In der vorliegenden Arbeit wurde ein Quartier innerhalb der historischen Altstadt der Hansestadt Stralsund
untersucht, welches seit 1944 als ungenutzte Brachfläche existiert. Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen
Teil, welcher sich auf die Erforschung der historischen Bebauung bezieht sowie in einen planerischen Teil, in dem
ich versuchte ein Nutzungskonzept für dieses innerstädtische Areal, in Form eines dem Charakter der Altstadt entsprechenden Gebäudeensembles zu entwickeln.Diese Auswertung erfolgte durch ausgiebige Akten-Recherche
im Stralsunder Stadtarchiv und Bauamt. Dabei wurde nicht nur auf größere Veränderungsmaßnahen der Gebäude eingegangen. Es wurden auch kleinere Um- und Ausbaumaßnahmen mit berücksichtigt um eine möglichst
lückenlose und nachvollziehbare Abfolge der baulichen Veränderungen wiedergeben zu können. Dabei wurden auch Korrespondenzen zwischen den Eigentümern und den zuständigen Ämtern zur Erforschung herangezogen.
Diese wurden zum Teil auch übersetzt um den Inhalt der Schriften dem Leser näher zu bringen.
inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Stadtgeschichtliche und städtebauliche Quartiersuntersuchung
2.1 Die Stadtgeschichte der Hansestadt Stralsund
2.1.1 Frühgeschichte
2.1.2 Die Zeit der Hanse
2.1.3 Die Schwedenzeit
2.1.4 Die Preußenzeit
2.1.5 Der Nationalsozialismus
2.1.6 Stralsund nach dem Krieg und heute
2.2 Zur Vorgeschichte des Grundstücks (historische Quartiersbeschreibung)
2.2.1 Die Lage in der Stadt
2.2.2 Die Parzellierung
2.2.3 Straßenbezeichnungen
2.2.4 Die ursprüngliche Haustypologie
2.2.5 Eigentümerfolge und Bauphasen
2.2.6 Städtebauliche Bewertung
2.2.7 Denkmalpflegerische Bewertung
2.3 Vorangegangene Untersuchungen
2.3.1 Archäologische Grabungen
2.3.2 Baugrundgutachten
2.4 Ziele der geplanten Neubebauung und städtische Vorgaben
2.4.1 Stellungnahme zur Bebauung des Landesamts für Bodendenkmalpflege
2.4.2 Stadtbildplanung der Hansestadt Stralsund
2.4.3 Parameter der LEG
2.4.4 Zusammenfassung
3. Nutzungskonzept in Varianten (Variantendiskussion)
3.1 Vorüberlegungen
3.2 Vorentwürfe
3.2.1 Variante 1
3.2.2 Variante 2
3.2.3 Variante 3
3.3 Gegenüberstellung der Varianten
3.4 Vorzugsvariante
4. Entwurfs- und Genehmigungsplanung für die Vorzugsvariante
4.1 Erläuterung und Begründung
4.2 Baubeschreibung Haus 5
4.3 Bauphysikalische Untersuchung ausgewählter Bauteile
4.3.1 Fassade West
4.3.2 Deckenauskragung Erdgeschoss
4.3.3 Terrasse Dachgeschoss
4.3.4 Dach
5. Ausführungsplanung - Detailplanung für ein Gebäude
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Abbildungsnachweis
vorwort
Während dieses zweijährigen Studiums konnte ich viele neue Erkenntnisse im Umgang mit histori-scher Bausubstanz erlernen und in praktischen Übungen vertiefen.
Dadurch wurde meine baugeschichtliche und denkmalpflegerische Sichtweise geschärft und das Verständnis über die Notwendigkeit zum Erhalt historischer Gebäude weiter bestärkt.
Durch den richtigen Umgang mit diesen Gebäuden kann die Geschichte jedes einzelnen wieder zum Leben erweckt und neu erzählt werden. Bereits wiederhergestellte Bauwerke zeigen die Möglich-keiten und das Potential, welches in ihnen steckt. Sie liefern Einblicke in die kulturelle und bauge-schichtliche Vergangenheit. Daher stellen sie eine große Bereicherung der jeweiligen Region dar und sind prägender Bestandteil der regionalen Identität.
