Betrachtet man den Mord von Potempa im Zusammenhang mit der politischen Gewaltserie in der Weimarer Republik so scheint er- obwohl es eine ausgesprochen grausame Tat war beinnahe alltäglich. Erst die Begleitumstände ließen damals das öffentliche Interesse entflammen, weshalb der Potempa- Mord in einigen wissenschaftlichen Aufsätzen untersucht bzw. sein Relevanzkriterium vor allem in Bezug auf die Legalitätstaktik der NSDAP , deren Mitglieder sich als Befürworter dieses grausamen Mordes bekannten, geprüft wurde. Nach Richard Bessel wird dieses Verbrechen von Historikern als ein Meilenstein in der Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung betrachtet, da erstmals die Solidarität mit rechtlich korrekt verurteilten Mördern durch Hitler, dem Führer der damaligen größten politischen Bewegung, klar und deutlich ausgesprochen wurde.
Unter dem Aspekt der Legitimation von Gewalt in der damaligen öffentlichen Diskussion soll anhand ausgewählter Artikel von Zeitungen aus verschiedenen politischen Richtungen der Potempa- Mord nicht nur im historischen Kontext erläutert, sondern vor allem auf die „Sprache der Gewalt“ untersucht werden, in Hinsicht auf Feindbilder, Diffamierung des politischen Gegners und der Art und Weise der Darstellung des Mordes und seiner Begleiterscheinungen.
Die grundlegende Fragestellung, die das Fundament dieser Arbeit darstellen soll, könnte nun folgendermaßen formuliert werden: Inwieweit wurde die politische Gewalt in der Weimarer Republik am Beispiel des Mordes von Potempa in der öffentlichen Diskussion ausgewählter Zeitungen charakterisiert oder sogar legitimiert?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Dokumentation des Potempa- Mordes
3 Der Mord von Potempa im Blickwinkel des historischen Kontextes
4 Die öffentliche Diskussion in den Zeitungen
4.1 Interpretation und Vorgehensweise
4.2 Die Rote Fahne
4.3 Der Vorwärts
4.4 Das Berliner Tageblatt
4.5 Der Völkische Beobachter
4.6 Zusammenfassung
5 Schluss
6 Quellen
7 Literatur
Internet:
1 Einleitung
Betrachtet man den Mord von Potempa im Zusammenhang mit der politischen Gewaltserie in der Weimarer Republik so scheint er- obwohl es eine ausgesprochen grausame Tat war- beinnahe alltäglich. Erst die Begleitumstände ließen damals das öffentliche Interesse entflammen, weshalb der Potempa- Mord in einigen wissenschaftlichen Aufsätzen untersucht bzw. sein Relevanzkriterium vor allem in Bezug auf die Legalitätstaktik der NSDAP[1], deren Mitglieder sich als Befürworter dieses grausamen Mordes bekannten, geprüft wurde. Nach Richard Bessel wird dieses Verbrechen von Historikern als ein Meilenstein in der Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung betrachtet, da erstmals die Solidarität mit rechtlich korrekt verurteilten Mördern durch Hitler, dem Führer der damaligen größten politischen Bewegung, klar und deutlich ausgesprochen wurde.[2]
Unter dem Aspekt der Legitimation von Gewalt in der damaligen öffentlichen Diskussion soll anhand ausgewählter Artikel von Zeitungen aus verschiedenen politischen Richtungen der Potempa- Mord nicht nur im historischen Kontext erläutert, sondern vor allem auf die „Sprache der Gewalt“ untersucht werden, in Hinsicht auf Feindbilder, Diffamierung des politischen Gegners und der Art und Weise der Darstellung des Mordes und seiner Begleiterscheinungen.
Die grundlegende Fragestellung, die das Fundament dieser Arbeit darstellen soll, könnte nun folgendermaßen formuliert werden: Inwieweit wurde die politische Gewalt in der Weimarer Republik am Beispiel des Mordes von Potempa in der öffentlichen Diskussion ausgewählter Zeitungen charakterisiert oder sogar legitimiert?
2 Dokumentation des Potempa- Mordes
In der Nacht vom 9. /10. August 1932 überfielen 9 uniformierte SA- und SS- Männer den kommunistisch gesinnten Arbeiter Konrad Pietzuch[3] im oberschlesischen Potempa und töteten ihn auf grausame Weise unter Anwesenheit seiner Mutter und seines Bruders, der durch ähnliche Misshandlungen schwer verletzt wurde. Der Tathergang offenbart die Vorsätzlichkeit des Überfalls: Am Abend des 9. August fuhr die Gruppe der Täter über 24km zu genanntem Ort und ließ sich vom Gastwirt Lachmann „mit Bier, Schnaps und Zigaretten bewirten“[4], um sich gleich darauf mit „mindestens 5 Pistolen, zwei abgebrochenen Billardstöcken und einem Gummiknüppel bewaffnet“[5] auf den Weg zu dem Gehöft von Pietzuch zu machen, nachdem der geplante Angriff auf einen anderen Mann nicht ausgeführt werden konnte.[6] Unter Bedrohung der Mutter und des Bruders, der bewusstlos geschlagen wurde, traten die Täter solange auf Konrad Pietzuch ein, bis er aufgrund des zerfetzten Kehlkopfes den Tod durch Ersticken fand.
