Die zentrale Fragestellung der Masterarbeit lautet: inwiefern betrifft der digitale Wandel soziale Organisationen? Wie müssen sich zukunftsfähige Führungskräfte in der Sozialwirtschaft im Prozess der digitalen Transformation aufstellen und gegenüber den Mitarbeitenden verhalten, um Chancen gewinnbringend für die Organisation zu nutzen ohne dabei Risiken außer Acht zu lassen?
Die Gesellschaft in der globalisierten Welt sieht sich umfassenden Veränderungen ausgesetzt. Auch soziale Organisationen sehen sich als moderne Dienstleister den großen Herausforderungen der Zukunft gegenüber. Dies nicht zuletzt vor aktuellem Hintergrund in der COVID19-Pandemie (Corona).
Die digitale Transformation fordert von sozialen Organisationen Komplexitätsbewältigung, die Rückbesinnung auf den spezifischen Sinn sowie eine ganzheitliche Orientierung am Menschen. In diesem Prozess sind in erster Linie die Führungskräfte in den Organisationen gefordert. Diese müssen den Wandel anerkennen, neue Kompetenzen erwerben, eine innovative Kultur vorleben und neue Strategien umsetzen. Dabei sind organisationale Wandelbarrieren und die Kultur der eigenen Organisation zu ergründen, anzuerkennen und zu bearbeiten. Mitarbeitende müssen dabei wahr- und ernst genommen werden. Sie im Prozess der Transformation durch bewegliche, wertschätzende, partizipative, selbstermächtigende und gesundheitsfördernde Führung mitzunehmen ist für das Gelingen der Transformation von großer Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABSTRACT
1 // EINLEITUNG
1.1 Zum Hintergrund
1.2 Fragestellung und Ziele
1.3 Zum Aufbau
1.4 Vorgehen und Methode
2 // DER DIGITALE WANDEL
2.1 Begriffsklärung
2.2 Megatrend Digitalisierung
2.2.1 Entwicklung der Digitalisierung
2.2.2 Mediatisierung
2.2.3 Verbreitung der Digitalisierung
2.2.4 Digitale Anwendungen
2.3 Digitalisierung als Transformationsprozess
2.3.1 Tiefgreifende Veränderungen
2.3.2 Arbeit in der digitalisierten Welt
2.3.3 Digitalisierung und Wertschöpfung
2.4 Risiken der Digitalisierung
2.4.1 Digitale Ethik
2.4.2 Digitale Teilhabe
2.5 Zusammenfassung
3 // DIE DIGITALE VERÄNDERUNG SOZIALER ORGANISATIONEN
3.1 Begriffsklärung
3.2 Zielführende Änderungsprozesse
3.2.1 Zur Komplexität des Wandels
3.2.2 Veränderungsprozesse im Wandel
3.3 Digitalisierung in sozialen Organisationen
3.3.1 Digitalisierung als soziale Innovation
3.3.2 Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für soziale Organisationen
3.3.3 Überblick zum Stand der Verbreitung in sozialen Organisationen
3.4 Digitale Transformation in sozialen Organisationen
3.4.1 Herausforderungen und Handlungsfelder mit digitalem Bezug
3.4.2 Digitaler Reifegrad und strategische Umsetzung
3.5 Zusammenfassung
4 // FÜHRUNG IN DER DIGITALEN TRANSFORMATION SOZIALER ORGANISATIONEN
4.1 Begriffsklärung
4.2 Systemisches Management
4.3 Flexible Führung im digitalen Wandel
4.3.1 Lean-Management und Agilität
4.3.2 Organisationsentwicklung und neue Führung
4.3.3 Führung im digitalen Wandel
4.4 Perspektiven und Barrieren menschlicher Führung in der digitalen
Transformation sozialer Organisationen
4.4.1 Agile Führung in sozialen Organisationen
4.4.2 Humanpotential statt Humanressource
4.4.3 Diversität und Dissens
4.4.4 Führen mit Sinn und Vertrauen
4.4.5 Netzwerk und Hierarchie
4.4.6 Begegnung von Erwachsenen auf Augenhöhe
4.4.7 Die Kunst der Beidhändigkeit
4.5 Zusammenfassung
5 // ERFOLGSFAKTOREN UND EMPFEHLUNGEN
5.1 Zukunftsfähige soziale Organisationen im digitalen Wandel
5.2 Zukunftsgewandte soziale Führungskräfte im digitalen Wandel
5.3 Ausblick und Aspekte der Selbstkritik
LITERATURVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zentrale Ergebnisse D21-Digital-Index 2018/2019 (Initiative D21 2019b)
Abbildung 2: Schichten digitaler Anwendungen (Pölzl, Wächter 2019, S. 58)
Abbildung 3: IT-Report für die Sozialwirtschaft/ ausgewählte Kennzahlen; größenmäßig beschnitten (Kreidenweis, Wolff 2019, S. 67)
Abbildung 4: Sieben zentrale Handlungsfelder bei der Digitalisierung, größenmäßig beschnitten (Kreidenweis 2018c, S. 8)
Abbildung 5: Reifegradmodell des digitalen Wandels in sozialen Organisationen, größenmäßig beschnitten (Kreidenweis 2018f, S. 24)
Abbildung 6: Führungskompetenzen in der digitalen Transformation, größenmäßig beschnitten (Crummenerl, Kemmer 2015, S. 9/ © Capgemini Consulting)
Abbildung 7: Das Manifest für menschliche Führung; (CC0); Quelle: http://humanleadershipmanifesto.org
Abstract
Heute erkennen wir zunehmend, dass sich die Zukunft als immer unvorhersehbarer herausstellt. Traditionen, vermeintliche Wahrheiten und daraus abgeleitete bewährte Handlungsmuster greifen oft nicht mehr. Die Gesellschaft in der globalisierten Welt sieht sich stetig, umfassenden Veränderungen ausgesetzt. Auch soziale Organisationen sehen sich als moderne Dienstleister den großen Herausforderungen der Zukunft gegenüber. Es wird gezeigt, dass insbesondere der Megatrend Digitalisierung grundlegende Veränderungen mit sich bringt, mit denen sich die Unternehmen in der Sozialwirtschaft als Organisation nach außen und vor allem nach innen auseinandersetzen werden müssen. Dabei gilt es Chancen zu nutzen, ohne dabei jegliches unreflektiert aus erwerbswirtschaftlichen Modellen zu übernehmen oder mögliche Risiken und ethische Vorbehalte zu ignorieren. Die digitale Transformation fordert von sozialen Organisationen Komplexitätsbewältigung, die Rückbesinnung auf den spezifischen Sinn sowie eine ganzheitliche Orientierung am Menschen. In diesem Prozess sind in erster Linie die Führungskräfte in den Organisationen gefordert. Diese müssen den Wandel anerkennen, neue Kompetenzen erwerben, eine innovative Kultur vorleben und neue Strategien umsetzen. Dabei sind organisationale Wandelbarrieren und die Kultur der eigenen Organisation zu ergründen, anzuerkennen und zu bearbeiten. Mitarbeitende müssen dabei wahr- und ernst genommen werden. Sie im Prozess der Transformation durch bewegliche, wertschätzende, partizipative, selbstermächtigende und gesundheitsfördernde Führung mitzunehmen ist für das Gelingen der Transformation von großer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund lautet die zentrale Fragestellung der Masterarbeit: inwiefern betrifft der digitale Wandel soziale Organisationen - und wie müssen sich zukunftsfähige Führungskräfte in der Sozialwirtschaft im Prozess der digitalen Transformation aufstellen und gegenüber den Mitarbeitenden verhalten, um Chancen gewinnbringend für die Organisation zu nutzen ohne dabei Risiken außer Acht zu lassen? Im Ergebnis werden wichtige Einflüsse der digitalen Transformation für soziale Organisationen herausgestellt sowie veränderungsförderliche Management- respektive Führungskonzepte benannt. Das auf Agilität basierende und im erwerbswirtschaftlichen Kontext bewährte “Manifest für menschliche Führung“ von Marcus Raitner wird schließlich exemplarisch auf soziale Organisationen übertragen. Dies insbesondere im Hinblick auf Haltung und Verhalten der Führungskräfte in der Sozialwirtschaft. Raitners “sechs Thesen für neue Führung im Zeitalter der Digitalisierung“ können durch eine reflektierte, digitale Führungspersönlichkeit verkörpert und mit Hilfe neuer Methoden in der gleichberechtigten Zusammenarbeit mit den Fachkräften umgesetzt werden. Dies zum Wohle der Abnehmer*innen sozialer Dienstleistungen.
