Mit Entsetzen beschrieb ein deutscher Journalist in der Frankfurter Zeitung vom 7. August 1913 seine im 2. Balkankrieg gewonnenen Erfahrungen: „Alle Minarets bis Adrianopel sind niedergelegt oder halb abgebrannt, alle Moscheen verwüstet und meist als Ställe benutzt worden.“ Als Urheber dieser „Schandtaten“ gegenüber der wehrlosen, türkischen Zivilbevölkerung benannte er die „bulgarische Soldateska und ihre viehischen Offiziere“, deren Verhalten er nur als das „bulgarischer Hunnen“ charakterisieren könne.1 Lediglich zwei Jahre später schien das Bild der bulgarischen Soldaten in der deutschen Presse ein ganz anderes zu sein, wie ein Journalist im Dresdner Anzeiger vom 23. September 1915 feststellte. Er schrieb, „[…] daß der Bulgare ein außerordentlich guter Soldat ist. Er ist tapfer, bedürfnislos, zäh und ordnet sich leicht der militärischen Disziplin unter. Infolgedessen ist der Geist und die Disziplin sowohl der Offiziere wie der Truppe außerordentlich gut.“2 Aber auch dieses positive Zeugnis war nur von kurzer Dauer. Bereits weitere drei Jahre danach schrieb der Journalist Karl Stein in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung vom 8. Oktober 1918 über die bulgarische Armee in einem ähnlichen Tenor wie das eingangs erwähnte Zitat: „Die
demoralisierte bulgarische Soldateska brach in Makedonien und Altbulgarien ein, verbreitete hier eine starke Panik und verübte schwere Ausschreitungen.“3
Diese drei Zitate verdeutlichen schlaglichtartig die gravierenden Umschläge in der deutschen Berichterstattung über Bulgarien, seine Bewohner und sein Militär innerhalb von nur fünf Jahren – von den „bulgarischen Hunnen“ im August 1913 über die „außerordentlich guten Soldaten“ im September 1915 wieder zurück zur „bulgarischen Soldateska“ im Oktober1918. Nichtsdestotrotz stellt die Untersuchung dieses äußerst interessanten Wandels in der deutschen Bulgarienperzeption im Vorfeld und während des Ersten Weltkrieges bisher ein weitgehendes Forschungsdesiderat dar. Eine Tatsache, die schon insofern verwundert, als dass die deutsch-bulgarischen Beziehungen in dieser Zeit nicht nur massiven Veränderungen unterlagen, sondern auch, da im Laufe der Jahre 1915 – 1918 erstmals hunderttausende deutsche Soldaten in engeren Kontakt mit dieser Region und ihren Bewohnern kamen.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 FRAGESTELLUNG
1.2 FORSCHUNGSSTAND UND QUELLEN
1.3 METHODIK
2 STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN
2.1 DIE PRESSE IM DEUTSCHEN KAISERREICH IM VORFELD UND WÄHREND DES WELTKRIEGES
2.1.1 Die Presselandschaft im Kaiserreich
2.1.2 Pressekontrolle und Zensur
2.1.3 Kriegsberichterstatter
2.2 DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN BULGARIEN UND DEUTSCHLAND IN DEN JAHREN 1912 - 1918
2.2.1 Die erste Phase: 1912 - 1914
2.2.2 Die zweite Phase: 1914 - 1918
3 BULGARIEN IN DER DEUTSCHEN PRESSE
3.1 DIE KRITISCHE PHASE 1912-1914
3.1.1 Statistik
3.1.2 „Seltsame Mischung aus Barbarentum und dem schon von Europa Übernommenen“
3.1.3 „Russische und bulgarische Flinten schießen nicht aufeinander“
3.1.4 „Die bulgarische Soldateska und ihre viehischen Offiziere“
3.2 DIE POSITIVE PHASE 1914 - 1918
3.2.1 Statistik
3.2.2 „Eine Umwertung des landläufigen Bulgarienbildes ist notwendig“
3.2.3 „Hier drängt eine Art Verwandtschaft zur Brüderschaft auf den Schlachtfeldern“
3.2.4 „Soldaten in deutschem Sinne“
3.3 RÜCKKEHR ZUM ALTEN MUSTER? - DER BULGARISCHE ZUSAMMENBRUCH
4 RESÜMEE
5 ANHANG
6 ABBILDUNGSVERZEICHNIS
7 QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
7.1 QUELLEN
7.2 LITERATUR
1 Einleitung
Mit Entsetzen beschrieb ein deutscher Journalist in der Frankfurter Zeitung vom 7. August 1913 seine im 2. Balkankrieg gewonnenen Erfahrungen: „Alle Minarets bis Adrianopel sind niedergelegt oder halb abgebrannt, alle Moscheen verwüstet und meist als Ställe benutzt worden.“ Als Urheber dieser „Schandtaten“ gegenüber der wehrlosen, türkischen Zivilbevölkerung benannte er die „bulgarische Soldateska und ihre viehischen Offiziere“, deren Verhalten er nur als das „bulgarischer Hunnen“ charakterisieren könne.1 Lediglich zwei Jahre später schien das Bild der bulgarischen Soldaten in der deutschen Presse ein ganz anderes zu sein, wie ein Journalist im Dresdner Anzeiger vom 23. September 1915 feststellte. Er schrieb, „[…] daß der Bulgare ein außerordentlich guter Soldat ist. Er ist tapfer, bedürfnislos, zäh und ordnet sich leicht der militärischen Disziplin unter. Infolgedessen ist der Geist und die Disziplin sowohl der Offiziere wie der Truppe außerordentlich gut.“2 Aber auch dieses positive Zeugnis war nur von kurzer Dauer. Bereits weitere drei Jahre danach schrieb der Journalist Karl Stein in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung vom 8. Oktober 1918 über die bulgarische Armee in einem ähnlichen Tenor wie das eingangs erwähnte Zitat: „Die demoralisierte bulgarische Soldateska brach in Makedonien und Altbulgarien ein, verbreitete hier eine starke Panik und verübte schwere Ausschreitungen.“3
Diese drei Zitate verdeutlichen schlaglichtartig die gravierenden Umschläge in der deutschen Berichterstattung über Bulgarien, seine Bewohner und sein Militär innerhalb von nur fünf Jahren - von den „bulgarischen Hunnen“ im August 1913 über die „außerordentlich guten Soldaten“ im September 1915 wieder zurück zur „bulgarischen Soldateska“ im Oktober 1918. Nichtsdestotrotz stellt die Untersuchung dieses äußerst interessanten Wandels in der deutschen Bulgarienperzeption im Vorfeld und während des Ersten Weltkrieges bisher ein weitgehendes Forschungsdesiderat dar. Eine Tatsache, die schon insofern verwundert, als dass die deutsch-bulgarischen Beziehungen in dieser Zeit nicht nur massiven Veränderungen unterlagen, sondern auch, da im Laufe der Jahre 1915 - 1918 erstmals hunderttausende deutsche Soldaten in engeren Kontakt mit dieser Region und ihren Bewohnern kamen. Das Ziel dieser Arbeit ist es daher, einen ersten Zugang zu dieser Thematik in Form der Untersuchung des Bulgarienbildes in der deutschen Presse der Jahre 1912 bis 1918 zu liefern.
1.1 Fragestellung
Vor dem oben skizzierten Hintergrund soll es dabei vor allem darum gehen, in einer diachronen Gegenüberstellung der beiden Zeiträume 1912 - 1914 und 1914 - 1918 die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Berichterstattung im Kontext der politischen Entwicklung darzustellen. Hierbei stellen sich folgende Fragen:
Änderte sich vor dem Hintergrund der klar abgrenzbaren Phasen der Entwicklung der politischen und militärischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Bulgarien das deutsche Bild von „den Bulgaren“ und wenn ja, warum und wie tiefgehend waren diese Veränderungen? Welches Bild wurde überhaupt von „den Bulgaren“ gezeichnet? Gab es in diesem Zusammenhang eigentlich eine einheitliche Darstellung oder existierten Unterschiede, je nach parteipolitischer Ausrichtung der einzelnen Zeitungen, der einzelnen Journalisten? Welche Themen standen dabei im Mittelpunkt der Darstellungen? Welchen Stellenwert maß die deutsche Presse dem Land auf dem Balkan bei und wie äußerte sich dies in der Berichterstattung? Unterschied sich die Berichterstattung über Bulgarien und seine Bewohner in Umfang und benutzten Sprachbildern von der Berichterstattung über die anderen Balkanstaaten oder verlief alles im Rahmen der normalen zeithistorischen und ortstypischen Imaginationen von Balkan und Orient? Lassen sich aus den gewonnenen Erkenntnissen Rückschlüsse auf die Eigen- und Fremdwahrnehmung der deutschen Pressevertreter ziehen?
1.2 Forschungsstand und Quellen
Die bisherige Erforschung der Weltkriegsereignisse im Osten Europas muss als weitgehend defizitär bewertet werden. Lag doch lange Zeit der Fokus der Forschung nahezu ausschließlich auf den Entwicklungen an der Westfront. Mit Ausnahme der Arbeit von Norman Stone „The Eastern Front“4 aus dem Jahre 1975, die bis dato nicht ins Deutsche übersetzt worden ist, erschienen daher auch erst in jüngerer Zeit Untersuchungen, die sich intensiver mit den Kampfhandlungen, aber auch mit den Phänomenen von Besatzungsherrschaft im Osten Europas im Ersten Weltkrieg beschäftigen. In diesem Kontext sind zum einen der von Gerhard P. Groß im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes im Jahre 2006 herausgegebene Sammelband mit dem bezeichnenden Titel „Die vergessene Front“5 und die 2002 in deutscher Sprache erschienene Arbeit des litauischen Historikers Vejas Gabriel Liulevicius „Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonialisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg“6 zu nennen.
Gilt dieses Forschungsdefizit für Osteuropa, so muss es erst recht für den Südosten des Kontinents konstatiert werden, über den bisher keine neuere, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtdarstellung existiert. Dieser Missstand führt auch dazu, dass über die Weltkriegshandlungen eines der Hauptakteure in der Region, Bulgarien, mit Ausnahme einzelner Aufsätze7, bisher nur unzureichende Kenntnisse bestehen - im Gegensatz zur Zeit der Balkankriege8 und der Phase bis zum Kriegseintritt Bulgariens9 im Oktober 1915, die inzwischen ausgiebig untersucht wurden. Bisher vorhandene Arbeiten zur Koalitionskriegführung auf dem Balkan beschränken sich fast ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Bulgarien und Österreich-Ungarn.10 Ein Umstand, der sich zwar aus der stärkeren Balkanausrichtung der österreichischen Forschung als Spätfolge des k.u.k. Herrschaftsgebietes ergeben mag, der aber dennoch schon in Anbetracht der Tatsache, dass das Gros der von den Mittelmächten auf dem Balkan eingesetzten Truppen deutscher Herkunft war und von daher schon wesentlich engere Kontakte zwischen deutschen und bulgarischen Soldaten bestanden haben müssen, verwundert.
Im Hinblick auf die Untersuchung des Ersten Weltkrieges als Medienereignis gestaltet sich die Forschungslage wesentlich umfangreicher. Wird doch in neueren Arbeiten immer wieder die Bedeutung des Großen Krieges, wie der Erste Weltkrieg noch heute in Frankreich und Großbritannien genannt wird, als Medienereignis sui generis, als Epochenschwelle zur modernen Medien- und Kommunikationsgesellschaft betont.11 Schließlich wurde während der vier Jahre des Krieges erstmals der umfassende Versuch unternommen, alle modernen Medien, seien es nun der Print- und Bildjournalismus oder das Kino, in die zunehmend totalen Kriegsanstrengungen einzubinden. Im Hinblick auf die Untersuchung der deutschen Pressepolitik im Weltkrieg, die lange Zeit stark auf den Bereich der Zensur fokussiert blieb, sind vor allem die Arbeiten von Martin Creutz12 und Kurt Koszyk13 sowie der Dokumentenband „Pressekonzentration und Zensurpraxis im Ersten Weltkrieg“ von Heinz- Dietrich Fischer14 zu erwähnen. Hinzu kommt die Arbeit von Anne Schmidt „Belehrung - Propaganda - Vertrauensarbeit“, in der die Autorin sehr genau den Wandel in der amtlichen Kommunikationspolitik des Deutschen Reiches im Weltkrieg untersucht, von den eher unkoordinierten Maßnahmen zu Kriegsbeginn bis hin zu den massiven Beeinflussungs- und Steuerungsversuchen nach der Übernahme der Kontrolle durch die III. Oberste Heeresleitung.15 Gerade die neueren Arbeiten, wie die Dissertation von Creutz, relativieren dabei das vormals eher negative Bild der Forschung über die deutsche Pressearbeit16, die angeblich aufgrund ihrer Ineffizienz maßgeblich zur deutschen Niederlage beigetragen habe, dahingehend, dass auf ihre durchaus beachtlichen Erfolge im strukturellen Rahmen des Kaiserreichs im Weltkriege verwiesen wird.17
Für die Untersuchung der Presselandschaft im Kaiserreich, die sich seit der Reichseinigung 1870/71 innerhalb einer Generation aus bescheidenen Anfängen zu einem differenzierten Gebilde mit rund 4.000 Tageszeitungen und einzelnen Blättern mit Hunderttausender Auflage entwickelt hatte, bieten sich vor allem die Überblickswerke von Heinz-Dietrich Fischer18 und Rudolf Stöber19 sowie die schon ältere Detailstudie zur wilhelminischen Presse von Isolde Rieger20 an. Gerade im Hinblick auf die Untersuchung Berlins, das seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als Sitz der ersten großen Medienkonzerne modernen Zuschnitts zunehmend zum Zentrum des deutschen Journalismus geworden war, sind eine Vielzahl von Arbeiten entstanden, von denen die Bücher von Peter de Mendelssohn21 und Walther G. Oschilewski22 zur Einführung empfohlen seien. Mit der historisch-politischen Einordnung der Tagespresse als dem wesentlichen Medium des Journalismus der damaligen Zeit beschäftigte sich intensiv der schon genannte Heinz-Dietrich Fischer, dessen Sammelbände zu den deutschen Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts23 und den deutschen Verlegern des 18. bis 20. Jahrhunderts24 als Überblickswerke in diesem Bereich noch heute unverzichtbar sind.
Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand der Arbeit sind ferner insbesondere wahrnehmungsgeschichtliche Fragestellungen, die seit dem Ende der 1980er Jahre auch in der historischen Forschung ein breiteres Interesse fanden, von Bedeutung. Dies galt auch für die Militärgeschichte, wo in diesem Kontext vor allem die Wahrnehmung des Krieges durch Bevölkerungsschichten, die vormals nur am Rande der Geschichtsschreibung auftauchten, wie beispielsweise einfache Soldaten oder die Zivilbevölkerung, zunehmend untersucht wurde. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang z.B. die von Gerhard Hirschfeld herausgegebene Arbeit aus dem Jahre 1993 mit dem Titel „Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch…“25, in deren Mittelpunkt die Wirkung und Wahrnehmung des Ersten Weltkrieges auf und durch die „einfachen Soldaten“ steht oder die von Benjamin Ziemann und Bernd Ulrich herausgegebene Untersuchung „Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit“26 von 1994.
Parallel dazu gerieten auch Fragen nach der Eigen- und Fremdwahrnehmung der einzelnen kriegführenden Völker in den Fokus der Wissenschaft. Da eine diesbezügliche Analyse auf das Engste mit den Phänomenen von Vorurteil und Stereotyp verbunden ist, bietet hier vor allem die moderne Stereotypenforschung, in der Stereotype als Perzeptions- Realitätsdifferentiale, als eine Art von Prisma, durch die Individuen ihre Umwelt betrachten, definiert werden, wichtige Ansatzpunkte.27 In diesem Kontext ermöglichen die Stereotype, die die Autoren dem anderen Volk zuweisen, die sogenannten Heterostereotype, auch Rückschlüsse auf die Stereotype, mit denen die Autoren das eigene Volk bewerten, die Autostereotypen.28 Obwohl sich dabei grundsätzlich das Problem stellt, Erkenntnisse der Vorurteilsforschung, die sich meist auf die individuelle Ebene beziehen, für die gesamte Gesellschaft oder Teile selbiger zu verallgemeinern, bietet sie doch interessante Ansatzpunkte zur Untersuchung wahrnehmungsgeschichtlicher Phänomene. Insbesondere insofern, als neuere Forschungsarbeiten immer wieder betonen, dass Stereotype eben nicht per se, wie früher oft angenommen wurde, allein das Merkmal charakterschwacher, moralisch defizitärer Teile der Gesellschaft sind, sondern elementarer Bestandteil von Vereinfachungsstrategien zur Bewältigung des immer komplexer werdenden Alltags und ferner wenigstens teilweise auf realen Anknüpfungspunkten basieren.29
Im Hinblick auf die Ostfront im Ersten Weltkrieg fanden wahrnehmungsgeschichtliche Fragestellungen erst in jüngster Zeit im schon erwähnten Sammelband „Die vergessene Front. Der Osten 1914/15“ Anwendung. Besonders die darin enthaltenen Aufsätze von Günther Kronenbitter über die wechselseitige Wahrnehmung der Mittelmächte30, von Hubertus F. Jahn über die Wahrnehmung des Kriegsgegners Deutschland in Russland31 und von Peter Hoeres über die Slawenperzeption auf Seiten der Mittelmächte32 geben ein beredtes Beispiel dieses neuen Forschungszuganges.
Für die deutsche Wahrnehmung des Balkans im Allgemeinen33 und Bulgariens im Besonderen muss für den entsprechenden Untersuchungszeitraum dennoch weiterhin ein großes Forschungsdefizit konstatiert werden - im Gegensatz zur Wahrnehmung zum Beginn des 19. Jahrhunderts, die bereits ansatzweise in kleineren Aufsätzen untersucht wurde.34 Für die Zeit von 1912 - 1918 sind bisher einzig zwei Aufsätze von Stefan Troebst35 zum deutschen Bulgarienbild vom Kaiserreich bis heute und die Dissertation von Mechthild Golczewski zum Balkanbild in deutschen und österreichischen Reiseberichten der Zeit von 1912-1918 zu nennen.36 In beiden Werken spielt Bulgarien in dieser Zeit aber nur eine untergeordnete Rolle. Geben doch Troebsts Aufsätze einen zeitlich weiter reichenden Überblick und Golczewskis Arbeit eine räumlich umfassendere Gesamtdarstellung des Balkans im entsprechenden Zeitraum 1912-1918.
Dennoch konnte aber bereits Golczewski feststellen, dass der Balkan und damit auch Bulgarien in den Reiseberichten fast immer mit den typischen Stilmitteln einer stereotypen Wahrnehmung dargestellt wurden, von der Verallgemeinerung und der Verbesonderung über die Diskriminierung, dem Weglassen von Aussagen und Widersprüchen bis hin zur Vereinfachung. Wiederholt fand sie daher in den Reiseberichten ähnliche Formulierungen wie z.B.: „die Bulgaren sind“ (Verallgemeinerung), „typisch bulgarisch ist“ (Verbesonderung) oder „die Bulgaren sind die Preußen des Balkan“ (Vereinfachung).37 Die Grundannahme der eigenen kulturellen Überlegenheit zog sich dabei, wie die Autorin erklärt, durch den gesamten Untersuchungszeitraum, wie die häufige und indifferente Nutzung der Begriffe „balkanisch“ und „orientalisch“ zur meist negativ konnotierten Beschreibung vielschichtigster Prozesse und Phänomene schlaglichtartig verdeutlicht.38
Als Quellengrundlage der vorliegenden Arbeit dienen die im Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek im Berliner Westhafen gesammelten Bestände der wichtigsten Tageszeitungen des Deutschen Reiches. Eine Eingrenzung des Quellenbestandes erfolgte einerseits durch die zeitliche Begrenzung auf die Jahre 1912 bis 1918 und andererseits durch die Beschränkung auf folgende Tageszeitungen: Berliner Tageblatt, Der Tag, Deutsche Tageszeitung, Dresdner Anzeiger, Frankfurter Zeitung, Kölnische Volkszeitung, Kölnische Zeitung, Neue Preußische (Kreuz=) Zeitung, Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Rheinisch- Westfälische Zeitung, Tägliche Rundschau und Vossische Zeitung. Die Auswahl der für die Untersuchung relevanten Artikel basiert im Wesentlichen auf der „Bibliographie der deutschen Zeitschriften-Literatur mit Einschluss von Sammelwerken und Zeitungsbeilagen“, in deren Rahmen seit Oktober 1908 jeweils in der ersten und dritten Woche jeden Monats ein „Halbmonatliches Verzeichnis von Aufsätzen aus deutschen Zeitungen in sachlich- alphabetischer Anordnung mit Jahres-, Gesamt-, Sach- und Verfasser-Register“ veröffentlicht wurde. Wie die Verfasser in der ersten Ausgabe der Beilage, in der anfangs die wichtigsten 100 Zeitungen im deutschsprachigen Raum ausgewertet wurden, mitteilen, war es ihr Ziel, eine dauerhafte Bibliographie der deutschen Zeitungsaufsätze zu schaffen, um den Wert und die Bedeutung der Zeitungen für die Wissenschaft zu erschließen. Über die Auswahl der aufgenommenen Artikel hieß es:
„Es kann sich naturgemäß nur um die Registrierung einer Auswahl geeigneter Aufsätze von möglichst dauerndem Wert handeln, von Arbeiten bekannter Autoren und Fachleuten, von nicht zu kurzen Abhandlungen oder Berichten […].“39
Als zweite herangezogene Quellengattung dienen die in den wichtigsten Satirezeitschiften des Deutschen Reiches, dem Kladderadatsch, dem Simplicissimus und dem Ulk abgedruckten Karikaturen der Jahre 1912 - 1918, die ebenfalls im Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek im Berliner Westhafen vorhanden sind.
1.3 Methodik
In einem ersten, einleitenden Kapitel soll es darum gehen, den strukturellen Rahmen des Forschungsgegenstandes darzustellen. Dazu werden einerseits die deutsche Presselandschaft der Zeit näher beleuchtet und andererseits die Entwicklung der politischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Bulgarien im Zeitraum 1912 - 1918 skizziert. Basierend auf den dort gewonnen Erkenntnissen steht im Hauptkapitel die Darstellung Bulgariens in der deutschen Presse im Mittelpunkt der Betrachtung.
Nach einer einführenden statistischen Auswertung der in der o.g. Bibliografie nachgewiesenen Artikel, deren Ziel die Darstellung des Zusammenhanges zwischen realpolitischer Entwicklung und Medienecho ist, werden drei Unterkapitel behandelt, die sich aus dem Schwerpunkt der Berichterstattung in der deutschen Tagespresse ergeben - erstens die kulturelle und anthropologische Ebene, zweitens die politische Ebene und drittens die militärische Ebene. Da diese Dreiteilung für beide Untersuchungszeiträume beibehalten wurde, ermöglicht sie, in vergleichender Perspektive die Entwicklungen und Unterschiede zu beschreiben. Auf Grundlage dieses diachronen Vergleiches der in den beiden Untersuchungszeiträumen 1912 - 1914 und 1914 - 1918 in den wichtigsten deutschen Tageszeitungen erschienenen Artikel und der in den Satirezeitschriften abgedruckten Karikaturen soll dabei hauptsächlich untersucht werden, wie sich die auf politischer Ebene abgrenzbaren Phasen, von der deutschen Neutralität im Vorfeld des Ersten Weltkrieges über das Waffenbündnis seit 1915 bis hin zum bulgarischen Zusammenbruch im September 1918, auf das Bulgarienbild in der deutschen Presse auswirkten.
Aufgrund des weitgehenden Fehlens wissenschaftlicher Vorarbeiten zu dieser Fragestellung, basiert die Arbeit fast ausschließlich auf Quellen in Form von Zeitungsartikeln und Karikaturen. Obwohl die Auswahl dieser Artikel auf Grundlage der schon genannten halbmonatlichen Bibliografie natürlich methodische Schwierigkeiten im Hinblick auf die Objektivität birgt, scheint sie doch zum einen repräsentativ und zum anderen der einzige Zugang zu der sonst unüberblickbaren Masse des vorhandenen Zeitungsmaterials zu sein. Die großen Anzeigen- und Boulevardblätter sowie die weit verbreiteten Illustrierten wurden bewusst vernachlässigt, da die darin erschienenen Artikel meist nur kurzen Umfangs waren und einen geringen Informationsgehalt besaßen. Ebenso wurde der sozialdemokratische „Vorwärts“ nicht berücksichtigt, da im gesamten Untersuchungszeitraum nur 10 kurze Artikel zum Thema „Bulgarien“ ohne nennenswerte Aussagekraft darin erschienen.
