Der Titel dieser Arbeit „Der Machtbegriff in Organisationstheorien“ nimmt eine Erkenntnis vorweg, die einer Erklärung bedarf. Es wird der Plural des Terminus Organisationstheorie verwendet, was impliziert, dass nicht nur von der Existenz einer einzigen Organisationstheorie ausgegangen werden kann. Um Klarheit in diesen Ansatz zu bringen, sollen zunächst die im Titel verarbeiteten Begriffe definiert werden. Die Erkenntnisse daraus werden dazu beitragen das Ziel der vorliegenden Arbeit zu formulieren, sowie die Vorgehensweise zu erläutern, wie dieses umgesetzt werden soll.
Die bekannteste und „heute wohl geläufigste Definition ” des Machtbegriffs stammt von Max Weber. Er definiert Macht als „die Möglichkeit innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Möglichkeit beruht ”. Webers Machtdefinition bildet die Grundlage zahlreicher Weiterentwicklungen , was eine nähere Betrachtung dessen Konzeption zu rechtfertigen scheint.
Webers Machtrelation bezieht ein Ungleichgewicht zwischen Machthaber und Machtunterworfenen mit ein, da letztere beispielsweise eine Handlung durchführen müssen, die sie aus freien Stücken, also aus ihrem eigenen Willen heraus, nicht durchführen wollen. Es kann von einer Asymmetrie zwischen Machthaber und Machtunterworfenen gesprochen werden. Weber versteht Macht demnach als Möglichkeit den eigenen Willen dem Verhalten anderer aufzuzwingen. Dabei wird Macht als allgemeine, beliebige Chance verstanden sich in sozialen Beziehungen durchzusetzen. Der Machtbegriff wird aufgrund dieser Tatsache auch als amorph bezeichnet, da eine Vielzahl von Eigenschaften dazu beitragen können, dass bestimmte Menschen auch gegen Widerstand ihren Willen durchsetzen. Weber polarisiert Wille auf der einen und Widerstand auf der anderen Seite und führt dies in soziale Beziehungen ein, die er mit dem Machtbegriff verknüpft. Macht wird in sozialen Beziehungen ausgeübt und dies impliziert, dass Macht mit subjektivem Handeln verbunden ist. Aufgrund der Tatsache, dass Macht sozial amorph und daher kaum fassbar ist, wird der Begriff der Herrschaft als Sonderfall von Macht von Max Weber eingeführt.
INHALTSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einführung
1.1 Begriffsbestimmung
1.1.1 Der Begriff der Macht
1.1.2 Der Begriff der Organisation
1.1.3 Organisationstheorien
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise der Arbeit
2. Der wissenschaftliche Hintergrund verschiedener Organisationstheorien
2.1 Klassische Organisationstheorien
2.1.1 Webers Bürokratiemodell
2.1.2 Taylors Wissenschaftliche Betriebsführung
2.1.3 Fayols Administrative Theorie
2.2 Die Human- Relations- Bewegung
2.3 Die Entscheidungstheorie
2.4 Der Kontingenzansatz
2.5 Die organisatorische Systemtheorie
2.6 Das Spielkonzept von Crozier und Friedberg
2.7 Neue Institutionenökonomie
2.7.1 Die Theorie der Verfügungsrechte
2.7.2 Der Prinzipal- Agent- Ansatz
2.7.3 Der Transaktionskostenansatz
2.8 Evolutionstheoretische Ansätze
2.9 Der Neo- Institutionalismus
2.10 Die Strukturationstheorie
2.11 Zwischenergebnis
3. Das Verständnis von Macht
3.1 Das Machtbasenkonzept von French und Raven
3.1.1 Macht durch Legitimation
3.1.2 Macht durch Belohnung
3.1.3 Macht durch Bestrafung
3.1.4 Macht durch Identifikation
3.1.5 Macht durch Sachkenntnis
3.1.6 Macht durch Information
3.2 Macht als formale Autorität
3.3 Macht als Koalition
3.4 Macht als Abhängigkeit
3.4.1 Macht als Ressourcenabhängigkeit
3.4.2 Macht als Pfadabhängigkeit
3.5 Macht als Fluktuation
3.6 Macht als Asymmetrie
3.7 Macht als Handlungsspielraum
3.7.1 Die Generierung des Handlungsspielraums
3.7.2 Die vermehrte Berücksichtigung von Strukturen
3.8 Vernachlässigung von Macht
3.9 Macht als Kommunikation
4. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: „Wissenschaftlicher Hintergrund der verschiedenen Organisationstheorien“
Tabelle 2: „Darstellung der verschiedenen Verständnisse von Macht”
1. Einführung
Der Titel dieser Arbeit „Der Machtbegriff in Organisationstheorien“ nimmt eine Erkenntnis vorweg, die einer Erklärung bedarf. Es wird der Plural des Terminus Organisationstheorie verwendet, was impliziert, dass nicht nur von der Existenz einer einzigen Organisationstheorie ausgegangen werden kann. Um Klarheit in diesen Ansatz zu bringen, sollen zunächst die im Titel verarbeiteten Begriffe definiert werden. Die Erkenntnisse daraus werden dazu beitragen das Ziel der vorliegenden Arbeit zu formulieren, sowie die Vorgehensweise zu erläutern, wie dieses umgesetzt werden soll.
1.1 Begriffsbestimmung
1.1.1 Der Begriff der Macht
Die bekannteste und „heute wohl geläufigste Definition[1] ” des Machtbegriffs stammt von Max Weber. Er definiert Macht als „die Möglichkeit innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Möglichkeit beruht[2] ”. Webers Machtdefinition bildet die Grundlage zahlreicher Weiterentwicklungen[3], was eine nähere Betrachtung dessen Konzeption zu rechtfertigen scheint.
