn der älteren Bronzezeit Beinringe noch nicht in Mode waren, könnten damals lange bis zu den Knöcheln herabreichende Faltenröcke üblich gewesen sein, wie sie aus Jütland (Dänemark) bekannt sind. Dagegen gehörten später Beinringe oder ganze Sätze von Beinschmuck zur Ausstattung der Frauen. Weil dieser Schmuck vermutlich sichtbar sein sollte, dürften sich nun wesentlich kürzere oder sogar knielange Röcke durchgesetzt haben. Andererseits gab es auch nach oben hin verlängerte Röcke, die durch Träger über den Schultern gehalten wurden. Von einem solchen Trä- gerrock könnten die beiden Knöpfe mit Öse auf der Rückseite stammen, die bei einer Bestattung in Ward- böhmen in Höhe der Schultern lagen.
Die bronzenen Nadeln sollten die Garderobe der Frauen nicht nur zusammenhalten, sondern auch schmücken. Unter den zur weiblichen Tracht gehörenden Nadeln gab es verschiedene Formen. Bei den Radnadeln endet der Kopf in einer großen, durchbrochenen, radförmigen Scheibe, die bei den Scheibennadeln flächenhaft in Punz- oder Treibtechnik verziert ist. Die Radnadeln waren vielleicht den Müttern oder generell den verheirateten Frauen vorbehalten, weil sie in Gräbern von Mädchen fehlen.
Im Verbreitungsgebiet der Lüneburger Gruppe wur- den in einer späten Phase der älteren Bronzezeit von auch sonst reich ausgestatteten Frauen große, flache »Gürtelscheiben« (Hängescheiben) getragen. Sie sind in der Regel mit umlaufenden Spiralen oder konzent- rischen Kreismustern ornamentiert. Ein üppig gemu- sterter und gerippter Halskragen, eine reichverzierte Scheibenkopfnadel und eine große, flache Hänge- scheibe bildeten offenbar eine zusammengehörige Schmuckgarnitur.
Zeichnung auf Seite 19:
Frauen aus der Umgebung von Bleckmar (Kreis Celle) in Niedersachsen mit einer Flügelhaube als Kopfbedeckung.
Nach Funden aus Gräbern bei Bleckmar zu schlie ß en, stand in jeder Generation > nur einer Frau das Recht zu, eine Lüneburger Flügelhaube zu tragen.
Zeichnung von Friederike Hilscher-Ehlert, Königswinter, für das Buch » Deutschland in der Bronzezeit « (1996) von Ernst Probst
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zeichnung auf Seite 21:
Bronzene Lüneburger Fibel mit Spiralverzierung aus dem Hügel 5, Bestattung 1,
von Wardböhmen (Kreis Celle) in Niedersachsen. Gesamtlänge 16,3 Zentimeter,
Bügellänge 12,5 Zentimeter.
Original im Niedersächsischen Landesmuseum, Hannover
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
die Verwendung der gleichen Punzen zeigen, dass die Schmuckkombination auf einmal bestellt, nacheinan- der angefertigt und zusammen ausgeliefert wurde. Von der Kleidung der Männer zeugen lediglich bron- zene Nadeln mit unterschiedlich gestaltetem Kopf, die dazu dienten, das Übergewand (den Umhang be- ziehungsweise Mantel) zusammenzuhalten. Die Nadeln aus Männergräbern wirken eher zweckbetont als jene aus Frauengräbern, deren Schmuckfunktion stärker zur Geltung kam. Es gab Scheibennadeln mit geripptem Schaft, Nadeln mit doppelkonischem Kopf und durchbohrtem Schaft sowie Nadeln mit Rollenkopf. Zuletzt lösten lange Gewandfibeln die Nadeln ab. Da sich auch die Männer mit jeweils einem bronzenen Armring schmückten, dürften sie ebenso wie die Frauen meistens eine kurzärmelige Oberbekleidung getragen haben.
Über die Siedlungen der Lüneburger Gruppe weiß man bisher wenig. Offenbar lagen die Gehöfte und Dörfer in Talauen an Gewässern, wo ihre Reste oft durch Hangrutschungen verschüttet wurden. Von friedlich verlassenen Siedlungen kennt man meistens nur Werkzeuge aus Feuerstein und Reste von grober Keramik. Die wertvollen Bronzeerzeugnisse wurden mitgenommen.
