Nachdem zu Beginn die Charakteristika und das grundlegende Geschäftsmodell in Form der elementaren Funktion und insbesondere drei zentrale Geschäftssparten von mittelständischen Banken vorgestellt werden, ist ein wesentliches Ziel dieser Arbeit, anhand einer umfangreichen Datenerhebung bei mittelständischen Banken eine Beurteilung des derzeitigen Marktumfelds aus der Perspektive von Vorstandsmitgliedern zu ermitteln. Darüber hinaus wird insbesondere herausgearbeitet, welche Maßnahmen mittelständische Institute ergreifen, um eine Verbesserung der Geschäftssituation anzustreben – also welche konkreten, eigene Antworten sie auf die eingangs kurz umrissenen aktuellen Herausforderungen haben.
In der Konsequenz sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, in welche Richtung sich ihre Geschäftsmodelle entwickeln müssen, um sich auch in Zukunft unter den Einflüssen der zunehmenden Regulatorik, des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes und der Digitalisierung mit den sich hieraus ergebenden Kundenanforderungen gegen neue Mitbewerber behaupten zu können. Um die gewonnenen Erkenntnisse aus der Befragung bewerten zu können, werden im ersten Teil der Arbeit die für mittelständische Kreditinstitute bedeutendsten Geschäftsfelder, darunter der Zahlungsverkehr, die Anlage- und Vermögensberatung und das Kreditgeschäft vorgestellt. Dabei soll deutlich werden, warum sich die empirische Untersuchung mit gerade diesen Kernbereichen beschäftigt. Darüber hinaus erfordert es auch ein Verständnis darüber, welche Bedingungen den Bankenmarkt derzeit prägen und warum das die Regionalinstitute nicht nur vor große Herausforderungen stellt, sondern mittelfristig sogar ihre Existenz bedroht.
Daher werden im zweiten Abschnitt dieser Arbeit die vier entscheidenden Marktveränderungen analysiert und die für die entsprechende Einordnung der Studienergebnisse notwendigen Zusammenhänge zu den Geschäftsfeldern dargestellt. Bevor auf die eigentliche empirische Befragung eingegangen und die Ergebnisse hieraus präsentiert werden, wird in Kapitel vier das darauf aufbauende methodische Vorgehen erläutert und der zugrunde gelegte Datenpool charakterisiert. Die Arbeit stützt sich dabei auf die Sichtung wissenschaftlich fundierter Literatur sowie den Ergebnissen aus der Befragung. Im Anschluss daran werden die Einschätzungen der Studienteilnehmer inkl. der genannten Maßnahmen ausgewertet, diskutiert und über alle befragten Finanzinstitute hinweg verglichen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Funktionen und Geschäftsfelder von mittelständischen Banken
2.1 Charakteristika mittelständischer Banken
2.2 Die Vermittlungsrolle mittelständischer Banken
2.3 Abwicklung des Zahlungsverkehrs als Basis der Kundenbeziehung
2.4 Anlage- und Vermögensberatung für Privat- und Firmenkunden
2.5 Kreditvergabe als Kerngeschäft einer mittelständischen Bank
3. Wesentliche Änderungen im Marktumfeld von mittelständischen Banken
3.1 Verstärkte regulatorische Anforderungen
3.2 Makro- und sozioökonomische Entwicklungen
3.3 Technologie und Digitalisierung
3.4 Verändertes Kundenverhalten und damit verbundene Nachfrage nach Finanzdienstleistungen
4. Empirische Untersuchung: Gestaltung der Befragung und Charakterisierung des Datenpools
5. Empirische Untersuchung: Wahrgenommene Auswirkungen der veränderten Marktbedingungen auf mittelständische Banken
5.1 Beurteilung des derzeitigen Marktumfelds
5.2 Auswirkungen auf ausgewählte Geschäftsfelder mittelständischer Banken und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Profitabilität
5.2.1 Zahlungsverkehr
5.2.2 Anlage- und Vermögensberatung
5.2.3 Kreditgeschäft
5.3 Maßnahmenpakete mittelständischer Kreditinstitute
5.4 Bewertung der Zukunftsaussichten
6. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
Abs. Absatz
BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BBL Betriebswirtschaftliche Blätter
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
BMF Bundesministerium der Finanzen
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
ca. circa
d.h. das heißt
DSGV Deutscher Sparkassen und Giroverband
e. V. eingetragener Verein
EBA European Banking Authority
ebd. ebenda
ESMA European Securities and Markets Authority
et al. et alii/et aliae/und andere
etc. et cetera
ETF Exchange Traded Fund
EUR Euro
EY Ernst & Young
EZB Europäische Zentralbank
f folgende
ff fortfolgende
gem. gemäß
ggf. gegebenenfalls
GKM Geld- und Kapitalmarkt
GuV Gewinn- und Verlustrechnung
Hrsg. Herausgeber
inkl. inklusive
KI Künstliche Intelligenz
KMU kleine und mittlere Unternehmen
KWG Kreditwesengesetz
Mio. Millionen
Mrd. Milliarden
Nr. Nummer
PSD Payment Services Directive
Rn. Randnummer
S. Seite
sog. so genannte
u.a. unter anderem
v.a. vor allem
Vgl. Vergleiche
VÖB Verband öffentlicher Banken
z.B. zum Beispiel
ZfgG Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen
ZfgK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Marktanteile je Bankengruppe in Deutschland (in 2018)
Abb. 2: Anteil des Zinsüberschusses an den operativen Erträgen deutscher Bankengruppen
Abb. 3: Zahlenmäßige Entwicklung der Rechtsnormen seit der Finanzkrise
Abb. 4: Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds auf das Zinsergebnis von Banken bei konstantem Zinsniveau
Abb. 5: Wirkung der Digitalisierung auf den klassischen Kontaktkanal von Banken
Abb. 6: Bewertung der operativen Geschäftsentwicklung in den vergangenen 12 Monaten
Abb. 7: Erwartung der operativen Geschäftsentwicklung in den kommenden 12 Monaten
Abb. 8: Beurteilung des Geschäftsfelds mit dem höchsten Wachstumspotenzial
Abb. 9: Bedeutsame Herausforderungen für mittelständische Institute in naher Zukunft
Abb. 10: Optimierungspotenzial in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs
Abb. 11: Bewertung von Maßnahmen zur Steigerung der Profitabilität im Zahlungsverkehr
Abb. 12: Optimierungspotenzial in der Anlage- und Vermögensberatung
Abb. 13: Anwendung von Robo-Advisor und KI-basierten Anlageberatungsmethoden
Abb. 14: Bewertung von Maßnahmen zur Steigerung der Profitabilität in der Anlageberatung
Abb. 15: Optimierungspotenzial im Kreditgeschäft
Abb. 16: Bewertung von Maßnahmen zur Steigerung der Profitabilität im Kreditgeschäft
Abb. 17: Zusätzlich genannte Maßnahmen zur Erhaltung des Geschäftsmodells
Abb. 18: Herausforderungen im Bankumfeld in den kommenden 12 Monaten
Abb. 19: Faktoren zur Aufrechterhaltung des mittelständischen Bankgeschäftsmodells
1. Einleitung