Webers Machtrelation bezieht ein Ungleichgewicht zwischen Machthaber und Machtunterworfenen mit ein, da letztere beispielsweise eine Handlung durchführen müssen, die sie aus freien Stücken, also aus ihrem eigenen Willen heraus, nicht durchführen wollen. Es kann von einer Asymmetrie zwischen Machthaber und Machtunterworfenen gesprochen werden. Weber versteht Macht demnach als Möglichkeit den eigenen Willen dem Verhalten anderer aufzuzwingen. Dabei wird Macht als allgemeine, beliebige Chance verstanden sich in sozialen Beziehungen durchzusetzen.[4] Der Machtbegriff wird aufgrund dieser Tatsache auch als amorph bezeichnet, da eine Vielzahl von Eigenschaften dazu beitragen können, dass bestimmte Menschen auch gegen Widerstand ihren Willen durchsetzen.[5] Weber polarisiert Wille auf der einen und Widerstand auf der anderen Seite und führt dies in soziale Beziehungen ein, die er mit dem Machtbegriff verknüpft. Macht wird in sozialen Beziehungen ausgeübt und dies impliziert, dass Macht mit subjektivem Handeln verbunden ist.[6] Aufgrund der Tatsache, dass Macht sozial amorph und daher kaum fassbar ist, wird der Begriff der Herrschaft als Sonderfall von Macht von Max Weber eingeführt.
Herrschaft wird verstanden als „Chance für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden[7] ”. Damit wird die soziale Rahmenbedingung im Gegensatz zum Machtbegriff bei Herrschaft weiter spezifiziert, wodurch Herrschaft auch als institutionalisierte Macht zu verstehen ist. Es existiert eine asymmetrische soziale Beziehung in der die eine Seite befehlend, also aktiv, und die andere Seite gehorchend, also passiv, ist. Max Weber klassifiziert drei Arten von Herrschaftstypen[8]: Diese werden differenziert in traditionale, charismatische und legale, auch rationale, Herrschaft. Die Unterscheidung erfolgt somit nach Geltungsgründen und enthält, dass Herrschaft vom Bestehen einer legitimen Ordnung ausgeht an die die Beherrschten glauben müssen.[9]
Die traditionale oder traditionelle Herrschaft stammt aus dem Alltagsglauben an eine Heiligkeit einer seit jeher geltenden Tradition und der Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen. Festgelegte und überlieferte Regeln bilden dabei die Grundlage der Herrschaftsakzeptanz.
Die charismatische Herrschaft resultiert aus der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen. Der charismatische Führer, der sich durch außerordentliche Religiosität, Heldenhaftigkeit oder Vorbildlichkeit auszeichnet, zieht die Legitimität seiner oder ihrer Herrschaft aus dem persönlichen Vertrauen der Untergebenen.[10]
Die legale Herrschaft beruht auf dem Glauben an die Legalität von beispielsweise Gesetzen, also Rechtsordnungen, und des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausübung der Herrschaft Berufenen. Die gesetzten Ordnungen gelten für jeden, einschließlich der Herrschenden selbst. Die legale Herrschaft gründet sich demnach auf den unpersönlichen Glauben an die Geltung gesetzter Ordnungen, die festlegt, wer zu welchem Zeitpunkt die Weisungsbefugnis inne hat.[11] Dabei gilt zusammenfassend, dass nur legale Herrschaft das Kennzeichen der Rationalität aufweist, da sie auf Sachlichkeit und Unpersönlichkeit beruht, während charismatische und traditionale Herrschaft vorrationale Formen der Herrschaft darstellen.[12] Die reinste Form legaler Herrschaft ist dabei die Bürokratie.[13]
Bei Max Webers Machtbegriff[14] lässt sich resümieren, dass er diesen als die allgemeine Form begreift seinen eigenen Willen durchzusetzen. Er verbindet dabei Macht mit Handeln, so dass davon gesprochen werden kann, dass Handeln Macht mit einschließt, die jedoch nicht legitimiert sein muss. Sobald aber der Einsatz und die Reichweite der Machtmittel geregelt, also legitim, sind, gilt dies als die spezifischere Form der Macht als Herrschaft.[15] Die Typen der legalen, traditionalen und charismatischen Herrschaft können als Machtgrundlagen interpretiert werden, da die Durchsetzung von Befehlen und damit Willen auf eine spezifische Basis gestellt werden müssen. Die Urdefinition Webers charakterisiert Macht als subjektives Handeln und findet in den Typologien der Herrschaft Grundlagen, auf denen die konkrete Machtausübung gebettet ist. Damit sind die beiden soziologischen Phänomene der Macht und der Herrschaft durch subjektives sinnhaftes Handeln hervorgebracht worden.[16] Die weiteren Ausführungen innerhalb dieser Arbeit werden zeigen, ob sich dieses Verständnis der Macht erhalten hat oder ob der „fundamentale Begriff der Gesellschaftswissenschaft[17] ” nicht eindeutig gefasst werden kann.
1.1.2 Der Begriff der Organisation
Der Begriff der Organisation ist zunächst einmal durch eine immense Vielzahl potenzieller Definitionsmöglichkeiten gekennzeichnet, da „kaum ein anderer Ausdruck […] in der Wissenschaft eine vergleichbare Vielfalt aufweist[18] ”. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass wahrscheinlich genauso viele Definitionen des Begriffs Organisation existieren, wie es Autoren gibt, die in jenem Bereich forschen. Zur Illustrierung sind an dieser Stelle einige wichtige Varianten aufgeführt:
„Organisationen stellen von Personen gebildete […] Einrichtungen dar, die auf Ziele hin orientiert und gegenüber vielfältigen externen Einflüssen offen sind[19] ”.
„Organisation als Tätigkeit kann als Summe aller auf bestimmte Zwecke ausgerichteten Regelungen verstanden werden[20] “.
„Organisationen sind konkrete Mehr-Personen- Zusammenschlüsse, die auf ein bestimmtes System von Regeln (Normen) aufbauen mit dem Zweck das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken[21] “.
„Organisationen sind zielgerichtete soziale Systeme, die ihre Mitglieder durch Zwang, Belohnung und Bestrafung oder aufgrund von Normen und Werte
dazu bringen zur Erreichung der Organisationsziele beizutragen. Um Ziele zu erreichen, werden einzelne Individuen zu einer geordneten Gesamtheit (Organisation) zusammengefasst[22] “.