1 // Einleitung
1.1 Zum Hintergrund
„Bin ich schon drin, oder was?“ Dieses Zitat von Boris Becker aus dem Werbespot des damaligen Internet-Providers “AOL“ aus dem Jahre 1999 steht signifikant für einen Zustand des Halbwissens, indem sich weite Teile der Gesellschaft sowie Organisationen immer noch befinden, wenn es um den Bereich Internet und Informationstechnik geht. Die “Informationsgesellschaft“ wurde ausgerufen, das 21. Jahrhundert als das “Online Jahrhundert“ bezeichnet und irgendwie dabei, oder eben “drin“ sein, möchte, ja sollte im Prinzip doch bitteschön jeder. Heute, nunmehr 20 Jahre später, wird vielen das Ausmaß der durch insbesondere die beiden Transmissionsriemen Internet und Mikroelektronik vorangetriebenen, ja erst ermöglichten, digitalen Revolution zunehmend bewusst. Weltweite Daten- bzw. Informationsübertragung in Echtzeit, Künstliche Intelligenz, Daten in der Cloud, vernetzte Städte - die Digitalisierung erschließt sich laufend neue Felder. Keine andere bisherige technische Entwicklung hat unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und unsere Ordnung in ähnlicher Dimension verändert. Die Auswirkungen betreffen Individuum, Organisation und Gesellschaft. Der Wandel betrifft Handeln und Strukturen. Er vollzieht sich schnell und durchdringend. Er verändert, wie wir leben und wie wir zusammenarbeiten. Auch die Wertschöpfung muss neu gedacht werden. Als Reaktion auf diese, für viele noch wenig greifbaren Entwicklungen, beginnen Organisationen darüber nachzudenken, wie unter zunehmend unsicheren, dynamischen und hochkomplexen Bedingungen, Wandel gestaltet werden kann:
„Das digitale Zeitalter [bringt] tiefgreifende Veränderungen für Unternehmen mit sich. [...] [Sie] sind aufgefordert, diesen Anforderungen durch eine Weiterentwicklung der Unternehmensorganisation sowie durch die Weiterentwicklung der Führungsprozesse zu entsprechen". (Kreutzer 2018, Vorwort)
Auch soziale Organisationen sehen sich als moderne Dienstleister mit einem starken Fokus auf Personal den großen Herausforderungen der Zukunft gegenüber. Es wird gezeigt, dass insbesondere die Digitalisierung grundlegende Veränderungen auf der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebene mit sich bringt, mit denen sich auch die Unternehmen in der Sozialwirtschaft als Anbieter vornehmlich personenbezogener Dienstleistungen auseinandersetzen werden müssen. (vgl. Rock 2015, S. 24) Laut Prof. Helmut Kreidenweis sei es „[...] noch immer erklärungsbedürftig [...], was Digitalisierung für die Sozialwirtschaft konkret bedeutet und wie Sozialdienstleister diesem Phänomen strategisch gerecht werden können. [.] Viele Verantwortliche in der Sozialwirtschaft fragen sich überdies, „[.] wie sie die sich abzeichnenden Veränderungen mitgestalten können“ (Kreidenweis 2018c, S. 7).
Die Motivation mich mit der vorstehenden Thematik zu beschäftigen, liegt insofern begründet, dass ich mich bereits während meines ersten Studiums und auch im Zuge meiner nunmehr fünfzehnjährigen Berufserfahrung, mit Innovationen sowie gesellschaftlichen Megatrends und deren Auswirkungen auf die Soziale Arbeit beschäftigt habe. Berufspraktisch sind mir dabei verschiedenartige Herausforderungen und Widerstände sowohl in der öffentlichen Verwaltung, als auch bei freien Trägern und in Unternehmen des sog. “Social Entrepreneurship“ (SE) begegnet. Mit dem Titel meiner Diplomarbeit „Chancen und Risiken des neuen Mediums Internet in der sozialen Arbeit" habe ich noch im Jahre 2004 an der Universität Duisburg-Essen lange nach einer Lehrkraft suchen müssen, die mich darin bestärken und bei der Arbeit begleiteten wollte bzw. konnte. Wissenschaftliche Quellen waren - außerhalb des Fachbereichs der Medienpädagogik - kaum zu finden. Wenn man sich nun vor Augen hält wie tiefgreifend die Digitalisierung heute nahezu alle Lebensbereiche verändert hat, spürt man deren weitreichenden Einfluss. Und: die digitalen Entwicklungen scheinen in der Sozialwirtschaft auch heute noch nicht den Stellenwert zu bekommen, den sie gesellschaftlich bereits innehaben. Der „Wandel in den [führenden] Köpfen“ hat noch nicht umfassend stattgefunden (Kreidenweis in Geyer 2018a). Bezogen auf die Durchdringung in der Informationstechnik (IT) fällt auch für das Jahr 2019 das „[...] Fazit des diesjährigen IT-Reports [...] für den Bereich der sozialen Organisationen [...] nur gemischt aus“ (vgl. Kreidenweis, Wolff 2019). Es herrsche „viel Sensibilität, [doch existiere noch] wenig Handfestes“ (Kreidenweis, Wolff 2018b). Rückblickend auf meine bisherige berufliche Laufbahn wird mir in diesem Kontext bewusst, dass das Hinterfragen der bestehenden Vorgehensweisen und die Suche nach Innovationen angesichts neuer Herausforderungen, als für mein professionelles Leben handlungsleitend anzusehen sind. Digitale Transformation und Kooperation in Organisationen der Sozialwirtschaft zu denken, stellt für mich weiterhin eine derart starke Motivation dar, wie ich sie Anfang der Nullerjahre verspürt habe.
1.2 Fragestellung und Ziele
„Ein einheitliches Begriffsverständnis [für Sozialwirtschaftliche Organisationen] hat sich bislang nicht durchgesetzt“ (Arnold, Maelicke 2014, Vorwort). Der Begriff "soziale Organisation" wird für diese Masterthesis gewählt und umfasst hier den gesamten Bereich von „[.] Institutionen, die [in der Branche Sozialwirtschaft] fremde Bedarfe decken [.]“ (ebd.). Es geht demnach um Organisationen, die soziale Dienstleistungen erbringen und in erster Linie eine Zweckorientierung im Sinne der Interessen ihrer Mitglieder oder Kunden verfolgen. Dies unabhängig von ihrer Rechtsform, Trägerschaft oder einer eventuellen Gemeinnützigkeit. Dennoch „[.] müssen sie, wie jede andere formale Organisation auch, [dazu] Ressourcen beschaffen und im Hinblick auf ein bestimmtes Leistungsergebnis kombinieren. [...] Und sie müssen ständig den Einsatz von Ressourcen planen, steuern, kontrollieren - also managen“ (ebd.). Dies umfasst in erster Linie wohlfahrtsverbandliche und privat-gewerbliche Unternehmen. Sozialleistungs- und die Sozialversicherungsträger werden mitbedacht, jedoch nicht vorrangig adressiert. Eine weitere, sich anschließende Definition bietet Herzka an. (vgl. 2013, S. 17-18) Als “soziale Organisation“ wird hier jedoch ausdrücklich - wie etwa in der Deloitte Human Capital Trendstudie 2019 definiert - nicht eine „[...] Organisation bzw. ein Unternehmen [verstanden], das seine Ziele 'Umsatzwachstum und Gewinnmaximierung' mit der Notwendigkeit vereint, die Umwelt und das Stakeholder- Netzwerk gleichermaßen zu respektieren und zu unterstützen“ (vgl. Bohdal-Spiegelhoff 2019, S. 3).
Es geht demnach nicht um erwerbswirtschaftliche Unternehmen, die strategisch planen ihr Image durch “Corporate Social Responsibility (CSR) Aktivitäten“ zu verbessern (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 2019).
Es soll gezeigt werden, dass die Digitalisierung grundlegende Veränderungen auf der gesellschaftlichen Ebene mit sich bringt, mit denen sich die Unternehmen in der Sozialwirtschaft als Organisation nach außen und vor allem nach innen auseinandersetzen werden müssen:
„Durch die digitale Transformation verändern sich Arbeitsbeziehungen und Kommunikationsstrukturen in den Unternehmen; außerdem die Arbeitsinhalte der Mitarbeiter und die Herausforderungen, vor denen sie bei ihrer Arbeit stehen. Also muss sich auch das Führungsverhalten ändern“ (Müllerschön 2018, S. 26).
Auf der anderen Seite werde das „[...] 'Damoklesschwert der Digitalisierung“ allenthalben von Beraterinnen und Politikern geschwenkt, um Handlungsdruck aufzubauen“ (Hackl u. a. 2017, S. 19). Dies hieße aber z. B. noch lange nicht, „[.] dass Jobs abgebaut werden und die deutsche Wirtschaft vor dem Abgrund stehe“ (ebd.). Demnach gilt, sich als soziale Organisation und als Führungskraft für die neuen Themen zu öffnen und zu interessieren, ohne dabei von Angst ergriffen, kopflos oder gar vollkommen ablehnend zu reagieren. Soziale Organisationen sollten auch heute noch über die Lebenswelt ihrer Klientel informiert sein. „Abholen wo man steht“ wurde das mal genannt. In Zeiten zunehmenden Ökonomisierungsdrucks ist dies aber lediglich die eine Seite der Medaille. Soziale Dienstleister sind heute zunehmend wirtschaftlich aufgefordert „mit der Zeit zu gehen, um nicht mit der Zeit gehen zu müssen“. Dem folgend wird sich die Thesis in vornehmlicher Grundhaltung den Chancen der Digitalisierung widmen, um die Veränderungsbereitschaft und das Veränderungsvermögen in sozialen Organisationen zu steigern, ja um Interesse an der Zukunft zu wecken und damit auch leistungs- und adressatengerechte sowie ethisch wertvolle soziale Arbeit grundsätzlich zu ermöglichen. Und dies ohne dabei an Echtheit zu verlieren und unreflektiert den Schlagwörtern des digitalen Kapitalismus zu folgen. In dieser Masterthesis sollen wichtige Einflüsse des digitalen Wandels für soziale Organisationen herausgestellt und im Hinblick auf die Transformation im Unternehmen beleuchtet werden. Im Ergebnis werden innovationsfördernde, digital getriebene und partizipative Führungsansätze benannt sowie in Bezug auf deren Verkörperung in Haltung und Verhalten von Führungskräften diskutiert und bewertet. Sich vor diesem Hintergrund entwickelnde Hypothesen sind wie folgt auszuformulieren:
- Sich in Zeiten sozialstaatlicher Veränderungen, zunehmender Konkurrenz und angesichts des digitalen Wandels heute in der wettbewerbsfähigen Sozialwirtschaft zu behaupten, erfordert eine hohe Flexibilität. Die Generierung neuartiger Ideen und Umsetzung tragfähiger Konzepte zur Lösung sozialer Probleme einerseits, sowie die damit verbundene Weiterentwicklung der jeweiligen sozialen Organisation andererseits, wird zunehmend wichtiger. Dabei betrifft die Digitalisierung alle Unternehmensbereiche.