Die letzten Jahre waren für deutsche Banken mehr als herausfordernd. Mit Blick auf die jüngsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen innerhalb der Finanzdienstleistungsbranche wird deutlich, dass sich die Situation nationaler und insbesondere mittelständischer Kreditinstitute1 noch weiter verschärft.2 Die gesamte Bankenlandschaft befindet sich so stark im Umbruch wie bisher noch nie. Die hierfür ausschlaggebenden Gründe können im veränderten Marktumfeld gefunden werden: mit der Verabschiedung neuer regulatorischer Anforderungen, der Verarbeitung der Nachwirkungen der Finanzkrise, technologischen Innovationen und daraus resultierenden veränderten Kundenbedürfnissen haben sich die Marktbedingungen für Banken nachhaltig verändert.3 Alleine die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank wirkt sich schon massiv auf die Geschäftstätigkeit und damit auf die Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) vieler mittelständischer Banken aus: so sind in den letzten Jahren schon drastisch sinkende Passivmargen in Verbindung mit sinkenden Margen im Aktivgeschäft zu beobachten, was dazu führt, dass die Erträge im Kundengeschäft einbrechen. Zusätzlich lassen sich auch nur noch geringe Profite aus der Eigenkapitalanlage erwirtschaften, während der Wettbewerb durch den Non-Banking-Sektor, insb. durch sog. FinTechs, steigt und digitalisierte Prozesse das klassische Bankgeschäft zunehmend verändern. Darüber hinaus beeinflussen auch veränderte Kundenanforderungen die strategische Ausrichtung von Banken. Folglich müssen sie die Kundenbedürfnisse wieder stärker ins Zentrum der Geschäftspolitik rücken und dabei gleichzeitig den immer höheren regulatorischen Anforderungen der Bankenaufsicht gerecht werden. Diese Entwicklungen haben erst begonnen und werden vor allem auch die Zukunft mittelständischer Banken prägen. In der Konsequenz stehen sie daher vor massiven geschäftspolitischen Herausforderungen bis hin zur Frage, ob ihr bisheriges Geschäftsmodell, das über sehr lange Zeit sehr erfolgreich war, auch weiterhin noch tragfähig sein kann. Da Deutschland traditionell als bankenfinanziert gilt4 und mittelständische Kreditinstitute im deutschen Bankwesen eine gewichtige Rolle einnehmen, haben solch drastische Entwicklungen weitreichende Folgen – denn die „großen Veränderungen unserer Zeit machen auch vor dem deutschen Bankenmarkt nicht halt.“5 Abbildung 1 zeigt die Marktanteile der in Deutschland vorherrschenden Bankengruppen nach ihrem Geschäftsvolumen im Jahr 2018. Zum Ende des Jahres belief sich das gesamte Geschäftsvolumen des Bankenmarkts in Deutschland auf rund 7.200 Milliarden Euro, von dem etwas über 50 % auf mittelständische Institute (darunter Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und mittelständische Privatbanken) entfallen.6
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 : Marktanteile je Bankengruppe in Deutschland (in 2018) 7
Die bestehenden Herausforderungen sind es folglich wert, sich intensiv mit den Gründen, Inhalten und vor allem mit möglichen Handlungsoptionen der mittelständischen Banken zu beschäftigen, um Maßnahmen, Lösungswege und die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle zu diskutieren.8
Nachdem zu Beginn die Charakteristika und das grundlegende Geschäftsmodell in Form der elementaren Funktion und insbesondere drei zentrale Geschäftssparten von mittelständischen Banken vorgestellt werden, ist ein wesentliches Ziel dieser Arbeit, anhand einer umfangreichen Datenerhebung bei mittelständischen Banken eine Beurteilung des derzeitigen Marktumfelds aus der Perspektive von Vorstandsmitgliedern zu ermitteln. Darüber hinaus wird insbesondere herausgearbeitet, welche Maßnahmen mittelständische Institute ergreifen, um eine Verbesserung der Geschäftssituation anzustreben – also welche konkreten, eigene Antworten sie auf die eingangs kurz umrissenen aktuellen Herausforderungen haben. In der Konsequenz sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, in welche Richtung sich ihre Geschäftsmodelle entwickeln müssen, um sich auch in Zukunft unter den Einflüssen der zunehmenden Regulatorik, des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes und der Digitalisierung mit den sich hieraus ergebenden Kundenanforderungen gegen neue Mitbewerber behaupten zu können. Um die gewonnenen Erkenntnisse aus der Befragung bewerten zu können, werden im ersten Teil der Arbeit die für mittelständische Kreditinstitute bedeutendsten Geschäftsfelder, darunter der Zahlungsverkehr, die Anlage- und Vermögensberatung und das Kreditgeschäft vorgestellt. Dabei soll deutlich werden, warum sich die empirische Untersuchung mit gerade diesen Kernbereichen beschäftigt. Darüber hinaus erfordert es auch ein Verständnis darüber, welche Bedingungen den Bankenmarkt derzeit prägen und warum das die Regionalinstitute nicht nur vor große Herausforderungen stellt, sondern mittelfristig sogar ihre Existenz bedroht. Daher werden im zweiten Abschnitt dieser Arbeit die vier entscheidenden Marktveränderungen analysiert und die für die entsprechende Einordnung der Studienergebnisse notwendigen Zusammenhänge zu den Geschäftsfeldern dargestellt. Bevor auf die eigentliche empirische Befragung eingegangen und die Ergebnisse hieraus präsentiert werden, wird in Kapitel vier das darauf aufbauende methodische Vorgehen erläutert und der zugrunde gelegte Datenpool charakterisiert. Die Arbeit stützt sich dabei auf die Sichtung wissenschaftlich fundierter Literatur sowie den Ergebnissen aus der Befragung. Im Anschluss daran werden die Einschätzungen der Studienteilnehmer inkl. der genannten Maßnahmen ausgewertet, diskutiert und über alle befragten Finanzinstitute hinweg verglichen. In einem Fazit folgt eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse, bevor die Arbeit mit einem Ausblick in die Zukunft abschließt.
2. Funktionen und Geschäftsfelder von mittelständischen Banken
2.1 Charakteristika mittelständischer Banken
Der Wettbewerb in der deutschen Bankenlandschaft wird durch eine Vielzahl von Kreditinstituten mit sich unterscheidenden Geschäftsmodellen geprägt.9 Die Bandbreite reicht von Großbanken, die international agieren bis hin zu kleineren und mittelständischen Instituten, die überwiegend regional ausgerichtet sind. Letztere sind es, die im Rahmen dieser Arbeit im Zentrum der Betrachtung stehen. Führt man sich das typische Drei-Säulen-System des deutschen Bankenmarkts10 vor Augen, liegt der Fokus der zu untersuchenden Finanzinstituten im Folgenden auf Sparkassen, genossenschaftlich organisierten Instituten und mittelständischen Privatbanken. Diese zeichnen sich durch spezifische Charakteristika aus und heben sich vor allem dadurch von anderen Bankengruppen ab. Ein entscheidendes Merkmal liegt in ihrer dezentralen Geschäftstätigkeit: sie sind anders als Großbanken auch in ländlichen Regionen vertreten, da sie beispielsweise durch Kreditvergaben stets eng in die örtliche Wirtschaft eingebunden sind.11 Als regional verankerte Institute sehen sie sich auch in einer besonderen Verantwortung für ihr Geschäftsgebiet12, weswegen sie gesellschaftliches Engagement wahrnehmen und einen Teil ihrer Gewinne in Form von Spenden, Stiftungen und Förderungen an Vereine, Institutionen und gemeinnützige Projekte in ihrer Region zurückgeben. Sie verstehen es als ihren Auftrag, die örtliche Bevölkerung mit allen grundlegend notwendigen Finanzdienstleistungen zu versorgen und konzentrieren sich somit – verglichen mit den Großbanken – viel stärker auf das Privat- und mittelständische Firmenkundengeschäft.13 Aufgrund ihrer dezentralen Struktur und der daraus resultierenden Nähe vor Ort bleiben sie sowohl für Privatpersonen, als auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der wichtigste Kreditgeber.14 Das belegen auch Studienergebnisse von Becker et al., die die Situation mittelständischer Betriebe und daraus resultierender Tendenzen für die Kreditfinanzierung untersucht haben.15 Dabei konnten sie zeigen, dass die Hausbank als der wichtigste Partner für diese Unternehmen betrachtet wird und lokale Unternehmen für lokale Banken ebenfalls besonders attraktive Geschäftspartner sind. Demnach pflegt ein Großteil der untersuchten Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu einer Bank in der Region und ist damit auch besonders zufrieden.16 Durch ihre Filialstruktur können sie als unmittelbarer Ansprechpartner fungieren, wobei ihre Geschäftsmodelle von der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über die Vermögensverwaltung bzw. Anlageberatung bis hin zum Privat-, Gewerbe- und Firmenkundenkreditgeschäft reichen, die jeweils in den folgenden Kapiteln betrachtet und erläutert werden.
