In seinem Werk „Die Welt der Dienstleistung“ äußerte sich MANGOLD (1998) wie folgt: „Die Entwicklung der Dienstleistungsgesellschaft ist neben dem Trend der Globalisierung und Informationsorientierung der Trend, der die Wirtschaft am meisten prägen wird“. In diesem Zuge hat sich auch die Bedeutung der deutschen Industrie beachtlich verändert. Galt diese früher als Basis des wirtschaftlichen Wohlstands, wird sie in den öffentlichen Debatten häufig als veralteter und überholter Sektor betrachtet, der in hoch entwickelten Volkswirtschaften keine Zukunft mehr hat. Von den 10 größten Konzernen weltweit haben lediglich 3 ihren Fokus auf die Güterproduktion gelegt. Weltweit dominieren Handelskonzerne (z.B. WAL MART), Raffineriekonzerne sowie Banken die internationale Wirtschaft.
In der Literatur wird die Industriegesellschaft häufig mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnissen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verglichen, die der heutigen „Informations- und Wissensgesellschaft“ weichen mussten. Die Öffentlichkeit registriert den Abbau der reinen Industriearbeitertätigkeit in der Werkhalle; zum einen durch Abbau und Verlagerung der Industrie, zum anderen durch Veränderung der Tätigkeiten innerhalb der Unternehmen. Dieses Phänomen ist in den 18 reichsten Demokratien seit 1960 mal stärker, mal schwächer zu beobachten.
Für Deutschland zeigt sich, dass zwischen 1960 und 2007 der Anteil des produzierenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung (BWS) zu den jeweiligen Preisen von 53,2% auf knapp 30% zurückgegangen ist. Im Bereich des produzierenden Gewerbes sank die Beschäftigung zwischen 1991 und 2007 um fast 4 Mio. Arbeitsplätze. Im selben Zeitraum schuf der Dienstleistungsbereich annähernd 6 Mio. neue Arbeitsplätze und wuchs in der BWS im Jahr 2007 auf etwa 69,1 % der Gesamtwirtschaft an.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