- Auch soziale Organisationen sind zunehmend aufgefordert marktlich zu denken. Im Hinblick auf die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle respektive sozialer Dienstleistungen sollte dabei im digitalen Zeitalter von den Bedarfen der Klient*innen ausgehend gedacht werden.
- Digitale Neuerungen bieten neben Chancen, auch viele oft noch nicht abschätzbare Risiken. Dies insbesondere im Hinblick auf die Beziehungsarbeit mit den Abnehmer*innen sozialer Dienstleistungen. Es gilt diese Risiken zu reflektieren.
- Soziale- sind erwerbwirtschaftlichen Organisationen in vielen Punkten ähnlich, unterscheiden sich jedoch in manchen signifikant. Digitale Strategien sind übertragbar, sollten aber den spezifischen Anforderungen sozialer Organisationen genügen.
- Um die Chancen und Risiken der Digitalisierung für die eigene Organisation zu erkennen und diese mit den Mitarbeitenden langfristig erfolgreich umzusetzen zu können, bedarf es digital affiner sowie geschulter Führungspersönlichkeiten. Die Haltung und das Verhalten der Führungskräfte bestimmt dabei den gelingenden Kulturwandel innerhalb der sozialen Organisation.
- In digital getriebenen, kollektiven Arbeitszusammenhängen müssen Führungskräfte sich neuen Gegebenheiten anpassen. Soziale Organisationen sind nicht selten hierarchisch strukturiert. Es lohnt sich darüber nachzudenken, inwiefern hierbei in Zeiten des Wandels Rollenkonflikte entstehen können. Dabei kann als gewinnbringend erachtet werden, sich mit partizipativen Führungskonzepten und agilen Formen der Zusammenarbeit auseinanderzusetzen.
Vor diesem Hintergrund ist die zentrale Fragestellung, der in der Masterarbeit nachgegangen werden soll: inwiefern betrifft der digitale Wandel soziale Organisationen - und wie müssen sich zukunftsfähige Führungskräfte in der Sozialwirtschaft im Prozess der digitalen Transformation aufstellen und gegenüber den Mitarbeitenden verhalten, um Chancen gewinnbringend für die Organisation zu nutzen ohne dabei Risiken außer Acht zu lassen?
Sich daran anschließende Fragestellungen sind etwa:
- Inwiefern stellt die Digitalisierung eine gesellschaftliche Herausforderung dar?
- Aus welchen Gründen gewinnt die digitale Transformation in Organisationen der Sozialwirtschaft zunehmend an Bedeutung?
- In welchen Bereichen liegen Chancen für soziale Organisationen, durch die Digitalisierung die Erbringung sozialer Dienstleistungen zu verbessern und sich wettbewerbsfähig zu positionieren?
- Welche Risiken und ethischen Aspekte sollte die Sozialwirtschaft in der digitalen Transformation nicht aus den Augen verlieren?
- Wenn der digitale Wandel auch in sozialen Organisationen zunehmend an Bedeutung gewinnt, stellt sich die Frage, welche organisationalen Bedingungen dort gegeben sein sollten, die andere Arbeitsformen und innovative Ideen ermöglichen.
- Wo liegen spezifische Veränderungsbarrieren sozialer Organisationen und welche Rolle spielt dabei die Unternehmenskultur?
- Welchen Anforderungen bezüglich Haltung, Kompetenzen und Methodenkenntnis unterliegen Führungskräfte im Zuge der digitalen Transformation?
- Welche Ansätze aus dem Change-, Lean- und agilen Management erscheinen übertragbar?
- Können zukünftige Anforderungen und neue Management-Ansätze die nicht selten klassisch-hierarchische geprägte Führungsrolle obsolet werden lassen?
- Welche Haltungs- und Handlungsleitlinien für eine moderne, digitale Führungskultur ergeben sich für zukunftsfähige soziale Organisationen?
1.3 Zum Aufbau
Nach Peter F. Drucker - einem der Vordenker des Managements - führt erst die Einbeziehung und Zusammenführung der drei Ebenen Individuum, Organisation und Gesellschaft zu einem Gesamtverständnis des Managements. (vgl. Arnold 2019, S. 221) „Gleichzeitig kann eine gesunde, funktionierende Gesellschaft nur verstanden werden, wenn man Management in seiner Funktion, Bedeutung und Wirkungsweise versteht." (ebd.) Diese umfassende Perspektive wurde auch vor dem Hintergrund der Erfahrung mit Rückfragen bzw. Feedback der Teilnehmenden entsprechender Fortbildungsveranstaltungen in diversen sozialen Organisationen gewählt. Es hat sich gezeigt, dass das Phänomen der Digitalisierung ganzheitlich vermittelt werden muss, um bei den entsprechenden Fach- und Führungskräften Anklang zu finden. Die zu spezielle Einkreisung eines Themas hatte oft Skepsis, Abwägen und Nachfragen zu den anderen Aspekten zur Folge. Die Überzeugungsarbeit ist ganzheitlich zu erbringen. Wie Kapitel 3 offenlegen wird, kann etwa auch eine digitale Strategie in einer Organisation nur ganzheitlich gedacht, zur Veränderung bzw. zum Erfolg führen. Isolierte, zu einseitige Vorhaben werden dem Wandel nicht gerecht. Mit strukturalem Bezug auf das systemische Managementverständnis Druckers, lässt sich dementsprechend folgende Einteilung vornehmen:
Kapitel 2 verschafft zunächst auf der gesellschaftlichen Ebene einen Überblick zu den Hintergründen, der geschichtlichen Entwicklung und Verbreitung, sowie zu den Chancen und Risiken der Digitalisierung. Es wird herausgestellt, dass die Digitalisierung tiefgreifende Veränderungen in vielen Bereichen mit sich bringt und ein Umdenken sowie Anpassung erfordert.
Daran anschließend, werden in Kapitel 3 exemplarisch die Strukturen und Bedingungen in der Sozialwirtschaft vor dem Hintergrund der Notwendigkeit organisationaler Veränderung in Zeiten digitalen Wandels beleuchtet. Es wird herausgestellt, welchen Herausforderungen respektive Barrieren sich soziale Organisationen auch angesichts eines mit dem Transformationsprozess verbundenen Kulturwandels gegenübersehen.
Kapitel 4 verdeutlicht auf der Ebene des Individuums, die hervorzuhebende Rolle von Führungskräften in der digitalen Transformation. Ihnen stehen in der Transformation alternative Führungskonzepte zur Seite, die eine flexible, hierarchiearme und partizipative Führung ermöglichen. Exemplarisch wird versucht, dass agile “Manifest menschlicher Führung“ von Marcus Raitner auf die Belange sozialer Organisationen zu übertragen. Dies um mit einem integrierten Modell viele Möglichkeiten und Einstiege aufzuzeigen.
Der Schlussteil (Kapitel 5) soll die Diskurse, Beobachtungen und Einzelerkenntnisse noch einmal im Gesamtzusammenhang verorten, somit die Forschungsfrage versuchen zu beantworten und einen zweifachen Ausblick in die Zukunft wagen. Zum einen bezogen auf die Implikationen für soziale Organisationen und zum anderen - in der notwendigen Zuspitzung - im Hinblick auf die Haltung und das Verhalten von Führungskräften im digitalen Transformationsprozess sozialer Organisationen. Zum guten Schluss sollen Aspekte der Selbstkritik das gewählte Vorgehen reflektieren.
1.4 Vorgehen und Methode
Insbesondere in den letzten zehn Jahren sind zu dem Themenkomplex viele einschlägige Titel veröffentlicht worden. Die Digitalisierung ist ein sehr breites Thema und wird in mannigfaltigen Kontexten wie Staat, Bildung, Unternehmen etc. diskutiert. Viele Publikationen beleuchten Aspekte der digitalen Transformation oder des Veränderungsmanagements in erster Linie bezogen auf erwerbswirtschaftliche Organisationen. Hier soll nun der Blick auf die digitale Transformation von sozialen Organisationen gerichtet werden. Eine steigende Anzahl speziellerer Publikationen behandeln die Digitalisierung bereits im Hinblick auf die sozialarbeiterische Berufsethik und Methoden der Sozialen Arbeit. (vgl. Garkisch 2017, S. 178 Abb. 1) Eher wenige tun dies explizit vor dem Hintergrund der Anforderungen an das Sozialmanagement bzw. der Gestaltung von Organisationskultur und digitaler Führung. (vgl. a. a. O., S. 179 Abb. 3) Nach umfassender Literaturrecherche kann vorweggenommen werden, dass der Kreis der Fachleute, die das Thema in Bezug auf die Sozialwirtschaft in Monografien, Sammelbänden und vor allem Fachzeitschriften bearbeitet, obigem folgend, noch überschaubar ist. Kompendien stellen derzeit nur das Lehrbuch von Pölzl und Wächter (vgl. 2019) sowie insbesondere die Veröffentlichung von Helmut Kreidenweis dar (vgl. 2018a). Stüwe und Ermel adressieren in ihrem „Lehrbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung“ vor allem die sozialpädagogische Praxis und weniger das Sozialmanagement. Ein weiteres, vielversprechendes Werk - das „Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung“ herausgegeben von Nadia Kutscher et al. im Verlag Beltz-Juventa - erscheint erst Ende Januar 2020. Selbst im momentanen Standardwerk von Kreidenweis wird das wichtige Thema der Implikationen für Führungskräfte bzw. der Einbeziehung der Mitarbeiter*innen in der aktuellen Ausgabe nur am Rande behandelt. (vgl. 2018a, S. 5) Des Weiteren wird sowohl von Kreidenweis selbst (vgl. 2019, S. 11 und S. 13) vor allem in Bezug auf kleine und mittlere soziale Organisationen, als auch von Kopf und Schmolze-Krahn (vgl. 2018, S. 87) insgesamt bezweifelt, dass die Digitalisierung bereits im Alltag bzw. im Handeln der Führungskräfte in der Sozialwirtschaft angekommen ist. Es bedarf demnach insbesondere praktischer Ansätze, übersichtlichen Einstiegen in die Thematik sowie der Verbreitung guter Praxis.