2.2 Die Vermittlungsrolle mittelständischer Banken
Um die Bedeutung der Bankenlandschaft für den gesamten Wirtschaftskreislauf nachvollziehen zu können, muss dargestellt werden, welche Hauptfunktionen die Finanzinstitute in ihrer Rolle erfüllen. Mittelständische Kreditinstitute, auf die in dieser Arbeit der Fokus gerichtet ist, zeichnen sich wie in Kapitel 2.1 erläutert, insbesondere durch die Verankerung in der Region und der Nähe zu ihren Kunden17 aus. In der Regel wird diesen Kunden das gesamte Produktportfolio mit standardisierten Leistungen angeboten, da sich die Kundenbedürfnisse der Hauptzielgruppe vorwiegend auch auf die grundlegenden Finanzdienstleistungen konzentrieren.18 Darüber hinaus reicht das Geschäftsmodell von mittelständischen Banken von der reinen Vermögensverwaltung über das Privat- und Unternehmenskundengeschäft bis zum Verbundgeschäft und Investmentbanking. Sie repräsentieren damit auch die Vielfalt des deutschen Bankenmarktes und stellen eine entscheidende Säule unserer Bankenlandschaft dar. Das klassische Bankgeschäft, wie wir es von mittelständischen Kredithäusern kennen, besteht darin, dass Banken als Finanzintermediäre eine Vermittlerrolle einnehmen. Über viele Jahrzehnte hinweg haben sie sich erfolgreich als Bindeglied zwischen Sparern und Kreditnehmern positioniert, indem sie Gelder der Kapitalgeber entgegennehmen und diese an Kapitalnehmer weitergeben.19 Im Gegensatz zum frei zugänglichen Kapitalmarkt schaffen sie „nicht nur einen Platz, wo sich Angebot und Nachfrage treffen können, sondern treten selbst als Marktteilnehmer auf.“20 Um zu verstehen, weshalb sich mittelständische Kreditinstitute besonders gut als Vermittler eignen, hilft es, sich in die Lage von Sparern und Kreditnehmern hineinzuversetzen: Sparer auf der einen Seite möchten ihr Geld in ganz unterschiedlichen Stückelungen möglichst kurzfristig verfügbar und mündelsicher anlegen, während Kreditnehmer auf der anderen Seite einen gleichbleibenden und häufig größeren Geldbetrag für einen festgelegten Zeitraum aufnehmen möchten, bei dem zudem die Rückzahlung nicht uneingeschränkt gesichert ist. In der Konsequenz erschweren diese gegensätzlichen Bedürfnisse eine unmittelbare Einigung zwischen spezifischen Sparern und Kreditnehmern. Hinzu kommt, dass die Einschätzung und Überwachung der Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer gerade für den durchschnittlichen Sparer, der mit dem Finanzgeschäft in seiner Komplexität nicht vertraut ist, kaum gewährleistet werden kann. Aus diesem Grund erfüllen die Banken neben der Koordination von Angebot und Nachfrage und einer Reduzierung von Informationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien im Wesentlichen drei zentrale Transformations-funktionen: die Losgrößen-, Risiko- und Fristentransformation.21 Da im Rahmen dieser Masterarbeit neben dem Zahlungsverkehr das Kredit- und Einlagengeschäft und damit die Transformationsleistungen der mittelständischen Geldhäuser im Fokus stehen, sollen diese vorab erläutert werden. In der Praxis kann nicht davon ausgegangen werden, dass Kapitalgeber und -nehmer immer dieselben Beträge anlegen bzw. aufnehmen möchten, d.h. dass einzelne Anlagesummen und Kreditausreichungen in ihrer Höhe häufig nicht übereinstimmen. Im Rahmen der Losgrößentransformation vereinen Kreditinstitute die Erwartungen von Kapitalgebern und -nehmern bezüglich des aufzunehmenden bzw. des zu investierenden Kapitals.22 Oft ergibt sich diese Transformationsleistung schon aus der Kundenstruktur von mittelständischen Banken, bei der die Anzahl der Kunden im Passivbereich deutlich höher ist als der im Aktivbereich.23 Sie wirken als Intermediäre, indem sie Angebot und Nachfrage durch eine Poolbildung ausgleichen und so die Funktion der Größentransformation erfüllen.24 Die zweite grundlegende Transformationsleistung, die ein Kreditinstitut für seine Kunden erbringt, bildet die sog. Risikotransformation.25 Sie zeichnet sich dadurch aus, dass Banken die unterschiedlichen Erwartungen über die Risikostruktur angebotener und nachgefragter Finanzmittel ausgleichen.26 Dadurch gelangen sie in die Position, relativ unsichere Kredite in nahezu vollkommen sichere Einlagen umzuwandeln zu können. Durch eine stetige Kreditüberwachung, einer entsprechenden Ausgestaltung der Verträge und weiteren bankinternen Maßnahmen (z.B. Portfoliobildung oder Haftung durch Eigenkapital) sind mittelständische Institute in der Lage, diese Funktion auszuüben.27 Dabei übernimmt die Bank ein mögliches Kreditausfallrisiko und vereinnahmt im Gegenzug dafür eine Risikoprämie. Darüber hinaus gehen auch die Laufzeiten, in denen die unterschiedlichen Marktteilnehmer ihre Gelder anlegen oder aufnehmen wollen auseinander, sodass kurzfristig orientierte Sparer mittel- bis langfristig orientiertem Kapitalbedarf gegenüberstehen können.28 Ein Finanzintermediär bringt im Kontext seiner Fristentransformationsfunktion die unterschiedlichen Laufzeiten „für Kapitalanlage und Kapitalaufnahme durch Ausgleich von Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung“.29 Mittelständische Banken gleichen die Unterschiede in den Zeithorizonten zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten im täglichen Bankgeschäft zum Beispiel dadurch aus, indem sie langfristige Unternehmenskredite durch kurzfristige Einlagen privater Anleger finanzieren.30 Da die Fristentransformation für die Bank risikobehaftet sein kann, muss sie die Strukturen der Aktiv- und Passivseite so gestalten, dass für sie aus den unterschiedlichen Fristigkeitsstrukturen beider Bilanzseiten keine Liquiditätsengpässe resultieren.31 Die einzelnen Geschäftsfelder werden nicht bei allen mittelständischen Banken identisch unterteilt und bezeichnet. Um ein einheitliches Verständnis über die bedeutendsten Geschäftstätigkeiten von mittelständischen Banken zu gewinnen und die Erkenntnisse aus der späteren empirischen Untersuchung richtig einordnen zu können, werden in den folgenden Kapiteln die zentralen Geschäftssparten Zahlungsverkehr, Anlage- bzw. Vermögensberatung und Kreditgeschäft vorgestellt.
2.3 Abwicklung des Zahlungsverkehrs als Basis der Kundenbeziehung
Ein bedeutendes und für ein mittelständisches Institut mit vielen Privat- und Firmenkunden ertragsreiches Geschäftsfeld ist die Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Damit wird in diesem Kontext die Gesamtheit aller Zahlungsvorgänge verstanden, die durch Kundenaufträge ausgeführt werden.32 Gemäß § 1 KWG ist die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ein elementares Bankgeschäft. Zur Funktionsweise und detaillierten Beschreibung des Zahlungsverkehrs wird an dieser Stelle auf die Ausführungen von Hartmann-Wendels et al.33 verwiesen, da dies den Rahmen dieser Masterarbeit übersteigen würde. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hier vielmehr die Bedeutung des Zahlungsverkehrs für den Erfolg von mittelständischen Banken. Obwohl in der öffentlichen Wahrnehmung eher unspektakulär, stellt er dennoch im Rahmen der Bankdienstleistungsangebote einen unverzichtbaren Kernprozess in allen Sparkassen, Volks- und Privatbanken dar34 und ist folglich Basis der Bank-Kunde-Beziehung. Bankkunden haben eine eindeutige Erwartungshaltung gegenüber Zahlungsverkehrsdienstleistungen: sie müssen „einfach, kostengünstig, schnell und sicher“35 sein. Wenngleich die Abwicklung des Zahlungsverkehrs betriebswirtschaftlich gesehen zwar als reiner Fertigungsprozess betrachtet werden kann, dürfen darüber hinaus die äußerlichen Rahmenbedingungen nicht unterschätzt werden. Da in diesem Geschäftsfeld – wie in allen anderen bankspezifischen Geschäftsfeldern auch – technische, rechtliche und wettbewerbsrelevante Aspekte eine Rolle spielen, bedarf es einer strategischen Ausrichtung des Geschäftes, wodurch sich Zahlungsverkehrsdienstleistungen zu einer konstanten Ertragsposition entwickelt haben.36 Giro- und Tagesgeldkonten, durch die Zahlungstransaktionen abgebildet werden, dienen dabei vor allem im Privatkundenbereich auch als Einstiegsprodukte.37 Dies ist insofern von Bedeutung, da der einzelne Kunde zunächst mit seinen Erfahrungen damit das Institut gesamtheitlich beurteilt38 und dieses im Falle einer hohen Kundenzufriedenheit „die durch den Kunden in Anspruch genommenen Leistungen durch Cross-Selling“39 ausweitet. Unabhängig davon, welches Geschäft gerade innerhalb des Kunde-Bank-Verhältnisses abgeschlossen wird bzw. der Kunde möglicherweise auch mit Dritten abschließt – am Ende des Geschäftsprozesses steht nahezu immer eine Zahlungstransaktion.40 Mittelständische Banken als Anbieter von Zahlungsdienstleistungen stehen dadurch laufend mit ihren Kunden im Kontakt und können so wertvolle Kundendaten und Erkenntnisse über ihre Verhaltensmuster gewinnen.41 Gerade vor diesem Hintergrund sollte sich jedes (mittelständische) Kreditinstitut hinsichtlich seiner Position in dieser Geschäftssparte bewusst sein.42 Im Zahlungsverkehr werden im Wesentlichen die Teilbereiche Bargeldverkehr, Mobile Payment sowie Electronic Payment unterschieden.43 Durch die Lockerung rechtlicher Vorgaben wurde in den letzten Jahren neu auftretenden Unternehmen der Eintritt in den Zahlungsverkehrsmarkt ermöglicht. Gerade das Mobile und Electronic Payment werden seitdem zunehmend auch von innovativen Wettbewerbern angeboten. Im Einzelnen wird u.a. auf diese Entwicklung weiterführend auch in Kapitel 3.3 eingegangen. Bis hierhin bleibt festzuhalten, dass die Abwicklung des Zahlungsverkehrs für mittelständische Banken einen unmittelbaren Zugang zum Kunden gewährleistet und daher auch zukünftig kundenorientiert und wettbewerbsfähig gestaltet werden sollte.