1 Einleitung
1.1 einheitliche Begriffsdefinitionen für die Arbeit
1.1.1 Deutsche Wirtschaft
1.1.2 Strukturwandel und dessen Messung
1.1.3 De-Industrialisierung und Tertiarisierung
1.1.4 Dienstleistung
1.2 Die Relevanz des Themas
1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit
2 Strukturwandel der deutschen Wirtschaft
2.1 Gründe für den Strukturwandel
2.1.1 Der Strukturwandel nach Fourastié
2.1.2 Eine kritische Betrachtung der Theorie
2.2 Konjunkturelle Einwirkungen auf den Strukturwandel
2.3 Der Einfluss von Wechselkursen und produktivtätswachstum auf den Strukturwandel
2.4 Problem der statistischen Erfassung
2.5 Steht Deutschland an der Schwelle einer Industrialisierung?
2.6 Der Strukturwandel anderer Staaten
2.6.1 Das vermeintliche britische Erfolgsmodell
2.6.1.1 Die Entwicklung der De-Industrialisierung
2.6.1.2 Fazit
2.6.2 Eine Betrachtung Amerikas Politik der De-Industrialisierung
2.6.2.1 Ursachen und Folgen der Sektorenentwicklung
2.6.2.2 Fazit
3 Untersuchung des Strukturwandels innerhalb der Sektoren
3.1 Gliederung und Unterscheidung verschiedener Dienstleistungen
3.1.1 Die Erfassung unternehmensorientierter Dienstleistungen
3.1.2 Eine Arbeitsdefinition für Unternehmensdienstleister
3.2 Industrie und Dienstleistung in Deutschland
3.2.1 Die Bedeutung der Industrie für die Wirtschaft
3.2.2 Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie
3.3 Die Industrie als Dienstleister
3.4 Produktbegleitende Dienstleistungen
4 Die positive Korrelation von Industrie und Dienstleistung
4.1 Die Verflechtung zwischen Industrie und Dienstleistung
4.1.1 Technologische Koeffizienten der Input-Output-Tabelle
4.1.2 Der Einfluss einer Endnachfrageerhöhung auf die Makrosektoren
4.1.3 Internationaler Einfluss auf die Sektorenverflechtung
4.2 Einfluss von externen Komponenten auf die Outputentwicklung
4.3 Technologieverflechtung zwischen Industrie und Dienstleistungen
5 Strukturwandel der Unternehmen und der Beschäftigung
5.1 Konzerne
5.1.1 IBM
5.1.2 Von der PREUSSAG zur TUI
5.1.3 SIEMEN
5.2 Strukturelle Anpassung im Mittelstand anhand der WEINIG Gruppe
5.3 Die Zukunft der Industriebeschäftigten
6 Schlussbetrachtung
6.1 Welchen Weg wird die Industrie in Zukunft gehen?
6.2 Ausblick auf die EU - Dienstleistungsrichtlinie
6.3 Fazit und ausblick
7 Quellen und Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: BWS nominal nach Wirtschaftsbereichen in %
Abb. 2: Beschäftigungsanteile in den jeweiligen Branchen in %
Abb. 3: Unterschiedliche Entwicklung der Produktivität in den Makrosektoren
Abb. 4: Anpassungslast der deutschen Industrie
Abb. 5: Unterschiedliches Wachstum der Produktivität je Sektor in %
Abb. 6: Entwicklung der Wertschöpfung der Sektoren (nominal) Daten 2007
Abb. 7: Tempo des Strukturwandels in %
Abb. 8: Veränderung der Sektorenbeschäftigung in Deutschland bei Konjunktureinflüssen in Tausend zwischen 1965 und 2007 in Tausend
Abb. 9: Prozenztuale Entwicklung der Ausfuhrpreise im Maschinenbau, den Produktivitätsgewinne im prod. Gewerbe in % und dem Wechselkurs € zu U
Abb. 10: Wachstum der Sektoren nominal in %
Abb. 11: Entwicklung einzelner Sektoren in Mio. Pfund Basic prices
Abb. 12: Leistungsbilanztransaktionen in Mrd. Euro
Abb. 13: Entwicklung von Produktivität, Kosten und Gesamtoutput je Arbeiter in %
Abb. 14: Wachstum des privaten Dienstleistungs- und Industriesektors in Mrd. Dollar (gegenwärtig)
Abb. 15: Handelsbilanz der USA in Waren und Dienstleistungen in Mio. Dollar
Abb. 16: Entwicklung des BiP der USA zu Basispreisen (2000) in %
Abb. 17: Bruttowertschöpfung pro Beschäftigten je Sektor in Euro zu jeweiligen Preisen
Abb. 18: Entwicklung des Sektors 74 als Vorleistungsleiferant in mio. EURO
Abb. 19: Anzahl der Beiträge über die Ausprägung verschiedene Dienstleistungsformen
Abb. 20: Gliederung der Produktivdienstleistungen
Abb. 21: Deutschlands und Chinas FuE. Aufwendungen in Mrd. Dollar
Abb. 22: Produktbegleitende Dienstleistungen 2002 nach Dienstleistungsarten in %:
Abb. 23: FuE-Aufwendungen in Mill. € zu Basispreisen von 1995
Abb. 24: Beschäftigungsentwicklung WEINIG Gruppe Gesamt und im Angestellten Bereich
Abb. 25: Veränderung einzelner Wirtschaftsabteilungen bei Dienstleistern überwiegend für Unternehmen in Tausend
TABELLENVERZEICHNIS
TAB. 1: Verbrauchsstrukturen einzelner Einkommensschichten in den U
TAB. 2: Vergleich USA und Deutschland am Anteil der Sektoren an der BW
TAB. 3: Entwicklung der einzelnen Sektoren
TAB. 4: Entwicklung der Erwerbstätigen und der BWS nach Dienstleistungsbereichen
TAB. 5: Anteil der Unternehmen, Umsatz und tätigen Personen in den ausgewählten Wirtschaftsbereichen 2005 (2001) nach Wirtschaftszweigen in %:
TAB. 6: Bewertung der einzelnen Standortfaktoren Deutschlands
TAB. 7: Anteil der Dienstleistungen am Umsatz je Verband nach verschiedenen Erhebungen
TAB. 8: Die Standardaggregation zu Makrosektoren und deren Anteil des sektoralen Outputs an der Bruttoproduktion für das Jahr 1995 und 2004.
