[...] Die Arbeit beschränkt sich deshalb auf eine knappe Tour d’ Horizon, wobei den für die Geschichte des Kultes wichtigen Akteuren Cäsar und Augustus mehr Raum zugestanden ist. Dennoch soll der kulturhistorische Boden, aus welchem die Bereitschaft zur religiösen Verehrung Sterblicher und besonders des Herrschers erblühte und die sich daraus ergebenden religions- und staatsrechtlichen Implikationen erläutert werden. Der behandelte Zeitraum erstreckt sich von den Dea roma Kulten der Republik, über die göttlichen Ehren des Divus julius Caesar und denen des Divus filius Octavian, bis zur voll entwickelten Alleinherrschaft ihrer Nachfolger deren kultischer Selbstinszenierung praktisch keine Schranken mehr gesetzt waren. Selbst der Siegeszug des Christentums unterband den Herrscherkult keineswegs. Die erwähnten Komplexe sollen nach einer einführenden Darstellung der wesentlichen Grundzüge des griechischen und römischen Wohltäter- und Herrscherkultes chronologisch behandelt werden. Am Anfang stehen demnach Cäsar und Augustus, deren Taten und die dafür verliehenen religiös-kultischen Ehren den Boden für den Kaiserkult der späteren Jahrhunderte bereiteten. Die Vergottung Lebender war den Römern ursprünglich nicht eigen. Diese Einstellung zu ändern bedurfte es vieler vorsichtiger Schritte, die besonders Augustus geschickt zu gehen wusste, indem er den jeweiligen Kult der Mentalität seiner Träger anpasste. Die Arbeit schließt nach einer Skizze der nachaugusteischen Entwicklung bis hin zur Christianisierung des Reiches mit einigen Bemerkungen zum emotionalen Gehalt dieser Kulte, da diese Problematik einen nicht unwesentlichen Teil der Kontroversen in der Forschungsliteratur verursacht. Trotz der gebotenen Kürze soll somit ein zwar grob umrissener, aber getreuer und auf ausgewählte Quellen gestützter Überblick dieses wichtigen und im eigentlichen Sinne staatstragenden Aspektes der römischen Gesellschafts- und Religionsgeschichte, gegeben werden. Aus dem reichen literarischen Niederschlag, den die Thematik gefunden hat, seien hier nur exemplarisch das von Wlosok herausgegebene Sammelwerk zum römischen Kaiserkult und Fishwicks „The Imperial Cult in the Latin West“ genannt. Zur eingehenderen Vertiefung sei noch die von Herz verfasste ausführliche Bibliographie zu diesem Forschungsgebiet für die Jahre1955-1975 angeführt.
Inhalt
I. Einleitung
II. Die Wurzeln und Hauptlinien des antiken Herrscherkultes
II. 1 Grundzüge des griechischen Wohltäter- und Herrscherkultes
II. 2 Die Römische Tradition und der Dea Roma Kult
III. „Divus Julius“ Caesar
IV. „Divus Filius“ Augustus
IV. 1 „Divina Mens et numen“ Der Augustuskult in Rom und Italien
IV. 2. Die Provinzialen und der Augustuskult
IV. 3. Der Tod des Augustus
V. Die Nachaugusteische Zeit
VI. Bemerkungen zum religiösen Gehalt des Kaiserkultes
VII. Schlussbemerkung
VIII. Bibliographie
1. Epigraphische Quellen
2. Literarische Quellen
3. Darstellungen
Was leisteten die tapfern Helden,
Von denen uns die Lieder melden,
Die zu der Götter Glanz und Ruhm
Erhub das blinde Heidentum ?
Schiller
I. Einleitung
Das vorangegangene Zitat soll keine feuilletonistische Spielerei seitens des Verfassers sein, denn es birgt bei genauerem Hinsehen viele Aspekte, die diese Hausarbeit problematisieren will: Wer waren jene, die im römischen Reich vergöttlicht wurden, welche Motivation stand dahinter, was leisteten sie, in welchen Formen wurden sie verehrt und nicht zuletzt, war der Kult um die lebendigen Herrscher wirklich nicht mehr als Ausdruck religiöser Blindheit?I
Diese Fragen öffnen das weite Feld des Römischen Kaiser- und Herrscherkultes.
Diesen in seiner Komplexität im Rahmen vorliegender Hausarbeit angemessen darstellen zu wollen, ist nicht möglich.
Die Arbeit beschränkt sich deshalb auf eine knappe Tour d’ Horizon, wobei den für die Geschichte des Kultes wichtigen Akteuren Cäsar und Augustus mehr Raum zugestanden ist.