2 Strukturelle Rahmenbedingungen
2.1 Die Presse im Deutschen Kaiserreich im Vorfeld und während des Weltkrieges
2.1.1 Die Presselandschaft im Kaiserreich
Parallel zum raschen wirtschaftlichen Aufschwung und der rasant fortschreitenden Modernisierung des Deutschen Kaiserreichs nach 1870/71 entwickelte sich auch das Zeitungswesen unaufhörlich weiter in Richtung auflagenstarker Massenblätter. Schätzungen gehen davon aus, dass die Gesamtauflage aller deutschen Zeitungen im Zeitraum von 1898 bis 1918 von 12,2 Mio. auf rund 27,7 Mio. Stück anstieg.40 Parallel dazu erhöhte sich die Gesamtzahl der Zeitungen von 1885 bis 1914 von 3.069 auf 4.221.41 Zum Schwerpunkt der Presselandschaft des Kaiserreichs wurde dabei in zunehmendem Maße die Hauptstadt Berlin42, gefolgt von Köln und Frankfurt. In Berlin entstanden nicht nur die großen, auflagenstarken Blätter, sondern auch die ersten großen Presse- und Medienkonzerne, wie z.B. die Verlage von Rudolf Mosse43, August Scherl44 oder Leopold Ullstein.45 Welche Dimensionen das Wachstum der Presse in Berlin um die Jahrhundertwende erreicht hatte, verdeutlicht die Tatsache, dass allein im Ullstein-Verlag im Zeitraum von 1899 bis 1909 die Zahl der Mitarbeiter von 1.600 auf 4.000 und der jährliche Papierverbrauch für die Tageszeitungen von 4.200to auf über 19.000to anstiegen.46 Daher umschrieb der Volksmund die rasante Presseentwicklung in der Hauptstadt auch mit dem Begriff des „Berliner Tempos“.47
Die Presse des Kaiserreichs48 lässt sich dabei grundsätzlich den bedeutenden politischen Strömungen der Zeit entsprechend in fünf große Gruppen unterteilen: konservativ, liberal, Zentrum, Sozialdemokratie und parteilos. Auf Grundlage unterschiedlicher Quellen gelang es Heinz-Dietrich Fischer folgende Werte über die Repräsentanz der einzelnen politischen Strömungen in der Presselandschaft der Vorkriegs- und Kriegszeit zusammenzuführen.49
Grafik 1: Anzahl und Prozentsatz deutscher Tageszeitungen differenziert nach politischer Richtung 1913/17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grafik 2: Zeitungen nach politischer Richtung 1913 / 1917
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf der konservativen Seite waren im Kaiserreich vor allem fünf Blätter bedeutsam. Erstens die im Juni 1848 erstmals erschienene Neue Preußische Zeitung, die aufgrund des markanten Eisernen Kreuzes auf dem Titelblatt auch Kreuzzeitung genannt wurde. Sie war als Reaktion auf die Märzrevolution 1848 gegründet worden und vertrat in der Folgezeit einen streng royalistischen Standpunkt.50
Als zweites ist die Norddeutsche Allgemeine Zeitung zu nennen, die 1861 gegründet worden war und aufgrund ihrer engen Bindung an den Reichskanzler Bismarck auch als dessen „Hauspostille“ bezeichnet wurde. Selbst nach Bismarcks Ablösung 1890 vertrat die Zeitung meist eine hoch offiziöse und staatstragende Meinung. Daher erhielt die Zeitung nach Kriegsausbruch auch eine bevorzugte Behandlung z.B. in Form öffentlicher Aufträge und erhöhter Papierzuteilung.51
Neben diesen „offiziösen“ Blättern, die weitgehend als Presseorgane der Regierung oder des Herrscherhauses angesehen wurden, existierten noch drei weitere Zeitungen, die zwar von einzelnen Lobbygruppen herausgegeben wurden und daher zum Teil stärker deren Interessen als die der Reichsführung vertraten, aber dennoch zum konservativen Lager gerechnet wurden. Zum ersten ist in diesem Kontext die 1883 erstmals erschienene Rheinisch- Westfälische Zeitung zu nennen. Sie galt als Organ der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie und war ebenfalls außerordentlich bismarcktreu. Im Gegensatz zur Norddeutschen Allgemeinen Zeitung nahm sie aber nach dem Ende der bismarckschen Kanzlerschaft eine kritische Haltung zur Reichsführung ein, und beklagte die exaltierte Weltpolitik der neuen Reichsführung als „wilhelminischen Byzantinismus“.52
Eine weitere Zeitung dieses Typs war die Deutsche Tageszeitung, die 1894 erstmals vom Bund der Landwirte herausgegeben worden war. In der Folgezeit vertrat sie aber nicht nur die Interessen der Großagrarier, insbesondere Ostelbiens, sondern bezog auch zu allgemeinen Themen der Politik und Gesellschaft Stellung.53
Als letzte Zeitung in diesem Kontext muss die 1881 erstmals herausgegebene Tägliche Rundschau genannt werden. Hatten die Gründer der Zeitung anfangs noch den Anspruch vertreten, unpolitische und seriöse Nachrichten zu verbreiten, so erfolgte mit der Zeit eine zunehmende Politisierung des Blattes bis hin zum Bekenntnis zu einer betont nationalen Gesinnung.54
Die liberale Presse wurde vor allem geprägt von vier großen Zeitungen, von denen drei linksliberale und eine nationalliberale Positionen vertraten. Auf der linksliberalen Seite ist als erstes das Berliner Tageblatt zu nennen, welches 1872 vom damals erst 27-jährigen Verleger Rudolf Mosse in Berlin gegründet worden war. Die Politik der Reichsführung nach außen anfangs befürwortend, trat das Blatt für weitgehende innenpolitische Reformen insbesondere im Hinblick auf Presse- und Meinungsfreiheit, Selbstverwaltung und die politische Partizipation der Bürger ein. Obwohl die Zeitung parteipolitisch unabhängig war, unterstützte sie die Fortschrittspartei und trat für die Gründung einer alle liberalen Kräfte umfassenden „Nationaldemokratischen Partei“ ein. Kam es im Zuge der zunehmend nationalistischeren und chauvinistischeren Außenpolitik des Reiches seit dem Machtantritt Wilhelms II. zu ersten Spannungen zwischen der Leitung der Zeitung und der politischen Führung, so führte die auf Ausgleich bedachte Berichterstattung im Vorfeld und während des Krieges zu Verboten des Blattes, die erst nach einflussreicher Fürsprache wieder aufgehoben wurden.55 National und international hatte die Zeitung spätestens mit der Übernahme des Chefredakteurpostens durch den bedeutenden Journalisten Theodor Wolff im Jahre 1906 große Anerkennung erlangt.56
Ein zweites maßgebliches linksliberales Blatt war die 1856 erstmals erschienene Frankfurter Zeitung. Beeinflusst von der Revolution des Jahres 1848 verstand sie sich als demokratisch, großdeutsch und liberal. Mitarbeiter des Blattes waren daher auch 1868 an der Gründung der liberalen Deutschen Volkspartei maßgeblich beteiligt. Im Mittelpunkt der politischen Berichterstattung der Frankfurter Zeitung stand zum einen der Kampf für innenpolitische Reformen und zum anderen die Auseinandersetzung mit der zunehmend imperialistischeren und chauvinistischeren Außenpolitik des wilhelminischen Deutschland. Aufgrund ihrer herausragenden Qualität und Individualität erreichte das Blatt auch außerhalb Deutschlands rasch eine große Bedeutung.57
Als dritte linksliberale Zeitung ist die Vossische Zeitung zu nennen, die aufgrund ihrer bis 1617 zurückreichenden Vorläufer als älteste Zeitung Berlins galt. Sie führte bis zum Jahre 1910 eigentlich den Titel „Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen“ und übernahm erst danach den Namen „Vossische Zeitung“, den der Volksmund aus dem Namen eines der ersten Verleger, des Buchhändlers Christian Friedrich Voß, hergeleitet hatte. Auch sie war offiziell parteipolitisch unabhängig, tendierte aber bis 1914 zur liberalen Fortschrittspartei. Ausgehend von dem Credo, dass neben dem Liberalismus der Nationalismus die stärkste Kraft der Zeit sei, befand sich das Blatt außenpolitisch durchaus auf der Seite der Regierung, plädierte aber innenpolitisch für Reformen. Am 1. Januar 1914 übernahm der Ullstein-Verlag das Prestigeblatt und gliederte es in sein großes Medienimperium ein. Im Krieg wandelte sich die Berichterstattung des Blattes und nahm nationalistischere Züge an.58
Die vierte bedeutsame liberale Zeitung im Kaiserreich war die 1802 erstmals verlegte nationalliberale Kölnische Zeitung, deren Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert zurückreichten. Hatte die Zeitung anfangs eine gegen Bismarck gerichtete Politik betrieben, so schwenkte sie im Zuge der Reichseinigung ins Lager der Anhänger des Reichskanzlers um. Obwohl auch sie keine offizielle Parteizeitung war, vertrat sie doch als „Parteirichtungspresse“ weitgehend die Meinung der 1867 gegründeten Nationalliberalen Partei. Ihr Renommee resultierte dabei lange Zeit aus ihren sehr guten Verbindungen in die politische Spitze des Reiches speziell zum Auswärtigen Amt. Die Offiziösität des Blattes endete erst kurz vor Beginn des Weltkrieges im Zuge der Auseinandersetzung um einen aufsehenerregenden Artikel über die russische Aufrüstung gegen das Osmanische Reich im März 1914, dessen Erscheinen die politische Führung als grobe Indiskretion wertete.59
Die Zentrumspresse wurde von zwei Blättern dominiert. Zum ersten ist die 1860 erstmals erschienene Kölnische Volkszeitung zu nennen. Ihre Wurzeln lagen in den zunehmenden konfessionellen Spannungen zwischen den katholischen Bewohnern der Rheinlande und der protestantischen preußischen Verwaltung, die seit dem Wiener Kongress von 1815 das Land kontrollierte. Hatten die Zeitungsgründer aufgrund ihrer pro- österreichischen Haltung bereits kurz nach dem ersten Erscheinen der Zeitung Ermahnungen des Reichskanzlers Bismarck hinnehmen müssen, so spitzte sich die Lage im Kulturkampf der 1870er Jahre noch bedrohlicher zu. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb entwickelte sich die Zeitung, die sich selbst als katholisch, konservativ und patriotisch definierte, rasch zur bedeutendsten überregionalen katholischen Tageszeitung. Während des Weltkrieges stand das Blatt trotz häufiger Klagen über die strenge Zensur rückhaltlos hinter der Reichsregierung und der Obersten Heeresleitung. In diesem Kontext verwundert es daher nicht, dass die Kölnische Volkszeitung die erste Zeitung des Deutschen Reiches war, die eine regelmäßig erscheinende Feldausgabe druckte.60
Das zweite Zentrumsblatt war die 1871 erstmals erschienene Germania.61 Obwohl ihre Gründung mit der Konstituierung der Zentrumsfraktion im Reichstag zusammenfiel, war sie doch nicht als offizielles Parteiorgan, sondern aus dem Zusammenschluss der katholischen Vereine und Verbände im protestantischen Berlin entstanden. Das Blatt entwickelte sich daher auch in der Folgezeit zum Sprachrohr der katholischen Diaspora in den protestantischen Gebieten und betreute viele Ableger, wie z.B. in Breslau. Grundsätzlich vertrat das Blatt im Gegensatz zur Kölnischen Volkszeitung einen eher konservativeren Katholizismus, was wohl nicht zuletzt dem permanenten Behauptungskampf im protestantischen Berlin geschuldet war. Obschon die Germania zunehmend zum offiziellen Organ der Zentrumsfraktion im Reichstag avancierte, geriet sie doch in den Richtungskämpfen innerhalb des katholischen Lagers regelmäßig gegenüber der wesentlich bedeutsameren Kölnischen Volkszeitung ins Hintertreffen.
Die sozialdemokratische Presse wurde vor allem von einer Zeitung geprägt, dem Vorwärts. Obwohl die erste Nummer des Blattes erst 1876 als Zentralorgan der SPD erschien, reichen ihre Vorläufer doch bis in die Anfänge der sozialdemokratischen Parteientwicklung zurück. Trotz des Verbotes in der Zeit der Sozialistengesetze von 1878 bis 1890 - oder gerade deshalb - erreichte das Blatt durch illegale Verbreitung eine wachsende Bedeutung. 1912 belief sich die tägliche Auflage auf 165.000 Stück. Hatten sich bereits vor dem Jahre 1914 die parteiinternen Spannungen zwischen gemäßigten und radikalen Sozialisten auch in der Redaktion des Vorwärts widergespiegelt, so eskalierte die Situation kurz nach Ausbruch des Krieges. Geschlossen wandte sich die Redaktion gegen die Zustimmung der SPD-Fraktion zu den Kriegskrediten. Die Konsequenzen dieser Haltung waren unmittelbar folgende Verbote durch die Zensurbehörden, die nur durch Fürsprache der Parteispitze aufgehoben werden konnten. Zum endgültigen Bruch kam es im Jahre 1916, als sich die Redaktion ohne Rücksicht auf die Parteiführung den Kriegsverweigerern um Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Kurt Eisner, die 1917 die USPD gründen sollten, anschloss. Obwohl der Parteivorstand umgehend eingriff und einen Großteil der Redaktion durch eigene Leute ersetzte, ja gar einen eigenen Zensor für das Blatt bestellte, blieben die Spannungen auch in der Folgezeit virulent. Erst im Zuge der Revolution 1918/19 erklärte sich der „neue“ Vorwärts offen solidarisch mit den Mehrheitssozialdemokraten.62
Im Zusammenhang mit der Untersuchung der Reichweite und Wirkungskraft der einzelnen Blätter bestehen einige methodische Probleme. Lassen doch die Auflagenzahlen nur bedingte Rückschlüsse auf den Rezipientenkreis zu. Gerade im Kaiserreich wird dieser Zusammenhang insbesondere im Hinblick auf die konservativen Zeitungen sehr deutlich. Trotz ihrer geringen Auflagenhöhe gehörten sie doch zur Standardlektüre der maßgeblichen politischen und wirtschaftlichen Stellen und es steht zu vermuten, dass ihr Einfluss daher nicht unterschätzt werden sollte. Grundsätzlich gestaltet sich eine genaue Darstellung der Auflagenzahlen für das Kaiserreich äußerst schwierig, da bei den Behörden kaum statistische Daten diesbezüglich erhoben wurden. Dennoch konnte der Autor folgende Zahlen für die Kriegszeit aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen.