TAB. 9: Vorleistungsquote (ohne Importe) der Makrosektoren an die Produktionsbereiche im Verhältnis zum Gesamtoutput 2004 in % der jeweiligen Herstellungspreisen
TAB. 10: Technologische Koeffizienten der Input-Output-Matrix 1991und Prozentuale Veränderung (1991-2000)
TAB. 11: Entwicklung der VorleistungsverFlechtung ausgesuchter Branchen 2004
TAB. 12: Leontief-Inverse der Endnachfrage-induzierten Produktionseffekten von 2000 mit den Veränderungen gegenüber 1991 in %
TAB. 13: Sektorale Endnachfrage-Multiplikatoren in den 90er Jahren
TAB. 14: Einfluss einer Erhöhung der Sektornachfrage um 1 Mrd. Euro auf die Beschäftigung in Tausend der einzelnen Sektoren
TAB. 15: Abhängigkeit der Erwerbstätigen (in Tausend) an der sektoralen Endnachfrage 2000 (Veränderung zu 1991)
TAB. 16: Importe in % der Vorleistungsbezüge 1991 in Klammern Wachstum zwischen 1991-2000
TAB. 17: Zerlegung der Wachstumsraten nach Einflussfaktoren (1991-2000)
TAB. 18: Verteilung der FuE Gesamtaufwendungen auf die einzelnen Subsektoren im Jahr 1999 in Mill. € (Entwicklung zu 1995 in Klammern)
TAB. 19: Erwerbstätige nach Wirtschaftsabteilungen, Hochschul-/Fachhochschulabschluss und überwiegend ausgeübter Tätigkeit in Tausend und %
1 Einleitung
In seinem Werk „Die Welt der Dienstleistung“ äußerte sich MANGOLD (1998) wie folgt: „Die Entwicklung der Dienstleistungsgesellschaft ist neben dem Trend der Globalisierung und Informationsorientierung der Trend, der die Wirtschaft am meisten prägen wird“.[1] In diesem Zuge hat sich auch die Bedeutung der deutschen Industrie beachtlich verändert. Galt diese früher als Basis des wirtschaftlichen Wohlstands, wird sie in den öffentlichen Debatten häufig als veralteter und überholter Sektor betrachtet, der in hoch entwickelten Volkswirtschaften keine Zukunft mehr hat.[2] Von den 10 größten Konzernen weltweit haben lediglich 3 ihren Fokus auf die Güterproduktion gelegt. Weltweit dominieren Handelskonzerne (z.B. WAL MART), Raffineriekonzerne sowie Banken die internationale Wirtschaft.[3]
In der Literatur wird die Industriegesellschaft häufig mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnissen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verglichen, die der heutigen „Informations- und Wissensgesellschaft“ weichen mussten. Die Öffentlichkeit registriert den Abbau der reinen Industriearbeitertätigkeit in der Werkhalle; zum einen durch Abbau und Verlagerung der Industrie, zum anderen durch Veränderung der Tätigkeiten innerhalb der Unternehmen. Dieses Phänomen ist in den 18 reichsten Demokratien seit 1960 mal stärker, mal schwächer zu beobachten.[4]
Für Deutschland zeigt sich, dass zwischen 1960 und 2007 der Anteil des produzierenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung (BWS) zu den jeweiligen Preisen von 53,2% auf knapp 30% zurückgegangen ist.[5] Im Bereich des produzierenden Gewerbes sank die Beschäftigung zwischen 1991 und 2007 um fast 4 Mio. Arbeitsplätze.[6] Im selben Zeitraum schuf der Dienstleistungsbereich annähernd 6 Mio. neue Arbeitsplätze und wuchs in der BWS im Jahr 2007 auf etwa 69,1 % der Gesamtwirtschaft an.[7] Vergleicht man den Anteil der im Industriesektor Beschäftigten in Deutschland mit anderen Industrieländern, wird deutlich, dass im Jahr 2003 in Deutschland der Anteil der Beschäftigten mit etwas mehr als 25% an der Gesamtbeschäftigung weitaus höher gewesen ist als in vielen anderen Industrieländern wie den USA (etwa 10%) oder im Vereinigten Königreich mit circa 15%.[8] Generell gilt für die großen Industriestaaten, dass die relative Bedeutung der Dienstleistung auf Kosten der Industrieleistung steigt.[9] Trotz einer fehlenden geschlossenen Theorie über den Strukturwandel wird der Zusammenhang zwischen sektoralem Strukturwandel und Wirtschaftswachstum allgemein bei vielen Wissenschaftlern akzeptiert.[10]
Es stellt sich die Frage, ob der Grund für die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft in dem langsamen Tempo des Strukturwandels liegt. Oder ist die öffentliche Meinung zu Recht gegenüber dem Wandel kritisch eingestellt, weil dieser den Verlust von Millionen Industriearbeitsplätzen bedeutet?[11]
Zeichnet sich vielleicht ein Szenario ab, bei dem durch die Abwanderung der deutschen Industrie die Bevölkerung stetig verarmt?