Dennoch soll der kulturhistorische Boden, aus welchem die Bereitschaft zur religiösen Verehrung Sterblicher und besonders des Herrschers erblühte und die sich daraus ergebenden religions- und staatsrechtlichen Implikationen erläutert werden.
Der behandelte Zeitraum erstreckt sich von den Dea roma Kulten der Republik, über die göttlichen Ehren des Divus julius Caesar und denen des Divus filius Octavian, bis zur voll entwickelten Alleinherrschaft ihrer Nachfolger deren kultischer Selbstinszenierung praktisch keine Schranken mehr gesetzt waren. Selbst der Siegeszug des Christentums unterband den Herrscherkult keineswegs.
Die erwähnten Komplexe sollen nach einer einführenden Darstellung der wesentlichen Grundzüge des griechischen und römischen Wohltäter- und Herrscherkultes chronologisch behandelt werden.
Am Anfang stehen demnach Cäsar und Augustus, deren Taten und die dafür verliehenen religiös-kultischen Ehren den Boden für den Kaiserkult der späteren Jahrhunderte bereiteten.
Die Vergottung Lebender war den Römern ursprünglich nicht eigen. Diese Einstellung zu ändern bedurfte es vieler vorsichtiger Schritte, die besonders Augustus geschickt zu gehen wusste, indem er den jeweiligen Kult der Mentalität seiner Träger anpasste.
Die Arbeit schließt nach einer Skizze der nachaugusteischen Entwicklung bis hin zur Christianisierung des Reiches mit einigen Bemerkungen zum emotionalen Gehalt dieser Kulte, da diese Problematik einen nicht unwesentlichen Teil der Kontroversen in der Forschungsliteratur verursacht.[1]
Trotz der gebotenen Kürze soll somit ein zwar grob umrissener, aber getreuer und auf ausgewählte Quellen gestützter Überblick dieses wichtigen und im eigentlichen Sinne staatstragenden Aspektes der römischen Gesellschafts- und Religionsgeschichte, gegeben werden.
Aus dem reichen literarischen Niederschlag, den die Thematik gefunden hat, seien hier nur exemplarisch das von Wlosok herausgegebene Sammelwerk zum römischen Kaiserkult[2] und Fishwicks „The Imperial Cult in the Latin West“[3] genannt.
Zur eingehenderen Vertiefung sei noch die von Herz verfasste ausführliche Bibliographie zu diesem Forschungsgebiet für die Jahre1955-1975 angeführt.[4]
II. Die Wurzeln und Hauptlinien des antiken Herrscherkultes
II. 1 Grundzüge des griechischen Wohltäter- und Herrscherkultes
Bevor sich diese Arbeit den römischen Spielarten des Herrscherkultes zuwendet, sollen zunächst einige Bemerkungen zur Vorgeschichte gemacht werden, den zum Einen ist das Phänomen der Vergottung Lebendiger den Römern zunächst fremd und sehr suspekt, zum Anderen ähneln die groben Züge etwa des griechischen Herrscherkultes dem späteren Römischen in einer Weise, die es mir lohnend erscheinen lässt, diese vorauszuschicken, obwohl der Römische Kaiserkult nicht summarisch mit der Übernahme desselben aus dem Orient durch das hellenistische Griechenland zu erklären ist.[5]
Vielmehr findet er in Rom eine spezifische Ausprägung, deren Umstände durch kulturell- religiöse und politische Eigenheiten und Notwendigkeiten bedingt sind, die es im Folgenden herauszuarbeiten gilt.
Zunächst eine Einschränkung: Der Herrscherkult ist Teil des größeren Ganzen des antiken Wohltäterkultes, dessen Empfänger Könige, Feldherrn, oder wohltätige Privatpersonen sind.[6]
In Griechenland war stets eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden, diesen verdienten Zeitgenossen mit denselben Gefühlen zu begegnen, mit denen sie sich auch den Göttern nahten. In der polytheistischen Religion der Griechen mit ihrem Heroenwesen, das die Wurzeln der großen Geschlechter in den Göttern sucht, ist die Grenze zwischen Mensch und Gott fließend. Die Seele eines außergewöhnlichen Menschen ist in gewisser Weise göttlich.[7]
Dahinter musste, wie noch zu zeigen sein wird, nicht unbedingt der Glaube an die Gotthaftigkeit des Beehrten stehen, sondern die enthusiastische Anerkennung seiner spezifisch göttlichen Funktion als Helfer und Retter. Darüber hinaus besitzt die Macht an sich in der Antike durchaus numinose Qualitäten. Der Kult war also Ausübung des Dankes und der Huldigung, ohne eine theologische oder staatsrechtliche Implikation haben zu müssen.[8]
Die Stiftung von Altären, Statuen und desgleichen mehr ist geläufiges Mittel des Dankaudruckes.[9]
Es ist dennoch evident, das die Verleihung solcher Kulte, wie es am häufigsten in den kleinasiatischen Griechenstädten geschah, auch ein gewaltiges politisches Potential besaß: Die kultische Verehrung des Machthabers ist gängige diplomatische Praxis und Objekt politischen Kalküls.[10]
Die Vergottung samt dazugehörigem Kult konnte seitens des Beehrten passiv oder aktiv gefördert sein und verschiedene Formen annehmen, wie etwa ein bloßer Vergleich mit einem Gott, der genealogischen Rückführung auf göttliche Ahnen, oder der Behauptung, die Herrscherperson sei eine Epiphanie des jeweiligen Gottes.