„Organisation ist ein kollektives Ganzes […], das sich auf ein Endziel bezieht[23] ”.
„Organisationen sind zweckgebildete, intendiert geschaffene und mit einer formalen Struktur ausgestattete Gebilde[24] ”.
So verschieden die genannten Beispiele in ihrer detaillieren Ausgestaltung auch sein mögen, allen ist eines gemeinsam: Die Eigenschaft der Zielgerichtet- und der Zweckbezogenheit.[25] Da dieses Attribut als einziges bei
allen explizit genannt wird, sollte es etwas genauer unter die Lupe genommen werden.
Es handelt sich demnach um die Frage, welche Ziele innerhalb von Organisationen verfolgt werden, das heißt an dieser Stelle sollte differenziert werden, welche verschiedenen Arten von Zielen innerhalb einer Organisation existieren. Zunächst gilt es Ziele auszufiltern, die zwar innerhalb der Organisation verfolgt werden, jedoch nicht als Ziele der Organisation apostrophiert werden können. Dazu zählen unter anderem persönliche Ziele von Individuen in Organisationen wie ein bestimmtes Prestige oder Einkommensniveau zu erreichen. Analog dazu gehören Ziele einzelner Mitglieder, die sich dieselben für die Organisation wünschen aber keineswegs in einem formal legitimierten Prozess festgelegt wurden, nicht zu den Zielen der Organisation.
Ziele der Organisation sind solche, die in Satzungen und Verfassungen von Organisationen festgeschrieben wurden, denen wiederum allgemeine Rechtsvorschriften wie z.B. das Gesellschaftsrecht zu Grunde liegen.[26] Die Ziele der Organisation sind somit beispielsweise in deren Unternehmens- bzw. Betriebsverfassung festgelegt und können vielfältiger Natur sein.
Zum einen sind dabei operationale Ziele zu nennen, wie beispielsweise Ziele zum Umsatz, zur Erzielung von Gewinnen[27], dem Marktanteil oder Produktinnovationen. Dabei ist zu betonen, dass in einer wirtschaftlichen Organisation das Erzielen von Gewinnen für die Organisation überlebenswichtig ist. So kann argumentiert werden, dass die Deckung des Bedarfs ausschließlich zum Zweck der Erzielung von Profiten, also der Erwirtschaftung von Gewinnen, ist. Im Gegensatz dazu können Ziele von Organisationen auch primär auf die Deckung von Bedarf ausgerichtet sein, es ist dann das „unmittelbare Ziel[28] “. Die Erzielung von Gewinnen ist dann höchstens sekundär.
Zum anderen werden nicht- operationale Ziele unterschieden wie z.B. das Mitarbeiterwohl oder aber die Verringerung der Umweltbelastung. Auch diese Ziele können in Unternehmensverfassungen enthalten sein.
All diese Ziele von Organisationen weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie sind von Prinzip her auf Dauer angelegt und von Personen unabhängig. Das bedeutet, dass beispielsweise die Verfolgung allgemeiner Ziele wie das Erwirtschaften von Gewinnen immer ein Ziel der Organisation bleibt, unabhängig davon welche Personen im Vorstand sitzen.[29] Dabei sollte berücksichtigt werden, dass die Erhaltung des Zusammenschlusses, also das Fortbestehen der Organisation, ein eigenständiges Ziel bleibt, das Grundvoraussetzung ist, um das Ziel der Erwirtschaftung von Gewinnen überhaupt erreichen zu können. Die Ziele einer Organisation sind dabei in den Unternehmens- bzw. Betriebsverfassungen fixiert, die für alle Mitarbeiter einer Organisation Gültigkeit besitzen. Die Unternehmensverfassung steckt zu einem wesentlichen Teil den Handlungsspielraum der Mitglieder einer Organisation ab und kann Handeln determinieren.[30] Eine Erkenntnis auf die im Laufe dieser Arbeit noch näher eingegangen wird.
Umfassend betrachtet, überwiegen die Unterschiede, welche als konstituierend für die Organisation betrachtet werden, so dass mehrere Weisen existieren, um den Begriff der Organisation zu bestimmen. Verschiedene Autoren sehen diverse Aspekte innerhalb von Organisationen als besonders wichtig an, so dass von einem immensen Gegenstandsbereich von Organisationen ausgegangen werden muss. Daraus lassen sich unterschiedliche Bilder von Organisationen und analog verschiedene Theorien ableiten, auf die sich im Folgenden bezogen wird.
1.1.3 Organisationstheorien
Es ist zu konstatieren, dass es aufgrund der beschriebenen Komplexität des Gegenstandes der Organisation nicht nur die eine Organisationstheorie gibt. So wird angenommen, dass „eine geschlossene Theorie bis heute nicht existiert und es vermutlich auch nie geben wird[31] “.
Die verschiedenen Organisationswissenschaftler berücksichtigen nur gewisse Aspekte der Organisation und gehen von einem ganz bestimmten Vorverständnis von Organisation aus.[32] In der Wissenschaft herrscht Uneinigkeit über die Wichtigkeit der Faktoren, die innerhalb einer Organisation zentral sind und daraus leiten sich die verschiedenen Ansätze ab. In Organisationen können viele Ereignisse und Schwierigkeiten auftreten, die es wert sind, eine wissenschaftliche Analyse durchzuführen. Dies kann von verschiedenen Perspektiven aus geschehen. Zusätzlich kann eine Differenzierung vorgenommen werden, ob dabei die Beziehung von Individuum oder Gruppe und Organisation, das Verhältnis von Organisation und Umwelt oder Organisationsstrukturen und -Prozesse als besonders wichtig erachtet werden.[33] Die komplexe Beschaffenheit und Beziehung zwischen den verschiedenen Bereichen lassen sich nicht in einer Theorie zusammenfassen. Es existiert eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze, die sich mit dem Thema der Organisation auseinandersetzen und die ihren Ursprung in verschiedenen wissenschaftlichen Theorien haben.[34] Dabei ist das Spektrum an organisationstheoretischen Ansätzen genauso breit wie das der differenten Wissenschaftsdisziplinen aus denen sie stammen.