Wir Planer sind gemeinsam mit den Bauherren aufgefordert mit Fachkenntnis und Respekt vor diesen Zeitzeugen dem Verfall entgegenzuwirken, die »Fußabdrücke« vieler Generationen anzuneh-men und das Leben mit den Spuren der Zeit zu genießen.
In der vorliegenden Masterarbeit möchte ich mich mit meinem Thema dem Bauen im histori-schen Kontext widmen. Denn nicht nur der Erhalt von Bauwerken sondern auch das Einfügen moder-ner Bauten in bestehende Strukturen trägt zur Wiederherstellung der typischen Merkmale einer Region bei. Diese Arbeit zeigt die mögliche Ausführung und Gestaltung einer Lückenschlie-ßung innerhalb der Stralsunder Altstadt unter Berücksichtigung historischer Kenntnisse sowie städtischer Vorgaben.
Mein Dank gilt allen an der Arbeit beteiligten Personen und Institutionen.
Ich bedanke mich besonders bei Herrn Prof. Dipl.-Ing. Jasper Herrmann. Er machte mich auf das städtebauliche Problem in Stralsund aufmerksam und unterstützte mich während der gesamten Be-arbeitung tatkräftig.
Des Weiteren möchte ich mich für die Hilfe und Unterstützung bei Herrn Prof. Dr.- Ing. Frank Braun und bei Frau Dipl.- Ing. Bärbel Hollatz bedanken. Sie standen mir immer mit Anregungen und fach-lichen Diskussionen zur Seite.
Ferner danke ich den Mitarbeiter/innen des Stadt-archivs, der unteren Denkmalschutzbehörde sowie dem Bauamt Stralsund für die freundliche, kompe-tente und unkomplizierte Zusammenarbeit.
Durch diese konnten viele Informationen gewon-nen und gebäudegeschichtliche Zusammenhänge hergestellt werden.
Auch Birgit Kulessa, die mir Einblicke in Ihre Forschungsergebnisse gestattete, möchte ich für Ihre freundliche Unterstützung danken.
Ganz besonderer Dank gilt meiner Freundin Claudia Bürmann. Durch Ihre Unterstützung in Form von stetiger Motivation, der Anfertigung von Bildmaterial, sowie der Hilfe bei der Manuskript-gestaltung- und durchsicht, konnte ich diese Arbeit letztlich zum Abschluss bringen.
1. einleitung
In der vorliegenden Arbeit sind die Ergebnisse einer theoretischen sowie planerischen Quartiersunter-suchung eines innerstädtischen Gebietes der Hansestadt Stralsund dargestellt. Die vorliegenden Ausführungen beruhen auf Rechercheergebnissen aus Literatur, dem Internet sowie der Einsicht-nahme in historische Unterlagen.
Diese können auf Grund des Bearbeitungszeit-raumes aber nur einen Teil aller verfügbaren Infor-mationen zu Geschichte der einzelnen Grund-stücke innerhalb des Bebauungsgebietes wieder-geben. Die Arbeit zeigt daher im theoretischen Teil die bis dahin ermittelten Untersuchungsergebnisse.
Die beiden Teile sind auf zwei Ordner verteilt. Im ersten Ordner befindet sich das Manuskript mit den Ausarbeitungen der stadt- und gebäudekund-lichen Untersuchung sowie die Anhänge 1 und 2. Der zweite Ordner enthält die zeichnerischen Ausführungen zur Bebauung des Grundstückes in den Anhängen 3, 4 und 5.
Das von mit zu untersuchende Areal befindet sich im östlichen Nicolai-Viertel und wurde durch den Verlauf der einstigen Stadtbefestigung in Nord-Südrichtung geteilt. Das bedeutet, dass sich die westliche, ehemalige Bebauung innerhalb der einstigen Stadtbefestigung und deren östlich lie-gender Teil außerhalb, in der Hafenvorstadt, befand. Insgesamt gab es dort sechs Gebäude, wel-che entlang der Mauerstraße, der Badenstraße sowie der Wasserstraße verliefen und einen Innenhof umgaben. Diese Gebäude wurden auf ihre Haustypologie, deren Parzellierung und einsti-ge Ausrichtung hin untersucht. Zudem war die Art ihrer Nutzung, deren Dachformen und Gebäude-höhen sowie ihre Bedeutung in der Stadt Bestandteil der Forschung um im planerischen Teil ein Neubauensemble schaffen zu können, welches dem Charakter der historischen Altstadt gerecht wird.