Zum göttlichen Namen können verschiedene Ehren und Kultformen hinzukommen, Tempelweihungen, Priesterschaften, Feste, Eidesformeln, Verleihung sakraler Titulatur und desgleichen mehr.[11]
Somit tritt zur Motivation aus Dankbarkeit oder Diplomatie, ein herrschaftsstabilisierendes Element hinzu: Die Befolgung des Kultes wurde verbindlich, weil mit ihr die Machtstellung des Königs anerkannt wurde. Die Göttlichkeit des Königs und seiner Vorgänger wird, wie später in Rom, zu einer charakteristischen Institution der absoluten Monarchie.[12]
II. 2 Die Römische Tradition und der Dea Roma Kult
Im vorangegangenen Kapitel wurden die griechischen Usancen in der Verehrung lebender Honoratioren behandelt, nun soll ihr die römische Tradition gegenübergestellt werden.
Diese war, wie bereits erwähnt, ganz anders geartet, denn obwohl im unbestimmten Kollektiv der di Manes die Ahnen verehrt wurden, gab es doch nichts dem griechischen Heroenkult vergleichbares.
Die Menschenvergottung war den Römern fremd, nicht mal ein Kult um den Stadtgründer Romulus gab es ursprünglich in der Stadt.[13]
Doch lag im Glauben, dass sich eine göttliche Macht in einer Person manifestieren konnte, ein interessantes Potential, aus dem heraus später der Kaiserkult erblühen konnte.[14]
Wohlgemerkt besaß eine derart begnadete Person eine Mittlerrolle zwischen dem göttlichen und dem Menschen, nicht eine Gottheit sui generis.[15]
Rom kam durch seine Expansion in Kontakt mit den Kulten der Griechen und
nur in Ägypten schließt das Kaisertum unmittelbar an die einheimische Monarchie an, überall sonst trat eine Zwischenzeit der Herrschaft der Republik ein.
Auch diese Herrschaft erzeugte einen Kult, der keinem Individuum, sondern der Dea roma, also der Personifikation des römischen Volkes und dem Proconsul als deren Vertreter, geweiht ist.[16]
Der Kult der römischen Beamten ersetzt dort den hellenistischen Königskult.
Dahinter steht nicht der Glaube an übermenschliche Kräfte der betreffenden Beamten, sondern ist die letzte Steigerung der Huldigung gegenüber der mächtigen Stadt:[17]
Der Dea Roma Kult ist die vergottete Verkörperung der Macht Roms.[18]
Natürlich bestand auch in Rom selbst das Bedürfnis, nach überwundener Krise einen als Retter empfundenen Menschen solchergestalt zu Ehren, wie es eigentlich nur den Göttern zustand. Beispiele gibt es viele, hier sei nur die Begrüßung des Gaius Marius (158- 86 v. Chr.) als drittem Gründer von Rom erwähnt.[19]
Die Bereitschaft zu besonderen Ehrungen für Wohltäter oder Volkslieblinge ist also durchaus vorhanden. Auch waren Soldaten empfänglich für den Glauben an die besondere göttliche Protektion ihrer Feldherren, was von Diesen naturgemäß gefördert wurde, da es die moral der Truppen stärkte.[20]
Eine Vergottung ist dies alles jedoch nicht, auch wenn zur Zeit des Augustus sich die römische Sichtweise allmählich den griechischen Vorstellungen angenähert hatte.[21]
In Rom konnten hervorragende Verdienste um den Staat mit der posthumen Apotheose geehrt werden, also erst nach dem Tod: „Allen, die das Vaterland bewahrt, ihm geholfen, es gefördert haben, ist ein fester Platz im Himmel gewiss, das sie dort selig ein ewiges Leben genießen.“[22]
Ich erlaube mir an dieser Stelle, einen vorsichtigen Vergleich zur katholischen Heiligenverehrung zu anzustellen, um die religiösen Nuancen zu verdeutlichen, die letztlich entscheidend sind.