Dies muss sich jedoch keineswegs negativ auf den Erkenntnisgewinn auswirken. Ganz im Gegenteil. Es kann sich als vorteilhaft herausstellen, da die verschiedenen Gedankengebäude ein differenziertes Problemverständnis über die Organisationstheorie fördern. Unterschiedliche Erklärungsinteressen haben unterschiedliche Theorien zur Folge und gerade das kann sich als äußerst fruchtbar erweisen.[35] Organisationstheoretische Ansätze beschreiben Konzepte, wie Organisationen strukturiert werden können, um die Ziele der Organisation zu erreichen.[36] Dies lässt sich als Ergebnis zusammenfassen, wenn danach gefragt wird, was eine Organisationstheorie erklären will. Das Interesse liegt demnach im Ent- und Bestehen sowie der Funktionsweise von Organisationen, also den Faktoren, welche diese bedingen.
Es gilt zu resümieren, dass die Organisationstheorie nicht existiert, was sich im Titel vorliegender Arbeit widerspiegelt. Es wird daher auch von mehreren und nicht der einen Theorie der Organisation, also von einem pluralistischen Verständnis von Organisation, ausgegangen. Welches bei der jeweiligen Theorie vorliegt, hängt entscheidend von dem Blickwinkel des Autors bzw. der Autorin ab, das heißt von der Wichtigkeit der Komponente, die eine signifikante Stellung im Argumentationsgefüge des jeweiligen Ansatzes einnimmt.
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist das Verständnis von Macht in den verschiedenen Organisationstheorien katalogisierend darzustellen. Dies soll geschehen, indem die zuvor gewonnen Erkenntnisse zu Thesen verarbeitet werden, die im Verlaufe dieser Arbeit überprüft werden sollen. Dabei lieferten die vorhergehenden Begriffsbestimmungen mehrere wichtige Aspekte:
Zum einen für den Begriff der Macht, dass in der Urdefinition Webers von einem Machtbegriff ausgegangen wird, der Macht im Kontext mit Handeln sieht. Handeln wird als Voraussetzung dafür angenommen, dass es zu Machtrelationen kommen kann, da sich diese im Handeln manifestieren. Handeln schließt somit Macht mit ein.
Zum anderen wurde für den Begriff der Organisation festgestellt, dass es kaum einen anderer Ausdruck gibt, der in der Wissenschaft eine vergleichbare Vielfalt aufweist.[37] Als Gemeinsamkeit aller potenziellen Definitionen des Terminus Organisation lässt sich hervorheben, dass diese für bestimmte Ziele gegründet und beispielsweise in Unternehmensverfassungen festgelegt werden. Aufgrund der großen Anzahl an Aspekten, die in einer Organisation von Bedeutung sein können, leitet sich analog ein immenses Spektrum an Theorien der Organisation ab.
Dies bringt Konsequenzen für die Zielsetzung dieser Arbeit mit sich, denn es kann kein Machtbegriff der Organisationstheorie gefunden werden. Vielmehr ist der Ansatz ein pluralistischer. Das Gesamtgefüge kann erst dann erschlossen werden, wenn das komplette Spektrum aller wichtigen Faktoren der Organisation und damit eine Großzahl der Organisationstheorien im Hinblick auf Aspekte, welche die Macht betreffen, besprochen wurden. Diese Erkenntnisse sollen nun in der Aufstellung von Thesen verbunden werden.
Der Ansatz ist dabei ein recht simpler. Er lautet, dass sich aus der wissenschaftlichen Fundierung der verschiedenen Organisationstheorien unmittelbar Rückschlüsse auf das Verständnis von Macht ziehen lassen können.
Wie bereits dargstellt wurde, geht Weber von einem Verständnis der Macht aus, das sich im Handeln von Akteuren manifestiert, so dass die Betonung der Macht auf Handlungsspielräume ausgerichtet ist. Handeln wird via Akteursverhalten als Voraussetzung für, aber auch als Manifestation der Macht angesehen. Aus diesem Zusammenhang lässt sich These 1 ableiten: Die Hervorhebung des Handelns innerhalb des Argumentationsgefüges einer Theorie impliziert gleichzeitig eine hohe Bedeutung des Machtaspekts, da Handeln Macht mit einschließt. Als Konsequenz könnte bei einer tatsächlich bestehenden Korrelation gezogen werden, dass je mehr Verhalten im Mittelpunkt der Analyse steht, desto eher dem ein Machtverständnis zu Grunde liegt, das mehr die Handlungen der Akteure und weniger die Strukturen berücksichtigt, die Handeln einschränken können. Mit anderen Worten legen diejenigen Theorien These 1 folgend Webers Machtverständnis zu Grunde, die Verhalten in das Zentrum des jeweiligen Ansatzes stellen. Handeln schließt Macht mit ein. Ein großer Handlungsspielraum impliziert viel Macht.
Aus dem traditionellen Machtverständnis Webers heraus, lässt sich These 2 generieren, die als Umkehrschluss zu These 1 interpretiert werden kann. Das bedeutet, dass Strukturen als Gegenpol zu Macht aufgefasst werden können, da sie Handeln und somit Macht beschränken können. Wenn also Handlung mit Macht verbunden wird und Strukturen als gegebene Schranken von Macht implementiert werden, dann spricht das dafür, dass die Macht innerhalb einer Theorie umso größer ist, je kleiner die Bedeutung von Strukturen im Sinne von Reglementierungen sind, die Handeln begrenzen können. Oder umgekehrte Formulierung der These 2: Ein auf der Analyse von Strukturen basierender wissenschaftlicher Ansatz kann gleichzeitig keine große Bedeutung der Macht aufweisen. Mit anderen Worten gehen jene Theorien entweder von einem differenten Verständnis von Macht aus oder der Faktor Macht spielt in der Theorie einfach keine Rolle.
Werden beide Thesen inhaltlich zusammengefasst, bedeutet dies, dass je mehr Handlung und je weniger Strukturen im Erkenntnisinteresse der Theorie stehen, desto mehr kann sich die Macht entfalten, umso höher ist ebenso die Wichtigkeit des Machtaspekts innerhalb der jeweiligen Theorie zu erwarten.
