Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine Reflexion des Verständnisses von Frieden in "De civitate Dei".
„si vis pacem para bellum“, "[w]enn du Frieden willst, rüste zum Krieg." Dieses Zitat des römischen Anwalts, Politikers, Philosophen und Schriftstellers Marcus Tullius Cicero in seiner 7. Philippischen Rede 43 v. Chr. vor dem römischen Senat, ist bis heute wirkmächtig geblieben. [...] Die Schrift »De civitate Dei« des Kirchenvaters Augustinus greift dieses Zitat auf. Dabei sind Ordnung und Frieden die wesentlichen Themen dieser Abhandlung. Ordnung und Frieden in einer Welt, die gerade ins Gegenteil zu stürzen drohte....
„si vis pacem para bellum“1,"[w]enn du Frieden willst, rüste zum Krieg."2 Dieses Zitat des römischen Anwalts, Politikers, Philosophen und Schriftstellers Marcus Tullius Cicero in seiner 7. Philippischen Rede 43 v. Chr. vor dem römischen Senat3, ist bis heute wirkmächtig geblieben. So etwa im amerikanischen Kino. Hier flimmerte 2004 „The Punisher“ über die Kinoleinwände. Der Plot ist schnell erzählt: Bei einem missglückten Einsatz Frank Castles, eines verdeckten FBI-Ermittlers, wird der Sohn eines Unterweltbosses getötet. Frank Castle möchte seinen gefährlichen Beruf, seiner Familie zuliebe aufgeben und ein nunmehr geordnetes, friedliches Leben führen. Doch es kommt anders. Der Unterweltboss sinnt auf Rache für seinen verstorbenen Sohn. Er lässt Castles ganze Familie, darunter Frau und Kind, töten. Castle selbst überlebt schwerverletzt. Seines Lebenssinns beraubt sinnt er wiederum auf Rache. „Frank Castle is dead. Call me 'The Punisher'!“4, so ein Zitat Frank Castles an dieser Stelle im Film. Sein Credo ab sofort: „ si vispacempara bellum“! Die Geschichte nimmt ihren Lauf; am Ende sind wiederum die ganze Familie des Unterweltbosses sowie der Boss selbst tot, getötet durch Selbstjustiz eines »Bestrafers«, der gegen Ende des Films als eine Art »dunkler Superheld« auftritt, der eine neue Bestimmung, einen neuen Lebenssinn entdeckt zu haben scheint. Ob aus dieser neuen Ordnung im Leben des »Superhelden« tatsächlich auch Frieden erwachsen kann, bleibt trotz Anneliese Felbers Befund, wonach Friede dort herrscht, wo auch Ordnung ist5, fraglich.
Ciceros Zitat gab auch dem dritten Teil der John Wick-Reihe »Parabellum« ihren Namen. Auch hier tritt ein »dunkler Ritter« mit Waffengewalt auf, um in einem „comichafte[n] Universum“, einer „kafkaeske[n] Version der gegenwärtigen Welt“, in der die „Gilde der Assassinen“ - für die John Wick als Auftragskiller tätig war - einem „global agierenden Konzern“ gleiche, dessen Nähe „zur Römisch-katholischen Kirche wie zur Hochfinanz“, aus dem Film „eine politische Parabel mache“, so der Filmkritiker Sascha Westphal.6 Besonders aber im ersten Teil der Reihe wird auch hier ein roter Faden deutlich: John Wicks Auto wird von Bandenmitgliedern geraubt, sein Hund - der ihn an seine verstorbene Frau (!) erinnert - massakriert und getötet. John Wick sinnt auf Rache. Der Film endet ähnlich wie »The Punisher«. Die Bösewichte werden allesamt gerichtet, John Wick erhält sein Auto zurück, aber vor allem auch einen neuen Hund. Die alte Ordnung und John Wicks innerer Friede scheinen zumindest teilweise wiederhergestellt.