In der Luftaufnahme sowie den Fotografien ist das Bebauungsgebiet dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Luftaufnahme der Stralsunder Altstadt mit gekennzeichnetem Bebauungsgebiet
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Ansicht des Grundstücks von Westen (Mauerstraße)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 Ansicht des Grundstücks von Westen (Mauerstraße)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4 Ansicht des Grundstücks von Osten (Wasserstraße)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5 Ansicht des Grundstücks von Osten (Wasserstraße)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6 Ansicht des Grundstücks von Osten (Wasserstraße)
Die vorliegende Arbeit gliedert sich, wie bereits erwähnt, in einen theoretischen und einen planeri-schen Teil. Im theoretischen Teil fanden stadt- und quartiergeschichtliche Untersuchungen zu dem Bebauungsgebiet statt. Auf die Stadtgeschichte soll nur kurz eingegangen werden. Den weitaus größe-ren Anteil nimmt die Quartiersuntersuchung ein. Es wurde versucht, anhand der ursprünglichen Parzellen- und Grundstücksverläufe der einzelnen Gebäude, deren bauliche Veränderungen nachvoll-ziehbar darzustellen. Dazu ist zu jedem Gebäude eine chronologische Zusammenfassung dieser Veränderungen verfasst worden und in den Anhängen 1 und 2 mit den entsprechenden Zeich-nungen belegt.
Im zweiten Teil versuchte ich durch eine Nutzungs- und Gestaltungskonzeption dieses Grundstück mit einer Neubebauung zu versehen. Das Ziel dieser Neubebauung ist es, auf diesem seit 1944 unbebauten Gebiet einen Gebäudekomplex zu schaffen, welcher sich nach denkmalpflegeri-schen, städtebaulichen und gestalterischen Ge-sichtspunkten in das bestehende Stadtgefüge ein-gliedert. Dabei wurden besonders die städtischen Vorgaben und deren Ziele einer Neubebauung berücksichtigt.
Die Herausforderung im planerischen Teil bestand also darin, einen Entwurf umzusetzen, welcher auf die Forderungen der Stadt eingeht aber auch mir als Planer einen Freiraum für eigene Intentionen lässt. Dabei spielte während der Planung nicht nur die historische Bebauung innerhalb des Baugrund-stücks, sondern auch die heutige umgebende Bebauung eine entscheidende Rolle. Denn sie stellt als Diskussionsgrundlage, z.B. für die Gebäude-höhen der neuen Baukörper einen wichtigen Faktor dar. Zudem hat die besondere Lage des Gebietes in der Nähe des Strelasundes sowie des sich im Bau befindlichen Ozeanums Einfluss auf die Gestaltung und Nutzung der zukünftigen Gebäude. Denn die Badenstraße wird in Zukunft einen großen Besucherstrom von der Stadt in die Richtung des Ozeaneums, vorbei an dem neuen Gebäudekom-plex, führen. Daraus ergeben sich z. B. auch wirt-schaftliche Überlegungen zur Nutzung der Erd-geschosszonen für diesen Besucherverkehr.
Das entstandene Gebäudeensemble ist ein Bei-spiel für den Umgang mit einer modernen inner-städtischen Bebauung im historischen Umfeld der Hansestadt Stralsund.