Grafik 3: Auflagenzahlen im Weltkrieg63
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auffallend sind dabei die hohen Auflagenzahlen der liberalen Blätter (Berliner Tageblatt, Frankfurter Zeitung, Vossische Zeitung und Kölnische Zeitung), die nur vom sozialdemokratischen Vorwärts und von der Rheinisch-Westfälischen Zeitung noch erreicht wurden. Obwohl sich daraus, wie oben erwähnt, nicht zwangsläufig eine Aussage über die Wirkungskraft der einzelnen Zeitungen ableiten lässt, sind sie doch ein Indikator sowohl für die ökonomische Macht der liberalen Zeitungsverleger als auch für ihren Einfluss auf die Meinungsbildung im Reich, nicht nur im Hinblick auf das großstädtische Bürgertum als ihrer maßgeblichen Zielgruppe.
Eine gewisse Sonderrolle in der Presselandschaft des Kaiserreichs nahmen die Satire- oder Witzblätter ein, deren Bedeutung und Verbreitung in jener Zeit weitaus größer war als heute. Sie nahmen meist das aktuelle Tagesgeschehen auf und gaben es in Form von Karikaturen pointiert an ihre Leserschaft weiter. Daher standen sie auch oft unter scharfer Beobachtung durch staatliche Stellen. Die bedeutendsten Satire- und Witzblätter des Kaiserreichs waren der 1848 in Berlin gegründete Kladderadatsch, der 1896 erstmals in München herausgegebene Simplicissimus und der 1872 etablierte ULK, der als Beilage des Berliner Tageblattes verbreitet wurde. Der Kladderadatsch erreichte 1915 eine Auflage von 40.000 Stück, der Simplicissimus 1911 gar eine Auflage von 90.000. Der ULK wurde als wöchentliche Beilage des Berliner Tageblatts, an dessen 230.000 Käufer unentgeltlich verteilt.64
2.1.2 Pressekontrolle und Zensur
Der Erste Weltkrieg stellte im Hinblick auf die Pressesteuerung und die Pressekontrolle eine wichtige Zäsur in fast allen am Krieg beteiligten Staaten dar. Thomas Dominikowski sieht daher auch den ersten Weltkrieg als wichtige Wegmarke, an der der Massenkrieg zum Massensterben und die Massenmedien in neuer Qualität zu Instrumenten der Massenpropaganda wurden, mithin sich also der Staat der Medien endgültig bemächtigte.65
Sowohl in Berlin, als auch in Paris und London waren die Regierungen in ähnlicher Weise bemüht, den Informationsfluss durch Zensur und Zulassungsbeschränkungen nach ihren Vorstellungen zu lenken66 - vom Zarenreich mit seiner autoritäreren Tradition und seiner im Vergleich zu Westeuropa kaum vorhandenen Presselandschaft ganz zu schweigen. Eine kleine Ausnahme bildeten die USA. Ihre Korrespondenten berichteten lange Zeit relativ frei von den Kriegsschauplätzen im Westen. Dies war zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Regierungen in London und Paris hofften, durch die Berichte der amerikanischen Journalisten die Meinung in den Vereinigten Staaten auf ihre Seite ziehen zu können. Zum anderen konnte die Berichterstattung in den USA lange Zeit davon profitieren, dass das Land nicht mit eigenen Soldaten in den Krieg involviert, eine Pressesteuerung mithin nur bedingt notwendig war.
Im Kaisereich jedenfalls, in dem es mit Ausnahme der Zeit der Sozialistengesetze kaum eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit gegeben hatte, trat unmittelbar mit Kriegsbeginn eine eklatante Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Presse ein. Bereits am 31. Juli 1914 hatte Reichskanzler Bethmann Hollweg einen 26 Punkte umfassenden Katalog erlassen, in dem geregelt wurde, über welche Themen fortan nur noch nach Zustimmung der Militärbehörden berichtet werden durfte.67 In der Folgezeit wurde der Katalog dann ebenfalls als Faltblatt an die Pressevertreter verteilt. Einen Tag später versetzte Kaiser Wilhelm II. das Land in den Kriegszustand, wodurch auch das Belagerungsgesetz vom 4. Juni 1851 in Kraft trat. Kurz danach folgte der bayerische Monarch, dem aufgrund einer Regelung im Zuge der Einigungskriege 1870/71 dieses Sonderrecht zustand, dem Schritt des Kaisers. Damit ging die vollziehende Gewalt im Reich auf die 57 Militärbefehlshaber über, worunter neben den stellvertretenden kommandierenden Generalen in den Armeekorpsbereichen auch die Gouverneure größerer Festungen sowie die Festungskommandanten fielen.68 Ihnen, die aufgrund ihrer Immediatstellung nur dem Kaiser direkt verantwortlich waren, fiel damit unter anderem die Kontrolle und Zensur von Artikeln im Hinblick auf die militärische Geheimhaltung zu.
In der Praxis aber ließen sich die militärische und die politische Ebene kaum trennen, was zur Folge hatte, dass die Berichterstattung und Nachrichtenübermittlung fast vollständig unter die Kontrolle des Militärs geriet. Für die Zensurbehörden selbst bestand ein wesentliches Problem vor allem darin, dass in Friedenszeiten kaum Vorbereitungen zur Lösung einer solch komplexen Aufgabe getroffen worden waren, obwohl sich das Zeitungswesen im späten Kaiserreich inzwischen zu einer Massenpresse mit Millionenauflagen weiterentwickelt hatte. Martin Creutz betont daher in seiner Dissertation über die Pressepolitik der kaiserlichen Regierung im Weltkrieg, dass zwar die Gesetzesgrundlagen im Jahre 1914 eindeutig waren, die Strukturen und Instrumente zur Pressekontrolle aber weitgehend ineffizient arbeiteten. Eine Weiterentwicklung und Anpassung an die neue Presselandschaft hatte seit der Reichsgründung nicht stattgefunden, so Creutz.69
Die Folge dieser „Desorganisation der staatlichen Pressepolitik im Kaiserreich“ (Koszyk) war, dass die Zensurpraxis in der Folgezeit relativ uneinheitlich innerhalb der lokalen Militärkommandos gehandhabt wurde. Erst im Februar 1915 wurde mit der Oberzensurstelle eine erste übergreifende Instanz zur einheitlichen Regelung der Pressekontrolle geschaffen. Zum Jahresende erschien dann erstmals ein detailliertes Zensurbuch, in dem die wichtigsten Bestimmungen zusammengefasst waren. Welche Dimensionen die Zensur erreichte, zeigt schon die Tatsache, dass Ende 1916 bereits 2.000 Zensurverfügungen existierten.70 Dennoch erwies sich die Zensur auch in der Folgezeit oftmals als nur mäßig geeignetes Kontrollinstrument, wie Konrad Dussel feststellt. Das Alltagsgeschäft der Presse, so Dussel weiter, ließ sich damit jedenfalls weder ausreichend lenken noch beaufsichtigen.71
In diesem Kontext kam dem 1849 gegründeten Wolffschen Telegraphischen Bureau (WTB) eine Schlüsselfunktion zu. Es war nicht nur die einzige große deutsche Nachrichtenagentur, sondern verfügte sogar noch nach dem Kriegsausbruch über vereinzelte Informationen aus dem Ausland, da mit den vom WTB genutzten Telegrafen die Unterbrechung der deutschen Unterseekabelverbindung durch die Alliierten wenigstens teilweise kompensiert werden konnte. Einer strengen Zensur unterliegend, die oftmals von den Pressevertretern auch kritisiert wurde, ersetzte damit das WTB einen Teil des anfangs nicht vorhandenen amtlichen Presseapparates. Meldungen der Agentur konnten daher von der Presse auch unzensiert nachgedruckt werden. Im Hinblick auf die Berichterstattung vom Balkan kam erschwerend hinzu, dass das WTB mit der „Agence Balkanique“ zwar seit Vorkriegszeiten ein eigenes Büro in Sofia besaß, gleichzeitig aber das Interesse daran in Berlin aber sehr begrenzt war. Aufgrund der geringen Lukrativität des Balkangeschäftes engagierte sich das WTB dort nur mit „[…] spitzen Fingern […]“. Dieter Basse stellt deshalb heraus, dass von einer korrekten Unterrichtung über die Verhältnisse in der Türkei, auf dem Balkan und in Osteuropa unter diesen Umständen wohl nicht ausgegangen werden könne.72
Parallel zu dieser restriktiven Pressepolitik wurde zusätzlich die eigene Berichterstattung institutionalisiert und ausgebaut. Anne Schmidt fasst dies im medizinisch angelehnten Sprachgebrauch der damaligen Zeit in das Begriffspaar von „Quarantäne“ und „Aufklärung“. Die „Aufklärung“, so Schmidt weiter, habe dabei die Aufgabe gehabt, sowohl vor feindlicher Indoktrination zu schützen, als auch gesellschaftliche Integrationsprozesse zu stabilisieren und zu befördern.73 Die Aufklärung gestaltete sich aber aufgrund mangelnder Vorbereitungen ebenfalls als schwierig. Weder existierte eine einheitliche Pressestelle der Regierung, noch eine Koordinationsinstanz der zivilen und militärischen Presseabteilungen. Vielmehr herrschte ein heilloses Chaos. Stützte sich die Reichsregierung anfangs mehrheitlich auf die Pressestelle im Auswärtigen Amt, so betrieben sowohl das Reichspostamt, das Reichsinnenministerium als auch das Reichsmarineamt eigene Abteilungen. Im Kriegsministerium existierte aber kein eigener Pressereferent.
