Analyse der Figur des Majors von Tellheim in Gotthold Ephraim Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“, gegliedert in Wahrnehmung durch andere Personen des Stücks, Selbstcharakterisierung und neutrale Beurteilung. Besondere Beachtung findet im Rahmen der Charakterisierung der für Tellheims Selbstverständnis grundlegende Begriff der "Ehre".
Inhalt
1. Einleitung
2. Allgemeine Charakterisierung Tellheims
2.1 Charakterisierung durch andere Figuren
2.2 Verhalten und Selbsteinschätzung Tellheims
3. Die Bedeutung des Begriff der „Ehre“ für Tellheim
4. Schluss
Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:
1. Einleitung
Im Folgenden werde ich die Figur des Majors von Tellheim in Gotthold Ephraim Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“ genauer analysieren. Zunächst werde ich hierbei beleuchten, wie andere Personen des Textes Tellheims Charakter beurteilen, anschließend werde ich sein tatsächliche Verhalten mit diesen Urteilen kontrastieren und schließlich eine Selbstcharakterisierung Tellheims darstellen. Hierbei wird sich die besondere Bedeutung des Begriffes der „Ehre“ für den Charakter Tellheims herauskristallisieren, den ich daraufhin genauer untersuchen werde.
2. Allgemeine Charakterisierung Tellheims
2.1 Charakterisierung durch andere Figuren
Ausgehen möchte ich in meiner Charakterisierung des Tellheim zunächst von einer Reihe Äußerungen anderer Figuren, die gleichsam auch die ersten Eindrücke darstellen, die der Leser vom Wesen Tellheims erhält. Ich beschränke mich hierbei auf einige exemplarische Aussagen zu Beginn des Textes. Der erste Charakterzug Tellheims, der direkt Erwähnung findet, ist seine Ehrlichkeit. Sein Bediensteter, Just, bezeichnet Tellheim während eines Streits mit dem Wirt, der Tellheims Zimmer ohne Nachfrage für die ankommende Minna ausgeräumt hat, im Verlauf des zweiten Auftritts im ersten Aufzug als „ehrlichen Mann“[1], um dies im Folgenden mit dem Hinweis darauf zu Untermauern, dass sein Dienstherr bisher stets seine Schulden bezahlt habe:
„Einem Mann wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Heller gezogen, der in seinem Leben keinen Heller schuldig geblieben ist [...]“[2]
Der Wirt versucht daraufhin sein Verhalten damit zu rechtfertigen, dass Tellheim viel zu „galant“[3] sei, als das wegen ihm eine „[...] junge, schöne, liebenswürdige Dame auf der Straße bleiben..“[4] sollte. In Anbetracht des zwielichtigen Charakters des Wirtes, der im weiteren Verlauf des Textes vor allem durch seine an Dreistigkeit grenzende Neugier und seine wiederholten Versuche, andere zu Betrügen, auffällt, sollte seine Äußerung eventuell nicht zu schwer gewichtet werden, dennoch fügt sich seine Einschätzung des Verhalten Tellheims gerade gegenüber Frauen nahtlos in den Rest des Textes ein und soll deshalb hier auch Erwähnung finden. Die Witwe des Major Marloffs, des ehemaligen Stabsrittmeisters von Tellheim, bezeichnet schließlich im fünften Auftritt des ersten Aufzuges diesen als „würdigen Mann“[5], ein Verweis auf den im späteren Verlauf zentralen Begriff der „Ehre“, der an entsprechender Stelle genauer zu untersuchen sein wird. Minna beschreibt Tellheim im ersten Auftritt des zweiten Aufzugs folgendermaßen:
„Freund und Feind sagen, dass er der tapferste Mann von der Welt ist. Aber wer hat ihn von Tapferkeit jemals reden hören? Er hat das rechtschaffenste Herz, aber Rechtschaffenheit und Edelmut sind Worte, die er nie auf die Zunge bringt. “[6]
Neben den direkt genannten Tugenden Tellheims betont Minna hierbei also auch besonders seine Bescheidenheit. Somit bleibt die allgemeine Bewertung Tellheims durch andere Charaktere durchweg positiv. Selbst Minnas Äußerung „[...]ich glaube, der Mann ist ein Verschwender.“[7] verweist nicht wirklich auf Verschwendungssucht, sondern vielmehr auf die völlig übersteigerte Mildtätigkeit Tellheims, die diesen durch seinen großzügigen Vorschuss an die Landstände eigentlich überhaupt erst in die verfahrene Situation, in der er bei Minnas Ankunft steckt, gebracht hat.