Die Ritzspuren unter zwei Grabhügeln auf dem Schwarzen Berg bei Wittenwater4 (Kreis Uelzen) stammen von hölzernen Hakenpflügen, die vermutlich von Rindern gezogen wurden. Sie verlaufen exakt nnerhalb der ursprünglichen Ausdehnung der Grabhügel. Offenbar hat man den Standort der Grabhügel gepflügt. Ähnliche Pflüge dürften auch beim Ackerbau eingesetzt worden sein. Auf Anbau von Getreide deuten Mahlsteinfunde in Grabhügeln hin.
Außerdem lieferten die teilweise für den Bau von Grabhügeln verwendeten Heideplaggen Anhaltspunk- te über die damalige Landschaft und die Haustiere. Heide entsteht nämlich durch Verbiss von Pflanzen durch Großvieh (Rinder), und kurzgehalten wird sie durch Schafe. Bienenhonig diente vermutlich als einziges bekanntes Süßungsmittel und als Grundlage für einige berauschende Getränke. Und Bienenwachs wurde für den Bronzeguss in verlorener Form gebraucht. Das gilt für alle norddeutschen Gruppen der Bronzezeit.
Zahlreiche Pfeilspitzen aus Feuerstein in Gräbern ver- raten, dass die damaligen Bauern mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gingen. Die Feuerstein-Pfeilspitzen sind ausschließlich herzförmig. Da die Pfeilspitzen häufig gleich ausgerichtet und dicht beieinanderlagen, haben sich die Pfeile vermutlich in Köchern aus organischem Material befunden, die jedoch ebenso wie die hölzernen Pfeilschäfte und Bögen vermodert sind.
Die Töpfer der Lüneburger Gruppe modellierten aus grob gemagertem Ton vor allem Becher, Näpfe, Scha- len, Schüsseln, Kümpfe, Terrinen und Löffel. Nur selten wurden vor dem Brennvorgang im Töpferofen die Gefäße mit Fingertupfenrändern, plastischen Leisten und Ritzlinien verziert. Ein Tonlöffel mit massivem Stiel lag in einem Hügelgrab von Südbostel (Kreis Soltau-Fallingbostel). Keramikreste wurden bisher überwiegend in Gräbern geborgen. Die noch gröbere Siedlungskeramik ist meistens nur bruchstückhaft erhalten und auch schwer datierbar.
Gussformen aus Metall beweisen, dass die Lüneburger Leute selbst dazu fähig waren, aus Kupfer und Zinn bronzene Erzeugnisse herzustellen. Aus Altenmedin- gen-Haaßel (Kreis Uelzen) sind zwei Formen und aus Lüneburg eine Form für Absatzbeile bekannt. Nach den Erkenntnissen des Hamburger Prähistorikers Friedrich Laux gab es bei der älterbronzezeitlichen Lüneburger Gruppe zwei verschiedene Waffen- ausstattungen. Die eine davon setzte sich aus einem bronzenen Absatzbeil vom Osthannover-Typ und einem bronzenem Dolch zusammen, die andere umfasste einen Bogen mit einem Köcher voller Pfeile und einen bronzenen Dolch. Dagegen fehlte die Ausrüstung mit bronzenem Absatzbeil sowie Pfeil und Bogen völlig, weil vielleicht beide als Fernwaffen dienten. Von den bronzenen Beilen dienten schwere Formen vermutlich als Werkzeuge zur Holzbearbeitung, leichte dagegen als Hieb- beziehungsweise Wurfwaffen. Die Absatzbeile gelten als heimische Erzeugnisse, die wenigen Randleistenbeile dagegen als Importe aus hessischem Gebiet.
Die in Männergräbern der Lüneburger Heide gebor- genen Absatzbeile sind leichter als die sonst ge- bräuchlichen norddeutschen Exemplare. Vielleicht
handelt es sich deswegen bei ersteren um Wurfbeile, bei letzteren um Arbeitsgeräte.