Fragt man nach der Motivation der SA- und SS- Angehörigen so scheint in erster Linie die politische Einstellung des Opfers und diverse, dem Mord vorrausgehende Auseinandersetzungen zwischen ihm und anderen Nationalsozialisten, die Ursachen des Angriffs gewesen zu sein.[7]
3 Der Mord von Potempa im Blickwinkel des historischen Kontextes
Der Mord selbst spiegelt die Wirklichkeit politischer Gewaltverbrechen des Jahres 1932 wieder, das sich durch eine besondere Radikalisierung vor allem nach der Aufhebung des SA- Verbotes vom 29. Juni und den Juliwahlkämpfen kennzeichnete. Der nationalsozialistische Terror nahm neue Dimensionen in bestimmten Teilen des Reiches an; bei Bombenanschlägen und Attentaten – besonders in Schlesien und Ostpreußen- wird die Beteiligung der SA und deren Sympathisanten sehr hoch eingeschätzt.[8]
Angesichts dieser neuen „Welle von Gewalt“, die den Charakter bürgerkriegsähnlicher Zustände aufwies, beispielhaft verkörpert durch den „Altonaer Blutsonntag“ vom 17. Juli, beschloss die Reichsregierung Papen mit Hilfe einer Notstandsgesetzgebung vom 9. August vorsätzliche politische Gewaltakte durch eine Verschärfung der gesetzlichen Bestrafung einzugrenzen. Diese antiterroristische Gesetzgebung dehnte die Todesstrafe auf Totschlag aus politischen Gründen aus , insbesondere bei der „Tötung eines Menschen in der Leidenschaft des politischen Kampfes aus Zorn und Haß“[9]. Nun wurde also auch der aus dem Affekt agierende Verbrecher mit der Höchststrafe geächtet, wortgetreu der, der einen „Totschlag […] begeht als Angreifer aus politischen Beweggründen oder an einem Polizeibeamten, einer zu dessen Unterstützung zugezogenen Person oder einem Angehörigen der Wehrmacht, die sich in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes oder Dienstes befinden“[10] ; ferner auch bei Vergehen wie Brandstiftung, Sprengstoffanschlag oder Gefährdung eines Eisenbahntransports. Zur Aburteilung der Verbrechen sollten in den politisch besonders gefährdeten Gebieten Sondergerichte eingebaut werden, die sich durch ein beschleunigtes Verfahren kennzeichneten und deren Urteile sofort nach Verkündung rechtskräftig waren.[11]
Die beschriebene Notverordnung, die am 10. August 1932 in Kraft trat, traf zuerst nationalsozialistische Gewaltverbrecher und wurde im Falle des Mordes von Potempa seiner ersten Prüfung unterzogen.
Die eigentliche öffentliche, sehr hitzige Diskussion entflammte anlässlich der Urteile des Sondergerichts von Beuthen, das vom 19.- 22. August 1932 tagte und aufgrund der neuen Gesetzgebung die Urteile folgendermaßen fällen musste: wegen gemeinschaftlich politischen Totschlags und in einem Fall wegen Anstiftung zu politischen Totschlag wurden fünf der Täter mit dem Tod, einer mit zwei Jahren Zuchthaus bestraft und drei freigesprochen.[12] Während es unmittelbar nach dem Mord nur zu lokalen demonstrativen Erhebungen der KPD kam, zum Beispiel bei der Beisetzung Pietzuch, wurde nun das Gerichtsverfahren zum Sammelpunkt konträrpolitischer Strömungen und weckte regional- übergreifendes Interesse. Der viel zitierte Ausspruch des SA- Führers Heines, der den Richterspruch als „Fanal zum deutschen Aufbruch“[13] bezeichnete, löste eine Welle von Begeisterung der anwesenden SA- Mitglieder aus und war der symbolische Auftakt zu allerlei blinder Zerstörungswut nationalsozialistischer Anhänger und mündete in Angriffe auf jüdische Geschäfte und der in Beuthen ansässigen sozialdemokratischen Zeitung „Volksblatt“.[14] Die Unruhen und Störungen hielten auch noch die darauf folgenden Tage an und zeigten sich ebenfalls in der hitzigen und emotional- geladenen Diskussion in den Zeitungen. Goebbels schreibt in seinem Tagebuch am 23. August zu den Ereignissen: „Im ganzen Lande Proteststurm gegen die Beuthener Todesurteile“.[15]