2.4 Anlage- und Vermögensberatung für Privat- und Firmenkunden
Neben der Abwicklung des Zahlungsverkehrs greifen Bankkunden zur Bildung und Verwaltung eigenen Vermögens nach wie vor überwiegend auf mittelständische Kreditinstitute zurück. Sie verstehen es als eine ihrer Kernkompetenzen, ihre Kunden ganzheitlich mit Finanzprodukten rund um den Vermögensaufbau auszustatten. Insofern gehören die Anlage- oder Vermögensberatung schon von Beginn an zu den klassischen Dienstleistungen einer Bank.44 In dieser Masterarbeit wird der Fokus auf die Anlageberatung von privaten Verbrauchern gelegt: so wird darunter „die Bereitstellung von Informationen und das Aussprechen von Empfehlungen an einen Kunden, der sich mit einer Anlageentscheidung konfrontiert sieht, unter Berücksichtigung seiner Ziele, Risikoeinstellung und persönlichen Lebensumstände“45 verstanden. Mittelständische Institute sind vorwiegend in der Beratung ihrer Privat- und Firmenkunden tätig, d.h. dass der Kunde zwar über die unterschiedlichsten Anlageformen aufgeklärt wird, im Gegensatz zur reinen Vermögensverwaltung aber selbst über seine Geldanlage entscheidet.46 Ziel der Anlageberatung ist im Wesentlichen das Sparen und die Generierung von zusätzlichem Vermögen für den Kunden. Durch die starke Beeinflussbarkeit dieser Geschäftssparte haben sich jedoch einige Einflussfaktoren für die zukünftige Entwicklung herausgebildet.47 Im klassischen Sinn kam der Anlage- und Vermögensberatung vor allem informativem Charakter zu. Hat sich ein Kunde zur Geldanlage bei einer Bank entschlossen, stehen ihm eine breite Auswahl an Anlagealternativen offen48, über deren Anlagesumme, Laufzeit und Zeitpunkt er nach einer Beratung selbst entscheiden kann. Auch wenn die endgültige Wahl einer Anlageform nach wie vor beim Kunden verbleibt, müssen sich die Kreditinstitute von ihrer rein passiven Funktion als Informationsgeber hin zum aktiven Gestalter über die zu treffende Vermögensanlage entwickeln.49 Erträge aus beratungsrelevanten Geschäften können mittelständische Banken in unterschiedlicher Art und Weise erzielen.50 Da die allermeisten mittelständischen Kreditinstitute (bislang noch) auf eine Honorarberatung verzichten51, verdienen sie nur bei einem resultierenden Geschäftsabschluss aus der persönlichen Beratung des Kunden. Bei Eigengeschäften streben die anbietenden Institute häufig einen Margengewinn an: bei klassischen, institutseigenen Sparverträgen beispielsweise ergibt sich der letztendliche Geschäftserfolg aus der Zinsdifferenz zwischen Kreditvergabe und Einlagegeschäft. Da dieses Geschäftsmodell aufgrund des niedrigen Zinsniveaus nur noch bedingt erfolgreich ist, konzentrieren sich Banken immer stärker auf eine weitere Art der Verdienstmöglichkeit: das Provisions- bzw. Kommissionsgeschäft. Für die Ausführung von Dienstleistungen wie insbesondere der Verwahrung von Wertpapieren, dem Handel mit Finanzprodukten oder der Vermittlung von Versicherungen erhalten sie Vergütungszahlungen, die aufgrund eines mit einem Dritten zustande kommenden Finanzgeschäftes entstehen.52
Das klassische Beratungsgeschäft (insbesondere im Private Banking) ist bis heute eine der tragenden Geschäftssparten mittelständischer Banken. Aufgrund einer Vertrauenskrise im Finanzmarkt lässt sich eine rückläufige Entwicklung des Kunden hin zu traditionellen Anlagegeschäften erkennen.53 In Zukunft wird in diesem Zusammenhang daher entscheidend sein, wie gut und effizient das Anlageberatungsgeschäft im Vergleich zur unmittelbaren Konkurrenz abschneidet. Hierfür müssen die Wünsche und Ziele der Kunden gleichermaßen im Mittelpunkt stehen wie auch mit geschäftspolitischen Strategien und Ertragsfeldern vereinbar sein. Vor diesem Hintergrund gewinnen insbesondere Faktoren wie die Beratungsqualität, die aktive Kundengewinnung und die andauernde Kundenbindung immer mehr an Bedeutung. Gelingen kann das nur, wenn „die Beratung selbst […] den Kunden heute wieder begeistern […] und durch Kundenorientierung überzeugen [kann]“54, die im direkten Kundenkontakt, also genau während der Beratung, gelebt werden muss. Aufgrund einer heutzutage herrschenden sehr hohen Markttransparenz, der Homogenität von Finanzdienstleistungen und dem zunehmenden Wettbewerb zwischen den Instituten, ist die Bindung von Kunden an ihre Banken nicht mehr so stark ausgeprägt.55 Besonders im Rahmen einer kompetenten Finanzberatung ist eine kompromisslose Kundenorientierung für die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung daher unbedingte Voraussetzung. Ziel einer mittelständischen Bank ist es, ihre Kunden ab Beginn der Geschäftsbeziehung, idealerweise von Geburt an über alle Lebensphasen hinweg zu begleiten.56 Hierbei bilden Beratungsgespräche die Basis der Kunde-Bank-Beziehung, die zu stetig fortführenden (idealerweise ertragsreichen) Geschäften führen kann. Eine vertrauensvolle Vermögensberatung führt zu Kundenzufriedenheit, dient den Banken als Anker einer nachhaltigen Geschäftsbeziehung und gehört nicht zuletzt daher auch als ein bedeutungsvolles Geschäftsfeld in den Analyserahmen der unter Kapitel 5 folgenden empirischen Umfrage.