1.1 einheitliche Begriffsdefinitionen für die Arbeit
Für die folgenden Begriffe existieren in der Literatur unterschiedliche Definitionen. Trotz der großen Bedeutung dieses Themas tut sich die Wissenschaft bei einer allgemeinen Definition schwer.[12] Für den weiteren Verlauf werden folgende Begriffe definiert:
1.1.1 Deutsche Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft entspricht dem, was sich im „politisch-geografischen Raum“ abspielt. Dabei werden sämtliche Produktionsfaktoren, die in Deutschland zum Einsatz kommen, dieser zugerechnet - unabhängig davon, ob sich diese in deutschem oder ausländischem Besitz befinden. Die relevante Outputgröße entspricht dem Bruttoinlandsprodukt.[13]
Für die Arbeit werde ich mich auf diese Definition der Deutschen Wirtschaft beziehen. Zwar ist die Definition innerhalb des politisch-geographischen Raums im Zeitalter der Globalisierung überholt und viele sprechen lieber von dem „Einsatz deutscher Produktionsfaktoren in Deutschland und an jedem beliebigen Ort der Welt.“[14] Da die vorliegende Arbeit jedoch den Wohlstand und die Struktur innerhalb der Staatsgrenze fokussiert, halte ich die Verwendung der obigen Definition für angebracht.
1.1.2 Strukturwandel und dessen Messung
Als „Struktur“ wird im Folgendem die Disaggregation einer volkswirtschaftlichen Gesamtgröße in homogene Teilgrößen, in diesem Fall in Wirtschaftssektoren, bezeichnet.[15] Der Strukturwandel beschreibt den relativen Bedeutungsverlust und Abbau der Produktionskapazitäten eines Sektors im Vergleich zu den anderen. Dieser Wandel vollzog sich von dem extraaktiven Industriesektor, der Land- und Forstwirtschaft, dem Wasser- und Energiebereich sowie dem Bergbau - dem so genannten primären Bereich - zum sekundären Bereich des verarbeitenden Gewerbes sowie des Baugewerbes, und zuletzt vom sekundären in den tertiären Dienstleistungssektor.
Struktureller Wandel kann mikroökonomisch damit erklärt werden, dass jedes Unternehmen seine Faktorallokation so anpasst, dass es sich optimal am Markt behaupten kann. Einflussfaktoren können eine Änderung des Nachfrageverhaltens, gepaart mit einer Veränderung der relativen Preise, sein und bzw. oder auf der Angebotsseite z.B. die Veränderung der Faktorausstattung bzw. technischer Fortschritt.
Die makroökonomische Erklärung sieht den Strukturwandel besonders von dem Konjunkturverlauf beeinflusst. Daraus folgt, dass speziell in konjunkturellen Extremlagen der Strukturwandel besonders stark ausfällt.