Zur Bearbeitung des dargestellten Zusammenhangs wird in dem Kapitel „Der wissenschaftliche Hintergrund verschiedener Organisationstheorien” dieser Arbeit auf die wichtigsten theoretischen Bestandteile des jeweiligen Ansatzes eingegangen. So sollen aus dem theoretischen Unterbau die potenziellen Gemeinsamkeiten im Hinblick auf das Verständnis von Macht herausgearbeitet werden. Dabei gehen die differenten Theorien von einem unterschiedlichen Vorverständnis des Begriffs der Organisation aus, das in diesem Abschnitt geklärt werden soll. Im Weiteren stehen die Entstehung und das Erkenntnisinteresse der jeweiligen Theorie im Fokus. Dies erscheint sinnvoll, denn aus diesen Komponenten lassen sich aus These 1+2 Rückschlüsse auf das Verständnis von Macht ziehen. Dabei gilt, dass je mehr Handeln im Blickpunkt der Theorie steht, desto höher demzufolge auch die Wichtigkeit des Machtaspekts sein sollte. Macht im Zusammenhang mit Handlung sollte demnach bei denjenigen Theorien im Zentrum stehen, bei denen Akteursverhalten im Rahmen der Analyse von entscheidender Bedeutung ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei Organisationstheorien, die ihren Fokus nicht auf Verhalten legen, eine untergeordnete oder doch zumindest different gestaltete Verwendung des Machtbegriffs zu erwarten ist. So lässt sich aus dem wissenschaftlichen Hintergrund der Theorie am Ende des jeweiligen Unterabschnitts eine Prognose ableiten, wie Macht innerhalb des jeweiligen Ansatzes den beiden Thesen folgend verstanden werden sollte. Das Kapitel soll demnach in erster Linie eine Erwartung erarbeiten, welchen Machtbegriff die verschiedenen Organisationstheorien zu Grunde legen.
Die Überprüfung der Erwartungswerte beider Thesen erfolgt dann in dem Kapitel „Das Verständnis von Macht”. Doch dies ist bei Weitem nicht alles, was besprochen werden sollte. Das jeweils Charakteristische der Macht wird im Zentrum des jeweiligen Abschnitts stehen. Es soll auf das konkrete Verständnis von Macht innerhalb aller vorgestellten Theorien eingegangen werden, indem unter anderem auf die Macht als Interaktion von Struktur und Handlung eingegangen wird. Liegt ein Machtverständnis zu Grunde, welches in erster Linie die Rolle von Strukturen betont, welche Handeln einschränken? Oder sind die Akteure in ihrem Verhalten weitestgehend autark? Oder wird von einem different gestalteten Machtverständnis ausgegangen? Es werden folglich sämtliche Faktoren besprochen, die sich auf das Verständnis von Macht auswirken können, solche als Strukturen wie beispielsweise Unternehmensverfassungen, die Macht beschränken können. Zudem wird die Ausgestaltung des Handlungsspielraums untersucht und somit die Grundlagen, welche die Hervorbringung von Macht ermöglichen. Aber auch ganz andere Aspekte können bei den verschiedenen Konzeptionen der Macht im Mittelpunkt stehen, je nach dem was als das Wichtigste innerhalb des Verständnisses von Macht innerhalb der Theorie erachtet wird. Hierbei sollten sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede der Theorien hinsichtlich der Verständnisses von Macht evident werden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Machtverständnis in seiner gesamten Breite in den verschiedenen Organisationstheorien adäquat dargestellt wird.
2. Der wissenschaftliche Hintergrund verschiedener Organisationstheorien
Im Folgenden sollen die wichtigsten organisationstheoretischen Ansätze besprochen werden. Im Zentrum dieser einführenden Darstellung stehen demnach die Aspekte, die sich auf die Verwendung des Machtbegriffs auswirken können. Dies soll gewährleisten, dass sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede innerhalb der Ansätze evident werden. Dabei werden drei Faktoren berücksichtigt.[38]
Zum ersten soll auf die historische Einordnung des jeweiligen Ansatzes eingegangen werden, also die Frage danach, wann die jeweilige Theorie entstanden ist. Ferner soll das Erkenntnisinteresse beschrieben werden, das heißt, welcher Aspekt von Organisation im Fokus steht. Schließlich gehen die verschiedenen organisationstheoretischen Ansätze von einem bestimmten Vorverständnis des Begriffs der Organisation aus. Auch dieses soll geklärt werden, indem illustriert wird, wie der Organisationsbegriff im jeweiligen Theoriezusammenhang verstanden wird. Gerade die letzten beiden Analysegegenstände werden die Perspektive aufzeigen, aus der sich der jeweilige Ansatz dem Gegenstand der Organisation annähert. Es wird möglich sein, aufzuzeigen, ob die Theorien eher Verhalten von Akteuren in den Mittelpunkt des Interesses stellen oder die Bedeutung von Strukturen zentral ist oder eine Mischung aus beiden oder etwas ganz anderes.
Den beiden Thesen folgend wird nach Abschluss dieses Kapitels eine Prognose aufgestellt werden können von was für einem Verständnis von Macht die jeweilige Theorie ausgeht. Es gilt, je mehr der Theorie eine verhaltensorientierte Analyse zu Grunde liegt, desto eher wird erwartet, dass Macht im Sinne Webers als im Handeln implizit vorhanden betrachtet wird.
Zunächst wird ein chronologischer Ansatz gewählt, um besser illustrieren zu können woraus sich die differenten Theorien ergeben haben, da diese oftmals aus der unzureichenden Darstellung der vorherigen hervorgegangen sind.
Die erste Unterscheidung, die den modernen Organisationsbegriff erzeugt, ist die Differenzierung von Ordnung und Organisation beides bezogen auf gesellschaftliche Phänomene. Auf dieser Grundlage werden in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts allgemeine Organisationslehren publiziert, welche die Gesellschaftsprobleme nicht mehr aufgegriffen haben und sich auf Fragen der Arbeitsorganisation zurückzogen.[39] Dazu werden in erster Linie die so genannten klassischen Ansätze gerechnet.