2.5 Kreditvergabe als Kerngeschäft einer mittelständischen Bank
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln deutlich geworden ist, warum die beiden Geschäftssparten Zahlungsverkehr und Vermögensberatung als Basis einer erfolgsversprechenden Geschäftsbeziehung zum Kunden für mittelständische Banken von hoher Wichtigkeit sind, wird im Folgenden erläutert, welche Bedeutung dem klassischen Kreditgeschäft für eben diese Finanzdienstleister zukommt. Es macht gemeinsam mit dem Einlagengeschäft eines der beiden traditionellen Kerngeschäftsfelder einer mittelständisch orientierten Bank aus und stellt zudem das größte bilanzwirksame Geschäft auf der Aktivseite der Bankbilanz dar. Die in Kapitel 2.1 beschriebenen originären Aufgaben und Funktionen eines Kreditinstituts äußern sich im Rahmen des Kreditgeschäfts darin, fremde Gelder als Einlagen hereinzunehmen und nach Transformation von Fristen, Losgrößen und Risiken in Form von Darlehen an kreditsuchende Kunden auszugeben.57 Von einem Kredit ist also dann die Rede, wenn die Bank als Kreditgeber dem Kunden als Kreditnehmer die Verfügungsgewalt über einen vorher festgelegten Geldbetrag einräumt, wobei sich der Kreditnehmer dazu verpflichtet, als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals Zinsen zu zahlen und den Kredit vertragsgemäß zurückzuzahlen.58 Die Fachliteratur kennt unterschiedliche Einteilungen von Kreditarten: so können diese z.B. anhand des Verwendungszwecks (Konsumentenkredit und Unternehmenskredit), der gewährten Sicherheit (ungedeckt bzw. Personal- oder Realkredit), der Höhe des Kredits (Großkredit nach § 13 KWG) oder der Laufzeit der Geldüberlassung (kurz-, mittel- und langfristiger Kredit) klassifiziert werden.59 Neben den klassischen Darlehensformen sind im Laufe der Zeit einige weitere Sonderformen der Kreditwährung entstanden, wodurch das Kreditgeschäft mittlerweile eine Vielzahl an Ausprägungen kennt.60 Eine detailliertere Betrachtung der unterschiedlichen Kreditformen hat im Rahmen dieser Arbeit nur eine untergeordnete Bedeutung – wesentlich ist das Grundprinzip und die Wirkungsweise der Kreditvergabe, mit der Banken seit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit einen erheblichen Teil ihrer Erträge erzielen. Seiner wirtschaftlichen Funktion nach entspricht ein Kredit der „zeitweilige[n] Überlassung von Kaufkraft.“61 Die lateinische Wortherkunft des Kreditbegriffs lässt schon erahnen, dass die Überlassung von Kaufkraft jedoch Vertrauen voraussetzt.62 Für den Geldgeber ist von entscheidender Bedeutung, dass der Kreditnehmer bei Einräumung des Kredits und während der gesamten Laufzeit in der Lage ist, Zins- und Tilgungsleistungen bedienen zu können, er also als kreditwürdig gilt.63 Die Bonitätsprüfung bei Privatkunden erfolgt häufig mithilfe von Scoringmodellen, um die Risiken eines Kreditausfalls einordnen zu können.64 Im Firmenkundenbereich werden diese Einschätzungen wesentlich komplexer, wodurch in Form einer Kreditanalyse sog. weiche und harte Faktoren zu einem Gesamtrating aggregiert werden.65 Für das Funktionieren einer solchen Kreditbeziehung sind deshalb Banken als Intermediäre von zentraler Bedeutung: sie überwachen und bewerten Kreditrisiken, um eine Kreditvergabe auch ohne unmittelbare persönliche Beziehungen zwischen den Vertragspartnern zu ermöglichen66 – und lassen sich dies auch auf Grundlage einer wie oben beschrieben rating-gestützten Risikobewertung67 in Form von Zinsen bezahlen. Der Zinsüberschuss, also die Erträge aus dem Kredit- und Einlagengeschäft, macht den wichtigsten Teil der Einnahmen für Banken aus. Da mittelständische Kreditinstitute als Hausbank häufig sowohl im Privat- und Firmenkundenkreditgeschäft historisch bedingt eine herausragende Rolle einnehmen, sind sie in besonderem Maße davon abhängig. Gemäß einer Studie der Bundesbank zur Ertragslage deutscher Banken aus dem Jahr 2017 stammen etwa drei Viertel ihrer Gesamteinnahmen aus Zinsgeschäften (vgl. Abb. 2). Dabei wird deutlich, dass dieses Geschäftsfeld zwar uneingeschränkt für jede Bankengruppe essenziell ist, wenngleich mittelständische Institute, zu denen zahlreiche Privatbanken, Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken gezählt werden, aufgrund ihres Regionalprinzips jedoch überdurchschnittlich stark darin sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 : Anteil des Zinsüberschusses an den operativen Erträgen deutscher Bankengruppen 68
Da der operative Geschäftserfolg der Kreditinstitute sehr stark vom Zinsgeschäft abhängig ist, wird das anhaltende Niedrigzins- bzw. Negativzinsniveau für die Branche auch zukünftig eine immer größer werdende Herausforderung darstellen: Kunden tilgen zunehmend auslaufende höher verzinste Bestandskredite, während die neu ausgegebenen Darlehen für den Verbraucher deutlich günstiger sind – für die Banken aber ein immer margenärmeres Geschäft. Bisher konnten die Zinserträge daher nur durch eine markante Ausweitung der Kreditvergabe auf einem stabilen Niveau gehalten werden.69 In Zukunft wird aller Voraussicht nach aber auch die Wachstumsstrategie der Banken, die stetig geringer werdenden Zinsmargen durch zusätzliches Geschäft auszugleichen versucht, ihre Grenzen erreichen. Zwar hat sich das Geschäftsmodell der Kreditinstitute durch die in den letzten Jahren entstandenen Tendenzen und Entwicklungen in der Folge deutlich verändert, der funktionale Begriff des Kreditgeschäfts als einer durch Einlagen finanzierten Kreditgewährung hat seine Orientierungsfunktion und Bedeutung als ein Kerngeschäft für insbesondere mittelständische Banken dadurch jedoch noch nicht verloren.70 Um in diesem Geschäftsfeld auch weiterhin erfolgreich wirtschaften zu können, bedarf es von Seiten der Institute einer intensiven Auseinandersetzung mit den bestehenden Kreditprozessen zur Verbesserung von Effizienz und Leistungsfähigkeit.71
3. Wesentliche Änderungen im Marktumfeld von mittelständischen Banken
3.1 Verstärkte regulatorische Anforderungen
Das Marktumfeld mittelständischer Banken befindet sich seit einiger Zeit in stetiger Veränderung und bleibt für die Marktteilnehmer auch in diesen Jahren höchst anspruchsvoll. Insbesondere in Folge der Finanzkrise, während der die Banken einen immensen Vertrauensverlust erlitten haben, unterliegt das traditionelle Bankgeschäft einer immer strengeren Regulierung mit immer neuen und schärferen Bestimmungen zur Liquiditätshaltung, zur Kapitalausstattung oder zum Risikomanagement.72 Obwohl besonders regional verankerte Finanzinstitute nicht als Mitverursacher der Krise gelten73, schränkt sie die geforderte Umsetzung der nach der Finanzkrise zunehmend komplexer werdenden Vorschriften dennoch stark in ihrer Wettbewerbsfähigkeit ein.74 Gemäß einer Studie von Lünendonk zur Zukunft der Banken aus dem Jahr 2012 betrachteten die befragten Manager die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben damals schon als die dringlichste Herausforderung für sie.75 In diesem Zusammenhang gewannen Themen wie Stresstests, Basel III76 und Mindestanforderungen an die Kreditvergabe immer mehr an Gewicht. Darüber hinaus rechneten die befragten Institute auch in Zukunft mit weiterhin hohen administrativen Belastungen durch regulatorische und gesetzliche Vorgaben im Banksektor77 – und sollten Recht behalten. EY spricht gar von einer wahren „Regulierungswelle auf die Banken“.78 Auch wenn sich Banken bereits vor der Finanzkrise mit Regulatorik konfrontiert sahen, zeigt sich die Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Regelungen u.a. in Form von höheren Eigenkapitalanforderungen und immer komplexer werdenden Vorschriften.79 Folgt man der Auffassung von Dombret, zeigt sich die zunehmende Komplexität in allen relevanten Säulen von Basel III, nämlich in den Eigenkapitalanforderungen, in Bezug auf die Pflichten zur Offenlegung und im Rahmen der Überprüfung durch die Bankenaufsicht.80 Abbildung drei zeigt die zahlenmäßige Entwicklung der finanzwirtschaftlich relevanten Rechtsnormen seit 2009, die mehr als deutlich macht, dass sich die betreffenden Institute – in unterschiedlichem Umfang – jedes Jahr mit eine sehr hohen Anzahl an neuen Regelungen auseinandersetzen müssen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 : Zahlenmäßige Entwicklung der Rechtsnormen seit der Finanzkrise 81