Es geht in der vorliegenden Masterarbeit zunächst um die digitale Transformation an sich - und in der notwendigen Zuspitzung der Ausführung - dann um eine erste, wichtige Betrachtung der essentiellen Implikationen für Führung in Zeiten des (digitalen) Wandels sozialer Dienstleister. Es wird hier darauf verzichtet , spezifische soziale Organisationen zu analysieren. Dennoch werden selbstverständlich spezifische Merkmale sozialwirtschaftlicher Unternehmen ins Auge gefasst. Die Auseinandersetzung versucht wichtige Erkenntnisse bzw. Ansätze zu bündeln und damit für Praktiker*innen fassbar zu machen. Auch wenn die wichtigen und stets mitzudenkenden Auswirkungen auf die Profession Soziale Arbeit an einigen Stellen mit behandelt werden, so widmet sich die Masterthesis doch vornehmlich dem (Sozial-)Management. Im Sinne der Anwendungsorientierung sollen handlungsleitende Implikationen für zukunftsgewandte soziale Unternehmen und insbesondere für die in den Organisationen maßgeblich für Veränderungen und Weiterentwicklung zuständigen Führungskräfte der unterschiedlichen Führungsebenen herausgearbeitet werden. In durch die Masterarbeit konzentriert angebotener Form kann eine Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken des digitalen Wandels sowie den damit zusammenhängenden Fragen an “neue Arbeit“ und andere Arbeitsprozesse gewinnbringend sein. Als Adressat*innen sollen Entscheider*innen sowie Fach- und insbesondere Führungskräfte sozialer Organisationen interessiert werden. Letztere sind in der Verantwortung, die Organisationen zu gestalten, zu lenken und weiter zu entwickeln.
Die Arbeit lässt sich, methodisch gesehen, als “Theoriearbeit“ respektive “Literaturarbeit“ beschreiben und basiert auf der Analyse von Sekundärliteratur in Form von Monografien, Sammelbänden sowie Studien und insbesondere Artikeln aus Fachzeitschriften. Der überwiegende Teil der Veröffentlichungen wurde - wie bereits angedeutet - mit Blick auf erwerbswirtschaftliche Unternehmen und nicht dezidiert für soziale Organisationen verfasst. Insofern gilt es nicht selten, Inhalte zu übertragen. Da viele neue Ansätze für soziale Organisationen vor allem auf einschlägigen Internetseiten sowie in Blogs und Podcasts verhandelt werden, sind auch diese einzubeziehen. Dies ist sowohl dem Thema Digitalisierung an sich, als auch der Aktualität des Themas sowie nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich die wenigen Protagonist*innen die sich insbesondere der Digitalisierung in der Sozialwirtschaft widmen, vor allem auch über eigene Internetauftritte online äußern bzw. veröffentlichen. Um die Analyse der aktuellen Literatur handhabbar zu machen, mussten im Vorgehen verschiedene Einschränkungen vorgenommen werden:
- Die erste Einschränkung stellt die Fokussierung auf die Sozialwirtschaft als Branche dar. Zunächst wurde dem folgend eine umfangreiche Suche nach Literatur sowohl in Onlinekatalogen, als auch in ausgewählten Datenbanken (EBCSOhost Web, DZI SoLit, Social Work Abstracts, SocINDEX, PSYNDEX, PsycINFO, Fachportal Pädagogik, ERIC, Statista sowie Google Scholar) und in den Verzeichnissen der einschlägigen Fachzeitschriften mit den folgenden themen- respektive professionsbezogenen Suchstrings aus den Schlagwortkategorien: "Führung“, “Leitung Sozialwirtschaft“, “Management Sozialwirtschaft“ "Organisation 4.0“, "Führung 4.0“, "Digitalisierung“, “Digital Leadership“, "digitale Führung", "Digitale Transformation", “Digitaler Wandel“, "Digital Social", "Digitale Sozialwirtschaft", "New Social Work", "Digitale Soziale Arbeit", "Agilität", "Selbstorganisation" durchgeführt. Renommierte wissenschaftliche Fachzeitschriften aus dem Katalog der Alice Salomon Hochschule, Veröffentlichungen anerkannter deutscher Institutionen sowie Publikationen einschlägiger Konferenzen erhalten in der Auswahl den Vorrang.
- Nach dem die speziell auf die Sozialwirtschaft zugeschnittenen Veröffentlichungen (hier insbesondere Beiträge in Fachzeitschriften) herausgefiltert wurden, hat sich die Recherche auf die erwerbswirtschaftlich fokussierte Literatur ausgeweitet (Suchstrings aus den Schlagwortkategorien: "Führung“, “Leitung“, “Management“ "Organisation 4.0“, "Führung 4.0“, "Digitalisierung“, “Digital Leadership“, "digitale Führung", “Digitaler Wandel“, “Digitale Strategie“, "Digitale Transformation", “Digitaler Wandel“, "Agilität", "Selbstorganisation", “New Work“, “Lean Management“, “Change Management“, “Veränderungsmanagement“, “Gesunde Führung“). Um hier einzugrenzen wurden nur Publikationen gesucht, die seit 2015 bis dato veröffentlicht worden sind. Dies ist auch der Notwendigkeit der Aktualität von Ansätzen in Zeiten des Wandels geschuldet. Die weiterhin hohe Anzahl an Treffern machte in einem zweiten Schritt notwendig, die Suchergebnisse respektive Quellen anhand der Relevanz bezüglich der Forschungsfrage zu reduzieren.
- Themenkomplex übergreifend bezogene Studien zur Digitalisierung und Arbeit bzw. Industrie 4.0 sind in den letzten Jahren vielfach erschienen und zumeist frei im Internet zugänglich respektive downloadbar. Eine vornehmlich die digitale Durchdringung der Sozialwirtschaft betreffende Studienreihe stellt lediglich der IT- Report für die Sozialwirtschaft der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt dar. (vgl. Kreidenweis, Wolff 2019) Diese konnte einbezogen werden. Ferner publiziert der Bereich des sozialen Unternehmertums oder des sog. “Social Entrepreneurship“ regelmäßig - meist bevorzugt diesen speziellen Teilbereich oder Teilmarkt der sozialen Dienstleistungen betreffende - Untersuchungen oder Positionierungen.
Im folgenden Text wird vorwiegend das sog. “Gendersternchen (*)“ benutzt. Dies soll der Lesbarkeit zuträglich sein. Ein durchgängiger Gebrauch sowohl der femininen, als auch der maskulinen Form und dem damit einhergehenden Wechsel von “sie“/ “er“ etc. wird als Stolperstein im Lesefluss angesehen. Das diesbezügliche Manko der deutschen Sprache ist bekannt und soll mit dieser Stellungnahme auch ausdrücklich thematisiert werden. Gemeint sind selbstverständlich gleichgewichtig immer sowohl Frauen als auch Männer.
2 // Der digitale Wandel
"Life is what happens to you while you're busy making other plans." Beautiful Boy (Darling Boy) - John Lennon Die Zukunft wird immer unvorhersehbarer. Die Welt wird undurchsichtiger. Vermeintlich bestehende Klarheiten und orientierungsgebende Wertevorstellungen befinden sich auf dem Rückzug. In diesem Zusammenhang halten heute gesellschaftliche wie technologische Entwicklungen - sogenannte Megatrends - im gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext nach und nach Einzug. In einer Studie der Robert- Bosch-Stiftung aus dem Jahr 2013 wurden etwa die Megatrends Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung, Feminisierung sowie der Wertewandel untersucht. (vgl. 2013) Die Aufzählung der Megatrends wird in der Literatur unterschiedlich geführt und ließe sich auch erweitern. So z. B. insbesondere unternehmensbezogen etwa auf die „[...] Silver Society, Konnektivität sowie Urbanisierung und Wissenskultur“ (Faktor A 2019). Im ständigen Wechselspiel der Gewichtung der einzelnen Trends werden laut Harry Gatterer vom “Zukunftsinstitut“ vermutlich die alternde Gesellschaft und die Digitalisierung zukünftig den größten Einfluss haben. (a. a. O; vgl. ferner Zukunftsinstitut 2019) Der in der vorliegenden Arbeit vornehmlich betrachtete Treiber und Umwälzer ist der Megatrend der Digitalisierung. (vgl. Lenz 2019, S. 51) Begleitend werden überdies drei weitere große Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene gesehen, die Hackl et al. herausstellen: Demographischer Wandel, Globalisierung sowie Wertewandel bzw. Individualisierung. (vgl. 2017, S. 12-24) Diese sind mitbedacht und werden vereinzelt angesprochen. Sie werden jedoch nicht ausführlich dargestellt.