2.1 Klassische Organisationstheorien
Zu den klassischen Organisationstheorien zählen Webers Bürokratiemodell, Taylors Wissenschaftliche Betriebsführung und Fayols Administrative Theorie. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts entstanden sind, sowie dass sie Organisationen als geschlossene Systeme verstehen. Organisationen sind nur „an der Verfolgung relativ spezifischer Ziele orientierte Kollektivitäten mit einer relativ starken formalisierten Sozialstruktur[40] ” und somit geschlossen- rational.
Es kann von einer rein technischen Betrachtungsweise der Organisation gesprochen werden. Organisationen sind Mittel zur Zielerreichung, also Maschinen, die aus verschiedenen Teilen bestehen von denen jedes eine klar definierte Aufgabe innerhalb der Gesamtfunktion reibungslos und effizient erfüllt.[41] In der Organisation werden Ziele definiert, die dann möglichst effizient umgesetzt werden sollen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der normativen Struktur der Organisation[42], so dass die internen Vorgänge im Fokus stehen. Die Umwelt passt sich der Organisation an und nicht umgekehrt. Daher widmete keiner der Theoretiker dem Einfluss der Umwelt auf die Struktur von Organisationen viel Aufmerksamkeit.[43] Die Rückwirkungen, die sich aus den Umweltbeziehungen für die interne Organisation ergeben, werden übersehen.[44] Neben der Umwelt werden ebenso die Akteure in dieser Betrachtung außer Acht gelassen. Neben diesen Gemeinsamkeiten existieren ebenso Unterschiede innerhalb der klassischen Ansätze, bei denen es sinnvoll erscheint sich diese kurz klar zu machen.
2.1.1 Webers Bürokratiemodell
Der Grund für die Entstehung liegt an der aufkommenden Anzahl von Verwaltungen und deren effizienter Organisation. Der Bürokratieansatz versucht gesellschaftliche Herrschafts- und Ordnungsformen zu analysieren, wobei dabei die legale Herrschaft als idealtypisches Modell der Bürokratie begriffen wird.[45] Demnach wird Bürokratie[46] als kein ineffizientes Gebilde, sondern als leistungsfähige Organisationsform betrachtet, als die reinste Form legaler Herrschaft, deren zentrale Frage es ist, wie Herrschaft in Organisationen ausgeübt wird.[47] Macht, Herrschaft und Hierarchie, also feste Zuständigkeiten, sowie Weisungsbefugnis besitzen somit auch eine herausragende Bedeutung innerhalb der Theorie.[48] Es sind die formalen Strukturen, die im Zentrum des Interesses von Webers Bürokratieansatz stehen. Dieser Ansatz bildet den Ausgangpunkt einer Vielzahl von Weiterentwicklungen, auf die im Laufe dieser Arbeit näher einzugehen wird und machte Max Weber zum „Wegbereiter der modernen Organisationstheorie[49] ”.
2.1.2 Taylors Wissenschaftliche Betriebsführung
Ausgangspunkt dieses Ansatzes bilden die Studien des amerikanischen Ingenieurs Frederick Winslow Taylor. Entstanden ist dieser Ansatz in der Übergangszeit von der handwerklichen Fertigung zur aufkommenden industriellen Massenproduktion.[50] [51]
Taylor ging es in allererster Linie darum den Arbeitsvollzug praktisch zu optimieren. Ziel war es die individuelle Effizienz zu steigern, wobei die technischen Abläufe der Produktion für die Organisationsstruktur als bestimmend betrachtet wurden.[52] Die Arbeitsgestaltung sollte auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden und es sollten Prinzipien aufgezeigt werden, wie eine erhöhte betriebliche Effizienz erreicht werden könnte.[53] Dabei sollten sowohl die Produktivität des einzelnen Arbeiters als auch die Leistungsfähigkeit des Managements verbessert werden. Die rein wissenschaftliche Herangehensweise sollte den “one- best- way” der Betriebsführung finden, der auf verschiedenen Prinzipien beruhte.[54]
Es lässt sich zusammenfassen, dass Taylors System zweifelsohne erfolgreich war und die damals neue Form der Massenproduktion durch systematische Rationalisierung produktiver machte. Dies wurde jedoch mit einer Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit, Monotonie und Fremdbestimmung bezahlt, was als keine menschengerechte Form der Arbeitsorganisation empfunden wurde.[55]
2.1.3 Fayols Administrative Theorie
Während sich Taylor eher mit der untersten Führungs- und Ausführungsebene beschäftigte, stand bei dem Franzosen Henri Fayol Fragen der „Administration industrielle et generale[56] ” wie zum Beispiel die Abteilungsbildung in größer und komplexer werdenden Organisationen im Zentrum des Interesses.[57]
Analog zu Taylor ging es ihm um das Ziel der Steigerung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit in Unternehmen, wobei aber weniger die Optimierung der individuellen Arbeitstätigkeiten als vielmehr die Verbesserung der Organisation als Ganzes im Fokus stand.[58] Dabei entwickelte Fayol allgemeine Organisationsprinzipien[59], dessen wichtigste in der Einheit der Auftragserteilung sowie in der besonderen Betonung von Hierarchie und Autorität zu sehen sind. Diese stellen sicher, dass eine in der Hierarchie untergeordnete Stelle jeweils nur von einer übergeordneten Instanz Weisungen erhalten kann. Die höheren Instanzen verfügen über die formale Autorität Befehle zu geben und fordern Gehorsam von den untergeordneten Stellen ein.[60]
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass alle drei klassischen Ansätze eine hohe Bedeutung der (formalen) Struktur, die sich in Hierarchie und Autorität manifestiert, konstatieren und somit Handlungen keine große Rolle innerhalb der Theorien zukommen. Dies spricht dafür, dass These 2 folgend, diese Ansätze keine große Bedeutung der Macht nach dem klassischen Verständnis erwarten lassen, da die im Zentrum stehenden Strukturen Handeln und somit Macht stark begrenzen können.