Im Rahmen der Anforderungen der EU-Konjunkturstatistikverordnung[16] wird trotz einer Vielzahl möglicher Analysetechniken, die unterschiedlichste Anforderungen[17] erfüllen, der Schwerpunkt[18] auf zwei Indikatoren gelegt: den Umsatz- und den Beschäftigungsindex.[19]
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit werden die BWS (möglichst nominal[20]) als Outputgröße und die sektorale Beschäftigung als Inputgröße sein.
1.1.3 De-Industrialisierung und Tertiarisierung
Im weiteren Verlauf werde ich die Definition GRABHERs (1998) als Basis meiner Interpretation der De-Industrialisierung nutzen. Als „De-Industrialisierung“ bezeichnet man demnach einen strukturellen Abbau des industriellen Wirtschaftsgefüges, das in hoch entwickelten Industrienationen verortet ist.[21] Dies hat eine sinkende Bedeutung des industriellen Sektors, eine enorme Abnahme der produzierenden Tätigkeiten, den Rückgang des sekundären Kapitalstocks der Exporte und ein daraus resultierendes Handelsdefizit zufolge. Gleichzeitig steigt die Bedeutung des Dienstleistungssektors an (Tertiarisierung). BLUESTONE und HARRISON definierten deindustrialization als “systematic disinvestment in a nation´s core manufacturing industries.”[22]
1.1.4 Dienstleistung
Bei der Definition von „Dienstleistung“ helfen die folgenden 4 Methoden, Dienstleistungen abzugrenzen:[23]
- enumerative Definition (durch Aufzählung)
- Negativdefinition (Dienstleistungen als Gegenteil von Sachgütern)
- durch konstruktive Merkmale (tätigkeitsorientierte, potenzialorientierte,
prozessorientierte und ergebnisorientierte)
- leistungstypologische Abgrenzung von Dienstleistung
Geht man nach der Regel der Negativdefinition, so kann der Dienstleistungssektor weder der Rohstoffgewinnung (primär) noch der Verarbeitung (sekundär) zugerechnet werden; darum wird dieser nach dem Ausschlussprinzip dem Tertiärbereich zugeordnet. Bei dieser Zuordnung treten Abgrenzungsprobleme durch die derzeitige Gliederung der Sektoren auf, da von der Industrie erbrachte Dienstleistungen ausschließlich dem sekundären Sektor zugeordnet werden.[24] Im weiteren Verlauf wird dieses Problem noch einmal vertieft behandelt.
In der vorliegenden Arbeit umfasst der Dienstleistungsbegriff Produkte und Potentiale, die in der Struktur den immateriellen Gütern zugeordnet sind.[25] Zudem werden diese im „zeitpunkt- und zeitraumbezogenen Transformationsprozess“ zum Zwecke des Absatzes für den „fremden Bedarf an externen Faktoren“ produziert.[26] Folgende Eigenschaften können ihnen weiterhin zugeordnet werden:[27]
- Fehlende Lagerfähigkeit/Spontaneität
- Qualitätsschwankungen (individualisiert/einmalig)
- Integrativität (Integration eines externen Faktors)
- Simultane Produktion und Konsumption (uno-actu-Prinzip)
Allerdings sind die genannten Eigenschaften nicht mehr als zwingend vorauszusetzen. Betrachtet man dass das Speichern von Dienstleistungen z.B. Softwarelösungen gelagert werden können.[28] Ähnliches gilt für das uno-actu-Prinzip, das durch moderne IuK-Technologien keine zwingende Dienst-leistungseigenschaft mehr darstellt.[29]
Laut Statistischem Bundesamt werden folgende Wirtschaftsabschnitte dem Dienstleistungssektor zugeordnet:[30]
Handel- und Gastgewerbe, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, Gebietskörperschaft und Sozialversicherungen, Erziehung und Unterricht, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen und sonstige öffentliche und persönliche Dienstleistungen.
1.2 Relevanz des Themas
Es stellt sich die Frage, ob und wie die deutsche Wirtschaft den Übergang von der Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft vollzogen hat und wenn ja, worin die Auswirkungen bestehen. Kann dieser Übergang das Allheilmittel gegen Deutschlands strukturelle Probleme wie zu hohe Arbeitslosigkeit und geringes wirtschaftliches Wachstum sein?