Mit Kriegsbeginn wurde diese Arbeit in der neu gegründeten Pressesektion der Nachrichtenabteilung (IIIb) beim Chef des Generalstabes des Feldheeres wahrgenommen.74 Die Abteilung, die unter Leitung des Majors, später Oberstleutnants, Walter Nicolai stand, gliederte sich im August 1914 in folgende sieben Sektionen: Abwehr; Nachrichten West, Ost und Süd; Politik; Presse und Zeitungsstelle.75
Ab 3. August führte ein Vertreter der Abteilung tägliche Pressebesprechungen in Berlin durch. Die Besprechungen, die sich bald zum wichtigsten Instrument der Meinungssteuerung entwickelten, fanden dabei meist in ungezwungener Atmosphäre statt, obwohl die Weisungen der Offiziere verbindlichen Charakter für die Pressevertreter und ihre Berichterstattung besaßen.76 Die schon genannte Anne Schmidt schreibt über den Ablauf der Konferenzen, dass dort zivile und militärische Referenten aktuelle Lagebeurteilungen abgaben, die sich aber keinesfalls auf die nüchterne Nachrichtenübermittlung beschränkten. Vielmehr, so die Autorin weiter, hätten die Regierungsvertreter klar an die nationale Verantwortung der Journalisten appelliert und herausgestellt, wie bestimmte Fragen in der Presse zu behandeln seien.77
Um sowohl die repressive mit der präventiven als auch die militärische mit der zivilen Pressearbeit zu verbinden, reiften bald Pläne zum Aufbau einer Koordinationsinstanz. Aufbauend auf dem Grundstock der von Major Nicolai geleiteten Nachrichtenabteilung IIIb erfolgte daher im Oktober 1915 auf Weisung des Kaisers die Gründung des Kriegspresseamtes, das der Obersten Heeresleitung direkt unterstellt wurde. Unter Leitung eines ausgewiesenen Kenners der Materie, des Majors Erhard Deutelmoser, gliederte es sich in vier Abteilungen: die Abteilung I „Inlandsstelle“, die für die Auswertung der inländischen Zeitungen zuständig war; die Abteilung II „Oberzensurstelle“, in die die bereits bestehende Oberzensurstelle überführt wurde; die Abteilung III „Auslandsstelle“, die die ausländischen Zeitungen erfasste und die Abteilung IV „Auskunftsstelle“, die für die Weitergabe von Informationen z.B. in Form der seit 1916 erscheinenden „Deutschen Kriegsnachrichten“ oder der „Deutschen Kriegswochenschau“ zuständig war.78 Obwohl damit erstmals die Voraussetzungen für eine zentral gesteuerte Pressepolitik gegeben schienen, bestanden aufgrund der weitgehend auf den militärischen Bereich beschränkten Zuständigkeit des Amtes weiterhin Probleme und Redundanzen. Kurt Koszyk verweist in diesem Kontext vor allem auf die Spannungen zwischen militärischen und zivilen Stellen. Für ihn habe insbesondere die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes aus eigenem Interesse heraus lange Zeit eine straffere Pressesteuerung durch die militärischen Instanzen behindert.79
Dass die Pressesteuerung dennoch bis 1916 trotz kleinerer Ausnahmen weitgehend erfolgreich funktionierte, „[…] basierte im Wesentlichen auf einem Wert- und Interessenkonsens, auf ähnlichen Gegenwartsdeutungen und gleichartigen kommunikationspolitischen Grundsatzpositionen“, wie Anne Schmidt schreibt.80 Durch bewusste oder unbewusste „Selbstzensur“ erleichterten die Journalisten die Arbeit der Zensoren wesentlich und leisteten damit ihren Beitrag zum „Burgfrieden“. Oberstleutnant Walter Nicolai, der schon genannte Leiter der Nachrichtenabteilung IIIb, fasste seine Eindrücke über die Zusammenarbeit zwischen Presse und Zensur daher unmittelbar nach Krieg wie folgt zusammen:
„Im ganzen ergab die Prüfung durch die Oberzensurstelle, dass überall mit großer Pflichttreue und Unparteilichkeit gearbeitet wurde. Infolgedessen war auch das Verhältnis zwischen Presse und Zensur im Allgemeinen ein gutes.“81
Erst im Zuge der Übernahme der Obersten Heeresleitung durch Hindenburg und Ludendorff im August 1916 wandelte sich das auf stillschweigender Übereinstimmung basierende Verhältnis zwischen Presse und Militär allmählich. Eine Vielzahl jüngerer und autoritärerer Offiziere kam nun in verantwortungsvolle Positionen und versuchte, ihr vom radikalen Nationalismus und von jungkonservativen Werten geprägtes Weltbild umzusetzen. Anne Schmidt betont in diesem Kontext die wesentlich radikaleren, moderneren Ansätze der massenkommunikativen Steuerung einer Gesellschaft, die diese Gruppe bestimmt haben. Sie hätten, so die Autorin weiter, auf Grundlage der zeitgenössischen Massenpsychologie die Propaganda als ein wesentliches Instrument zur Disziplinierung und Steuerung der Gesellschaft gesehen.82
Dem Nachlassen der Stimmung im Volke versuchten sie daher, mit einer verstärkten Steuerung und Propaganda zu begegnen, beispielsweise in Form des seit Juli 1917 unter diesem Namen durchgeführten „Vaterländischen Unterrichts“83, der von der Auskunftsstelle des Kriegspresseamtes betreut wurde sowie der im April 1918 geschaffenen „Zentralstelle für Heimatdienst“ (ZfH), die die auf das Inland gerichteten Propagandabemühungen koordinieren sollte.84 Die Gründung der ZfH erfolgte dabei nach dem Vorbild der „Zentralstelle für Auslandsdienst“, die unter maßgeblicher Fürsprache des Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger im Oktober 1914 zur Bündelung der deutschen Auslandspropaganda insbesondere im Hinblick auf die neutralen Staaten geschaffen worden war.85
Als Folge der von der III. OHL weiter forcierten Zentralisierung radikalisierten sich nicht nur die alten Strukturkonflikte zwischen politischer und militärischer Führung - letztlich sollten sie im Juli 1917 zur Entlassung des als gemäßigt geltenden Reichskanzlers Bethmann Hollweg führen - sondern auch im Hinblick auf die Presse entstanden neue Spannungen, wie z.B. die hohe Zahl von rund 1.000 Verwarnungen während der Berichterstattung über die Revolution in Russland im Februar 1917 verdeutlicht.86 Die Konsequenz dieser zunehmenden Steuerung der Presse und des weitgehenden Fehlens ausländischer Informationsquellen - ausländische Heeresberichte durften zwar mit Kommentar abgedruckt werden, besaßen aber nur einen geringen Informationsgehalt - war, dass sich der Großteil der Bevölkerung und wahrscheinlich auch der politischen Führung im Unklaren über das tatsächliche Ausmaß der militärischen Lage befand. Als Ludendorff am 29. September 1918 von der politischen Führung aufgrund der katastrophalen Situation an den Fronten die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen forderte, traf dies die Öffentlichkeit wie ein Schock und bereitete die Grundlage für die Dolchstoßlegende. Dieser Argumentation folgend, wurde die deutsche Pressepolitik im Weltkrieg lange Zeit als weitgehend verfehlt und ineffektiv dargestellt. Hatte sie doch das vermeintliche Zusammenbrechen der Heimatfront nicht verhindern können.87 Die Forschungen jüngerer Zeit haben diese Ansicht inzwischen aber teilweise revidiert und die Erfolge der Pressearbeit im Kontext der strukturellen und temporären Bedingungen des Kaiserreichs im Weltkrieg hervorgehoben.88
2.1.3 Kriegsberichterstatter
Geradezu idealtypisch zeigten sich die durch den Weltkrieg bewirkten pressetechnischen Neuerungen in der Arbeit der Kriegsberichterstatter, die seit dem Krimkrieg eine stetig wachsende Bedeutung in der Öffentlichkeit erfahren hatte. Wurde ihre Tätigkeit in der Vergangenheit sowohl in der Fremd- als auch in der Eigenwahrnehmung überwiegend mit einer Mischung aus Abenteurertum und romantischer Männlichkeit verbunden, so wandelte sich dieses Bild durch die seit Kriegsbeginn eingeführten Kontrollmechanismen grundlegend.89 Erkannten doch die Entscheidungsträger auf beiden Seiten des Kriegsschauplatzes rasch, welch große Bedeutung diesem Personenkreis im Zeitalter der Massenpresse zukam, wie Almut Lindner-Wirsching herausstellt.90
Die Kontroll- und Steuerungsversuche bezogen sich dabei sowohl auf die Wort- als auch auf die Bildjournalisten. Auf deutscher Seite lag schon seit dem Anlaufen der Mobilmachungsbestimmungen die Zuständigkeit für die Akkreditierung von Kriegsberichterstattern bei der schon genannten Nachrichtenabteilung IIIb. Mit der Gründung des Kriegspresseamtes im Oktober 1915 sollte sie auf die dort angesiedelte Auskunftsstelle übergehen.91 Die ersten deutschen Kriegsberichterstatter wurden bereits Mitte August 1914 zugelassen und in je einem Kriegsberichterstatterquartier unter Leitung eines Generalstabsoffiziers im Westen und im Osten zusammengefasst. Zunächst betraf dies acht Journalisten auf dem westlichen und fünf auf dem östlichen Kriegsschauplatz, die fortan den Status als „Kriegsfreiwillige“ besaßen und durch gelbe Armbinden mit einem „B“ oder einem „P“ als Berichterstatter / Presse gekennzeichnet waren.92 Obwohl ihre Auswahl nach „patriotischen Gesichtspunkten“ erfolgte, Offiziere des Beurlaubtenstandes daher eine Bevorzugung erfuhren93, wurde dennoch auch eine Reihe sozialdemokratischer Berichterstatter zugelassen.94 Dies war weitgehend unproblematisch, da der Großteil der Journalisten aus der Oberschicht oder der oberen Mittelschicht stammte. Sie verfügten damit aber nicht nur über einen ähnlichen sozialen Hintergrund wie die meisten Offiziere, sondern waren natürlich auch von ähnlichen Wertvorstellungen und Kriegsbildern geprägt.95 Nichtsdestominder war der Alltag der Journalisten in den „Kriegsberichterstatterpools“ streng reglementiert. Sie erreichten die Front, wenn überhaupt, dann nur Tage nach den Kampfhandlungen und in Begleitung eines Offiziers. Die kämpfende Truppe sahen sie dabei kaum. Auch die Übermittlung der Informationen vom Kriegsberichterstatter an die Zeitungsredaktionen war klar geregelt, wie die von der Oberzensurstelle herausgegebenen „Kommunikationsüberwachenden Vorschriften des Jahres 1917“ belegen:
„Sämtliche Briefe, Berichte und Telegramme - auch solche privater Natur - sind dem vorgesetzten Offizier vorzulegen, der die Absendung durch die Zensurbehörde beim Hauptquartier veranlasst, nachdem sie mit dem Zulassungsstempel versehen sind; […] Die mit dem Zulassungsstempel versehenen Manuskripte gehen unmittelbar an die Redaktionen, von denen die K. (Kriegsberichterstatter, d. Verf.) entsandt sind. Die Berichte können dann ohne weiteres gedruckt werden.“96
Zwar bot die Zusammenfassung im Poolsystem den Journalisten aufgrund der gemeinschaftlichen Auswertung der Informationen - Exklusivberichte durften nicht weitergeleitet werden - die Möglichkeit, die riesigen Kriegsschauplätze wenigstens ansatzweise zu überblicken, doch führte dies auch zu einer großen Uniformität der Berichte.
Da diese dünne Materialbasis durch die Zensurbestimmungen und die Selbstzensur noch weiter beschnitten wurde, griffen viele Kriegsberichterstatter, so Almut Lindner-Wirsching, auf Ausschmückung und Erfindung zurück, um ihre Seiten zu füllen.97
Diese Arbeitsweise erregte aber nicht nur in der Heimat Unmut, sondern auch an der Front. Sahen doch die Soldaten ihre Not, ihre Entbehrungen und ihre Leistungen nicht ausreichend in den Berichten der Journalisten gewürdigt. In ironischer Form wurde dieses Spannungsverhältnis zwischen Wirklichkeit und Darstellung an der Front auch in der Karikatur verarbeitet. Folgendes Bild von Ragnvald Blix aus dem Simplicissimus vom 7. September 1915 (siehe Anhang: Abbildung 1, S. 111) zeigt daher auch den bekannten Schriftsteller und Kriegsberichterstatter Ludwig Ganghofer (links mit Lederhose und Wanderstock) auf dem Weg zur Front. Begrüßt wird er dabei von den anwesenden Offizieren mit den Worten: „Ganghofer ist da - der Sturm kann beginnen!“. Dies ist eindeutig als klare Kritik an der Arbeitsweise der Medien im Allgemeinen und der Kriegsberichterstatter im Besonderen zu verstehen. War doch in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass nur Gefechte, an denen Kriegsberichterstatter teilnahmen bzw. über die sie berichteten, bedeutsam seien.