2.2 Die Human- Relations- Bewegung
Die Human- Relations- Bewegung kann in zwei verschiedene Gruppen unterteilt werden: Dies stellen zum einen die Hawthorne Experimente und deren direkte wissenschaftliche Untersuchung dar, sowie zum anderen die theoretischen Weiterentwicklungen[61], die zumindest mittelbar auf den Ergebnissen der Untersuchung beruhen.
Wie es der Name in der Übersetzung bereits erahnen lässt, stehen bei diesem Ansatz die zwischenmenschlichen Beziehungen, also menschliches Verhalten, im Mittelpunkt des Interesses. Die umfassenden Hawthorne Experimente der Harvard Wissenschaftler Roethlisberger und Mayo bilden den „Beginn der Human Relations Bewegung[62] ”, wie es Karin Sanders und Andrea Kianty treffend formulieren. Die Ergebnisse dieser Studien, die ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, besagten, dass eine Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen eine Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und der Motivation mit sich bringt und dies die Leistung der Arbeitenden steigert. Besonders hervorgehoben wird die informale Organisation, wie zum Beispiel das Betriebsklima oder die Zugehörigkeit zu Gruppen. Demnach wird davon ausgegangen, dass diese Komponenten eine wesentlich höhere Auswirkung auf die Arbeitsergebnisse aufweisen als beispielsweise finanzielle Anreize.[63] Der Mensch wird nicht länger als Maschine, sondern als soziales Wesen betrachtet, der nicht nur seine materiellen Bedürfnisse stillen will.
Es kann von einer Verschiebung des Blickwinkels der klassischen Ansätze der rein wirtschaftlichen Funktionen von Organisationen hin zu den Beziehungen der Menschen am Arbeitsplatz gesprochen werden.[64] Zu den monetären Zielen der Organisation kommen somit nicht- monetäre hinzu. Eine Organisation wird nicht länger nur als ein formal konzipiertes Gebilde gesehen, in denen Menschen lediglich eine passive Funktion haben, indem sie auf die Durchführung bestimmter Tätigkeiten und des Befolgens von Befehlen übergeordneter Instanzen reduziert werden. Organisation wird als soziales System verstanden, das aus formellen und informellen Teilen besteht.[65] Mit diesem Ansatz geht eine Öffnung des Organisationsbegriffs einher, der darin zu finden ist, dass die Organisation nicht länger ein geschlossenes, sondern ein soziales System darstellt. Nicht mehr nur die Erwirtschaftung von Profiten ist als Ziel von Organisationen zu nennen, sondern auch einem sozialen, das darin besteht gute Beziehungen unter den Mitarbeitern und in der ganzen Organisation zu schaffen.[66]
Forscher wie Chester Barnard stellte 1938 den Menschen in den Mittelpunkt seiner so genannten Anreiz- Beitrags- Theorie, wobei die Eigenschaften der formalen Struktur weitgehend unberücksichtigt blieben.[67] Er geht dabei von dem Ansatz aus, dass Organisationen nicht aus Menschen, sondern aus Handlungen bestehen. Die Organisation muss dabei den potenziellen Mitgliedern Angebote machen, die diese verlocken sollen in die Organisation einzutreten, um für diese nützliche Beiträge zu erbringen.[68] Die Mitglieder, mit denen die Organisation in einem Austauschverhältnis steht, müssen dabei jeweils der Meinung sein, dass der Wert der individuellen Beiträge kleiner ist als die Anreize, die von der Organisation erbracht werden.[69] Dabei können diese Anreize materieller oder nichtmaterieller Natur sein, wobei den nichtmateriellen, wie beispielsweise der Unternehmenskultur, eine größere Bedeutung zugemessen wird.
Die Gemeinsamkeit der Human- Relations- Bewegung stellt die Tatsache dar, dass sie nach Scott Organisationen als natürliche Systeme verstehen, deren Mitglieder durch die formale Struktur kaum beeinflusst werden. Jedoch besitzen sie ein kooperatives Interesse am Fortbestehen des Systems und beteiligen sich so an informell strukturierten Kollektivaktivitäten zu Gunsten seiner Erhaltung.[70] Demnach wird von einer geringen Bedeutung der formalen Struktur ausgegangen und der Mensch und dessen Verhalten innerhalb der Gruppe rücken in den Fokus.
[...]
[1] Vgl. Weiss (1995): S. 306.
[2] Vgl. Fitzi (2004): S. 117 sowie Brennan (1997): S. 72. Zudem sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es noch eine frühere Definition Webers von Macht „als Chance verstanden wird, in einer sozialen Handlung seinen Willen trotz Widerstand anderer an der Handlung Beteiligter durchzusetzen.“ Diese sagt nichts darüber aus, worauf Macht beruht. Vgl. Brennan (1997): S. 72.
[3] Als Beispiel für eine Weiterentwicklung des Weberschen Machtbegriffs sei hier die Definition bei Schreyögg (2003): S.435 genannt. Macht als Möglichkeit, in den Handlungsspielraum anderer, auch gegen Widerstreben zur Erreichung eigener Ziele einzugreifen.
[4] Vgl. Schreyögg (2003): S. 33.
[5] Da es keine Rolle spielt worauf dies beruht. Vgl. Fitzi (2004): S. 118.
[6] Vgl. Neuenhaus (1993): S. 12.
[7] Vgl. Weiss (1995): S. 306.
[8] Vgl. dazu Fitzi (2004): S. 130ff; Brennan (1997): S. 78ff; Schreyögg (2003): S. 33f.
[9] Vgl. Kieser (2006): S. 71.
[10] Vgl. Sanders/ Kianty (2006): S. 33.
[11] Vgl. Sanders/ Kianty (2006): S. 33f.
[12] Vgl. Kieser (2006): S. 72.
[13] Vgl. dazu Max Webers Bürokratieansatz Kapitel 2.1.1 dieser Arbeit.
[14] Im Folgenden wird die Differenzierung von Machtbegriff und Machtverständnis aufgegeben und diese daher als Synonyme verwendet.
[15] Vgl. Saam (2002): S. 141.
[16] Vgl. Neuenhaus (1993): S. 10.
[17] Vgl. Weiss (1995): S. 305.
[18] Vgl. Vahs (2005): S. 9.