Bronzene Schwerter haben nicht zur normalen Aus- rüstung in Männergräbern der älterbronzezeitlichen Lüneburger Gruppe gehört. Die wenigen Funde stammen vermutlich meistens aus nicht erkannten Depots. Es gab aber auch Ausnahmen, wie anhand eines Grabes von Bonsdorf bei Hermannsburg (Kreis Celle) nachgewiesen werden konnte. Der darin bestattete Mann war mit einem bronzenen Absatzbeil vom Osthannover- Typ, einem Dolch und einem etwa 70 Zentimeter langen rapierartigen Langschwert ausgerüstet worden. Die Schwerter der älteren Bronzezeit dienten allesamt als Stichwaffen.
Ein 75,5 Zentimeter langes Griffzungenschwert von Toppenstedt (Kreis Harburg) verrät, wie damals Niet- löcher im Griff angebracht wurden. Hierfür hat man auf der Ober- und Unterseite an zwei Stellen mehr- fach eine Punze eingeschlagen. Als sich dabei Schwie- rigkeiten ergaben, hörte man auf. Auch die Ränder der acht vollendeten Löcher zeigen, dass sie zunächst von beiden Seiten vorgepunzt wurden. Danach hat man mit einem Dorn die vorgepunzte Scheibe herausgeschlagen, die Ränder des Loches gerundet und geglättet.
Die Schmuckbeigaben in Frauengräbern der Lüne- burger Gruppe spiegeln deutliche Gesellschaftsun- terschiede innerhalb der Bevölkerung wider. So trugen nur die Frauen der Oberschicht reichgeschmückte Flügelhauben und große, an einer Halskette prangende, spiralverzierte Hängescheiben. Letztere weisen vielfach eine auf den dazugehörigen Halskragen aus Bronzeblech und die Lüneburger Scheibennadel abgestimmte Verzierung auf. Vielleicht war dies die Schmucktracht von Häuptlingsfrauen oder zumindest von geachteten älteren Frauen.
Welche Mühe man sich machte, um eine Flügelhaube möglichst attraktiv zu gestalten, veranschaulicht das Grab einer Frau aus Wardböhmen (Kreis Celle). Als Besatz ihrer Haube dienten 36 jeweils 4,4 Zentimeter lange Bronzeröhrchen mit feiner Rippung, sechs Spi- ralröllchen von bis zu 3,8 Zentimeter Länge und einem Durchmesser von vier bis sechs Millimetern und mindestens 35 kegelförmige bronzene Hütchen. Zu- dem hing auf dem Rücken der Frau eine Kette mit vielen Spiralröllchen von sechs bis sieben Millimeter Durch- messer, die am rechten und linken Ende des Hänge- schmucks der Haube befestigt war.
Bei weniger bedeutenden Frauen bestand die Grund- ausstattung an Schmuck aus einem bronzenen Hals- kragen oder Halsring, Armschmuck (häufig Arm- spiralen und Stollenarmbänder mit bis zu elf Rippen) und einer Lüneburger Radnadel. In einer späteren Phase der älteren Bronzezeit kamen bronzene Beinringe sowie Oberarm- und Fingerbergen dazu. Die aus Bronzedraht gebogenen offenen oder geschlossenen Fingerringe waren offenbar sehr beliebt, weil manchmal an der Hand einer Frau gleich mehrere davon steck- ten.
Das in einem Tongefäß aufbewahrte Bronzedepot von Karwitz5 (Kreis Lüchow-Dannenberg) besteht aus 14 verzierten Bronzescheiben mit Mitteldorn und un- fertiger Öse sowie mindestens 20 kegelförmigen Hütchen aus Bronze. Die Bronzescheiben haben einen Durchmesser von 5,8 bis 6,5 Zentimetern und einen 1,2 Zentimeter hohen Mitteldorn. Vier von ihnen sind auf der Schauseite mit einem Speichenmuster verziert, fünf mit einem Sterndekor und die übrigen haben ein freies Mittelfeld. Diese Bronzescheiben wurden wohl auf mantelartige Umhänge und die Hütchen auf pon- choähnliche Obergewänder aufgenäht.
Ähnlich zusammengesetzt ist das Depot von Molzen6 (Kreis Uelzen), zu dem zahlreiche verzierte Scheiben und zwei seltene Scheibenanhänger gehören. Wie diese Scheiben in der Schmucktracht plaziert wurden, zeigt ein Grabfund aus Wardböhmen (Kreis Celle): Die Frau trug auf der rechten Schulter offensichtlich ein breites Bandelier (ähnlich dem Gurt der Zugführer in der Eisenbahn), das unter dem linken Arm hindurchgeführt wurde. Auf das Bandelier wurden die Scheiben aufgenäht.