In Technologie, Zusammenleben und Wirtschaft wirkt Digitalisierung heute unmittelbar auf uns ein. „Gemeinhin wird dies als die vierte industrielle Revolution bezeichnet, die im Alltag wie auch in der Wirtschaft zu dramatischen Veränderungen geführt hat.“ (Wittpahl 2016, S. 5) Digitale Medien haben nunmehr seit 30 Jahren einen direkten Einfluss auf die Art wie wir leben, wie wir arbeiten, denken, fühlen und handeln. Mit dem technologischen Fortschritt gestaltet sich die Geschwindigkeit der Veränderungen zunehmend schnell. Weite Teile der Wirtschaft, Bildung, Politik und des privaten Miteinanders können den Entwicklungen kaum folgen. Dieser exponentielle Verlauf und die damit verbundenen Erscheinungen des Wandels seien oft schlichtweg verschlafen worden. (vgl. Bosbach 2015, S. 65)
Insbesondere im Zusammenhang mit der "Digitalisierung" werden nicht selten die Begriffe "disruptiver Wandel“ oder auch "Disruption“ genannt. Der Begriff "Disruption“ leitet sich von dem englischen Begriff "to disrupt“ (stören, trennen oder spalten) ab. Disruption kann im weitesten Sinne als Prozess bezeichnet werden bei dem ein etabliertes Geschäftsmodell oder ein gesamter Markt durch eine stark wachsende Innovation abgelöst, wenn nicht sogar aufgelöst wird. (vgl. Lexikon Gründerszene 2019) Ein bekanntes Beispiel hierfür ist etwa die Einführung des Iphone der Firma Apple im Juni 2007, die das klassische Mobiltelefon quasi über Nacht obsolet machte, ja ganz neue Formen der Kommunikation und Anwendung durch "mobile Apps" - also mobile Anwendungssoftware - ermöglichte. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der digitalen Veränderungen bringen sowohl Aufbruchsstimmung als auch Skepsis und Gegenwehr hervor. Die neuen Technologien verändern nicht nur Märkte und Produkte, sondern auch Verhaltensweisen. Insbesondere in dienstleistungsorientierten Branchen wie der Sozialwirtschaft, lässt dies ethikbasierte Betrachtungen der neuen Produkte, Leistungen, Prozesse und vor allem des individuellen Handelns notwendig werden.
2.1 Begriffsklärung
Der Themenkomplex rund um den Begriff “Digitalisierung“ hat laut Gabler Wirtschaftslexikon mehrere Bedeutungen: „Er kann die digitale Umwandlung und Darstellung bzw. Durchführung von Information und Kommunikation oder die digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen ebenso meinen wie die digitale Revolution, die auch als dritte Revolution bekannt ist, bzw. die digitale Wende. Im letzteren Kontext werden nicht zuletzt ,Informationszeitalter‘ und ,Computerisierung‘ genannt" (2018a).
Eine globale Sicht auf die Digitalisierung kommt in der Definition der Bertelsmann Stiftung zum Tragen: „Unter Digitalisierung verstehen wir die weltweite Ausdehnung der Informations- und Kommunikationstechnologien. Damit verbunden sind Vernetzungs- und Beschleunigungstendenzen, die erhebliche Veränderungen in den politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen von Gesellschaften hervorrufen" (2019, S. 20). Der Begriff definiert sich folglich je nach Betrachtungsweise. Wolf und Strohschen sehen, wenn man von Digitalisierung spricht „[...] ein sehr breites Themenspektrum - von papierlos bis zur gänzlichen Disruption von Geschäftsmodellen" (2018, S. 56). Und weiter: „Dieses breite, inkonsistente Spektrum führt zwangsläufig zu einer Verwässerung des Begriffes sowie zu teilweise konträren Zielvorstellungen“ (a. a. O., S. 57). Nach einer ausgiebigen Auseinandersetzung formulieren sie für die Wirtschaft bzw. betriebswirtschaftliche Kalküle folgende Definition:
„Wir sprechen von Digitalisierung, wenn analoge Leistungserbringung durch Leistungserbringung in einem digitalen, computerhandhabbaren Modell ganz oder teilweise ersetzt wird“ (a. a. O., S. 58).
Helmut Kreidenweis fügt dem eine gesellschaftliche Dimension hinzu:
„Als gesellschaftspolitischer Begriff bezeichnet Digitalisierung einen umfassenden Wandel, der durch digitale Technologien (Computer, Internet, Robotik, Künstliche Intelligenz) vorangetrieben wird und alle Lebensbereiche umfasst: Arbeit, Freizeit, soziale Beziehungen, Konsum, Mobilität und vieles mehr" (2018b).
Der Fachverband der IT in der Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung - FINSOZ e.V. definiert Digitalisierung vor dem Hintergrund der Anforderungen sozialer Organisationen wie folgt:
„Digitalisierung bezeichnet einen durch technische Innovationen und TechnikDurchdringung getriebenen Wandel aller gesellschaftlichen Bereiche von der Arbeitswelt über die Freizeit bis hin zu sozialen Beziehungen. Sie ist Antwort und Treiber zugleich für verschiedene Prozesse der Individualisierung. Ein zunehmend prägendes Merkmal ist der Ersatz oder die Ergänzung menschlicher Denk- und Kommunikationsleistungen sowie komplexere Handlungen durch Computer oder Roboter“ (2017, S. 3).
Die vorliegende Masterthesis arbeitet vor dem Hintergrund der sozialwirtschaftlichen Relevanz bzw. der Bedeutsamkeit für das Sozialmanagement sowohl mit der betriebswirtschaftlichen Definition von Wolf und Strohschen als auch insbesondere mit der auf den gesellschaftlichen Transformationsprozess hinweisenden Definitionen von Kreidenweis sowie Kreidenweis für FINSOZ e. V., denn die Digitalisierung ist in ihrer Umsetzung in der Sozialwirtschaft in erster Linie eine soziale- und erst auf den zweiten Blick eine technologische Innovation. (vgl. Kreidenweis 2018c, S. 7; vgl. Kopf, Schmolze- Krahn 2018, S. 87-88)
2.2 Megatrend Digitalisierung
2.2.1 Entwicklung der Digitalisierung
Medien existieren, seitdem es den Menschen gibt. Von den ersten Schriftzeichen bis zum Mikrochip, dem Internet und sog. “künstlicher Intelligenz (KI)“. Die Entwicklung schreitet stetig voran, denn sie ist über Kommunikation eng mit der Konstruktion sozialer Welt an sich verbunden. Sie ist dem, was man als "Streben nach Fortschritt" bezeichnet, unterworfen. Dieses Streben nach Fortschritt wurde durch die stetige Weiterentwicklung entsprechender Technologien beflügelt:
„Vom Papyrus über die Wachstafel bis zum Word-Dokument, von Pferd und Wagen über Eisenbahn und Automobil bis zum selbstfahrenden Auto, vom Rechenschieber über die Lochkarte bis zum Grid-Computing - Technologie war schon immer ein Treiber von Veränderungen und gesellschaftlichem Fortschritt" (BMAS 2017, S. 19).
Diese Entwicklung hatte einen langen Vorlauf, beschleunigte sich dann allerdings in nur wenigen Jahren vergleichsweise exponentiell.
„Wenn heute von Digitalisierung, digitaler Transformation, digitaler Revolution, digitaler Führung und Digitaltechnik gesprochen wird, dann geschieht dies immer vor dem Hintergrund des massenhaften Einsatzes elektronischer bzw. digitaler Verbreitungsmedien und elektronischer Maschinen sowie der zunehmenden Durchdringung des privaten, beruflichen und öffentlichen Lebens mit digitalen Automaten und Netzwerken." (Bardmann 2019, S. 551)
Dem folgend materialisiert sich die Digitalisierung durch Daten, Maschinen, dem Internet und digitalen Produkten respektive Dienstleistungen. Die Verdichtung der Ereignisse wird insbesondere ab 1995 deutlich. Dies infolge der Durchdringung des Alltags bzw. der Zugänglichkeit digitaler Technik und des Internets durch Geschäftskunden sowie Privathaushalte. (vgl. Moser 1999, S. 43; vgl. Pölzl, Wächter 2019, S. 29-31; vgl. BMDW 2016; vgl. Lenz 2017)
Die Dynamik wurde zum einen durch die rasante technologische Weiterentwicklung in der Mikroelektronik respektive der Herstellung sog. “(Mikro-)Chips“ sowie der entsprechenden Hard- und Software ermöglicht. Zum anderen durch die zeitlich und räumlich grenzenlosen Möglichkeiten der Kommunikation und des Vertriebes, welche nur über die Verbreitung digitaler Netzwerke realisiert werden konnte. Beide Aspekte lassen sich im Sinne einer ersten Säule der Digitalisierung als “digitale Infrastruktur“ bezeichnen. Die zweite notwendige Säule stellt die “digitale Kompetenz des Menschen“ dar. Denn der Mensch ist es, der die vorhandene technische Infrastruktur etwa durch das Bedienen eines Computers oder die Beherrschung einer Programmiersprache auch nutzen und weiterentwickeln können muss. Technologie wird demnach entwickelt, muss aber auch gestaltet bzw. kultiviert werden. (vgl. Zabel, Schmitz 2019, S. 203-204) Hier lässt sich erkennen: die Digitalisierung ist mehr als ein rein technisches bzw. technologisches Thema.
