Die vorliegende Arbeit handelt von Platons Dialog "Politeia" (wörtlich übersetzt "Staatsverfassung"). Besonderes Augenmerk soll dabei dem vierten, der insgesamt zehn Bücher gewidmet werden. In diesem Sinne erscheint es jedoch für ein angemessenes Verständnis von Vorteil, die allgemeinen Rahmenbedingungen des bisherigen Verlaufs (Bücher I – III), während der Interpretation an den entsprechenden Stellen zu berücksichtigen. Im Hauptsächlichen widmet sich die Konzentration den theoretischen Erörterungen der Tugenden und ihrem Bezug zur Seelenlehre (427c bis 444a in Buch IV). Anmerkungen zu den hervortretenden Analogien zwischen dem einzelnen Menschen und einer politischen Staatsgemeinschaft (Polis) vervollständigen den Text dabei in sich ergänzender Weise.
Eine Abhandlung zur Moralphilosophie: Platons Politeia
Die vorliegende Arbeit handelt von Platons Dialog „Politeia“ (wörtlich übersetzt Staatsverfassung). Besonderes Augenmerk soll dabei dem vierten, der insgesamt zehn Bücher gewidmet werden. In diesem Sinne erscheint es jedoch für ein angemessenes Verständnis von Vorteil, die allgemeinen Rahmenbedingungen des bisherigen Verlaufs (Bücher I - III), während der Interpretation an den entsprechenden Stellen zu berücksichtigen. Im Hauptsächlichen widmet sich die Konzentration, den theoretischen Erörterungen der Tugenden und ihrem Bezug zur Seelenlehre (427c bis 444a in Buch IV). Anmerkungen zu den hervortretenden Analogien zwischen dem einzelnen Menschen und einer politischen Staatsgemeinschaft (Polis), vervollständigen den Text dabei in sich ergänzender Weise.
Innerhalb des Dialogs verarbeitet Platon eine Mehrzahl von Ideen, die heutzutage wohl eher in wissenschaftliche Kategorien sortiert werden würden. So fällt bei der Politeia ein besonderer Bezug zur Ethik in Verbindung zur politischen Philosophie auf. Genauer gesagt, scheint er mit seinen philosophischen Ideen einen idealistischen Einheitsgedanken zwischen Mensch und Staat zu verfolgen. Dem Namen nach handelt es sich aber nicht um einen Staat, wie er im modernen Sinn zu verstehen ist, sondern eher um eine Stadtstaatengemeinschaft, wie wir sie maßgeblich aus der antiken Zeit als Polis kennen. Aus moralphilosophischen Gründen wertvoll, lässt sich die eigentümliche Frage des Dialogs, nämlich die Erklärungssuche der Gerechtigkeit ansehen. Im Anfangsgespräch mit Thrasymachos, der für das größtenteils ungerechte Leben eines Tyrannen bzw. das Recht des Stärkeren plädiert, versucht Sokrates diesem seinen Standpunkt entgegen zu setzen und eine solch tyrannische Lebensart als trügerische Illusion zu entlarven. Denn ungerechte Menschen befänden sich nicht nur im Streit mit anderen, sondern aufgrund ihrer inneren Begierden und Uneinheit auch in Zwietracht mit sich selbst. Der These folgend, dass das gerechte besser als das ungerechte Leben sei, untersuchen nun Sokrates und seine Gesprächspartner ob es sich für den einzelnen lohne gerecht zu sein und dadurch ein vermeintlich glückliches Leben zu führen.
In diesem Zusammenhang scheint es von Bedeutung, sich die metaethischen Grundlagen Platons zu veranschaulichen. Sie besagen, dass seelische Güter (immaterieller Natur) höher als körperliche (physischer Natur) und diese wiederum höher als materielle (rein materieller Natur) einzuschätzen sind. Das höchste Strebensziel, sei demzufolge die sogenannte „Eudaimonia“ (421c) und lässt sich nur intrinsisch, als Ziel seiner selbst erstreben. Die Gerechtigkeit wird ihrer Natur nach zu den höchsten Gütern gezählt, die sowohl ihrer selbst als auch um ihrer Folgen willen erstrebt werden. Um wahrhaft glücklich zu sein bedingt es daher also einer gerechten Lebensführung, die wiederum selbst der Glückseligkeit, als zu erstrebendem Endziel dient.