Im Jahr 2007 stellten mehrere Abgeordnete der Partei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eine Anfrage bezüglich der Beschäftigungspotentiale des Dienstleistungssektors an die Bundesregierung.[31]
In politischen Talkshows wird häufig auf das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Großbritannien (GB) verwiesen, die dank eines stark ausgebauten tertiären Sektors in der letzten Dekade eine agile wirtschaftliche Entwicklung durchlaufen haben. - Ist Deutschlands Wachstumsschwäche also eine Dienstleistungsschwäche?
1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit
Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Frage, wie ausgeprägt der Strukturwandel in Deutschland ist. Dabei wird anhand von Indikatoren wie Bruttowertschöpfung (BWS) und Erwerbstätige eingegangen. Ferner werden die Einflussfaktoren auf den vermeintlichen Abbau der Industrie betrachtet. Abschließend erfolgt ein Vergleich des Strukturwandels in Deutschland mit dem der USA und GB.
In Kapitel 3 wird aufgezeigt , dass sich innerhalb des sekundären und tertiären Sektors einzelne Branchen höchst unterschiedlich entwickelt haben. Hierbei wird erklärt, warum sich die Arbeit im weiteren Verlauf vertiefend mit Dienstleistungen für Unternehmen beschäftigt.
Kapitel 4 beschreibt mit Hilfe der Input-/Output-Tabelle die Verflechtung zwischen Industrie und Dienstleistung. Die Tabelle ermöglicht eine Analyse der Frage, wie viele Vorleistungen innerhalb und zwischen den Sektoren ausgetauscht werden und welche externen Komponenten sich auf die Outputnachfrage auswirken. Ziel des Kapitels ist es zu zeigen, dass der Industriesektor trotz einer quantitativen Abnahme über die letzten Dekaden qualitativ noch immer sehr bedeutsam für die Wirtschaft ist.
Kapitel 5 untersucht die strukturelle Anpassung der Unternehmen und der Beschäftigung auf den Strukturwandel. Dabei wird nicht nur die strukturelle Entwicklung innerhalb von Konzernen, sondern auch vom Mittelstand am Beispiel ausgewählter Unternehmen untersucht. Die Analyse des Inputfaktors Beschäftigung soll zeigen, dass sich innerhalb der Unternehmen eine Tertiarisierung der Beschäftigung entwickelt hat.
Kapitel 6 fasst die Aussagen der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf die zu erwartenden Folgen der Dienstleistungsrichtlinie der EU.
Dabei wird auf folgende Fragen eingegangen:
1. Ist der Dienstleistungssektor unterentwickelt?
2. Wie korreliert die Industrie mit der Dienstleistung?
3. Wie haben sich die Unternehmen an den Strukturwandel angepasst?
2 Strukturwandel der deutschen Wirtschaft
Die Entwicklung der sektoralen Produktionsstrukturen und der sektoralen Beschäftigung zeigen, dass die Bedeutung des Dienstleistungsbereichs in der deutschen Wirtschaft in den letzten drei Jahrzehnten deutlich gewachsen ist. Während im Jahr 1970 der Anteil des produzierenden Gewerbes mit 48,4% der BWS noch um 1% höher war als im Dienstleistungsbereich, hat sich dieser über die Dekaden auf knapp 30% im Jahr 2007 verringert. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil an der BWS bei den Dienstleistungen auf 69,1%.[32]
Abb. 1: BWS nominal nach Wirtschaftsbereichen in %
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: GENESIS vom 11.2.2008.
Bei der Auswertung der BWS nach Sektoren fällt auf, dass zwischen 2003 und 2007 der relative Anteil des produzierenden Gewerbes an der BWS wieder angestiegen ist, was der Theorie einer zunehmenden Tertiarisierung widerspricht. Hier kann jedoch vorweggenommen werden, dass sich die einzelnen Wirtschaftszweige innerhalb der Sektoren höchst unterschiedlich entwickeln. Bei dem Vergleich der Daten von 1990, in denen Westdeutschland ohne die DDR berücksichtigt wurde, mit denen von 1991 (Gesamtdeutschland) lässt sich vorerst nur ein geringer Zusammenhang zwischen Wiedervereinigung und sektoralem Strukturwandel vermuten.