Die Entdeckung einer Bronzetasse der Mykenischen Kultur aus Griechenland in Bergen-Dohnsen7 (Kreis Celle) galt früher als Beweis für bis in die Ägäis rei- chende Handelsbeziehungen. Doch heute hält man es für möglich, dass das um 1500 v. Chr. hergestellte Ge- fäß erst im 20. Jahrhundert nach Bergen-Dohnsen gelangte. Die Bronzetasse ist 5,7 Zentimeter hoch, hat einen Durchmesser von 12,5 Zentimetern und einen Henkel. Unter dem Rand ist sie mit drei parallelen Kehlen und einem eingepunzten Blattmuster verziert. Die Bestattungssitten der Lüneburger Gruppe ähnel- ten denjenigen der Hügelgräber-Kultur. Wie in Süd- deutschland wurden in der Lüneburger Heide die To- ten überwiegend unter Grabhügeln bestattet. Sie sind aus Sand oder Heideplaggen errichtet, heute noch bis zu 1,50 Meter hoch und haben einen Durchmesser von bis zu 20 Metern.
Im Lüneburgischen befinden sich die Grabhügel in Haufenlage. Manche von ihnen hat man am Fuß mit einem ein- oder mehrschichtigen Steinkranz oder mit Plaggenmauern umgeben. In seltenen Fällen wurden auch Pfostenkreise um den Hügel aufgestellt. Solche Einfriedungen kennt man aus der Südheide bei Celle. Meistens wurde nur ein einziger Toter in einem Grab- hügel beerdigt. Es gab aber auch gleichzeitige Dop- pelbestattungen von Mutter und Kind, von Mann und Frau oder von zwei Männern, hin und wieder sogar Beisetzungen von drei oder vier Personen. In manchen Grabhügeln wurden im Laufe der Zeit mehrere Tote zur letzten Ruhe gebettet. So enthielt ein Grabhügel auf dem Hengstberg von Wardböhmen (Kreis Celle) fünf Bestattungen.
Man bettete den Leichnam in gestreckter Rückenlage häufig in einen Baumsarg von etwa 1,80 bis 2,50 Meter Länge und 80 Zentimeter Breite. Der Baumsarg bestand aus einem der Länge nach gespaltenen dicken Stammstück. Dessen beide Hälften wurden ausgehöhlt, in eine davon legte man den Toten, mit der anderen deckte man ihn zu.
Von Baumsärgen zeugen Holzkohlereste und Holzteile sowie verschiedenartige Steinsetzungen, mit denen der Baumsarg rutschfest verkeilt wurde. Im Ilmenautal und in der Nordheide hat man Baumsärge mit Steinpackungen von drei bis sechs Meter Länge und Breite sowie bis zu 1,50 Meter Höhe bedeckt. Wo es keine Steine gab, wurden Heideplaggen oder Grassoden dachziegelartig übereinandergelegt.
In seltenen Fällen hat man statt eines Baumsarges auch einen Bohlensarg gezimmert. Als Indizien hierfür gelten rechteckige Steinpflaster ohne Verkeilsteine, parallel verlaufende Reihen von Steinplatten und grö- ßere rechteckige Holzkohleflächen in manchen Grab- hügeln.
Die Hinterbliebenen bestatteten die Frauen mitsamt ihrem wertvollen Bronzeschmuck und manchmal auch mit Tongefäßen. Den Männern legte man ihre komplette Waffenausrüstung mit ins Grab, damit sie auch im Jenseits für den Kampf gerüstet waren. In etlichen Frauen- und Männergräbern der Südheide lagen am Kopfende der Bestattungen brüchige Steine mit Feuerspuren, die als als angebrannte Herdsteine gedeutet werden. Im Ilmenau-Tal wurden mitunter Mahlsteine in die Steinpackung für den Baumsarg eingebaut.
[...]
- Arbeit zitieren
- Ernst Probst (Autor:in), 1996, Die Lüneburger Gruppe in der Bronzezeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93504
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