Die von den Nationalsozialisten angestrebte Neugestaltung des "deutschen Lebensraums" machte eine staatlich institutionalisierte Raumordnung und Stadtplanung nötig. Es bildete sich eine neue Wissenschaft vom Städtebau heraus, die in der nationalsozialistischen Weltanschauung wurzelte und der Neuordnung der sozialen Gemeinschaft dienen sollte. Die Raumordnung in der Bundesrepublik Deutschland geht zum großen Teil auf die Vorarbeit des Dritten Reiches zurück.
Der Suche nach der "Idealstadt" des Dritten Reichs liegt die Annahme zugrunde, daß der Nationalsozialismus als autoritäre Staatsform ein Instrumentarium zur Lenkung bzw. Kontrolle der Menschen benötigte. Was liegt näher, als einen wesentlichen Bestandteil dieses Instrumentariums in der Raumordnung und somit auch in der Stadtplanung zu vermuten? Ein totalitärer Staat ist in der Lage, die Bevölkerung durch die bewußte Planung ihres Lebensraumes zu organisieren.
Es gibt in der Geschichte viele Beispiele dafür, wie mittels Architektur und Raumgestaltung ein bestimmtes Weltbild kommuniziert wurde. So vermittelt beispielsweise eine barocke Residenzstadtanlage mit ihrer womöglich auf das Schloß zulaufenden Achse den Herrschaftsanspruch ihres Erbauers.
Im Vordergrund dieser Untersuchung steht, wie die raumordnerischen Zielsetzungen des Dritten Reichs bei Planung und Bau der Industriestadt Wolfsburg umgesetzt wurden und welche Weltanschauung durch die Stadtanlage vermittelt werden sollte.
Gliederung
1. Einleitung
2. Städtebaukonzepte im Dritten Reich
2.1. Das technokratische Konzept
2.2 Das völkisch-organische Konzept
2.3. Zusammenfassung
3. Wolfsburg
4. Ergebnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Thema dieser Hausarbeit ist die Herausarbeitung eines „Idealstadtkonzeptes“ für den Nationalsozialismus. Anschließend soll untersucht werden, inwiefern dieses Modell – sollte es „das Modell“ überhaupt geben – bei der Planung neuer Städte berücksichtigt wurde. Zu diesem Zweck soll eine Industriestadtgründung, nämlich Wolfsburg, analysiert werden. Sollte man dabei auf Abweichungen von vorherrschenden Modellvorstellungen stoßen, wäre zu erklären, wieso man von ihnen abwich. Es soll auch interessieren, inwieweit die Planungen verwirklicht wurden.
Der Suche nach der „Idealstadt“ liegt die Annahme zugrunde, daß der Nationalsozialismus als autoritäre Staatsform ein Instrumentarium zur Lenkung bzw. Kontrolle der Menschen benötigte. Was liegt näher, als einen wesentlichen Bestandteil dieses Instrumentariums in der Raumplanung und somit auch in der Stadtplanung zu vermuten? Ein totalitärer Staat ist in der Lage, die Bevölkerung durch die bewußte Planung ihres Lebensraumes zu organisieren. „Wenn der physische Raum, soziologisch gesehen, als die <Möglichkeit des Beisammenseins> gedeutet wird, dann ist die Organisation des Raumes durch die Stadtplanung oder Raumordnung eine Vorstrukturierung dieser Möglichkeit.“[1]
Die gebaute Umwelt läßt sich hinsichtlich ihrer Morphologie, institutionellen Voraussetzungen und Semiotik analysieren. Das „morphologische Subsystem“ bezeichnet die Gebäudeformen, Stadtanlagen, Flächennutzungen etc., also das materielle Ergebnis der Raumplanung. Bei seiner Analyse wird untersucht, was geplant und gebaut wurde und welche politischen Absichten dahintersteckten. Mit dem „institutionellen Subsystem“ sind die Organisationen von Partei und Staat, die sich mit der Raumordnung beschäftigen und Entscheidungen treffen, aber auch Boden- und Eigentumsrecht sowie einzelne politische Machthaber gemeint. Schließlich kann man die „Artikulation“ des Raumes, z. B. durch eine bestimmte Architektur oder Stadtanlage, als „semiotisches Subsystem“ bezeichnen. Der Raum wird zu einem mit „sozialem Sinn“ besetzten Informationsträger. So vermittelt z. B. eine barocke Residenzstadtanlage mit ihrer womöglich auf das Schloß zulaufenden Achse den Herrschaftsanspruch ihres Erbauers. Mittels Architektur und Raumgestaltung kann also kommuniziert und damit beeinflußt werden.[2]
Im Vordergrund meiner Untersuchung soll stehen, wie die raumordnerischen Zielsetzungen eines autoritären Systems in Wolfsburg umgesetzt wurden und welche Weltanschauung durch die Stadtanlage vermittelt werden sollte. Im Vordergrund werden also eher das „morphologische“ und das „semiotische“ und nicht so sehr das „institutionelle Subsystem“ stehen.
2. Städtebaukonzepte im Dritten Reich
Die von den Nazis angestrebte Neugestaltung des „deutschen Lebensraumes“ machte eine staatlich institutionalisierte Raumordnung und Stadtplanung nötig. Diese mußte natürlich ein wissenschaftliches Fundament bekommen, so bildete sich eine neue Wissenschaft vom Städtebau heraus, die in der nationalsozialistischen Weltanschauung wurzelte und der Neuordnung der sozialen Gemeinschaft dienen sollte.[3] Die Raumordnung in der Bundesrepublik Deutschland geht zum großen Teil auf die Vorarbeit des Dritten Reiches zurück.