Um diesem Missstand zu begegnen und die Stimmung in der Truppe und in der Heimat zu heben, ging die Oberste Heeresleitung im September 1917 dazu über, die Kriegsberichterstattung in Eigenregie durchzuführen. Eigens berufene Offizier- Kriegsberichterstatter (O.K.B.) sollten daher in der Folgezeit die heimische Presse in Form von Aufsätzen über die „wahre Entwicklung“ an der Front aufklären.98 Eine objektive Berichterstattung war unter diesen Bedingungen nicht zu erwarten. Die Journalisten hätten sich, wie Lindner-Wirsching betont, vielmehr als engagierte Patrioten erwiesen, die sich nahezu problemlos einbetten ließen.99
2.2 Die Beziehungen zwischen Bulgarien und Deutschland in den Jahren 1912 - 1918
2.2.1 Die erste Phase: 1912 - 1914
Obwohl der Balkan und damit auch Bulgarien weder direkt an das Deutsche Reich grenzen noch zum Gebiet Mitteleuropas gehören, sondern zu Südosteuropa gezählt werden, rückte die Region bereits vor dem Jahr 1900 vor allem aufgrund ihres Transitcharakters zum Orient in den Fokus deutscher Planungen.100 So war schon 1878 ein relativ umfangreiches Programm aus Sicht des Eisenbahnbaus veröffentlicht worden, in dem die Anlehnung der jüngst aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches entstandenen Staaten Rumänien, Serbien und Bulgarien an die zentraleuropäischen Staaten vorgesehen nbsp; war, um die wichtige Bahnverbindung von Wien über Budapest nach Konstantinopel zu sichern und auszubauen.101
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grafik 4: Bahnverbindung Berlin - Bagdad im Jahre 1912102
Vor allem aber im Zuge des Baubeginns der Bagdadbahn, die den orientalischen Teil des Osmanischen Reiches erschließen sollte, durch ein Konsortium unter Führung der Deutschen Bank im Jahre 1899 geriet auch die Trasse über den Balkan zunehmend in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit, schien doch dieser Markt auch ökonomisch immer interessanter zu werden.103 Für einige Historiker reichten diese deutschen Vorarbeiten zur ökonomischen Durchdringung und politischen Anbindung der Region gar soweit, dass sie im Sinne des von Fritz Fischer im Jahre 1961 geprägten Topos vom „Griff nach der Weltmacht“104 auch von einer Traditionslinie deutscher Expansionsbestrebungen nach Südosteuropa von 1840 bis 1945 sprachen, wie dies Klaus Thörner noch in seiner 1999 an der Universität Oldenburg angenommenen Dissertation tat.105
Parallel zum deutschen Engagement in der Region waren aber auch die anderen Großmächte in der Folgezeit zunehmend bestrebt, in dem Gebiet, dessen bestimmende Faktoren vormals weitgehend Russland und Österreich-Ungarn allein gewesen waren, Einfluss auszuüben - immerhin waren auf dem Balkan und insbesondere an dessen Übergang zum Orient an den Meerengen des Bosporus auch ihre vitalen Interessen bedroht wie beispielsweise der englische Überlandweg nach Indien. Insbesondere im Zuge des Zollkrieges zwischen Österreich-Ungarn und Serbien im Jahre 1905 und der bosnischen Annexionskrise 1908 erreichten die Spannungen auf dem Balkan ein völlig neues Niveau. Löste sich doch ihre Bewertung durch die Großmächte weitgehend vom eigentlich lokalen Konfliktfall hin zu einer Auseinandersetzung, die zunehmend unter dem Fokus der europäischen Bündnissysteme betrachtet wurde. Dadurch entwickelte sich ein permanenter Spannungs- und Unruhezustand, der seinen dramatischen Höhepunkt nicht nur in den beiden Balkankriegen, sondern auch und vor allem in den Schüssen von Sarajewo vom 28. Juni 1914 als Auslöser des Ersten Weltkrieges finden sollte. Für Klaus Hildebrand bildet dabei eben jene Phase von 1906 bis 1908 mit dem serbisch-österreichischen Zollkrieg und der bosnischen Annexionskrise die Wasserscheide. Danach, so Hildebrand, habe sich mit dem russischen Satellitenstaat Serbien im Westen des Balkan und dem österreichischen Vasallen Bulgarien im Osten ein höchst explosives Gemisch gebildet, dem nur noch der entscheidende Funke zur Auslösung einer katastrophalen Kettenreaktion fehlte.106
Trotz aller Spannungen lassen sich dennoch auch für die Zeit bis zum Kriegsausbruch im Jahre 1914 einige durchaus bemerkenswerte Ausgleichs- und Friedenssicherungsangebote in der Politik der Großmächte erkennen107 - erinnert sei dabei z.B. an die deutsch-britischen Ausgleichsbemühungen im Hinblick auf das Bagdadbahnprojekt108 oder die maßgeblich von Berlin und London betriebene Eindämmungsstrategie in der Zeit der Balkankriege.109 Bewegungen und Veränderungen im Konzert der Großmächte schienen also durchaus möglich zu sein. Gab es doch selbst auf Seiten der unterschiedlichen Bündnissysteme keine einheitliche Strategie zur Behandlung der Region. So hatten beispielsweise selbst die Regierungen der beiden Zweibundpartner110 in Berlin und Wien ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Bündniswert der einzelnen Balkanstaaten und sahen sich auch auf wirtschaftlichem Gebiet zunehmend als Konkurrenten um diesen Absatzmarkt und seine Transitverbindungen, selbst wenn der Schwerpunkt der deutschen Handelsinteressen noch immer in Nordamerika lag.111 Für Michael Behnen kann daher von einer gemeinsamen deutsch-österreichischen Balkanexpansion keine Rede sein.112
Die Spannungen zwischen den Zweibundpartnern führten zum Teil gar soweit, dass die vom Deutschen Reich betriebene Politik den auf diplomatischem Parkett mühsam von Berlin unterstützten Erhalt der Großmachtstellung Österreich-Ungarns konterkarierte, was sich beispielsweise auch in der Eindämmung des österreichischen Drängens auf ein Eingreifen in den Balkankriegen äußerte.113 Besonders auf ökonomischem Gebiet wurden Wien und Berlin seit der Jahrhundertwende zunehmend zu Konkurrenten auf den Märkten des Balkan, insbesondere Rumäniens, wie folgende Grafiken verdeutlichen. Die herausgehobene Stellung Bukarests für beide Zweibundpartner wird dabei sowohl in absoluten Zahlen als auch im Hinblick auf den deutschen Export und den österreichischen Import mehr als deutlich.
Grafik 5: Einfuhr der Balkanländer in Tausend Franken (1910)114
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grafik 6: Ausfuhr der Balkanländer in Tausend Franken (1910)115
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Verband beide Zweibundpartner zwar dieses ökonomische Interesse an Rumänien, so teilte sie doch eine unterschiedliche Perzeption der Balkanstaaten und ihres Bündniswertes. Hatte Österreich nach der zunehmenden Abkehr der Serben von Wien116 seit dem Jahre 1903 eher an ein Bündnis mit Rumänien, Bulgarien und der Türkei gedacht, so avisierte das Deutsche Reich, für das die südslawische Irredenta keine existenzielle Bedeutung besaß, eher eine Verbindung mit Rumänien, Griechenland, der Türkei und Serbien. Gerade die österreichische Annäherung an Bulgarien, das von Wien als Gegenpol zum serbischen und rumänischen Nationalismus aufgebaut werden sollte, war bei den Zweibundpartnern keinesfalls unumstritten.117 Vielmehr bildeten sowohl die Grenzstreitigkeiten zwischen Bulgarien und dem Osmanischen Reich als auch zwischen Bulgarien und Rumänien, das nicht nur wirtschaftlich am weitesten entwickelt war, sondern aufgrund seines Hohenzollernherrschers enge Verbindungen zum deutschen Kaiserhaus unterhielt - seit 1883 war das Land auch formal mit dem Dreibund verbündet gewesen - für Berlin ein wesentliches Hindernis für einen weiteren Ausbau der Beziehungen zu Sofia.
Ein Wandel in der Beurteilung Bulgariens durch die deutsche Seite sollte erst durch die Ereignisse der beiden Balkankriege118 und selbst dann erst sukzessive herbeigeführt werden. Hatte der 1. Balkankrieg im Jahre 1912 aufgrund der Erfolge des „Balkanblocks“ aus Serbien, Montenegro, Griechenland und Bulgarien gegen das Osmanische Reich, dessen Erhalt eigentlich ein wesentliches Interesse nicht nur des Deutschen Reiches gewesen war, bereits massive Auswirkungen auf die ökonomische und infrastrukturelle Situation auf dem Balkan gezeitigt119, so gestaltete sich die Lage vor allem durch den von den anderen Balkanstaaten unterstützten serbischen Sieg über Bulgarien im 2. Balkankrieg 1913 noch dramatischer. Schließlich kontrollierte Belgrad damit plötzlich nicht nur 70% der wichtigen Bahnverbindungen in der Region, sondern war auch gestützt durch französisches Kapital und russische Rückendeckung nicht zu erfolgversprechenden Verhandlungen über die Nutzungsrechte mit dem deutsch-österreichisch-ungarischen Betreiberkonsortium der Balkanbahn bereit.120 Ganz im Gegensatz zu Griechenland und vor allem Bulgarien, das im Zuge der Niederlage im 2. Balkankrieg und der zunehmenden Entfremdung von Russland um eine weitere Annäherung an Wien und Berlin bemüht war. Immerhin hatte Bulgarien im zweiten Krieg nicht nur große Teile der Gebietsgewinne aus dem ersten Konflikt verloren, sondern in beiden Kriegen auch insgesamt rund 70.000 getötete und 110.000 verwundete Soldaten zu beklagen - dies bei einer Gesamtbevölkerung von gerade einmal 3,5 Millionen.121
Parallel dazu zeichnete sich auf dem diplomatischen Parkett ein weiterer Umschwung ab. Näherten sich doch unter österreichischer Vermittlung die beiden ehemaligen Kriegsgegner Bulgarien und das Osmanische Reich auf Grundlage der gemeinsamen Feindschaft zur neuen Großmacht in der Region, Serbien, langsam an.122
Obwohl gleichzeitig dazu das österreichische Festhalten an Bulgarien und die zunehmende Magyarisierung der Rumänen in Ungarn endgültig zu einer weitgehenden Entfremdung zwischen Wien und Bukarest geführt hatten,123 begegnete dennoch ein Großteil der politischen Führung in Berlin der fortschreitenden Annäherung zwischen Wien und Sofia noch immer mit großen Vorbehalten. Für Bärbel Löding waren daher alle österreichischen Vermittlungs- und Ausgleichsversuche zwischen Berlin und Sofia in dieser Zeit zum Scheitern verurteilt. Eine Annäherung wurde, so die Autorin weiter, noch zusätzlich dadurch erschwert, dass der deutsche Kaiser den Zaren Ferdinand als sehr unzuverlässig eingeschätzt und das Auswärtige Amt Bulgarien zum französisch-russischen Einflussbereich gerechnet habe.124 In Berlin zeichnete sich erst im Zuge der maßgeblich von Wien vorangetriebenen Verhandlungen um eine Staatsanleihe für Bulgarien im Frühjahr und Sommer 1914 und in Anbetracht der sich zuspitzenden internationalen Beziehungen langsam ein Sinneswandel ab.125
Umgekehrt galten diese Vorbehalte aber auch für Bulgarien selbst, wo der zunehmende Bruch mit der ehemaligen Schutzmacht Russland und die parallel erfolgende Ausrichtung nach Wien und Berlin bei einem Großteil der traditionell sehr russophilen Bevölkerung durchaus große Skepsis auslösten.126
2.2.2 Die zweite Phase: 1914 - 1918
Die Folge dieser ambivalenten Politik der Mittelmächte aber war, dass zu Beginn des Ersten Weltkrieges abgesehen von Rumänien, das zwar durch einen formellen Bündnisvertrag mit dem Zweibund verbunden war, aber dennoch neutral blieb, weder die von Österreich-Ungarn noch die vom Deutschen Reich angestrebte Koalition, sondern nur Bulgarien und die Türkei, zum Zweibund tendierten.127 In der Folgezeit setzten daher eine massive Propaganda und Einflussnahme sowohl vom Zweibund als auch von der Triple-Entente ein, um die neutralen Staaten auf dem Balkan auf der jeweiligen Seite in den Krieg zu ziehen - dies galt auch für
[...]
1 Vgl. N. N.: Der Vandalismus der Bulgaren in Thrazien, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Nr. 217 (Donnerstag, 7. August 1913, Drittes Morgen-Blatt), 58. Jg., S. 1.
2 Vgl. N. N.: Das bulgarische Heer, in: Dresdner Anzeiger, Nr. 264 (Donnerstag den 23. September 1915), 186. Jg., S. 3f.
3 Vgl. Stein, Karl: Der bulgarische Verrat, in: Rheinisch-Westfälische Zeitung, Nr. 818 (Dienstag, 8. Oktober 1918, I. Ausgabe), S. 1.
4 Vgl. Stone, Norman: The Eastern Front 1914 - 1917, London 1975.
5 Vgl. Groß, Gerhard P. (Hg.): Die vergessene Front. Der Osten 1914/15. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung (= Zeitalter der Weltkriege, Bd. 1), Paderborn u. a. 2006.
6 Vgl. Liulevicius, Vejas Gabriel: Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonialisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2002.
7 Vgl. Nojkov, Stilijan: The Bulgarian Army in World War I, in: Béla K. Király / Nandor F. Dreisziger (Hg.): East European Society in World War I, Boulder 1985, S. 403-415; Hall, Richard C.: Bulgarian Territorial Disputes with the Central Powers During the First World War, in: Journal of the Centre for First World War Studies, Vol. 2, Nr. 3 (November 2005), S. 32 - 55; Hall, Richard C.: ‚The Enemy is Behind Us’. The Morale Crisis in the Bulgarian Army, in: War in History Vol. 11 Nr. 2 (April 2004), S. 209 - 219.
8 Vgl. Boeckh, Katrin: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung auf dem Balkan (= Südosteuropäische Arbeiten, Bd. 97), München 1996; Hall, Richard C.: The Balkan Wars 1912 - 1913. Prelude to the First World War, New York 2000; Gerolymatos, André: The Balkan Wars, New York 2002.
9 Vgl. Holden, Anne Christine: Bulgarias Entry into the First World War. A diplomatic Study, 1913-1915, Urbana/Illinois 1976; Friedrich, Wolfgang-Uwe: Bulgarien und die Mächte 1913-1915. Ein Beitrag zur Weltkriegs- und Imperialismusgeschichte (=Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, Bd. 21), Stuttgart 1985; Hall, Richard C.: Bulgaria’s Road to the First World War (= East European Monographs, Nr. CDLX), New York 1996.
10 Vgl. Bachmaier, Peter: Die Kulturpolitik Österreich-Ungarns gegenüber Bulgarien im Ersten Weltkrieg, in: Österreichische Osthefte 23 (1981), S. 430-451; Lalkov, Milčo: Bulgarisch-österreichische Beziehungen 1914- 1918. Grundlegende Faktoren und Probleme, in: Bulgarisch-österreichische Beziehungen 1878-1996, hrsg. von Christo Choliolčev u.a. (=Miscellanea Bulgarica, Bd. 12), Wien 1998, S. 30-38; Nikov, Niko: Zur Geschichte der Beziehungen zwischen Bulgarien und Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkrieges, in: ÖsterreichUngarn in der Weltpolitik 1900 bis 1918, hrsg. von Fritz Klein, Berlin [Ost] 1965, S. 225-229.
11 Vgl. hierzu u.a.
Löffelholz, Martin (Hg.): Krieg als Medienereignis. Grundlagen und Perspektiven der Krisenkommunikation, Opladen 1993. Quandt, Siegfried / Schichtel, Horst (Hg.): Der erste Weltkrieg als Kommunikationsereignis (= Medien - Kommunikation - Geschichte, Bd. 1), Gießen 1993. Wilke, Jürgen: Geschichte als Kommunikationsereignis, in: Max Kaase / Winfried Schulz (Hg.): Massenkommunikation - Theorien, Methoden, Befunde, Opladen 1989, S. 57 - 71.