Für die Sektorenbeschäftigung zeigt sich folgendes Bild:
Abb. 2: Beschäftigungsanteile in den jeweiligen Branchen in %
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: GENESIS vom 3.3..2008.
Innerhalb der Beschäftigung vollzieht sich der Strukturwandel anders, da dieser häufig noch von anderen Faktoren wie Teilzeitarbeit, technischem Fortschritt und Gesetzen zur Sicherung von Arbeitsplätzen abhängig ist.[33]
Abb. 3: Unterschiedliche Entwicklung der Produktivität in den Makrosektoren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Quelle: GENESIS Datenbank 19.1.2008.
Bemerkung: Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen mit Basisjahr 2000=100.
ABB.3 zeigt, dass der produzierende Sektor im Gegensatz zur Dienstleistung deutlich dynamischer in der Produktivität verläuft. Wächst die Produktivität je Beschäftigtem stärker als der Output, so führt dies zu einem Abbau von Beschäftigung. Die Folge ist, dass sich der vermeintliche Strukturwandel in den letzten Jahren stärker in der Beschäftigung zeigt als in dem Anteil an der BWS. So wuchs der Anteil der Beschäftigten des Dienstleistungsbereichs seit der Wiedervereinigung bis 2007 durchgängig, meist auf Kosten des produzierenden Gewerbes. Insgesamt ist der Beschäftigungseffekt in der Industrie im Aufschwung geringer als im Anteil der BWS. Gründe für Abweichungen in der Entwicklung der relativen BWS zu den Beschäftigungsanteilen sind dem Statistischen Bundesamt zufolge mit Unterschieden im Produktivitätswachstum, zunehmenden Überstunden sowie dem Abbau noch vorhandener Kurzarbeit zu erklären.[34]
2.1 Gründe für den Strukturwandel
Wie bereits erläutert, trägt die Industrie die Anpassungslasten des Strukturwandels. Allerdings kann der Strukturwandel nicht allein durch konjunkturelle Einflüsse erklärt werden. Vielmehr sind „die Gründe für die De-Industrialisierung und für den spiegelbildlichen Bedeutungszuwachs des Dienstleistungssektors sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite zu suchen“.[35]
Abb. 4: Anpassungslast der deutschen Industrie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Grömling M., Lichtblau K.( 2007), S.15; eigene Veränderung
1. Wohlstand- und Nachfragewandel:
Die Nachfrage nach Dienstleistungen ist einkommenselastisch. Hat der Konsument seine „Grundbedürfnisse“ befriedigt, fragt er vermehrt immaterielle Konsumgüter nach. Dieses Phänomen wurde bereits 1949 von FOURASTIÉ erkannt und in seinem Werk „Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts“ geschildert.
2. Dienstleistungsintensivierung:
Die Rolle und Bedeutung hybrider Produkte wird noch weiter zunehmen.[36] Der Markt fordert immer stärker komplexe Gesamtpakete, die durch mehr Dienstleistungen befriedigt werden müssen.
3. Standortwettbewerb und Outsourcing/Offshoring:
WOOD (1994) stellt eine Verbindung zwischen De-Industrialisierung und der ungebremsten Nachfrage der reichen Länder nach billiger Arbeit in Entwicklungsländern her.[37] Deutschlands Industrie agiert global und muss sich darum in jedem Teilbereich der weltweiten Preise stellen. Dort, wo diese nicht konkurrenzfähig sind, muss der Standort verlagert werden. Gleichzeitig versuchen viele Unternehmen, jeweils nah am weltweiten Absatz zu produzieren. Bilden sich nun interessantere Märkte im Ausland, hat dies Auswirkungen auf die heimische Produktion.[38] Das Outsourcing einzelner dienstleistungsfokussierter Abteilungen eines Unternehmens in selbstständige und unabhängige Unternehmen, kann dafür sorgen, dass der statistische Anteil der Dienstleistungs-BWS steigt, wenngleich sich nichts an den Prozessen geändert hat.[39] 2003 lag der Anteil der Vorleistungen im Produzierenden Gewerbe bei nominal 67%.[40]
[...]