2.2 Verhalten und Selbsteinschätzung Tellheims
Wie gerechtfertigt die durchweg positiven Beurteilungen Tellheims durch andere Personen sind, wird an einer großen Zahl an Beispielen im gesamten Text deutlich, bei denen er absolut entsprechend der genannten Ideale handelt. Tellheims Ablehnung von Streitlust und unnötiger Gewalt wird besonders im Zusammenspiel mit dem oft jähzornigen und aufbrausenden Just deutlich, so zum Beispiel gleich bei Tellheims erstem Erscheinen im dritten Auftritt des ersten Aufzugs, wo er Just, der voller Wut auf den Wirt ist, mit den Worten „Just, ich glaube du zankst? Was habe ich dir befohlen“[8] versucht diesen zur Raison zu bringen. Ein weiteres Beispiel für die Friedfertigkeit Tellheims lässt sich im vierten Auftritt des ersten Aufzugs finden, als er Just, der nach Rache am Wirt lechzt, zunächst als „Bestie“[9] bezeichnet, um ihm danach aufträgt, keine handfeste Gewalt am Wirt auszuüben, sondern diesem stattdessen die fällige Miete mit „[...] ziemlich verächtlicher Miene“[10] hinzuwerfen. In der Konfrontation mit der Witwe des Majors Marloff in den Auftritten fünf und sechs des ersten Aufzugs, die gekommen ist, um die Schulden ihres Mannes bei Tellheim zu begleichen, zeigt sich nachdrücklich die Großzügigkeit Tellheims, der nicht nur leugnet, dass Marloff ihm noch Geld schulde, was sich im siebten Auftritt des ersten Aufzugs eindeutig als Lüge erweißt, als Tellheim Marloffs Schuldschein sicherheitshalber vernichtet, sondern darüber hinaus sogar verspricht, seinerseits noch ausstehende Zahlungen der Regimentskasse an Marloff einzutreiben, um diese seiner Witwe zukommen zu lassen. Auffällig erscheint im weiteren Verlauf die Tatsache, dass es offensichtlich für Tellheim unerträglich ist, in der Schuld eines anderen zu stehen. Zum ersten mal wird dies erkennbar, wenn er im achten Aufzug des ersten Auftritts seine Absicht äußert, sich auf Grund seiner finanziellen Situation von Just zu trennen, um, wie er sagt, diesem nichts schuldig zu werden. Deutlicher wird dieser Charakterzug Tellheims noch, als sein alter Freund Werner im siebten Auftritt des dritten Aufzugs mehrfach versucht, den mittellosen Tellheim dazu zu bewegen, sich von ihm etwas zu leihen. Doch da Werner sowohl damit scheitert, Tellheim vorzutäuschen, das Geld stünde ihm rechtmäßig zu[11], als auch mit großangelegten Überredungsversuchen nichts erreicht[12], wirft er ihm schließlich vor, provoziert vor allem durch Tellheims Aussage „Es ziemt sich nicht, dass ich dein Schuldner bin.“[13] , nichts nehmen zu wollen, um entsprechend selbst nichts geben zu müssen:
[...]
[1] Lessing, Gotthold E.: Minna von Barnhelm. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH 1996. S.6.
[2] Ebd. S.7.
[3] Ebd. S.7.
[4] Ebd. S.7.
[5] Ebd. S.11.
[6] Ebd. S.23.
[7] Ebd. S.24.
[8] Ebd. S.8.
[9] Ebd. S.10.
[10] Vgl. Ebd.: S.11.
[11] Ebd. S.51.
[12] Ebd. S.52.
[13] Ebd.: S.52.
- Arbeit zitieren
- Thomas Kauf (Autor:in), 2003, Charakterisierung der Figur des Tellheim in G.E. Lessings Lustspiel "Minna von Barnhelm" unter besonderer Berücksichtigung des Begriffs der "Ehre", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93016
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