Zentraler Gegenstand war dabei weniger der Mord selbst, sondern die Beuthener Gerichtsurteile und die Reaktion Hitlers, die dem Potempa- Mord erst im historischen „Rückblick“ seine außerordentliche Relevanz zugesteht. Um die Bedeutsamkeit jenes Telegramms, dass am 24. August im Völkischen Beobachter veröffentlicht wurde, einzuschätzen, sollte darauf verwiesen werden, dass sich der ‚Führer’ der NSDAP in einer denkbar schwierigen Situation befand. Nach dem massiven Stimmengewinn der NSDAP in den Juli- Wahlen 1932 fand eine Unterredung zur Regierungsbeteiligung zwischen Hitler und Hindenburg am 13. August statt, in deren Verlauf ersterer die alleinige Kanzlerschaft gefordert habe, die vom Reichspräsidenten allerdings mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass er es „vor Gott, seinem Gewissen und dem Vaterlande nicht verantworten könne, einer Partei die gesamte Regierungsgewalt zu übertragen, noch dazu einer Partei, die einseitig gegen Andersdenkende eingestellt wäre.“[16] Die viel geäußerte Hoffnung auf die endgültige Führungsposition musste damit vorerst enttäuscht werden - ein starker Prestigeverlust für die Partei vor allem in weiten Teilen der SA. Diese politische Niederlage katapultierte Hitler in eine schwierige Lage angesichts der Beuthener Gerichtsurteile: „Sollte er Männer unterstützen, die eines brutalen Mordes verurteilt waren und damit die Kritik einer zu respektierenden öffentlichen Meinung riskieren? Oder sollte er schweigen und den möglichen Verlust der Unterstützung durch die SA in Kauf nehmen?“[17]
[...]
[1] vgl. Rüffler, Klaus: Vom Münchener Landfriedensbruch bis zum Mord von Potempa. Die Legalitätstaktik der NSDAP, Frankfurt am Main 1994.
[2] Bessel, Richard: The Potempa Murder, in: Central European History 10 (1977), S.242.
[3] der Name des Opfers variiert häufig in seiner Schreibweise, auch Pietrzuch oder Pieterzuch werden verwendet.
[4] Kluke, Paul: Der Fall Potempa, in: VfZ 5 (1957), S.288.
[5] Hannover, Heinrich u. Hannover- Drück, Elisabeth: Politische Justiz 1918- 1933, Frankfurt 1966, S.303.
[6] siehe den genauen Tathergang bei Kluke, S. 287 ff..
[7] Pietzuch war bekannt als „harmloser Schreier“, der oft lauthals seine Sympathie mit den Kommunisten preisgab und häufig in Konflikte mit Lachmann, dem Anstifter des Mordes und Leiter der örtlichen NSDAP, geriet. Auseinandersetzungen zwischen Polen und Deutschen schienen hier schon durch die Lokalität eine makabre Tradition zu haben, siehe Bessel, S.245.
[8] Ursachen für diese Konzentration sind möglicherweise die Präsenz der lokalen SA- Führung in Schlesien und die hier durch die Unterstützung des schlesischen SA- Führers Edmund Heines stattfindenden Terroreskapaden, die, wie Bennecke betont, „von höheren SA- Führern, anscheinend sogar auf Befehl Röhms, gelenkt und durchgeführt wurden“. Bennecke, Heinrich: Hitler und die SA, München 1962, S. 194ff..
[9] Hannover, S.301.
[10] Reichsgesetzblatt, 1932, 1: 403.
[11] Reichsgesetzblatt, 1932, 1: 406: „gegen Entscheidungen der Sondergerichte ist kein Rechtsmittel zulässig“.
[12] Kluke, S. 286- 287.
[13] ebenda, S.283.
[14] zu den örtlichen Unruhen siehe Bessel, S.248 ff., Berliner Tageblatt, 22.8.1932 (Morgenausg.) oder Vorwärts, 23.8.1932 (Morgenausg.).
[15] Die Tagebücher von Joseph Goebbels: sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftr. des Instituts für Zeitgeschichte und in Verb. mit dem Bundesarchiv, Bd. 2, 1.1.1931- 31.12.1936, München 1987, S.230.
[16] Niederschrift des Staatssekretärs der Parteikanzlei Otto Meißner über die Unterredung des Reichspräsidenten Paul v. Hindenburg mit Adolf Hitler am 13. August 1932, in: Ruge, Wolfgang u. Schumann, Wolfgang (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Geschichte 1929- 1933, Berlin 1975, S.72. Allerdings sei dieses Schriftstück bewusst scharf von Schleicher und Papen beeinflusst worden, vgl. Bennecke, S.196 u. Winkler, Heinrich- August: Weimar 1918- 1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1993, S.511.
[17] Bessel, S. 242.
- Quote paper
- Tina Schüßler (Author), 2004, Die Sprache der Gewalt , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93266
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