Deutlich wird das auch bei der Betrachtung der Seitenzahlen in der Entwicklung der Baseler Vorschriften: alleine an deren Umfang lässt sich schon ableiten, welchen Zuwachs die Regularien in den letzten Jahren zu verzeichnen hatten.82 Dabei handelt es sich längst nicht mehr nur um nationale, sondern verstärkt auch vom europäischen Gesetzgeber verabschiedete Maßnahmen.83 So sind neben der Deutschen Bundesbank und der BaFin in internationalem Kontext zusätzlich europäische Institutionen, darunter insb. die Europäische Zentralbank (EZB), die European Banking Authority (EBA) und die European Securities and Markets Authority (ESMA), maßgeblich an den Regulierungsvorhaben im Finanzmarkt beteiligt. In der Konsequenz sehen sich selbst die regionalen mittelständischen Finanzinstitute – geschäftspolitisch weit weg vom europäischen Bankenmarkt – auch noch mit Vorgaben von europäischen und internationalen Aufsichtsbehörden konfrontiert.84 Nach Einschätzung von Kirmße ist davon auszugehen, dass europäische Finanzinstitute rund 160 Initiativen gerecht werden müssen: die Wichtigsten von ihnen liegen in den Bereichen des Anlegerschutz, der Erhöhung der Belastbarkeit der Bankbilanzen, der Vereinheitlichung von Ansätzen und Transparenz, sowie der Verbesserung der institutseigenen Kapitalausstattung (z. B. durch Basel III und dessen Weiterentwicklung).85 Der Rahmen dieser Untersuchung ist jedoch nicht geeignet, eine vollständige Nennung und Beschreibung aller seit Entstehung der Finanzkrise auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Bankenregulierung zu beleuchten. Vielmehr wird übersichtlich dargestellt, welchen Einfluss und welche Wirkung die verstärkten Anforderungen als Ganzes auf insbesondere mittelständische Kreditinstitute ausüben, um sie als eine der bedeutendsten Herausforderung im derzeitigen Marktumfeld zu verstehen. Hierbei soll stets berücksichtigt werden, dass die Maßnahmen zur Regulierung der Banken nicht willkürlich auf den Weg gebracht werden, sondern ausgelöst durch Erfahrungen aus der Vergangenheit vom Gesetzgeber bzw. den Überwachungsbehörden als notwendig erachtet werden. Die auf nationaler und insb. europäischer Ebene verabschiedeten Vorschriften verfolgen dabei vier zentrale Zielsetzungen, die folgend – jedoch in ihrem Umfang nicht abschließend – aufgeführt sind:86
- Verbesserung der Stabilität des Finanzsystems
- Integration der Finanzmärkte
- Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Finanzmärkte
- Effizienz der Finanzmärkte und Erhöhung der Markttransparenz
Dabei dürfen die unterschiedlichen Regulierungsziele jedoch nicht nur isoliert betrachtet werden, da einzelne regulatorische Maßnahmen regelmäßig mehrere Regulierungsziele ansprechen.87 Wenngleich die übergeordneten Ziele, die neben der Finanzmarktstabilität vor allem auch dem Gläubiger- und Verbraucherschutz dienen, durchaus sinnvoll und nachvollziehbar sind, können die regulatorischen Anforderungen daraus in mittelständischen Kreditinstituten, die zudem keine Auslöser der Finanzkrise waren, nicht ohne Weiteres umgesetzt werden.
Abgesehen von der Vielzahl neuer Regelungen für die Finanzmarktbranche hat zusätzlich auch die Geschwindigkeit, in der neue Maßnahmen beschlossen werden, signifikant zugenommen.88 Hinzu kommt, dass auch die Umsetzungsfristen für betreffende Kreditinstitute immer kürzer getaktet sind.89 In der Folge erfordern die große Anzahl der neuen, komplizierten und in kurzen Frequenzen verabschiedeten Regulierungsvorhaben nicht nur erhebliche Personalressourcen, sondern auch Anpassungen an die Aufbau- und Ablauforganisation der Kreditanstalten90, wodurch sie den administrativen Aufwand für sie in erheblichem Maße erhöht haben. Problematisch ist, dass bei vielen Regulierungsvorschriften kein Proportionalitätsprinzip91 greift, wonach „spürbare Erleichterungen für kleinere und mittelgroße Banken“92 entstehen würden. Die komplexen Anforderungen, die zunächst vorrangig an die großen, systemrelevanten Banken adressiert sind, beeinträchtigen ihre Wettbewerbsfähigkeit, sofern sie sie nicht sogar zu überfordern drohen.93 Insbesondere die mittelständischen Banken leiden am stärksten unter dem enormen zeitlichen und technischen Aufwand, den die Umsetzung der Regulierungsvorschriften mit sich bringt. Die durchschnittlichen Kosten, die sie zur Umsetzung der Regulierungsanforderungen aufwenden müssen, liegen im Verhältnis zu Großbanken um ein Vielfaches höher.94 Alleine die Ausstattung der Bank mit hierfür benötigten Fachkräften stellt für kleinere regional orientierte Institute schon eine nicht zu unterschätzende Aufgabe dar.95 Der Bedarf an Ressourcen zur Umsetzung der Vielzahl an regulatorischen Anforderungen in oft eng gesteckten Zeitfenstern trifft also gerade die mittelständischen Institute enorm. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der regulatorischen Vorschriften zeigen sich dabei in Form von „einmaligen Umsetzungskosten, laufenden administrativen Aufwänden, einer Verengung geschäftlicher Spielräume durch die Erfordernis einer […] höheren Kapitalausstattung […] sowie der generellen Verschärfung der Unterlegungspflicht und -höhe von Geschäften“96 mit entsprechendem Eigenkapital, die die Banken in Hinblick auf ihre Proportionalität massiv beeinflussen. Dabei fordert Peters97 für kleine und mittlere Kreditinstitute keine Erleichterungen bei der Kapital- bzw. Liquiditätsausstattung, sieht aber Verbesserungspotenzial bei den administrativen Regulierungsaufgaben, gesetzlichen Offenlegungspflichten oder dem aufsichtsrechtlichen Meldewesen – ohne dabei das Ziel der Finanzmarktstabilität zu gefährden.98
Festzuhalten bleibt, dass die Erfüllung der angesprochenen regulatorischen Anforderungen für Kreditinstitute seit einigen Jahren und auch weiterhin zu den wichtigsten Herausforderungen für nachhaltigen betrieblichen Erfolg gehört.99 Angesichts der Vielzahl regulatorischer Änderungen im Bankgeschäft ist der adäquate Umgang damit und folglich „das Management von Rechtsrisiken unterschiedlicher Dimensionen eine neue Disziplin geworden“100. Die Einführung und Anwendung der rechtlichen Vorgaben ist mit hohen Kosten verbunden und verschärft daher das Marktumfeld der Banken in erheblichem Maße.101 Da die zunehmende Regulatorik nicht nur national, sondern v.a. auch durch die europäische Bankenaufsicht vorangetrieben wird, kann mit großer Gewissheit davon ausgegangen werden, dass diese Entwicklung auch weiterhin anhält. Insgesamt befinden sich die mittelständischen Finanzinstitute in einem Spannungsfeld zwischen den einzelwirtschaftlichen Kosten und der Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben. Sie müssen sich weiterhin auf höhere Kosten zur Bewältigung der regulatorischen Erfordernisse eine stärkere Eigenkapitalunterlegung einstellen, weshalb der Aufwand ohne geeignete Gegenmaßnahmen weiter steigen und der Ergebnisüberschuss infolgedessen entsprechend weiter sinken würde.102
3.2 Makro- und sozioökonomische Entwicklungen