Es lassen sich in der nationalsozialistischen Stadtplanung zwei Hauptrichtungen unterscheiden: einmal das technokratische Stadtplanungskonzept, welches auf Gottfried Feder zurückgeht, zum anderen ein völkisch-organisches Konzept, das u. a. auf den Rassetheorien von Rosenberg und Theodor Fritsch aufbaut.[4] Desweiteren gewinnen ab Mitte der dreißiger Jahre die monumentalen Achsenplanungen (z. B. für Berlin und München) an Bedeutung, die besonders von Albert Speer favorisiert werden.[5] Es muß festgestellt werden, daß sich diese Konzepte miteinander vermischen und nicht klar voneinander abgrenzen lassen, da z. B. das technokratische und das völkisch-organische große Ähnlichkeiten aufweisen.[6]
2.1. Das technokratische Konzept
Gottfried Feder teilte die großstadtfeindliche Haltung der Nazis. Die Großstadt wird aus ideologischen Gründen abgelehnt: So „verkomme“ in ihnen die „arische Rasse“, weil sich in ihr das höherwertige deutsche Blut mit dem minderwertigen anderer Rassen (insbesondere der Juden) vermische. Ferner führe die in Großstädten fehlende Seßhaftigkeit und Bodenverbundenheit zu Kinderarmut.[7] Dies bedeute den „Tod der Nation“.[8] Die Nazis versuchten, das Wachstum der Großstädte aufzuhalten, indem sie eine Ansiedlung von Stadtbewohnern in ländlichen Siedlungen und vorstädtischen Kleinsiedlungen anstrebten. Damit ließe sich ihrer Meinung nach das oben beschriebene „Übel“ verhindern. Diese Ansiedlungspolitik kritisiert Feder: So seien die neuen Siedlungen lediglich Unterkunftsbeschaffungen für Arbeiter ohne Eigenleben, weil sie die strukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung nicht berücksichtigten. Er fordert, durch die empirische Erhebung sozialer Daten Kenntnisse über die Struktur der Bevölkerung, für die die Siedlungen geplant werden, zu gewinnen. Diese Ergebnisse sollten dann zur Planungsgrundlage gemacht werden, um eine hinreichende Ausstattung und Struktur der Siedlungen zu erreichen. Mit dieser Forderung nach der Analyse der Gemeinschaft, für die geplant werden soll, widerspricht er dem vom RHA pauschal propagierten „gemeinschaftsbildenden Wert“ der Siedlung.[9] Gemeinschaft muß seiner Meinung nach eben doch zu einem gewissen Teil geplant werden.
Feder hält die idealtypisch konstruierte ländliche Kleinstadt von etwa 20.000 Einwohnern für erstrebenswert. In sie sollen alle sozialen, ökonomischen und infrastrukturellen Einrichtungen integriert werden, um eine optimale Befriedigung der Bedürfnisse der Einwohner zu erreichen.[10]
Auf diese Weise ließen sich sowohl die Nachteile des Dorfes (Feders Ansicht nach die fehlenden zivilisatorischen und kulturellen Voraussetzungen) als auch der Großstadt vermeiden, deren Vorteile aber verbinden: Der ausreichend große Arbeits- und Absatzmarkt, die umfassende Infrastruktur der Großstadt mit der Natur- und Bodenverbundenheit, der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Dorfes. Auch die Funktionen „Wohnen“ und „Arbeiten“ ließen sich aufgrund der kurzen Wege eng miteinander verknüpfen.[11]
Feder bezeichnete sein Konzept als „Neue Stadt“, die im folgenden kurz vorgestellt werden soll. Geplant war, das Reich mit einem Netz von rund 1000 dieser ländlichen Kleinstädte mit einer Einwohnerzahl von ca. 20.000 zu überziehen. Diese Städte sollten möglichst autark sein und über lokale Industrie verfügen. Die Dezentralisierung der Industrie spielte bei Feders Überlegungen eine große Rolle, sie sollte in Verbindung mit dem reichsweiten Städtenetz gleichmäßig über das Reich auf möglichst kleine Standorte verteilt werden. Damit sollten große Ballungsräume, die zur „ungesunden“ Großstadtbildung führen, aufgelöst werden. Außerdem sei eine solche Dezentralisierung aus wehrstrategischen Gründen eindeutig vorzuziehen. Die städtische Autarkie wollte man einerseits durch die Ansiedlung von vielfältigen Handwerksbetrieben und mittelständischen Kleinindustrien, andererseits durch die Schaffung eines die Stadt umgebenden landwirtschaftlich genutzten Gürtels zur Versorgung der Bewohner erreichen. Feder spricht in diesem Zusammenhang von der Stadt als „lebensvollem Gesamtorganismus“. Es werden Parallelen zur Struktur mittelalterlicher Städte und dem Howard`schen Gartenstadtmodell deutlich.|
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[1] Hamm, Bernd, Betrifft: Nachbarschaft, Verständigung über Inhalt und Gebrauch eines vieldeutigen Begriffs, in: Bauwelt Fundamente 40, Düsseldorf, 1973, S. 104
[2] Münk, Dieter; Die Organisation des Raumes im Nationalsozialismus, Bonn, 1993, S. 47 ff
[3] Petsch, Joachim; Baukunst und Stadtplanung im Dritten Reich, München, 1976, S. 185
[4] a. a. O., (3), S. 185
[5] a. a. O., (3), S. 191 f.
[6] a. a. O., (3), S. 187 ff.
[7] a. a. O., (3), S. 186
[8] a. a. O., (2), S. 268
[9] a. a. O., (2), S. 268 f.
[10] a. a. O., (2), S. 269
[11] a. a. O., (3), S. 185 f.
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