Beide Hollywood-Produktionen offenbaren ein Weltbild und damit verbundenes Verständnis von Frieden, Ordnung und wohl auch Gerechtigkeit, das einem amerikanischen Exzeptionalismus und Expansionismus7 zu entstammen scheint. Die Vereinigten Staaten von Amerika als Hegemon mit „vorherrschende[m] Einfluss und [...] [als] anerkannte Führungsposition einer politischen Einheit im Rahmen eines Systems ohne letzte Entscheidungsautorität.“8 Gerade letzteres unterscheidet nach Peter Rudolf den Hegemon vom Imperium9 Einem Imperium etwa wie jenem römischen Imperium des 4./5. Jahrhunderts, dessen Fall 410 durch die Germanen unter Alarich die Schrift »De civitate Dei« des Kirchenvaters Augustinus wesentlich beeinflusste. Ordnung und Frieden sind die wesentlichen Themen dieser Abhandlung.10 Ordnung und Frieden in einer Welt, die gerade ins Gegenteil zu stürzen drohte. Das von den Germanen eroberte und geplünderte Rom galt bis dahin als „ewige Stadt“ und „unbesiegbar“. Kirchenvater und Reichstheologe Hieronymus formulierte die bange Frage: „Wenn Rom untergehen kann, was mag dann überhaupt noch in dieser Welt Bestand haben?“ Reichstheologen wie Hieronymus sahen Rom als „Werkzeug im göttlichen Heilsplan“.11 Eine immanente Weltdeutung, die Augustinus auf der Folie der stattfindenden Ereignisse nicht mittragen konnte. Augustinus denkt transzendenter; „[e]r kennt nur ein Ziel: die von Gott verheißene Erlösung am Ende der Zeit.“12 Vor diesem Hintergrund ist auch Ciceros so berühmt gewordener Ausspruch zu sehen, den Augustinus in » De civitate Dei«, Buch 19, Kap. 12 aufgreift:
„Will doch selbst eine Kriegspartei nichts anderes als siegen; zu einem ruhmreichen Frieden also will sie durch den Krieg gelangen. Denn was ist der Sieg anderes als die Unterwerfung der Widersacher? Ist dieses Ziel erreicht, so tritt Friede ein.“13
So ist bellum (Krieg) zwar auch für Augustinus eine anthropologische Wirklichkeit, die der Mensch qua seiner Zerrissenheit in diesem Leben (!) nicht zu überwinden vermag.14 Er ist vor dem Hintergrund einer transzendenten Weltdeutung jedoch keine eschatologische Kategorie. Diese »Spiritualisierung« der Konzepte Frieden und Ordnung gießt Augustinus in die zwei sprechenden Bilder der beiden civitates, der civitas Dei bzw. civitas terrena15, die Paulus‘ theologischer Unterscheidung des Lebens „nach dem Fleische“ bzw. „nach dem Geiste“ in Röm 8, 1-17 entsprechen. Mir scheint, dass gerade auch die geistliche Tradition des Ignatius von Loyola dieses (dualistische) paulinisch-augustinische Konzept einer Spiritualisierung und Internalisierung von Frieden und Krieg, Ordnung und Unordnung aufgegriffen hat. Wie für Augustinus „Verwirrung und Chaos Kennzeichen gestörter Ordnung, Ruhe und Frieden [dagegen] Kennzeichen richtigen Lebens“16 sind, so spricht der Hl. Ignatius in seinen Regeln zur Unterscheidung der Geister von entsprechenden Zuständen, die er „Geistliche Tröstung“ und „Geistliche Trostlosigkeit“ nennt.17 Während ersteres der Seele „Ruhe und Frieden in ihrem Schöpfer und Herrn gibt“18, so kennzeichnet Trostlosigkeit „das ganze Gegenteil“19.
Auf die im Titel aufgeworfene Frage „ si vis pacem para bellum? “ zurückkommend, lässt sich zusammenfassend nun folgendes festhalten. Die Idee, dass Krieg für den Frieden notwendig sei, hat in den letzten knapp zwei Jahrtausenden seit Cicero nichts an Relevanz und Brisanz verloren, wenngleich die Rezeption sehr unterschiedlich geschehen ist. Während Imperien und deren (Reichs-)Theologen als auch Hegemonialmächte und die in ihnen stattfindenden kulturellen Diskurse20, dabei ein Weltbild transportieren, das ausschließlich „von einem nationalen Gesichtspunkt aus gedacht wird“21, also ausschließlich Selbst-zentriert daherkommt, konzipieren die Kirchenväter und -lehrer wie Augustinus - ganz auf der Linie des Neuen Testaments22 - Frieden als eschatologisches, innerliches und spirituelles Geschehen, das den Menschen geradezu - und in strengem Kontrast zur Selbstzentriertheit - zur Selbst Transzendenz befähigt. Eine Eigenschaft, die ein „[s]ich mit anderen und anderem verbunden [...] fühlen“23 und damit friedliche Koexistenz und Ordnung schon in diesem Leben, ermöglicht. Hätten die Film-Figuren Frank Castle alias »The Punisher« und John Wick Augustins »De civitate Dei« gelesen, wäre ihnen und ihren Mitmenschen wohl viel Leid erspart geblieben.