Neben der zunehmenden Finanzmarktregulierung bestimmt auch das makro- und sozioökonomische Umfeld die Zukunft der Banken in großem Maße. Darunter verstehen wir das wirtschaftliche Wachstum bzw. die ökonomische Gesamtsituation in den Geschäftsgebieten der Banken103, die strukturelle und demographische Entwicklung104 vor allem aber auch das anhaltende Niedrigzinsumfeld, mit dem sich Banken konfrontiert sehen.105 Eine der Kernfunktionen traditioneller Banken ist die Fristentransformation, bei der sich eine Bank kurzfristig Geld leiht und langfristige Kredite und Anlagen vergibt. Sie profitieren folglich von einer steilen Zinsstrukturkurve, die sich in einer breiten Spanne zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinssätzen niederschlägt.106 Sofern sich die Zinsstrukturkurve dagegen verflacht, sinken die Nettozinsmargen der Banken – eine Entwicklung, mit der sie sich seit über einem Jahrzehnt auseinandersetzen müssen. So belastet derzeit insbesondere das Zinsumfeld die Ertragslage mittelständischer Kreditinstitute. Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 sind heute zwar bereits mehr als zehn Jahre vergangen, die Geldpolitik der wichtigsten Zentralbanken, allen voran der Europäischen Zentralbank, ist seither aber ohne Unterbrechungen durch eher unkonventionelle Maßnahmen wie Niedrig- oder gar Negativzinsen geprägt.107 Obwohl sie zunächst zwar ihre gewünschte Wirkung erreicht haben, zeigen sich nun zunehmend aber auch langfristigen Folgen dieser Entwicklung, die die Bankenbranche hart trifft: die Tiefzinspolitik hat die Margen im Kreditgeschäft schmelzen und Zinserträge trotz einer signifikanten Ausweitung der Kreditvergabe weiter sinken lassen. Die Zentralbankpolitik und eine ebenfalls aus der Finanzkrise resultierende flacher werdende Zinsstrukturkurve verringern folglich die Gewinne und Einnahme-möglichkeiten mittelständischer Banken.108 Auch die Bundesbank hat in ihrem Bericht zur Ertragslage der deutschen Kreditinstitute festgestellt, dass die „negativen Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt bestimmend für das operative Geschäft deutscher Banken [sind]“109. Dies zeigt sich insbesondere auch im jährlichen Finanzbericht des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes (DSGV), laut dem die Niedrigzinsphase „spürbar in der Gewinn- und Verlust-Rechnung der Sparkassen zu sehen [ist]“110. Iser bezeichnet die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB gar als der entscheidendste ökonomische Effekt, der im Moment auf private Banken, genossenschaftliche Institute und Sparkassen wirkt.111 Die expansive Geldpolitik beeinflusst mittelständische Finanzinstitute insofern sehr stark, da sie sich maßgeblich auf den Deckungsbeitrag aus dem Einlagen- und Kreditgeschäft – also deren zentralen Ertragsquelle – auswirkt.112 Bezogen auf Regionalbanken sind insgesamt bis zu 80 % des Gesamtertrags vom zinstragenden Geschäft abhängig.113 Zu Beginn waren sie noch in der Lage, den Zinsrückgang auf der Aktivseite durch entsprechende Reduktionen der Passivzinsen zu kompensieren. Da die Passivzinsen derzeit aber faktisch bei null stehen, ist keine weitere Kompensation mehr möglich.114 Der Erfolg aus dem zinstragenden Geschäft mittelständischer Banken wird zumeist auf Grundlage der so genannten Marktzinsmethode kalkuliert, die den Ergebnisbeitrag eines Zinsgeschäftes im Vergleich zu einem alternativ am Markt erzielbaren Zinssatz ermittelt.115 Ihr liegt die ökonomische Grundidee zugrunde, dass die Bank einen höheren Zinssatz für Geschäfte der Aktivseite ihrer Bilanz veranschlagen soll, als der Bank für ihre Refinanzierung auf der Passivseite verrechnet wird. Die Margenkalkulation basiert also auf den am Kalkulationstag herrschenden Marktzinsen, nicht etwa auf Basis der tatsächlichen Refinanzierungskosten des Instituts.116 Die einzelgeschäftsbezogene Berechnung von Zinsüberschüssen (bzw. Margen) unterscheidet hierbei einen Konditionen- und einen Strukturbeitrag. Beim Konditionenbeitrag handelt es sich um die „Differenz der zwischen Bank und Kunde vereinbarten Kondition und dem am Geld- und Kapitalmarkt (GKM) gültigen Zins für Gelder gleicher Laufzeit.“117 Der Strukturbeitrag hingegen resultiert aus der ausgeführten Fristen-transformationsleistung und entspricht der Kapitalüberlassungsprämie, die am GKM für Kredite oder Einlagen einer bestimmten Laufzeit im Vergleich zum Zinssatz für täglich fälliges Geld gezahlt wird.118 Abbildung vier zeigt unter der Annahme eines weiterhin konstanten Zinsniveaus mögliche Auswirkungen auf das durch die sehr flache Zinsstrukturkurve beeinträchtigte Zinsergebnis von Banken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4 : Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds auf das Zinsergebnis von Banken bei konstantem Zinsniveau 119
Dabei kann unter der Voraussetzung einer konstanten Zinskurve attestiert werden, dass sowohl der Konditionen- als auch der Strukturbeitrag weiter sinken werden. Hervorzuheben sind dabei die Zinskonditionenbeiträge im Passivgeschäft, die beträchtlich zurückgehen, während das Ergebnis aus der Fristentransformation aufgrund der noch leicht steilen Zinskurve nur unterdurchschnittlich leidet.120 Die Niedrigzinsphase wird somit als neue Normalität alle Kreditinstitute – und verstärkt eben jene mit regionalem Geschäftsmodell – weiterhin vor große Herausforderungen stellen. Wie bereits erläutert sind sie besonders stark von den aus dem Einlagen- und Kreditgeschäft gewonnenen Zinsüberschüssen abhängig. Regionalbanken sind deshalb verhältnismäßig stärker von den fallenden Zinsmargen betroffen als diejenigen Banken, deren Geschäftsmodell sich auf weitere Einnahmemöglichkeiten erstreckt. Bereits die letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass viele der mittelständischen Banken nicht mehr bereit sind, die Belastungen aus den Negativzinsen allein zu tragen: so werden zumindest für Kunden mit Vermögen über 100.000 EUR die Negativzinskosten in naher Zukunft vermehrt auch direkt spürbar121 – Tendenz klar steigend. Da „niedrige Zinsen historisch betrachtet [letztlich] ein erfolgreiches Mittel zur Bewältigung von Finanz- und Staatsschuldenkrisen [sind], ist […] davon auszugehen, dass sich diese Phase noch einige Jahre hinziehen wird“122. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die anhaltenden Negativzinsen auf die Zinsmarge der mittelständischen Banken drücken und diese in ihrem Handlungsspielraum erheblich einschränken. Auch Altavilla et al. kamen im Rahmen ihrer Studie zur Profitabilität von Banken im Euroraum zu dem Ergebnis, dass ein längerfristiges Niedrigzinsumfeld ihre Rentabilität unter Druck setzen kann.123 Während viele Institute in der Vergangenheit noch mit einer massiven Ausweitung ihrer Kreditvergabe sowie der Deckelung der Passivzinsen auf die Nullgrenze reagiert haben und damit die Margen aus dem Zinsdifferenzgeschäft zumindest zum Teil kompensieren konnten, sind diese Maßnahmen mittlerweile zunehmend erschöpft.124 Claessens et al. untersuchten die Auswirkungen von Zinssätzen auf die Nettozinsspanne von Banken und stellten anhand einer Stichprobe von über 3.000 Banken fest, dass die Margengewinne für jedes weitere Jahr anhaltender Niedrigzinsen um sechs Basispunkte sinken.125 Als besonders schwierig erachten sie es für jene Banken, die bereits – wie für die in dieser Betrachtung berücksichtigten Institute typisch – hohe Kostenstrukturen haben.126 Diese Erkenntnis wird auch durch die Untersuchung von Genay untermauert.127 Folglich droht sich das Profitabilitätsproblem – stark bedingt durch das ökonomische Umfeld – der regional tätigen mittelständischen Banken weiter zu verschärfen. Darüber hinaus kann selbst bei einem baldigen Ende der Niedrigzinsphase aufgrund laufender Festzinsverträge zunächst nicht von einer kurzfristigen Verbesserung der Ertragssituation ausgegangen werden (Nachlaufeffekt)128, was die makroökonomische Bedeutung für das gesamte Bankenumfeld nochmals unterstreicht.
[...]
1 Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe „Bank“, „Kreditinstitut“ und „Finanzintermediär“ aus Gründen der Verständlichkeit synonym verwendet.
2 Vgl. Böhnke/Rolfes (2018), S. 5.
3 Vgl. Oliver Wyman (2018), S. 8.
4 Vgl. Bendel et al. (2013), S. 45.
5 Oliver Wyman (2018), S. 16.
6 Vgl. DSGV (2018), S. 37.
7 Eigene Darstellung in Anlehnung an DSGV (2018), S. 37.
8 Vgl. Böhnke/Rolfes (2018), S. 5.
9 Vgl. Ayadi/De Groen (2014), S. 5.
10 Vgl. dazu Hartmann-Wendels et al. (2015), S. 28.
11 Vgl. Hackethal/Inderst (2015), S. 35.
12 Vgl. Krämer (2003), S. 3.
13 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2015), S. 34 f.
14 Bei KMU handelt es sich um kleine und mittlere Unternehmen; vgl. dazu weiterführend Hackethal/Inderst (2015), S. 40.
15 Vgl. dazu Becker et al. (2015).
16 Vgl. Becker et al. (2015), S. 143.
17 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet.
18 Vgl. Auge-Dickhut et al. (2014), S. 96.
19 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 2.
20 Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 2.
21 Vgl. dazu u.a. Priewasser (2001), S. 12ff.; Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 5.; Büschgen (1998), S. 39f.