Die Gesprächspartner erreichen indessen anfangs, hinsichtlich der Gerechtigkeitsfrage keine zufriedenstellende Übereinkunft. Weder darüber was sie sei, noch warum man sie der Ungerechtigkeit vorziehen solle. Veranlasst durch die Komplexität der Thematik, schlägt Sokrates daraufhin vor, das Kleine um das Große zu erweitern, damit er beweisen könne, dass das gerechte Leben gut und dem ungerechten in jeder Weise vorzuziehen sei. Denn dies verhalte sich ebenso beim Kleinen (menschlichen Individuum), ließe sich hingegen besser beim Großen (Staatswesen) erkennen. Aus methodischen Gründen, wird sich also einer zweiten Bezugsebene bedient, der politischen, innerhalb der die Gerechtigkeit ebenfalls einen gewichtigen Stellenwert einnimmt. Es stellt sich nun die Frage unter welchen Gegebenheiten ein Staat gerecht sei und ob das gerechte Staatswesen auch wirklich dem Wohlergehen aller diene. Dabei scheint es Platon weniger darum zu gehen zwischen den Bezugsebenen zu priorisieren, sondern vielmehr beide als eine Art ineinandergreifende Einheit zu verstehen (Mensch und Staat). Ist es möglich ein solches Ideal zu definieren?
Außer der Gerechtigkeit, bedürfe es für das letztendliche Glück jedoch weiterer Tugenden. Zum Zweck der Wohlberatenheit der Weisheit, angesichts von Gefahren der Tapferkeit und hinsichtlich der Begierde der Besonnenheit. Gemeinsam konstituieren sie die sogenannten vier Tugenden. Sie sind insofern als sich einander bedingend zu verstehen, d.h. sie stehen zueinander in einem einheitlichen Verhältnis. Im Rahmen einer imaginären Stadtentwicklung mit der Aufgabe eines idealen Entwurfs, einer gerechten Gesellschaft, wurden im vorherigen Gesprächsverlauf bereits mehrere Stadtentwicklungsphasen (Polisphasen) durchlaufen. Beginnend mit der gesunden Polis (erste Phase), über die ausufernd maßlose (zweite Phase), hin zur schließlich durch eine Art Reinigung hervorgehenden schönen Polis (dritte Phase / Kallipolis). Nachdem jene Phasen abgeschlossen sind, macht Sokrates Glaukon darauf aufmerksam eine vollkommene Gutheit dieser entstandenen Staatsgemeinschaft anzunehmen. Sie bilde eine harmonische Einheit des moralisch Guten mit dem individuellen Guten, denn sie vermag durch ihre tugendhafte Beschaffenheit die Glückseligkeit aller Bewohner sicherzustellen. Aus diesem Grund müsse sich auch die ursprünglich gesuchte Gerechtigkeit und die anderen Tugenden in ihr widerfinden lassen, da diese in notwendiger Verbindung miteinander stehen.
An erster Stelle lasse sich aber die Weisheit einer solchen Polis, durch die in ihr herrschenden Philosophenkönige erkennen, die zwar wenig an der Zahl aber dafür sehr wohlberatene sind. In der Kallipolis stellt Platon also das Ideal einer Gerechtigkeit dar, die in der Verantwortung der Menschen liegt. Die politische Gerechtigkeit ist so an die individuelle Gerechtigkeit der herrschenden Philosophenkönige geknüpft. Tapfer könne sie hingegen genannt werden aufgrund ihrer Wächter. Diesen kam demnach eine Erziehung zugute, die ihnen den richtigen Gemütszustand in Bezug auf das Furchtbare gelehrt hat, damit sie sich nicht durch falsche Lust oder Begierde von der Aufrechterhaltung ihrer richtigen Vorstellung vom Furchtbaren abbringen lassen. Die Besonnenheit hingegen scheint eher einem zur Einheit wirkenden Einklang aller Teile zu gleichen und zeichnet sich durch die Mäßigung jener Lüsten und Begierden aus. Im guten Staat sei die Besonnenheit nicht nur bei einer bestimmten Klasse zu finden, sondern ziehe sich einheitlich durch alle Schichten, was sie vom Wesen der Weisheit und Tapferkeit unterscheidet, die lediglich einem Teil innewohnt. Einen besonderen Platzt nimmt endlich die Gerechtigkeit unter den Tugenden ein. Sie zeige sich durch die bereits zuvor aufgestellte Definition, dass „jeder das Seinige tut“ (433e) und sich