12 Vgl. Creutz, Martin: Die Pressepolitik der kaiserlichen Regierung während des Ersten Weltkriegs (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 704), Frankfurt am Main 1996.
13 Vgl. Koszyk, Kurt: Deutsche Pressepolitik im Ersten Weltkrieg, Düsseldorf 1968.
14 Vgl. Fischer, Heinz-Dietrich (Hg.): Pressekonzentration und Zensurpraxis im Ersten Weltkrieg. Texte und Quellen, Berlin 1973.
15 Vgl. Schmidt, Anne: Belehrung - Propaganda - Vertrauensarbeit. Zum Wandel amtlicher Kommunikationspolitik in Deutschland 1914 - 1918, Essen 2006.
16 Vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Pressearbeit im Kaiserreich äußerst negativ beurteilt. Siehe dazu z.B. Rathert, Helmut: Die deutsche Kriegsberichterstattung und Presse als Kampfmittel im Weltkriege, Heidelberg 1934.
17 Vgl. Creutz, Pressepolitik, S. 298.
18 Vgl. Fischer, Heinz-Dietrich: Handbuch der politischen Presse in Deutschland 1480 - 1980. Synopse rechtlicher, struktureller und wirtschaftlicher Grundlagen der Tendenzpublizistik, Düsseldorf 1981.
19 Vgl. Stöber, Rudolf: Deutsche Pressegeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (= UTB, 2716), Konstanz² 2005.
20 Vgl. Rieger, Isolde: Die wilhelminische Presse im Überblick 1888 - 1918, München 1957.
21 Vgl. Mendelssohn, Peter D.: Zeitungsstadt Berlin. Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse, Frankfurt a.M. 1982.
22 Vgl. Oschilewski, Walther G.: Zeitungen in Berlin. Im Spiegel der Jahrhunderte, Berlin 1975.
23 Vgl. Fischer, Heinz-Dietrich (Hg.): Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, Pullach bei München 1972.
24 Vgl. Fischer, Heinz-Dietrich (Hg.): Deutsche Presseverleger des 18. Bis 20. Jahrhunderts (= PublizistikHistorische Beiträge, Bd. 4), Pullach bei München 1975.
25 Vgl. Hirschfeld, Gerhard (Hg.): „Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch…“. Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkrieges (= Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N. F. , Bd. 1), Essen 1993.
26 Vgl. Ulrich, Bernd / Ziemann, Benjamin (Hg.): Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente, Frankfurt a. M. 1994.
27 Vgl. Hahn, Hans-Henning: Historische Stereotypenforschung. Methodische Überlegungen und empirische Befunde (= Oldenburger Schriften zur Geschichtswissenschaft, Bd. 2), Oldenburg 1995.
28 Vgl. Krakau, Knud: Eiführende Überlegungen zur Entstehung und Wirkung von Bildern, die sich Nationen von sich und anderen machen, in: Willi Paul Adams / Knud Krakau (Hg.): Deutschland und Amerika. Perzeption und historische Realität, Berlin 1985, S. 9 - 18, hier S. 12f.
29 Vgl. Bernhardt, Hans-Michael: Voraussetzungen, Strukturen und Funktion von Feindbildern, in: Christoph Jahr u.a. (Hg.): Feindbilder in der deutschen Geschichte. Studien zur Vorurteilsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (= Dokumente, Texte, Materialien - Veröffentlicht vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, Bd. 10), Berlin 1994, S. 9 - 24, hier S. 11ff.
30 Vgl. Kronenbitter, Günther: Von „Schweinehunden“ und „Waffenbrüdern“. Der Koalitionskrieg der Mittelmächte 1914/15 zwischen Sachzwang und Ressentiment, in: Groß, Die vergessene Front, S. 121 - 143.
31 Vgl. Jahn, Hubertus F.: Die Germanen. Perzeptionen des Kriegsgegners in Russland zwischen Selbst- und Feindbild, in: Ebd., S. 165 - 177.
32 Vgl. Hoeres, Peter: Die Slawen. Perzeptionen des Kriegsgegners bei den Mittelmächten. Selbst- und Feindbild, in: Ebd., S. 179 - 200.
33 Zwar beschäftigt sich Maria N. Todorova intensiv mit der Dekonstruktion des seit Jahrhunderten bestehenden indifferenten Balkanbildes in Westeuropa, die Zeit des Ersten Weltkrieges spielt dabei aber bisher eher eine untergeordnete Rolle. Vgl. Todorova, Maria N.: Die Erfindung des Balkans, Darmstadt 1999.
34 Vgl. Schubert, Gabriella: Das Bulgarien-Bild deutscher Reisender in der Zeit der Osmanenherrschaft, in: Bulgarian Historical Review 13 (1985), S. 69-81; Steinke, Klaus: Das Bulgarienbild in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (in den deutschsprachigen wissenschaftlichen Publikationen), in: Josip Matesic / Klaus Heitmann (Hg.): Südosteuropa in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit vom Wiener Kongreß (1815) bis zum Pariser Frieden (1856), München 1990, S. 123-131.
35 Vgl. Troebst, Stefan: Von den „Preußen des Balkans“ zum „Vergessenen Volk“. Das deutsche Bulgarien-Bild, in: Études Balkaniques 2 (2004), S. 61 - 71, hier S. 63f. Bei diesem Aufsatz handelt es sich um eine nur unwesentlich veränderte Version eines Textes, den der Autor bereits 1999 veröffentlicht hatte. Vgl. Ders.: Getrübte Wahrnehmung. Das deutsche Bulgarien-Bild vom Kaiserreich bis heute, in: Südosteuropa Mitteilungen, 39. Jg. (1999) Nr. 4, S. 343 - 350.
36 Vgl. Golczewski, Mechthild: Der Balkan in deutschen und österreichischen Reise- und Erlebnisberichten 1912 - 1918 (= Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, Bd. XVI), Wiesbaden 1981.
37 Vgl. Ebd., S. 259ff.
38 Vgl. Ebd., S. 269.
39 Bibliographie der deutschen Zeitschriften-Literatur mit Einschluss von Sammelwerken und Zeitungsbeilagen, Bd. XIII A., Beilage-Band I: Halbmonatliches Verzeichnis von Aufsätzen aus deutschen Zeitungen in sachlich alphabetischer Anordnung mit Jahres-, Gesamt-, Sach- und Verfasser-Register, Osnabrück 1909 (ND Nendeln/Liechtenstein 1967), S. 1.
40 Vgl. Rieger, Die wilhelminische Presse, S. 28.
41 Vgl. Muser, Gerhard: Statistische Untersuchung über die Zeitungen Deutschlands 1885 - 1914 (= Abhandlungen aus dem Institut für Zeitungskunde an der Universität Leipzig, Bd. 1), Leipzig 1918, S. 9.
42 Zur Entwicklung der Presse in Berlin siehe z.B. Mendelssohn, Zeitungsstadt Berlin. Oschilewski, Zeitungen in Berlin.
43 Vgl. Scharf, Wilfried: Rudolf Mosse (1843 - 1920), in: Fischer (Hg.), Deutsche Presseverleger, S. 204 - 213.
44 Vgl. Treude, Burkhard: August Hugo Friedrich Scherl (1849 - 1921), in: Ebd., S. 232 - 249.
45 Vgl. Fischer, Ellen: Leopold Ullstein (1826 - 1899), in: Ebd., S. 163 - 171.
46 Vgl. Mendelssohn, Zeitungsstadt Berlin, S. 178.
47 Vgl. Radkau, Joachim: Die wilhelminische Ära als nervöses Zeitalter, oder: Die Nerven als Netz zwischen Tempo- und Körpergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 20 (1994), S. 211 - 241, hier S. 229.
48 Für einen allgemeinen Überblick über die Presse im Kaiserreich siehe z.B. Rieger, Die wilhelminische Presse.
49 Daten aus: Fischer, Handbuch der politischen Presse, S. 229.
50 Vgl. Rohleder, Meinolf / Treude, Burkhard: Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung (1848 - 1949), in: Fischer (Hg.), Deutsche Zeitungen, S. 209 - 224.
51 Vgl. Fischer, Heinz-Dietrich: Die Deutsche Allgemeine Zeitung, in: Ebd., S. 269-282.
52 Vgl. Schmidt, Klaus Werner: Rheinisch-Westfälische Zeitung (1883 - 1944), in: Ebd., S. 365 - 379.
53 Vgl. Stöber, Deutsche Pressegeschichte, S. 242.
54 Vgl. Pöhls, Joachim: Tägliche Rundschau (1881 - 1933), in: Ebd., S. 349 - 363.
55 Vgl. Schwarz, Gotthart: Berliner Tageblatt (1872 - 1939), in: Ebd., S. 315 - 327.
56 Zum Einfluss der Person Theodor Wolff auf die Ausrichtung und Positionierung des Blattes im Vorfeld und während des Weltkrieges siehe z.B. Zimmer-Wagner, Birgit: Theodor Wolff und der Erste Weltkrieg 1914-1918. Ein Journalist zwischen Anpassung und Rebellion (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 876), Frankfurt a. M. 2005.
57 Vgl. Paupié, Kurt: Frankfurter Zeitung (1856 - 1943), in: Ebd., S. 241 - 256.
58 Vgl. Bender, Klaus: Vossische Zeitung (1617 - 1934), in: Ebd. , S. 25 - 39.
59 Vgl. Potschka, Georg: Kölnische Zeitung (1802 - 1945), in: Ebd., S. 145 - 158.
60 Vgl. Kramer, Rolf: Kölnische Volkszeitung (1860 - 1941), in: Ebd., S. 257 - 267.
61 Vgl. Stiegler, Klaus Martin: Germania (1871 - 1938), in: Ebd., S. 299 - 313.
62 Vgl. Schulze, Volker: Vorwärts (1876 - 1933), in: Ebd., S. 329 - 347.
63 Die Daten stammen vorwiegend aus folgenden beiden Quellen. Stöber, Deutsche Pressegeschichte, S. 227 - 279. Handbuch deutscher Zeitungen 1917, bearbeitet im Kriegspresseamt von Oskar Michel, Berlin 1917.
64 Vgl. Stöber, Deutsche Pressegeschichte, S. 274ff.
65 Dominikowski, Thomas: ‚Massen’medien und ‚Massen’krieg. Historische Annäherungen an eine unfriedliche Symbiose, in: Löffelholz (Hg.), Krieg als Medienereignis, S. 33 - 48, hier S. 39.
66 Für die britische Seite siehe:
Daniel, Ute: Der Gallipoli-Effekt oder: Zum Wandel des Kriegsberichterstatters vom Augenzeugen zum Aufklärer, in: Daniela Münkel / Jutta Schwarzkopf (Hg.): Geschichte als Experiment. Studien zu Politik, Kultur und Alltag im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Adelheid von Saldern, Frankfurt a. M. 2004, S. 181 - 193, hier insbesondere S. 187f.
Für die französische Seite siehe:
Lindner-Wirsching, Almut: Patrioten im Pool. Deutsche und französische Kriegsberichterstatter im Ersten Weltkrieg, in: Ute Daniel (Hg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. Zum 21. Jahrhundert, Göttingen 2006, S. 113 - 140, hier S. 113.
67 Katalog abgedruckt in: Koszyk, Deutsche Pressepolitik, S. 22f. Zum Themenkomplex „Zensur im Weltkrieg“ siehe auch folgenden Sammelband, der vor allem aufgrund seines Quellenanhangs sehr interessant ist: Fischer (Hg.): Pressekonzentration und Zensurpraxis.
68 Zum Einfluss des Militärs auf das innenpolitische Handeln im Kaiserreich während des Weltkrieges siehe z.B. Deist, Wilhelm: Voraussetzungen innenpolitischen Handelns des Militärs im Ersten Weltkrieg, in: Ders. (Hg.): Militär, Staat und Gesellschaft. Studien zur preußisch-deutschen Militärgeschichte (= Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 34), München 1991, S. 103 - 152. Ders.: Zensur und Propaganda in Deutschland während des Ersten Weltkrieges, in: Ebd., S. 153 - 163.
69 Creutz: Pressepolitik, S. 45.
70 Vgl. Koszyk, Kurt: Geschichte der deutschen Presse. Teil III: Deutsche Presse 1914 - 1945 (= Abhandlungen und Materialien zur Publizistik, Bd. 7), Berlin 1972, S. 15.
71 Vgl. Dussel, Konrad: Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert (= Einführungen Kommunikationswissenschaft, Bd. 1), Münster 2004, S. 117f.
72 Vgl. Basse, Dieter: Wolff’s telegraphisches Bureau 1849 - 1933. Agenturpublizistik zwischen Politik und Wirtschaft, München 1991, hier S. 111f.