22 Vgl. Riese (2006), S. 32.
23 Vgl. ebd.
24 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 5, S. 13.
25 Vgl. dazu grundlegend Arnold (1964), S. 20 – 107.
26 Vgl. Bösl (1993), S. 34.
27 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 14.
28 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 5.
29 Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 5.
30 Vgl. Riese (2006), S. 32.
31 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 13.
32 Vgl. dazu u.a. Büschgen (1998), S. 413; Adrian/Heidorn (2000a), S. 112; Lipfert (1970), S. 11.
33 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 235 – 252.
34 Vgl. Wendt (2003), S. 89.
35 Dittrich/Egner (2012), S. 7.
36 Vgl. Dittrich/Egner (2012), S. 7f.
37 Vgl. Blahusch (2012), S. 48.
38 Vgl. Lohmann (1997), S. S. 25f.
39 Blahusch (2012), S. 48.
40 Vgl. Dittrich/Egner (2012), S. 7.
41 Vgl. Auge-Dickhut et al. (2014), S. 27.
42 Vgl. Dittrich/Egner (2012), S. 8.
43 Vgl. Auge-Dickhut et al. (2014), S. 27.
44 Vgl. Sethe (2005), S. 3.
45 Severidt (2000), S. 43; vgl. dazu auch die Definition gemäß § 1 Abs. 1a S. 1a KWG: „ [Anlageberatung ist] die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird.“
46 Vgl. Spremann (2014), S. 24.
47 Vgl. Hammer (2001), S. 4.
48 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2019), S. 209.
49 Vgl. Hammer (2001), S. 4.
50 Vgl. dazu weiterführend Lerch (2015), S. 31 – 63.
51 Vgl. dazu weiterführend Hilp (2010), S. 165.
52 Vgl. Bestmann (2013), S. 602.
53 Vgl. Mogicato et al. (2009), S. 10.
54 Mogicatio et al. (2009), S. 10.
55 Vgl. Schierenbeck (2005), S. 799.
56 Vgl. Höllerich/Fehr (2019), S. 3f.
57 Vgl. Börner/Grichnik (2005), S. 5.
58 Vgl. Jährig et al. (1990), S. 91.
59 Vgl. Berger (2012), BGB, § 488 Rn. 45ff.
60 Vgl. Beyer et al. (1993), S. 11.
61 Canaris (1988), S. 633.
62 Vgl. Knops (2008), S. 2185f.
63 Vgl. Adrian/Heidorn (2000b), S. 397.
64 Dabei wird die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers in Punkten bewertet, um die Risiken der Kreditvergabe klassifizieren zu können.
65 Vgl. dazu weiterführend u.a. Schneck, O. (2007), S. 117; Pilgerstorfer (1987), S. 66; Grundwald/Grundwald (2001), S. 5.
66 Vgl. Grundmann/Renner (2015), S. 443.
67 Vgl. dazu u.a. Jacobson et al. (2006), S. 1899; Wittig (2005), S. 212.
68 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Deutsche Bundesbank (2018), S. 41ff.
69 Vgl. EY (2019), S. 3.
70 Vgl. Grundmann/Renner (2015), S. 445.
71 Vgl. Lautenschlager et al. (1998), S. 101.
72 Vgl. Herrmann/Heinke (2018), S. 192.
73 Deren grundlegend regionales Einlagen- bzw. Kreditgeschäft wirkt dabei eher stabilisierend auf den Bankensektor; vgl. Böhnke (2010), S. 108.
74 Vgl. Dombret (2016); Hackethal/Inderst (2015), S. 165.
75 Vgl. Lünendonk (2012), S. 6.
76 Bei Basel III handelt es sich um Vorschriften des Baseler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zur Regulierung von europäischen Banken, die von ihnen eine höhere Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung verlangen. vgl. dazu weiterführend Andrae (2014), S. 5.
77 Vgl. Lünendonk (2012), S. 23.
78 EY (2019), S. 27.
79 Vgl. Lister (2018), S. 3.
80 Vgl. Dombret (2016).
81 Eigene Darstellung in Anlehnung an Jendro (2020), wonach die Daten aus dem VÖB-RADAR (regulatorischer Informationsdienst vom Verband öffentlicher Banken) aus dem Jahr 2019 stammen.
82 Nachdem Basel I noch aus ca. 100 Seiten und Basel II aus ca. 350 Seiten bestand, beläuft sich der Umfang von Basel III bereits auf über 6.400 Seiten.
83 Vgl. Hackethal/Inderst (2015), S. 49.
84 Vgl. Hackethal/Inderst (2015), S. 51.
85 Vgl. Kirmße (2017), S. 298.
86 Vgl. dazu u.a. Europäische Kommission (2014a), S. 91 – 174; Europäische Kommission (2014b), S. 8f.
87 Vgl. Hackethal/Inderst (2015), S. 49f.
88 Vgl. Hackethal/Inderst (2015), S. 48; Betriebswirtschaftliche Blätter (2015), S. 1.
89 Vgl. Kirmße (2017), S. 298.
90 Vgl. von Zanthier (2015), S. 40.
91 Vgl. dazu etwa Bundesministerium der Finanzen (2015), S. 13: „Für die Finanzmarktregulierung besagt das Proportionalitätsprinzip, dass bankinterne Instrumente der operativen Aufsicht proportional zur Größe, zum Geschäftsvolumen und zur Risikostruktur des Institutes sein und aufsichtliche Überprüfungsprozesse hinsichtlich Häufigkeit und Intensität proportional zur Qualität der institutsinternen Prozesse sein müssen. So dürfen kleine und mittlere Institute etwa durch strenge Eigenmittel- und Compliance-Anforderungen nicht in Bedrängnis geraten. (…) Das Proportionalitätsprinzip kommt bei sämtlichen Regulierungsvorhaben des Finanzmarktes zur Anwendung.
92 EY (2019), S. 27.
93 Vgl. Peters (2017), S. 8.
94 Bezogen auf die Bilanzsumme; vgl. Peters (2017), S. 8f.
95 Vgl. Arts (2016), S. 13.
96 Kirmße (2017), S. 298f.
97 Dr. Hans-Walter Peters ist seit April 2016 Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. und vertritt in dieser Funktion gebündelt ihre Interessen.
98 Vgl. Peters (2017), S. 8f.
99 Vgl. KPMG (2013), S. 25.
100 Jendro (2020), S. 4.
101 KPMG (2013), S. 25.
102 Vgl. Lister (2018), S. 29.
103 Besonders relevant für mittelständische Institute, die ihr Geschäft regional ausüben.
104 Der demografische Wandel zeigt sich in Deutschland vor allem durch eine sinkende Bevölkerungszahl bei gleichzeitig steigendem Durchschnittsalter; vgl. dazu auch Berlemann et al. (2014), S. 79f.
105 Vgl. Oliver Wyman (2018), S. 17.
106 Vgl. Genay (2014), S. 1.
107 Vgl. EY (2019), S. 3.
108 Vgl. Börner (2015), S. 18f.
109 Deutsche Bundesbank (2018), S. 32.
110 DSGV (2018), S. 46.
111 Vgl. Pertl (2019), S. 22.
112 Vgl. dazu u.a. Walter (2016), S. 32f.; DSGV (2018), S. 9; vergleiche grundlegend zur Zinspolitik: Holtemöller (2008), S. 185.
113 Vgl. Rederer (2016), S. 32.
114 Vgl. EY (2019), S. 24.
115 Vgl. Schierenbeck (1999), S. 24.
116 Vgl. Pichler/Jankowitsch (2016), S. 3f.
117 Pertl (2019), S. 24.
118 Vgl. Pertl (2019), S. 24.
119 Eigene Darstellung in Anlehnung an Thiesmeyer (2015), S. 19.
120 Vgl. Thiesmeyer (2015), S. 19.
121 Man spricht hierbei von sog. Verwahrentgelten, die institutsindividuell für Guthaben auf Giro- bzw. Tagesgeldkonten einbehalten werden – bisher meist nur bei großen Firmen- oder sehr vermögenden Privatkunden.
122 Thiesmeyer (2015), S. 19.
123 Vgl. Altavilla et al. (2018), S. 537.
124 Vgl. EY (2019), S. 21.
125 Vgl. Claessens et al. (2017), S. 1, 15, 21.
126 Vgl. Claessens et al. (2017), S. 22.
127 Vgl. Genay (2014), S. 2.
128 Vgl. Thiesmeyer (2015), S. 19.
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