nicht in die Tätigkeiten der jeweils anderen Aufgabenbereiche einmischt. Der Tugendlehre folgend, stützt sich Platon also auf eine Ähnlichkeit zwischen Mensch und Staat. Er geht davon aus, dass ein Staat weise sei, wenn seine Herrscher weise und tapfer wenn seine Wächter tapfer seien. Besonnen allerdings sei dieser nur, wenn alle, sowohl die Volksmenge, als auch die Wenigen (Herrscher) es seien. Aus der Vollendung dieser Aufstellung, geht schließlich die Analogie zwischen tugendhaften Staaten und tugendhaften Individuen hervor. Vom Großen (Staat) wird nun wieder auf das Kleine (Mensch) zurückgeschlossen. Sokrates ist es gelungen, die Gerechtigkeit anhand der Polis ausfindig zu machen und besinnt sich der anfänglichen Suche, nach personeller Gerechtigkeit. Wenn sich also eine vollkommene Übereinstimmung der Gerechtigkeit im Staat, als auch im einzelnen Menschen finden lasse, sei sie als solche eingestanden. Dies könne gelingen, indem man metaphorisch gesprochen beide Seiten (Mensch und Polis) solange „gegeneinander reibt“ (435a), bis die Gerechtigkeit zum Vorschein kommt. Infolgedessen erklärt Platon nicht direkt den gerechten Staat zur Voraussetzung für gerechte Menschen, sondern ein Staat sei dann gerecht, wenn ein bestimmter Teil und zwar die Herrschenden personale Gerechtigkeit inne hätten. Er bedient sich derweil folgender Analogie: Wie ein Einzelner nur deshalb gerecht ist, weil in ihm die Vernunft herrscht, kann ein Staat ebenso nur dann als gerecht gelten, wenn in ihm die von der Vernunft geleiteten Menschen herrschen. Dieser Zusammenhang ist auch in Bezug auf die dreigeteilte Seelenlehre zu identifizieren. Wenn ein Staat gerecht sei, aufgrund der drei ihm innewohnenden Teile und der angemessenen Ausführung der ihnen jeweils zukommenden Aufgaben, dann ließe sich dies ebenso in der Seele für den einzelnen Menschen feststellen. Laut dieser Seelenlehre wirken im Menschen drei Kräfte, die hierarchisch miteinander in Verbindung stehen. Die drei Seelenteile spiegeln sich dabei in den drei Klassen und in den drei Polisphasen wider. Potenzielle Verschränkungen bekräftigen dabei die Grundannahme eines Einheitsverständnisses. In diesem Zusammenhang erscheint der Gedanke logisch, dass sich die individuellen Eigenschaften von Menschen auch in einem Staat wiederfinden lassen könnten, denn dieser besteht offensichtlich aus einer Mehrzahl dieser.
Vor allem während des Übergangs der verschiedenen Polisphasen zur jeweils nächsten, lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen psychologischen und politischen Aspekten vermuten. Entscheidend, scheinen hier der menschliche Charakter und sein ihm innewohnender Seelenfrieden zu sein. Es leuchtet beispielsweise ein, dass bei niedrigen Lebensstandards der ersten Phase weniger Arbeit notwendig sei und auch ein geringeres Konfliktpotenzial im Streit mit Mitmenschen bestehe. Dieses Konfliktpotenzial erhöhe sich aber durch die Entwicklung zur zweiten Polisphase und liefert Platon einen Grund zur Annahme analoger Beziehung zwischen Einzelperson und Polis. Die durch die zweite Phase nötig gewordene politische Herrschaft zwischen Menschen untereinander, ist auch für das einzelne Individuum, in Form einer geordneten inneren Herrschaft der jeweiligen Seelenteile notwendig. Erst im Zuge der dritten Polisphase nehme man zu den sinnlichen Antrieben und zur Begehrlichkeit einen distanziert kritischen Standpunkt ein. Die scheinbar grenzenlose und konfliktvolle Begehrlichkeit, wird nun mittels der Vernunft gemaßregelt und mithilfe der tugendhaften Besonnenheit überwunden. Schwieriger stellt sich hingegen die Frage, ob der Mensch jeweils nur mit einem einzelnen Seelenteil etwas tut, oder ob er alles immer mit der ganzen Seele verrichte. Erwähnenswert scheint hierbei, dass laut Platon nicht alle Polisverhältnisse