[19] Vgl. Bornewasser (2000): S. 523.
[20] Vgl. Strunz (1993): S. 106.
[21] Vgl. Kräkel (2007): S. 5.
[22] Vgl. Kirchler et al. (2004): S. 14.
[23] Vgl. Weinert (2002): S. 33.
[24] Vgl. Schreiter (1994): S. 13.
[25] Vgl. Kieser/ Walgenbach (2007): S.7 sowie Vahs (2005): S. 11.
[26] Vgl. Kieser/ Walgenbach (2007): S. 9.
[27] Dabei wird Gewinn verstanden als die Differenz zwischen positiven und negativen Größen einer Periode. Vgl. Rürup et al. (2003): S. 117.
[28] Es sei hier an die Unterschiede der kapitalistischen und kommunistischen Produktionsweise erinnert. Vgl. Strunz (1993): S. 80.
[29] Vgl. Kieser/ Walgenbach (2007): S. 11.
[30] Vgl. Picot (1981): S. 160.
[31] Vgl. Vahs (2005): S. 44.
[32] Vgl. Vahs (2005): S. 22f.
[33] Vgl. Scherer (2006): S. 20f.
[34] Vgl. Vahs (2005) S. 23.
[35] Vgl. Kieser /Walgenbach (2007): S. 31.
[36] Vgl. Kirchler et al. (2004): S. 17.
[37] Vgl. Vahs (2005): S. 9.
[38] An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Theorien innerhalb dieser Arbeit in einem weiten Sinne zu verstehen sind, also nicht als in sich geschlossene Lehrgebäude. Daher wird der Begriff der Organisationstheorie auch Synonym zu organisationstheoretischen Ansätzen verwendet. Dies dient meiner Meinung nach dem besseren Verständnis der Katalogisierung der Machtbegriffe verschiedener Organisationstheorien. Eine Klärung der Frage, ob die verschiedenen Ansätze auch wirklich wissenschaftlich als Theorien gelten können, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und auch nicht zwingend zu einem Erkenntnisgewinn führen. Weiterführend zum Thema Theorie vgl. Nohlen/ Schultze (1995): S. 650ff.Im Übrigen sei angemerkt, dass dieses Kapitel dazu dient, einen kurzen Überblick über die dem Autor als besonders wichtig erscheinenden Organisationstheorien zu geben, was nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es werden nur die Groblinien der verschiedenen Ansätze nachgezeichnet. In ihrer gesamten Breite kann und soll dies an dieser Stelle auch nicht vollzogen werden.
[39] Vgl. Drepper (2003): S. 37.
[40] Vgl. Scott (1986): S. 45.
[41] Vgl. Morgan (1997): S. 23ff.
[42] Vgl. Scott (1986): S. 116.
[43] Vgl. Scott (1986): S. 117.
[44] Vgl. Drepper (2003): S. 70.
[45] Vgl. Strunz (1993): S. 41.
[46] Die Bürokratie wird dabei als der Prototyp einer Organisationsform betrachtet, dessen wichtigste Merkmale in der Arbeitsteilung, der (Amts-) Hierarchie, der Aktenmäßigkeit der Verwaltung sowie der Regelgebundenheit der Amtsführung und Disziplin zu sehen sind. Weiterführend vgl. Kirchler et al. (2004): S. 51; Vahs (2005): S. 25; Sanders/ Kianty (2006): S. 34ff.
[47] Vgl. Vahs (2005): S. 24.
[48] Vgl. Sanders/ Kianty (2006): S. 34f.
[49] Vgl. Kieser (2006): S. 63.
[50] Dieser wird auch als Scientific Management, arbeitswissenschaftlicher Ansatz oder einfache Managementlehre apostrophiert. Vgl. Schreyögg (2003): S. 39; Kieser (2006a): S.93.
[51] Vgl. Vahs (2005): S. 26.
[52] Vgl. Kirchler et al. (2004): S. 39.
[53] Vgl. Strunz (1993): S. 42.
[54] Vgl. Taylor (1995): S. 32ff. Diese Prinzipien bestanden zum ersten aus der Trennung von Hand und Kopfarbeit, so dass Arbeitsplanung und Arbeitsausführung strikt voneinander getrennt waren. Im Übrigen sind die Einführung eines Leistungslohns nach dem Akkordprinzip, eine Analyse der menschlichen Arbeit in Zeitstudien, einer Festlegung eines täglichen Arbeitspensums sowie eines Funktionsmeistersystems sind als wichtige Bestandteile zu nennen. Weiterführende Literatur neben der Primärliteratur: Kieser (2006a): S. 106ff; Vahs (2005): S. 26f; Schreyögg (2003): S. 40f. sowie Kirchler et al. (2004): S. 26f.
[55] Vgl. Vahs (2005): S. 28.
[56] Vgl. Fayol (1920): S. 5.
[57] Vgl. Vahs (2005): S. 29.
[58] Vgl. Kirchler et al, (2004): S. 42.
[59] Weiterführend z.B. Schreyögg (2003): S. 36ff.
[60] Vgl. Kirchler et al. (2004): S. 42.
[61] Es können hierbei nicht auf alle Entwicklungen eingegangen werden, die den Menschen in den Mittelpunkt des Interesses stellen. Exemplarisch für alle habe ich die von Barnard konzipierte Anreiz- Beitrags- Theorie herangezogen. Zu anderen motivationstheoretischen Autoren wie Maslow oder Herzberg vgl. Vahs (2005): S. 32ff.
[62] Vgl. Sanders/ Kianty (2006): S. 64.
[63] Vgl. Vahs (2005): S. 32.
[64] Vgl. Kirchler et al. (2004): S. 59.
[65] Vgl. Türk (2000): S. 265.
[66] Vgl. Sanders/ Kianty (2006): S. 72.
[67] Vgl. Vahs (2005): S. 33.
[68] Vgl. Neuberger (1995): S. 176.
[69] Vgl. Türk (2000): S. 22.
[70] Vgl. Scott (1986): S. 47.
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- Diplom Volkswirt; M.A. Jan Henkel (Author), 2008, Der Machtbegriff in Organisationstheorien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93115
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