[1] Mangold (1998), S. 5.
[2] Vgl. Grömling, M./Lichtblau, K. (2006), S. 4.
[3] Vgl. Fortune Global 500 vom 1.2.2008.
[4] Vgl. Brady, D./Denniston, R. (2006), S. 298.
[5] Vgl. GENESIS Datenbank vom 19.Februar 2008.
[6] Vgl. Statistisches Bundesamt (2007). Bemerkung, frühere Daten als ´91 würden aufgrund der Wiedervereinigung Ergebnis verfälschen.
[7] Vgl. GENESIS Datenbank vom 19. Februar 2008.
[8] Vgl. Sachverständigenrat (2004/2005), S. 373.
[9] Vgl. ebd.
[10] Mehr zu dieser Thematik z.B. in: Bibbee (1994), Schmidt u.a. (1988), Külp u.a. (1984), Löbbe u.a. (1988), Maenning und Wagner (1995), Meißner und Fassing (1989), Nefiodow (1994), Schatz (1994).
[11] Vgl. Rangnitz, J. (2002), S. 1.
[12] Vgl. Cassack, I. (2005), S. 25.
[13] Vgl. Gömling, M. (2003), S. 1.
[14] Gömling, M. (2003), S. 1.
[15] Vgl. Meißner, W. / Fassing, W. (1989), S. 12.
[16] Verordnung (EG) Nr. 1165/98 des Rates vom 19.Mai 1998 über Konjunkturstatistiken (Amtsbl. der EG Nr. L 162, S.1), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr.1503/2006 der Kommission vom 28. September 2006 (Amtsbl. der EU Nr. L281, S.15); die Änderung durch Artikel 12 der Verordnung (EG Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006. (Amtsbl. EU Nr. L393, S.1) bleiben hier unberücksichtigt und ich in dem betrachteten Bereich erst 2009 auswirken werden.
[17] U.a. Betragssummen-Norm, Euklidische Norm, Betragssummen der relativen Differenzen, Informationsgewinn, Zuwachsraten-Maßzahl, Lilien-Maß, modifiziertes Lilien-Maß.
[18] Neben den genannten Umsatz- und Beschäftigungsindikatoren resultiert aus der EU- Konjunkturstatistikverordnung im Dienstleistungsbereich noch eine Anforderung bezüglich der Erzeugerpreisindizes.
[19] Vgl. Kaumanns, S. / Schelhase, K. (2007), S. 768.
[20] Reale vs. nominale Bruttowertschöpfung; vgl. Anhang A.
[21] Vgl. Grabher, G. (1998), S. 12.
[22] Brady, D. / Denniston, R. (2006), S. 299.
[23] Vgl. Cassack, I. (2005), S. 15.
[24] Vgl. Statistisches Bundesamt (2007).
[25] Vgl. Gruhler, W. (1990), S. 32.
[26] Frietzsche, U. (2001), S. 19.
[27] Vgl. Kothler, P./Bliemel F. (1999), S. 723.
[28] Vgl. Frietzsche, U. (2001), S. 82.
[29] Vgl. ebd., S. 131.
[30] Vgl. Petrauschke, B../Pesch, K.H. (2005), S. 1176.
[31] Vgl. Deutscher Bundestag (2007), S. 1.
[32] Vgl. Petrauschke, B./Pesch, K. (2005), S. 1176.
[33] Vgl. Stamer, M. (1998), S. 56.
[34] Vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.507 vom 14.12.2007.
[35] Grömling, M./Lichtblau, K. (2006), S. 15.
[36] Grimm, R. (2007).
[37] Vgl. Brady, D. / Denniston, R. (2006), S. 299.
[38] Vgl. Schleemilch, W. (2007).
[39] Vgl. Stille, F. / Preissl, B. / Schupp, J. (2004), S. 90.
[40] Vgl. Grömling, M. / Lichtblau, K. (2006), S. 25.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Gerling (Autor:in), 2008, Strukturwandel der deutschen Wirtschaft - Ist der Dienstleistungssektor unterentwickelt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92833
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