komplett auf das Individuum übertragen werden. In jedem Einzelmenschen liegen demnach alle drei Arten der Seelenteile vor. Dabei kann zwischen einer vorherrschenden als auch beherrschenden Funktion einerseits und einer ausführenden Hilfsfunktion andererseits unterschieden werden. Ein jeweiliger Seelenteil kann also zwar vorherrschen, aber nicht einzeln existieren. Verbindet sich die Dominanz eines Seelenteils mit den lediglich untergeordnet helfenden Teilen, so beherrscht er die anderen beiden im Ganzen. Diesbezüglich ist es von entscheidender Bedeutung, welcher Teil die dominierende Vorherrschaft besitzt. Ist es die reine Begierde, ordnen sich ihr entsprechend die Tatkraft und die Vernunft unter (siehe erste Polisphase). An diesem Punkt sind zwar beide Teile (Tatkraft und Vernunft) vorhanden, aber lediglich als degradierte Hilfsinstrumente tätig. Ergreift stattdessen die Tatkraft die Herrschaft, kommt es zu Verhältnissen die der zweiten Polisphase gleichen. In diesem Fall unterjocht die Tatkraft die Begierde derart, dass sie ihr ursprünglich maßvolles Wesen verändert und zu einer maßlosen, immer mehr haben wollenden Unbegrenztheit ausartet (Pleonexie). Die Vernunft nimmt währenddessen ebenso wie in der ersten Phase, lediglich eine untergeordnete Hilfsposition zur Vorherrschenden Tatkraft ein. Doch diese (die Vernunft) erlangt aus einer der zweiten Phase resultierenden Konsequenz, nämlich der vernünftigen Maßregelung, in der dritten und letzten Polisphase die Regierungsgewalt. Es bedarf jedoch um die Maßlosigkeit der zweiten Phase einzudämmen, mehr noch einer Art Umerziehung der Tatkraft. Das Begehren an sich scheint für Platon nichts grundsätzlich Schlechtes zu sein, sondern nur dann wenn es unter die falsche Herrschaft der Tatkraft gerät und ins maßlose ausartet. Während der folglich notwendig gewordenen Herrschaft der Vernunft, wandelt sich die Rolle der Tatkraft ins angemessene und sorgt nun wiederum für die maßvolle Regulierung der Begierde. In Hinsicht auf das Begehren erweist sich die Vernunft daher als Besonnenheit. Platons Vernunftbegriff beruht hier wohl auf einem sozialen am gemeinschaftswohl orientierten Rationalitätsgedanken, der sich kennzeichnend innerhalb der dritten Polisphase ausbildet. Wegen der auftretenden Schwierigkeiten und des erhöhten Konfliktpotenzials, werden im Verlauf der zweiten Phase eine personale Vernunft und Ordnung der eigenen Seele nötig. Auf politischer Ebene, spiegelt sich dies in Form einer vernunftorientierten Führerschaft (Philosophenkönige) wider. Zu beachten ist weiterhin, dass in jedem der drei Menschentypen immer alle drei seelischen Antriebskräfte, in jeweils unterschiedlich dominanter Ausprägung wirken. Betrachtet man die Rollen der Seelenteile und ihr jeweiliges Verhältnis untereinander lässt sich folgendes festhalten: So wie die Begierde des Durstes danach strebt zu trinken, kann sie sich nicht gleichzeitig von ihr selbst (der Begierde zu trinken), aufgrund der Entgegengesetztheit abhalten. Deshalb sei noch etwas anderes in der Seele nötig, das dem rein begehrlichen verhindernd entgegenwirkt und das gut überlegend über diese Gewalt ausübt. Der Natur nach müsse dieses als etwas Überlegendes und somit vom begehrlich durstenden Seelenteil verschiedenes sein, nämlich das Vernünftige. Die Tatkraft als dritter Teil bilde demnach eine spezielle Form, weil sie bei artgerechter Beschaffenheit in einer Situation des Zwiespalts innerhalb der Seele (zwischen Vernunft und Begierde), eher der Vernunft anstatt der Begierde verbündet sei.
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- Arbeit zitieren
- Kerem Kopuz (Autor:in), 2020, Abhandlung zur Moralphilosophie. Platons "Politeia", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/932859
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