[...]
1 Anneliese Felber, Jede/r will Frieden - und doch kein vollkommener Frieden auf Erden! Friedensvorstellungen bei Augustinus, Innsbruck/Wien, 17.
2 Ebd.
3 Vgl. Wikipedia, Si vis pacem para bellum (14.6.2019), https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Si_vis_pacem_para_behum&oldid=189548805 (28.4.2020).
4 MyZitate, Zitate und Sprüche aus The Punisher (28.4.2020), https://www.myzitate.de/the-punisher/ (28.4.2020).
5 Vgl. Felber, 10.
6 Vgl. Sascha Westphal, Kritik zu John Wick: Kapitel 3 (20.5.2019) (28.4.2020).
7 Anschaulich belegt etwa durch George Bushs ,Bericht zur Lage der Nation‘ 2003, in dem „er >Americas< Expansionismus mit Gottes Plänen für die Welt begründet.“ Vgl. Heinrich Schäfer, Kampf der Fundamentalismen. Radikales Christentum, radikaler Islam und Europas Moderne, 1. Aufl., Frankfurt am Main 2008, 118.
8 Peter Rudolf, Rückkehr des liberalen Hegemon. Warnungen vor Überdehnung und Isolationismus sind unangebracht, in: Internationale Politik Januar (2006), 6-15, hier: 8.
9 Vgl. ebd., 7f.
10 Nirgendwo kommt dies prägnanter zum Ausdruck als in der Friedenstafel im 19. Buch, Kap. 13 von ,De Civitate Dei‘, in der es heißt: „So besteht denn der Friede eines Körpers in dem geordneten Verhältnis seiner Teile, der Friede einer vernunftlosen Seele in der geordneten Ruhelage der Triebe, der Friede einer vernünftigen Seele in der geordneten Übereinstimmung von Denken und Handeln, der Friede zwischen Leib und Seele in dem geordneten Leben und Wohlbefinden des beseelten Wesens, der Friede zwischen dem sterblichen Menschen und Gott in dem geordneten gläubigen Gehorsam gegen das ewige Gesetz, der Friede unter Menschen in der geordneten Eintracht, der Friede des Hauses in der geordneten Eintracht der Hausbewohner im Befehlen und Gehorchen, der Friede des Staates in der geordneten Eintracht der Bürger im Befehlen und Gehorchen, der Friede des himmlischen Staates in der bestgeordneten, einträchtigsten Gemeinschaft des Gottesgenusses und gegenseitigen Genusses in Gott, der Friede aller Dinge in der Ruhe der Ordnung. Ordnung aber ist die Verteilung gleicher und ungleicher Dinge, die jedem den gebührenden Platz anweist. Vgl. Felber, 8f.
11 Vgl. Rüdiger Achenbach, Augustinus - Vater der abendländischen Theologie Teil 4. Der Fall von Rom und der Gottesstaat (28.4.2020), https://www.deutschlandfunk.de/augustinus-vater-der-abendlaendischen-theologie-der- fall.886.de.html?dram:article_id=336141 (28.4.2020).
12 Ebd.
13 Augustinus von Hippo, De Civitate Dei. 19/12 (28.4.2020), https://bkv.unifr.ch/works/9/versions/20/divisions/102846 (28.4.2020).
14 Vgl. Felber, 4.
15 Vgl. ebd., 5.
16 Ebd., 4.
17 Vgl. Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen. Nach dem spanischen Autograph übersetzt von Peter Knauer SJ, 2. Aufl., Würzburg 2011, 127.
18 Ebd., 128.
19 Ebd.
20 Die englisch-sprachige Wikipedia listet unzählige weitere Beispiele der Rezeption des Cicero-Zitats in der heutigen Popkultur auf. Vgl. Wikipedia, Si vis pacem, para bellum (25.3.2020), https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Si_vis_pacem,_para_bellum&oldid=947240054 (28.4.2020).
21 Ignatius von Loyola, 2011, 2.
22 Vgl. Felber, 3.
23 Anton A. Bucher, Psychologie der Spiritualität. Handbuch, 1. Aufl., Weinheim/Basel 2007, 30.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Riedel (Autor:in), 2020, Augustins Verständnis vom Frieden in »De civitate Dei«. Eine kurze Reflexion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/935044
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