Das Christentum scheidet klar Mensch von Gott. Allerdings gibt es Menschen aufgrund einer wie auch immer gearteten Nähe zu Gott über besondere thaumaturgische Fähigkeiten verfügen, eben das, was der Römer als numen bezeichnet. Das bedeutet, das der Betreffende
eine Mittler und Beschützerrolle gegenüber seinem irdischen Klientel bei Gott einnimmt, also über die Grenzen des Menschseins erhaben ist, ohne aber Gott zu sein. Erst nach dem Tod, wird diese Person in den Himmel aufgenommen und ist Gott nun ähnlich.[23]
[...]
I Schiller, F. von, Der Kampf mit dem Drachen, in: D. Klein (Hrsg.) Buch der Lieder und Balladen, Freiburg im Breisgau 1980, S. 350-360.
[1] Einen kurzen aber prägnanten Überblick über die vorrangigsten Probleme der Forschungsdiskussion bietet: Wlosok, A., Einführung, in: Ders. (Hg.), Römischer Kaiserkult, Darmstadt 1978, S. 1-55.
[2] Wlosok, A. (Hg.), Römischer Kaiserkult, Darmstadt 1978. Angemerkt sei, das vor allem in der ältern Forschungsliteratur eine gewisse Voreingenommenheit gegenüber der paganen Menschenvergottung vorhanden ist, wodurch die Darstellung der Akteure nicht immer objektiv genannt werden kann.
[3] Fishwick, D., The Imperial Cult in the Latin West, 2 Bde., Leiden 1987-1992.
[4] Herz, P., Bibliographie zum römischen Kaiserkult, ANRW II, 16, 2 (1978), S. 833- 910.
[5] Vgl.: Immisch, O., Zum antiken Herrscherkult, in: A. Wlosok (Hg.), Römischer Kaiserkult, Darmstadt 1978, S. 122.
[6] Vgl.: Charlesworth, M. P., Einige Beobachtungen zum Herrscherkult, besonders in Rom, in: A. Wlosok (Hg.), Römischer Kaiserkult, Darmstadt 1978, S. 163; Wlosok, Einführung, S. 4.
[7] Vgl.: Immisch, Herrscherkult, S. 123; Charlesworth, Beobachtungen, S. 164; Nock, Einrichtung, S. 377.
[8] Vgl.: Wlosok, Einführung, S. 4-5; Immisch, Herrscherkult, S. 124.
[9] Vgl.: Charlesworth, Beobachtungen, S. 164.
[10] Vgl.: Wlosok, Einführung, S. 3, 5; Nilsson, Bedeutung, S. 297.
[11] Vgl.: Immisch, Herrscherkult, S. 128.
[12] Vgl.: Nilsson, M. P., Die Bedeutung des Herrscherkultes, in: A. Wlosok (Hg.), Römischer Kaiserkult, Darmstadt 1978, S.297; Nock, A. D., Die Einrichtung des Herrscherkultes, in: A. Wlosok (Hg.), Römischer Kaiserkult, Darmstadt 1978, S. 378.
[13] Vgl.: Wlosok, Einführung, S. 16.
[14] Vgl.: Le Bonniec, H., Numen, LAW, Bd. 2, Stuttgart, Zürich 1965, Sp. 2105.
[15] Vgl.: Charlesworth, Beobachtungen, S. 175.
[16] Vgl.: Nilsson, Bedeutung, S. 292.
[17] Vgl.: Latte, Religionsgeschichte, S. 312.
[18] Vgl.: Wlosok, Einführung, S. 6; Nilsson, Bedeutung, S. 293.
[19] Vgl. dazu: Charlesworth, Beobachtungen, S. 175.
[20] Vgl.: Wlosok, Einführung, S. 19; Latte, Religionsgeschichte S. 279.
[21] Vgl.: Nock, Einrichtung, S. 378.
[22] Cic. Somnium Scipionis, 13 : omnibus qui patriam conservaverint adiuverint auxerint, certum esse in caelo definitum locum, ubi beati aevo sempiterno fruantur.
[23] Vgl.: Angenendt, A., Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 2004. S. 190-193.
- Quote paper
- Christian Lannert (Author), 2005, Vergöttlichungstendenzen und Herrscherkult im Römischen Reich , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92868
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