Hinzu tritt zweifelsohne der in den vergangenen 60 bis 70 Jahren wirtschaftlich gewollte und auch politisch weltweit aufgegriffene Glaube an quantitativ grenzenloses Wachstum zum Wohle der Menschheit. Hier beflügelt die Digitalisierung gleichermaßen ideologische Fantasie und ökonomische Prosperität:
„Das Tempo der Digitalisierung wird [...] nicht von nationalen gesellschaftlichen Diskursen und politischen Systemen, sondern von international agierenden Großkonzernen aus dem Technologie-Sektor bestimmt" (FINSOZ e.V. 2017, S. 3).
Auch hier wird sie gesellschaftlich bestimmend, denn sie hält Einzug in Unternehmen. Sie greift in die Wertschöpfung ein. Sie formt Leben und Arbeit.
Die unterschiedlichen Eigenschaften, Werte und daraus resultierenden Anforderungen und Verhaltensweisen der diversen Generationen “Baby-Boomer“ (50+ Jahre), “X“ (34-53 Jahre), “Y“ (21-33 Jahre) und anschließend “Z“, hatten jeweils Auswirkungen auf die Entwicklung der Medien, Technologien, Arbeit, Wertschöpfung. (vgl. Hackl et al. 2017, S. 13). Nicht zuletzt trifft die Digitalisierung - vornehmlich in (westlichen) Industrieländern - auf Generationen (insbesondere “X“, “Y“ und “Z“), die als sehr technikaffin, sich schnell anpassend, flexibel, individuell bedürfnisorientiert, kritikfähig, schnelllebig und innovationsliebend bezeichnet werden. Die Offenheit und die Kompetenzen dieser jüngeren Generationen tragen zur Beförderung des digitalen Wandels bei. (vgl. Pölzl, Wächter 2019, S. 36) Da sich die Be- und Zuschreibungen der Nachkriegsgenerationen in der Fachliteratur unterscheiden und fachlich oft kritisch diskutiert bzw. bewertet werden, wird in der Arbeit nicht tiefer darauf eingegangen. (vgl. Biesel, Hame 2018, S. 121-122)
2.2.2 Mediatisierung
Um die Tragweite des insbesondere durch die Digitalisierung entstehenden sozialen Wandels zu verstehen, ist es zunächst notwendig sich mit dem Verhältnis von Medien im Bezug zum Alltag und zur Kultur auseinanderzusetzen. Ein hier nur kurzes Augenmerk soll auf die insgesamt komplexe Thematik der “Mediatisierung“ gerichtet werden. Denn „Medien durchdringen zeitlich, räumlich und sozial den Alltag der Menschen“ (Helbig 2017, S. 173). Kommunikationsformen erweitern sich im Laufe der technischen Entwicklung der Medien. Deren zunehmende Möglichkeiten integrieren Menschen in ihren privaten und beruflichen Alltag:
„Ein augenfälliges Beispiel ist die Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, bei der man heute sicher sein kann, dass zu jeder Zeit mindestens 50% der Fahrgäste ständig mit ihren Smartphones beschäftigt sind" (Preissler 2017, S. 28).
Die aktuelle Phase der Medienentwicklung, die Digitalisierung, ist der derzeitige Höhepunkt dieser Entwicklung. Nie war es Menschen in derartiger Ausprägung möglich ohne zeitliche und räumliche Einschränkungen zu kommunizieren und sich zu informieren (Entgrenzung). (vgl. Helbig 2017, S. 173) Zugleich stellen sich Institutionen, Organisationen, Wirtschaft und Politik zunehmend als mediatisiert dar. (vgl. Krotz 2007, S. 37) Dabei wachsen „[...] sowohl unterschiedliche Medientechnologien als auch mediale Inhalte immer weiter zusammen (Konvergenz)" (Helbig 2017, S. 173). Dies bedeutet, dass die Möglichkeiten und Auswirkungen der Digitalisierung heute die Kommunikation als soziales Handeln beeinflusst. Sie hat demzufolge auch die Lebenswelt der Adressat*innen sozialer Dienstleistungen durchdrungen und muss somit im Umkehrschluss gleichfalls die Denkweise sozialer Organisationen (interne Auswirkung auf Prozesse) sowie die damit verbundene Ausgestaltung der Bearbeitung sozialer Problemlagen (Auswirkung auf Produkte) bestimmen. Helbig gelangt zu dem Schluss:
„Die hier [...] beschriebenen Phänomene der Mediatisierung in der Sozialen Arbeit zeigen, dass Fachkräfte und Organisationen vor den Herausforderungen stehen, sowohl die Potentiale und Risiken der digitalisierten Alltagspraxen ihrer Zielgruppen in den Blick zunehmen als auch die Mediatisierung des eigenen professionellen Handelns zu reflektieren“ (2017, S. 175).
2.2.3 Verbreitung der Digitalisierung
Gesellschaftspolitische Aufmerksamkeit erlangte die Digitalisierung durch die zunehmende Durchdringung des Arbeit- und Privatlebens. (vgl. Stüwe, Ermel 2019a, S. 10) Die weit verbreitete Nutzung digitaler Technik reicht in die Gesellschaft hinein und verändert damit maßgeblich und mit zunehmender Geschwindigkeit die Lebensbedingungen der Menschen. Sie verändert auch das soziale Miteinander entscheidend. So ist etwa die onlinebasierte Nutzung Sozialer Medien wie Facebook oder WhatsApp aus der Lebenswelt nicht mehr wegzudenken. Etwa ab 2010 ermöglichten und durchdrangen mobile Informationstechnologien in Deutschland diese neuen Formen der Kommunikation und der Meinungsbildung. (vgl. Stüwe, Ermel 2019b, S. 8) Das Internet bietet dafür und für viele andere Bereiche und Verrichtungen des täglichen Lebens den notwendigen Rahmen. In der Rolle des vorrangigen Treibers der Digitalisierung soll zunächst die zunehmende Nutzung des Internets dargestellt werden, um hier den ablesbaren Grad der Digitalisierung und deren Stellenwert in der Gesellschaft zu verdeutlichen. Um diese Entwicklungen bezogen auf Deutschland in Zahlen darzustellen, werden nachfolgend signifikante Ergebnisse aktueller Studien aufgegriffen.
Die Studien "ARD/ZDF Onlinestudie" sowie "D21 Digital Index“ (bis 2012 "(N)Onliner Atlas") verschaffen seit 1997 bzw. 2002 ein repräsentatives Lagebild zur Digitalen Gesellschaft Deutschlands. (vgl. ARD/ZDF Onlinestudie 2019a/2019b, vgl. Initiative D21 2018/2019) Im Zentrum beider Studien steht die Frage, inwiefern die Menschen auf den digitalen Wandel eingestellt sind. Damit verbunden, wird der Zugang zu digitalen Geräten sowie deren Nutzung im privaten und/ oder beruflichen Bereich untersucht. Immer wichtiger wird ferner, ob die Onlinenutzung über mobile Endgeräte oder stationär erfolgt. Wie im Vorstehenden bereits angedeutet, bedeutet "digital zu sein" heute weit mehr, als über einen Zugang zum Internet zu verfügen. Wenn das Internet die Basistechnologie darstellt, so sind in der gesellschaftlichen Dimension ebenso sehr die generelle Offenheit gegenüber technologischen Neuerungen, das Nutzungsverhalten und die Kompetenz im Umgang mit den neuen Medien mit einzubeziehen. (vgl. Initiative D21 2017/2018, S. 10) Vor dem Hintergrund der zunehmend komplexeren Gemengelage äußerer Einflüsse und der rasanten Weiterentwicklung von Technologien, ist ein regelmäßiger Überblick zu Medientrends und die Einordnung der Nutzungsvorgänge in der Gesellschaft unerlässlich. Je nach erhebender Institution unterliegen die Daten unterschiedlichen Verwertungsinteressen. Beide hier gewählten Studien stehen jedoch schon über viele Jahre zur Verfügung, werden teilweise von Anstalten des öffentlichen Rechts begleitet respektive finanziert und dienen demnach insbesondere auch dem öffentlichen Interesse.
ARD und ZDF kommen auf Grundlage einer repräsentativen Dual-FrameStichprobe von 2.000 deutschsprachigen Personen ab 14 Jahren in Deutschland für das Jahr 2019 zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Personen mit einem Zugang zum Internet (sog. “Onliner“) in Deutschland - wie auch im Vorjahr - bei rund 90 Prozent liegt. Dabei nutzen immer mehr Menschen in Deutschland das Internet täglich - bei den 14- bis 29Jährigen sind dies nicht weniger als 98 Prozent. Zum Medienkonsum (Sehen, Hören, Lesen) wird das Internet von 37 Prozent der Befragten genutzt. Der Rest verteilt sich auf individuelle Kommunikation wie dem Schreiben von Nachrichten mit Messenger-Diensten sowie Verrichtungen des Alltags wie Einkaufen, Recherchieren und Spielen. Im Bereich Social Media sind nach wie vor WhatsApp, Facebook und Instagram am relevantesten. Das Smartphone wird hierbei zum vielseitig nutzbaren Alltagsbegleiter. So steigt die Unterwegsnutzung sowohl zeitlich, als auch im Hinblick auf die Vielfältigkeit der Anwendungsarten durch Programme auf Smartphones (sog. “Apps“) jährlich an. Insbesondere Sprachassistenten - wie etwa “Siri“ von der Firma Apple - wurden von jedem respektive jeder dritten Deutschen schon einmal ausprobiert. (vgl. ARD/ZDF 2019a, vgl. ARD/ZDF 2019b)
Die D21-Studie kommt, was die Verbreitung des Internets betrifft, zu ähnlich ansteigenden Ergebnissen. Sie widmet sich - auf Basis von 20.406 allgemeinen und 2.052 vertieften Interviews zwischen August 2017 und Juli 2018 - jedoch tiefergehend Fragen nach dem Verhalten bzw. der Kompetenz und der Offenheit im Umgang mit bzw. gegenüber etablierten und neuen digitalen Anwendungen. Das Resultat wird dann im "Digital-Index" zusammengefasst, der den Digitalisierungsgrad auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten widerspiegelt. So ist der Digital-Index seit 2017 auf 55 von 100 Punkten und somit der Grad der Digitalisierung in der deutschen Bevölkerung gestiegen. In diesem Zusammenhang werden auch Beteiligungsfragen vor soziodemografischem Hintergrund beleuchtet. Die Digitale Gesellschaft teilt sich laut Index in drei Gruppen: "Digitale Vorreiter", "Digital Mithaltende" und "Digital Abseitsstehende" (vgl. Initiative D21 2019a, S. 6-7). Abbildung 1 liefert in Form einer Infografik die umfassenden Ergebnisse in kompakter Form.