73 Vgl. Schmidt, Belehrung - Propaganda - Vertrauensarbeit, S. 73.
74 Vgl. Koszyk, Deutsche Pressepolitik, S. 24f.
75 Vgl. Creutz, Pressepolitik, S. 104.
76 Vgl. Koszyk, Deutsche Pressepolitik , S. 186f.
77 Vgl. Schmidt, Belehrung - Propaganda - Vertrauensarbeit, S. 74.
78 Vgl. Creutz, Pressepolitik, S. 111f.
79 Vgl. Koszyk, Deutsche Pressepolitik, S. 69.
80 Schmidt, Belehrung - Propaganda - Vertrauensarbeit, S. 77.
81 Nicolai, Walter: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg, Berlin 1920, S. 84.
82 Vgl. Schmidt, Belehrung - Propaganda - Vertrauensarbeit, S. 248.
83 Zu Entstehung und Bewertung des „Vaterländischen Unterrichts“ siehe z.B. Förster, Stig: Weltanschauung als Waffe. Vom „Vaterländischen Unterricht“ zur „Nationalsozialistischen Führung“, in: Bruno Thoß / Hans-Erich Volkmann (Hg.): Erster Weltkrieg - Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich, Paderborn 2002, S. 287 - 300. Kestler, Stefan: „Vaterländischer Unterricht“ als Teilaspekt der deutschen Truppenaufklärung während des Ersten Weltkrieges, in: Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft 7 (1994), Heft 2, S. 228 - 243.
84 Siehe dazu z.B. das Kapitel über die „Zentralstelle für Heimatdienst“ in: Creutz, Pressepolitik, S. 245ff.
85 Zum bisher kaum untersuchten Bereich der Auslandspropaganda des Deutschen Reiches im Weltkrieg siehe z.B. Wilke, Jürgen: Deutsche Auslandspropaganda im Ersten Weltkrieg. Die Zentralstelle für Auslandsdienst, in: Ders. (Hg.): Pressepolitik und Propaganda. Historische Studien vom Vormärz bis zum Kalten Krieg (= Medien in Geschichte und Gegenwart, Bd. 7), Köln u.a. 1997, S. 79 - 125.
86 Vgl. Koszyk, Geschichte der deutschen Presse, S. 22.
87 Besonders in der NS-Zeit wurde aus diesem Grunde große Kritik an der deutschen Presse im Weltkrieg geübt. Vgl. Rathert, Die deutsche Kriegsberichterstattung.
88 Vgl. Creutz, Pressepolitik, S. 298.
89 Vgl. Daniel, Gallipoli-Effekt, S. 187f.
90 Vgl. Lindner-Wirsching, Patrioten im Pool, S. 113.
91 Vgl. Creutz, Pressepolitik, S. 112f.
92 Vgl. Lindner-Wirsching, Patrioten im Pool, S. 118.
93 So entsandte z.B. der Dresdner Anzeiger Hauptmann a.D. Pietsch an die West- und Hauptmann a.D. Schickert an die Ostfront. Vgl. Zeißig, Herbert (Hg.): Eine deutsche Zeitung. Zweihundert Jahre Dresdner Anzeiger. Eine zeitungs- und kulturgeschichtliche Festschrift, Dresden 1930, S. 330.
94 Vgl. Koszyk, Deutsche Pressepolitik, S. 29f.
95 „Im 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg sind kriegskritische Stimmen unter Journalisten ebenso selten wie im Rest der Gesellschaft.“ Daniel, Ute: Einleitung, in: Dies. (Hg.): Augenzeugen, S. 7 - 22, hier S. 13.
96 Kommunikationsüberwachende Vorschriften des Jahres 1917, hrsg. von der Oberzensurstelle, abgedruckt in: Fischer (Hg.): Pressekonzentration und Zensurpraxis, S. 194 - 275, hier S. 236f.
97 Vgl. Lindner-Wirsching, Patrioten im Pool, S. 123.
98 Vgl. Creutz, Pressepolitik, S. 112f.
99 Vgl. Lindner-Wirsching, Patrioten im Pool, S. 130.
100 Zu den allgemeinen historischen Entwicklungen dieser Region siehe z.B. folgenden Überblicksband: Mazover, Mark: Der Balkan, Berlin² 2003.
101 Vgl. Mitrović, Andrej: Die Zentralmächte, Mitteleuropa und der Balkan. Ideen und ihre Verwirklichung während des Weltkrieges 1914-1918, in: Richard G. Plaschka u. a. (Hg.): Mitteleuropakonzeptionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (= Zentraleuropa-Studien, Bd. 1), Wien 1995, S. 39 - 62, hier S. 41.
102 Karte aus: Fischer, Fritz: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914, Düsseldorf 1969, S. 646.
103 Obwohl die ökonomische Bedeutung in absoluten Zahlen noch relativ gering war, war sie doch in einem stetigen Anstieg begriffen. Die Türkei war dabei neben strategischen Gesichtspunkten vor allem als Absatzmarkt für deutsche Fertigprodukte und als Lieferant von in Deutschland dringend benötigten Rohstoffen wie z.B. Baumwolle, Schwefelkies und Zinkerz interessant. So erhöhte sich der deutsche Anteil an der türkischen Staatsschuld von 1881 bis 1912 von 4,7 auf 20%. Gleichzeitig wuchs das Volumen der deutschen Industrieinvestitionen im Land von 40 auf 600 Millionen Mark mit dem Schwerpunkt auf dem Bau der Bagdadbahn. Insgesamt waren 1912 45,5% aller Auslandsinvestitionen in der Türkei deutschen Ursprungs.
Siehe dazu z.B.
Angelow, Jürgen: Interessenidentität und Mächtekonkurrenz im Zweibund. Wirtschaftsräumliche, Handelspolitische und militärstrategische Ziele im „Mitteleuropa“-Konzept zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Richard G. Plaschka / Anna M. Drabek (Hg.): Der „Zweibund“ 1879. Das deutsch-österreichisch-ungarische Bündnis und die europäische Diplomatie. Historikergespräch Österreich - Bundesrepublik Deutschland 1994 (= Zentraleuropa-Studien, Bd. 2), Wien 1996, S. 299 - 324, hier S. 307f.
Für eine allgemeine Darstellung und Bewertung der deutschen Beziehungen zum Nahen Osten in dieser Zeit siehe z.B. folgenden Sammelband:
Wallach, Jehuda (Hg.): Germany and the Middle East 1835 - 1935 (= Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte, Bd. 1), Tel Aviv 1975.
104 Fritz Fischer hatte mit seinem 1961 erschienenen Buch „Griff nach der Weltmacht“ der Forschung über den Ersten Weltkrieg eine völlig neue Dimension hinzugefügt. Behauptete er doch aufgrund umfangreicher Forschungen auch in ostdeutschen Archiven nichts weniger, als dass das Deutsche Reich im Jahre 1914 bewusst einen Krieg vom Zaun gebrochen habe, um seine weitreichenden Hegemonialpläne umzusetzen. Da dies besonders im Hinblick auf die Diskussion über vermeintliche Kontinuitätslinien in der deutschen Geschichte bis zur Zeit des Nationalsozialismus Bedeutung besaß, löste Fischer damit eine der „Schlüsseldebatten“ der Nachkriegszeit aus. Vgl. Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düsseldorf 1961.
105 Vgl. Thörner, Klaus: „Der ganze Südosten ist unser Hinterland“. Deutsche Südosteuropapläne von 1840 bis 1945, Oldenburg 1999.
106 Vgl. Hildebrand, Klaus: Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871 - 1945, Darmstadt 1995, S. 292.
107 Siehe dazu z.B. Dülffer, Jost u.a. (Hg.): Deeskalation von Konflikten der Großmächte zwischen Krimkrieg und Erstem Weltkrieg 1865 - 1914, München 1997.
108 Siehe dazu z.B. Schöllgen, Gregor: Imperialismus und Gleichgewicht. Deutschland, England und die orientalische Frage 1871 - 1914, München³ 2000.
109 Siehe dazu z.B. Hildebrand, Das vergangene Reich, S. 283ff.
110 Zur Entwicklung des Zweibundes im Vorfeld des Ersten Weltkrieges siehe z.B. Angelow, Jürgen: Kalkül und Prestige. Der Zweibund am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Köln 2000.
111 „Dennoch befanden sich der Balkan sowie der Nahe und Mittlere Osten hinsichtlich der geographischen Verteilung der deutschen Exporte relativ gesehen stark im Aufwind. Die wirtschaftsräumliche Bedeutung dieser Region resultierte aus der Tatsache, dass sich seit dem Bau der Bagdadbahn die deutschen Kolonialinteressen auf die wirtschaftliche Erschließung Vorderasiens und Afrikas zu konzentrieren begannen.“ Angelow, Jürgen: Vom „Bündnis“ zum „Block“. Struktur, Forschungsstand und Problemlage einer Geschichte des Zweibundes 1879 - 1914, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 54 (1995) Heft 1, S. 129 - 170, hier S. 145. So wuchs z.B. im Zeitraum von 1901 bis 1912 der deutsche Warenexport nach Südosteuropa um 242%. Gleichzeitig rückten von 1906 bis 1912 folgende südosteuropäische Staaten unter den 60 wichtigsten Exportländern des Deutschen Reiches auf: Türkei von Platz 23 auf 17, Rumänien von 25 auf 15, Bulgarien von 39 auf 32, Griechenland von 42 auf 33 und Serbien von 44 auf 34. Vgl. Angelow, Interessenidentität und Mächtekonkurrenz, S. 307.
112 Behnen, Michael: Deutscher und österreichischer informeller Imperialismus auf dem Balkan, in: Plaschka u.a., Der „Zweibund“ 1879, S. 221 - 241, hier S. 233.
113 Vgl. Löding, Dörte: Die deutsche und österreich-ungarische Balkanpolitik am Vorabend des 1. Weltkrieges und der Zweibund, in: Ernst Schulin (Hg.): Gedenkschrift für Martin Göhring. Studien zur europäischen Geschichte, Wiesbaden 1968, S. 254 - 265, hier S. 261.
114 Diagramm erstellt aus Daten von: Jäckh, Ernst: Der Balkan den Balkanvölkern, in: Ders.: Deutschland im Orient nach dem Balkankrieg, München 1913, S. 113 - 126, hier S. 118f.
115 Ebd.
116 Zur Entstehung und Entwicklung des Feindbildes „Serbien“ in Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich im unmittelbaren Vorfeld des Kriegsbeginns 1914 siehe z.B. Angelow, Jürgen: Der „Kriegsfall Serbien“ als Willenstherapie. Operative Planung, politische Mentalitäten und Visionen vor und zu Beginn des Ersten Weltkriegs, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 61 (2002) Heft 2, S. 315 - 336.
117 Vgl. Friedrich, Bulgarien und die Mächte, S. 114.
118 Zu dem gesamten Komplex der Balkankriege siehe z.B. Boeckh, Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Hall: Balkan Wars.
119 In der DDR-Geschichtsschreibung hatte gerade der Punkt der deutschen Finanzinteressen auf dem Balkan insbesondere in Form des Versuchs der Kontrolle der Eisenbahnverbindungen in der Region großes Forschungsinteresse gefunden. Siehe dazu z.B. Gutsche, Willibald: Serbien in den Mitteleuropaplänen des deutschen Imperialismus am Vorabend des ersten Weltkrieges, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, XXIII. Jg. (1975) Heft 1, Berlin (Ost) 1975, S. 35 - 48, hier S. 39.
120 Während der Verhandlungen war es auch zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn zu großen Spannungen gekommen, da Wien zur Wahrung seines Einflusses auf die Bahnverbindungen in Serbien versucht hatte, die Strecke unter Hereinnahme französischen Kapitals zu internationalisieren. Nachdem die Führung in Berlin diesen Vorschlag aus Furcht vor einem französischen Machtzuwachs brüsk zurückgewiesen hatte, nahmen die Österreicher nach hinhaltendem Widerstand ihr Angebot zurück. Die Verhandlungen mit Serbien verliefen daraufhin ergebnislos. Siehe zum Ablauf der Verhandlungen z.B. Löding, Dörte: Deutschlands und Österreich-Ungarns Balkanpolitik von Berücksichtigung ihrer Wirtschaftsinteressen, Hamburg 1969, S. 176ff.
121 Vgl. Hall, Balkan Wars, S. 135.
122 Vgl. Hall, Bulgaria’s Road, S. 256 - 262. 1912 - 1914 unter besonderer
123 Zur Abkühlung des Verhältnisses zwischen Rumänien und Österreich-Ungarn in Folge des 2. Balkankrieges siehe z.B. Kiszling, Rudolf: Rumäniens und Bulgariens Politik bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Österreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch zum 70. Geburtstag, Herausgegeben vom Institut für österreichische Geschichtsforschung und von der Wiener Katholischen Akademie, Graz u.a. 1965, S. 441 - 454, hier S. 442.124 Vgl. Löding, Die deutsche und österreich-ungarische Balkanpolitik, S. 258.
125 Siehe zu den Anleiheverhandlungen und den Folgewirkungen des Abschlusses der Anleihe z.B. Friedrich, Bulgarien und die Mächte, S. 20ff.
126 Vgl. Hall, Bulgaria’s Road, S. 301.
127 Vgl. Löding, Die deutsche und österreich-ungarische Balkanpolitik, S. 261.
- Arbeit zitieren
- Patrick Schweitzer (Autor:in), 2007, Das Bulgarienbild im Spiegel der deutschen Presse der Jahre 1912 - 1918, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93375
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