Man kann also zusammenfassend sagen, dass zunehmend mehr Menschen online sind. Die Internetnutzung stellt sich heute sehr vielfältig und komplex dar. Auch die Anzahl der Nutzungsoptionen steigt weiterhin an. Dabei ist die mobile Nutzung weiter auf dem Vormarsch. Nach wie vor sind jedoch Bevölkerungsgruppen sozial-, herkunfts-, bildungs-, geschlechts- und altersbedingt sowie in Korrelation dieser Faktoren im digitalen Wandel benachteiligt, bis nahezu gänzlich ausgeschlossen.
2.2.4 Digitale Anwendungen
Es wurde verdeutlicht, dass die zunehmende Nutzung des Internets und der digitalen Technik heute tief in der Gesellschaft verankert ist. Die Schnelligkeit des Wandels und die Vielschichtigkeit der neuen Möglichkeiten erfordert ein Umdenken, eine Übersicht und die notwendige Kompetenz, um Soft- und Hardware Entwicklungen zu verstehen, bedienen und für die eigenen Zwecke nutzbar machen zu können. (vgl. Hoisl 2019, S. 12-13) Dies insbesondere in der derzeitigen sog. "dritten Welle des Internets", die auch als "Internet of Things" kurz “IoT“ betitelt wird. Dabei trifft Software auf traditionelle Produkte und verbindet respektive vernetzt diese über den Zugang zum Internet. Diese Konnektivität und Steuerung von außen ermöglicht völlig neue Produkte und Wertschöpfung. (vgl. a. a. O, S. 11) Hoisl prophezeit:
„Dies wird nach und nach immer mehr Produkte betreffen - möglicherweise ist irgendwann einmal jedes Produkt mit dem Internet verbunden, dann sind wir beim „Internet of Everything“ (IoE) angelangt" (a. a. O., S. 10).
Während sich also viele (soziale) Organisationen noch mit Möglichkeiten digitaler Zeiterfassung auseinandersetzen oder der Frage des Aufbaus einer eigenen Präsenz oder gar Strategie auf Social Media-Kanälen fröhnen, kommuniziert vielleicht der intelligente Heizungsthermostat im Büro des Geschäftsführers schon selbstständig und unbemerkt online mit dem Hersteller eben solchens oder lernt über künstliche Intelligenz das Nutzungsverhalten des Chefs auswendig. Sollte der es dann im Winter gerne überaus warm haben, so werden ihm eventuell im nächsten Jahr entsprechende Angebote zu qualitativ hochwertigeren Heizungsanlagen per E-Mail unterbreitet. Dieses Beispiel verdeutlicht sowohl die ungeahnten Chancen, als auch exemplarisch eine der Risiken der Digitalisierung. Nämlich, das weitere und gänzlich nicht mehr nachvollziehbare Sammeln (persönlicher) Daten und den damit verbundenen, fortschreitenden Verlust von Privatsphäre sowie beispielsweise die Ermöglichung der politischen und/ oder wirtschaftsinteressengeleiteten Steuerung und Einflussname durch übergeordnete Systeme.
Pölzl und Wächter liefern eine gelungene Übersicht zu den oben angedeuteten Entwicklungen und zukünftigen Anwendungsszenarien. Sie nennen diese “Schichten der digitalen Anwendungen“. (vgl. 2019, S. 58) Daraus ergeben sich dann Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeitenden sowie an die “digitalen Reifegerade“ der Organisation.
2.3 Digitalisierung als Transformationsprozess
2.3.1 Tiefgreifende Veränderungen
"Pictures came and broke your heart“, sangen "The Buggles" im Jahr 1979 in ihrem Song „Video Killed The Radio Star“. Die Hitsingle war damals ein ironischer Beitrag zu der Angst vor technischen Neuerungen. Mit dem entsprechenden Videoclip begann der Musiksender MTV 1981 gleichfalls sein Programm in den USA. Es war das erste dort gezeigte Musikvideo und verwies - wie die Buggies 1979 bereits erahnten oder befürchteten - die bis dato seit Jahrzehnten herrschende Vormachtstellung des Mediums Radio zur Verbreitung sowie Vermarktung von Musik in ihre Grenzen. (vgl. Video Killed the Radio Star 2019) Kurz zuvor hielt der Videorekorder Einzug in die Privathaushalte, was massive Einbußen der Zuschauerzahlen in Kinos zur Folge hatte. Etwa im selben Zeitraum verdrängte die Compact Disc die Vinyl-Schallplatte. In diesem Kontext lassen sich noch viele weitere Beispiele finden. Die populären Beispiele werden auch als “disruptive Innovationen“ bezeichnet und sollen zweierlei verdeutlichen: zum einen sind die durch den digitalen Wandel eintretenden Veränderungen schnell und tiefgreifend. Teilweise lassen sie Unternehmen obsolet werden, ja überrennen sogar ganze Branchen. Auf der anderen Seite können sie unser bisheriges Verhalten, unsere Gewohnheiten, unsere Kommunikation, unsere Denkweisen, unser Konsumverhalten - wenn nicht sogar unser Leben - verändern. (vgl. BMAS 2017, S. 20)
Auf der gesellschaftlichen Ebene werden diese Veränderungen oft vor dem Hintergrund der sog. “VUCA-Welt“ besprochen. Dieser Begriff entstand im militärischen Kontext. Es galt Phänomene greifbar zu machen, die sich seit dem Ende des “Kalten Krieges“ - also etwa ab 1991 - zunehmend gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich zeigten. Vieles wurde im Zuge der voranschreitenden Globalisierung undurchsichtiger, änderte sich oder verschwand. Im Ergebnis griffen alte Muster und Schwarz-Weiß-Denken nicht mehr. Man entdeckte zunehmend Grautöne. Das Acronym “VUCA“ steht in diesem Zusammenhang für “Volatility (Volatilität)“, “Uncertainty (Unsicherheit/Unklarheit)“, “Complexity (Komplexität)“ und “Ambiguity (Mehrdeutigkeit)“. Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit, der Umfang und die Dynamik von Veränderungen immer größer werden (V). Dabei wird die Vorhersehbarkeit von Themen und Ereignissen geringer (U). Gleichzeitig steigt die Anzahl von Handlungsmöglichkeiten und Sichtweisen (C). Die Welt wird also zunehmend unschärfer - Informationen und Ereignisse vielfach deutbar (A). (vgl. Lenz 2019, S. 51-53)
Die starken und umfassenden Veränderungen durch Megatrends stellen einen disruptiven Wandel dar. Sie stören und hinterfragen das Bestehende und veranlassen Gesellschaft, Organisationen und Individuum zu nachhaltigem Umdenken und flexiblem Agieren. Und: Sie bedingen und verstärken sich gegenseitig. Wenn auch die Ausmaße bzw. Auswirkungen der Veränderungen durch die angesprochenen Megatrends durchaus unterschiedlich diskutiert werden (vgl. etwa: Wertewandel durch die soziologischen Generationenbeschreibungen), so ist der durch die Digitalisierung induzierte Wandel kaum anzuzweifeln. Wie oben dargestellt hält er seit Jahrzehnten Einzug. Digital getriebene, disruptive Innovationen sind für Unternehmen mehr als real - hierfür findet man viele Beispiele. Der Wandel wird auch die Geschicke der Organisationen in der Sozialwirtschaft leiten. (vgl. Kreidenweis in Geyer 2018a) Bestenfalls findet die Disruption dort aufgrund der zumeist zur Erwerbswirtschaft unterschiedlichen Finanzierungsarten - wie etwa Leistungsvereinbarungen - und dem damit abgeschwächten Marktdruck, zeitlich versetzt oder weniger drängend statt. (vgl. ebd.)
Die Digitalisierung durchdringt mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Ob diese Entwicklung auf dem “alten Kontinent“ Europa noch bezweifelt wird, kümmert Tech-Unternehmer und Innovatoren wie etwa Elon Musk (ehemaliges Unternehmen „PayPal“ (Online-Bezahldienst), aktuell “Tesla“ (Elektroautomobile) und “SpaceX“ (Raketen bzw. private Raumfahrt)) im amerikanischen Silicon Valley vermutlich wenig. Auch die richtige und wichtige Kritik aus ökologischer Sicht wird im digitalen Goldrausch bedauerlicherweise zur Randnotiz. (vgl. Hill, Sagebiel 2019, S. 77) Stattdessen plant Musk aktuell eine Fabrik für sein Elektroauto in Brandenburg und holt somit die Disruption von Kalifornien in die Nähe von Berlin. Somit mitten ins Herz Europas und der ohnehin angeschlagenen deutschen Autoindustrie. Die Stimmen für und wider überschlugen sich binnen Stunden nach dessen Ankündigung. (vgl. Schade 2019) Ebenso wenig wird es den staatlich verordneten und gelenkten Kapitalismus in China davon abhalten, durch Algorithmen die Vorlieben sowie Verhaltensweisen und sogar das soziale Verhalten der Bürger*innen umfassend zu dokumentieren und zu verwerten. Wie Gerd Leonhard es formuliert, wird „Science Fiction immer mehr zur Science Fact“ (2019). Im Umgang mit Trends mahnt allerdings Preissler zur Umsicht und Reflektion. So seien diese immer im Zusammenhang zu sehen und es müsse sich stets die Frage nach den Akteuren gestellt werden: „Wer formuliert was mit welchen Zielen? Wer ist von den formulierten Trends betroffen? In welcher Weise (Profiteure und Verlierer)?“ (2017, S. 27). Dennoch hätten Trends ihren Wert und müssten für die Gestaltung der Zukunft mitbedacht werden. (vgl. ebd.)
2.3.2 Arbeit in der digitalisierten Welt
Die Digitalisierung stellt heute einen umfassenden Wandel aller Lebensbereiche dar. Sie nimmt gleichermaßen tiefgreifend Einfluss auf Arbeit und Wirtschaft. Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft:
„Die 'Vier' in Industrie 4.0 steht in Deutschland für den Begriff der 'vierten industriellen Revolution'. In der deutschen Wirtschafts- und Industriegeschichte gab es also bereits drei vorangegangene, tiefgreifende Veränderungen der Produktionsmethoden" (Wagner, R.M. 2018, S. 3).
Eine Übersicht zu den drei vorherigen industriellen Revolutionen liefern Pölzl und Wächter. (vgl. 2019, Abbildung 4 S. 33)
„Die vierte industrielle Revolution [...] ist [nun] insbesondere gekennzeichnet durch die Integration des Internets in bestehende Geschäftsmodelle und die Vernetzung von internen und externen Wertschöpfungsketten. Produktionsanlagen, Komponenten, Produkte und Logistikketten werden mit dem Internet verknüpft und miteinander verbunden. Hieraus entwickelt sich das „Internet der Dinge und Dienste“. (Wagner, R.M. 2018, S. 4)
„Im Dialog Arbeiten 4.0 steht die Digitalisierung als derzeit wichtigster Treiber im Mittelpunkt. Sie steht als Schlagwort für die informationstechnologisch getriebenen Veränderungen von Wirtschaft und Arbeit insgesamt." Zu dieser Erkenntnis gelangt das Weißbuch 4.0, die Studie des BMAS zur Zukunft der Arbeit aus dem Jahre 2017. (S. 19) Der Begriff "Arbeit 4.0" ist in aller Munde und auch vor oben ausgeführtem Hintergrund zur "Industrie 4.0" zu verstehen. Im digitalen Wandel verändern sich Arbeitsformen und Arbeitsbedingungen, was mit Chancen und Risiken verbunden ist. (vgl. Jürgens, Hoffmann, Schildmann 2017, S. 8-10) Die Digitalisierung bietet „[...] neue technologische Grundlagen und Kommunikationsmittel für die Zusammenarbeit, die Produktion, die Organisation von Unternehmen und den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen [...]“ (vgl. BMAS 2017, S. 18). Dies ist in Bezug auf den Fortschritt in der Technologie sowie der Entwicklung neuer Medien seit dem Beginn der industriellen Revolution nicht unbedingt etwas Neues. (vgl. ebd.) Neu seien jedoch „[...] die Tiefe und das Tempo der Veränderungen" (ebd.). "Arbeit 4.0" beinhaltet im Sinne einer Veränderung der Organisationen viele Aspekte. Rump und Eilers arbeiten vier “Spannungsfelder in der Arbeitswelt von morgen" heraus, die die verschiedenen Herausforderungen für Organisationen zusammenfassen. (Rump, Eilers 2020, Abb. 1 S. 3) Hier wird deutlich, dass die einzelnen Felder schon für sich genommen sehr komplex sind und große Anforderungen an moderne Organisationen stellen. Darüber hinaus ist aber auch zu erkennen, dass die Entwicklungen eng miteinander Zusammenhängen und auch nur in dieser ganzheitlichen Betrachtung - wie folgt - gewinnbringend strategisch behandelt werden können:
- „Business 4.0 (Traditionelle Geschäftmodelle - Digitale Geschäftsmodelle; Kostendruck - Innovationsdruck; Security - Flexibility)
- Führung 4.0 (Change - Transformation; Transaktionale Führung - Transformationale Führung; Kontrolle - Vertrauen)
- Beschäftigte 4.0 (Bewahren - Verändern; Personalanpassung - Fachkräfteengpass)
- Organisation 4.0 (Linienorganisation - Agile Organisation; Agilität - Flexibilität; Stationäre Arbeit - Mobile Arbeit; Erreichbarkeit - Verfügbarkeit; Beruf - Privatleben)“ (ebd. 2020, Abb. 1 S. 3).
Als Reaktion auf diese Entwicklungen beginnen Organisationen darüber nachzudenken, wie Arbeit neu gestaltet werden kann. In der einschlägigen Literatur lassen sich diesbezüglich Schlagwörter wie "Unternehmensdemokratie", "Werteorientierung", "Sinnentfaltung", "Innovationsfähigkeit", "Flache Hierarchien" beobachten. Es wird sogar über "Neue Arbeit" nachgedacht. (vgl. Väth 2016; vgl. Hackl et al. 2017)
2.3.3 Digitalisierung und Wertschöpfung
Die Digitalisierung führt neue Technologien ein, die bestehende Märkte ändern und gänzlich neue erschaffen bzw. generell erst ermöglichen kann. Sie bringt demnach neue Angebote und Geschäftsmodelle mit sich. Per elektronischer Netze werden heute Transaktionen von Produkten, Geld und Informationen vermittelt. Bisherige Wege der Produktion und Distribution verändern sich. So wird der internationale Wettbewerb globalisiert, Transport und Logistik zeigen sich durch die Vernetzung kostengünstiger und weltweit kann nach den vorteilhaftesten Standorten und Absatzmärkten gesucht werden. Die außenwirtschaftlichen Verflechtungen der Produktions- und Absatzmärkte verdichten sich so, dass es zu einem weltweiten Arbeiten an einem Projekt bzw. Produkt online, rund um die Uhr kommen kann. Diese Potentiale gelten für nahezu alle Wirtschaftsbereiche, da die IT nicht auf einzelne Industrie- und Dienstleistungsbereiche beschränkt ist. Es treten auch gänzlich neue, oft unerwartete Wettbewerber auf den Plan. Um abzuschätzen welchen enormen Einfluss die Digitalisierung auf die Wirtschaft, hat genügt ein Blick auf die Liste der wertvollsten Unternehmen. Es fällt auf, dass 2018 insgesamt fünf Technologiekonzerne an der Weltspitze zu finden sind. (vgl. Thalhammer 2018)
Eine wichtige Entwicklung ist dabei vor allem die sog. "Verplattformung". So bieten die weltweit größten Unternehmen (z. B. im Medienbereich "Amazon") respektive Anbieter von Dienstleistungen ("Uber" o. "Airbnb") ihre Produkte und Dienstleistungen auf OnlinePlattformen an. Damit finden sie den direkten Zugang zum Endkunden, ohne etwa über den Einzelhandel gehen zu müssen. Ab einer bestimmten Größe entscheiden sie demgemäß auch solitär über die Preisgestaltung. Und: sie besitzen keine eigenen Produktionsstätten und/ oder produzieren selbst nichts. So gehört beispielsweise dem weltweit größten Anbieter von Unterkünften - dem Unternehmen Airbnb - keine der von ihm millionenfach und global angebotenen Immobilien. (vgl. Wolff 2017, S. 70) Gleichzeitig erzielt er enorme Einnahmen durch Werbung und unterschiedliche Gebühren-Modelle. Das Unternehmen stellt dabei also lediglich die Plattform zur Verfügung, d. h. bietet die Möglichkeit und liefert die digitale Infrastruktur. Chancen und Risiken von Plattformen für soziale Dienstleistungen untersucht Kreidenweis. (vgl. 2019b, S. 187-185) Er kommt zu dem Ergebnis: „Der Plattform-Markt wird als Herzstück des digitalen Wandels auch die Sozialwirtschaft verändern“ (a. a. O, S. 188). Ein Beispiel beschreibt Cornelia Röper. (vgl. 2019) Weitere Entwicklungen stellen digitale Produkte (Assistenzsysteme, IoT) und die durch KI und Robotik ermöglichten Produkte und Dienstleistungen dar. Hier sind derzeit vor allem "ChatBots" (z. B.: Kundenservice einer Krankenkasse antwortet der Kundin über Telefon oder Internet-Chat nicht menschlich, sondern durch/als KI), medizinische Diagnostik über Großrechner oder Roboter in der Pflege zu nennen. (vgl. Abb. 2)
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- Quote paper
- Sascha Eckerle (Author), 2020, Digitale Veränderungen in sozialen Organisationen. Herausforderungen für Führungskräfte und aktuelle Entwicklungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/934516
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