2. stadtgeschichtliche und städtebauliche quartiersuntersuchung
2.1 DIE STADTGESCHICHTE DER HANSESTADT STRALSUND
2.1.1 Frühgeschichte
Für die Entstehung Stralsunds waren verschiedene, begünstigende Faktoren ausschlaggebend. Einen entscheidenden Einfluss hatte dabei die Lage der entstehenden Stadt am Strelasund. Von dort aus-gehend bot sich in westlicher und östlicher Richtung ein Zugang zur offenen See. Der entste-henden Stadt war eine kleine Insel - »Strale« oder »Strela« - vorgelagert, die später Dänholm genannt werden sollte. Sie schuf einen natürlichen Hafen an welchem schon im 12. Jahrhundert Dänische Schiffe anlegten.1
Zu dem liess sich der Ort, an dem die Stadt ent-stehen sollte, von der Landseite her gut gegen Angriffe verteidigen. Das umgebende Sumpf- und Teichgelände bot dabei eine gut geschützte Lage. Da sich hier außerdem alte Handelsstraßen2 kreuzten war dieser Platz hervorragend zur Besiedelung geeignet. Auch die Nähe zu sehr ertra-greichen Heringsfanggründen in den Gewässern um Rügen ist wohl der Grund für die frühe Besiedlung.
Natürlich lassen sich die Anfänge der Stadt nicht genau rekonstruieren. Dennoch existierte bereits vor der späteren Stadtgründung ein slawisches Fährdorf. Vermutlich trug es den Namen Stralow. Wie lange diese Ansiedlung am Strelasund schon bestand und wo genau sich diese befand, ist nicht mehr nachvollziehbar. Wahrscheinlich lag sie auf einer südöstlichen Halbinsel der ursprünglichen Altstadtinsel im Bereich der unteren Langen- und Heiligeiststraße. Archäologische Befunde für eine derartige Siedlung stehen bisher aber noch aus.
Dem kleinen slawischen Fischerdorf Stralow wurde 1234 das Stadtrecht nach Lübischen Recht vom rügenschen Fürsten Witzlaw I. verliehen und trat somit unmittelbar unter dessen Hoheit. Damit war Stralesund, wie die Stadt damals hieß, gegrün-det. Am 26. Februar 1240 wiederholte er die Stadt-rechtsprechung. Über seine Beweggründe gibt es von Historikern nur Vermutungen und unterschied-liche Deutungen.
Wahrscheinlich spielten Rostocker Bürger - vor allem wohl Kaufleute - bei der Gründung Stralsunds eine entscheidende Rolle, die für die Zeit des Heringsfangs auf dem späteren Stadtgründungs-gebiet Saisonniederlassungen besaßen. Gefolgt von weiteren Zuwanderern wuchs die Bevölkerung schnell an. Ausgezeichnetes Material über deren geografische Herkunft liefern Aufzeichnungen des ältesten Stadtbuchs3 von 1270 sowie des ersten Bürgerbuches aus dem Jahre 1319. Ausgangspunkt der Stadtentwicklung war vermutlich der Alte Markt4 an den sich dann das Gebiet der heutigen Altstadt anschloss, wobei der Appolonienmarkt5 - Papenstraße6 die Grenze des Altstadtgebietes dar-stellte. Der Markt wurde von Bauten wie der St. Nikolai Kirche (1276 erstmalig im Stadtbuch erwähnt) beherrscht. Sie ist die Hauptkirche der Altstadt. Neben der Nikolaikirche befindet sich der wichtigste Profanbau der Stadt, das Rathaus. In ihm wurde nicht nur Recht und Gesetz gesprochen, son-dern auch Handel betrieben. In Stralesund lebte vor allem Kaufleute, die sich das ertragreiche Umland und den Fischreichtum der Boddengewässer der Insel Rügen zu Nutze machten. Dadurch brachte es Stralsund bald zu Wohlstand und zu einer ansehn-lichen Größe.
Die von West nach Ost verlaufenden und zugleich die ältesten Straßen (Baden-, Knieper-, Fähr-, Semlowerstraße) stellten die Verbindungen von Markt zum Hafen hin dar. Die später in Nord- Süd-Richtung verlaufenden und die Altstadt mit der Neustadt verbindenden Straßen (Mönch-, und Ossenreyerstraße) spielten in ihrer frühen Ge-schichte eine eher untergeordnete Rolle.7
Ihre Bedeutung beginnt sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu ändern. Und als sich die Stadt im 20. Jahrhundert mehr an den Landseiten orien-tiert und dadurch ihren Inselcharakter verliert, nimmt die Bedeutung der zum Hafen verlaufenden Straßen ab und die der von Nord nach Süd verlau-fenden zu.8
Die Nachbarstadt Lübeck zerstörte 1249 die Stadt völlig, da sich Stralsund zu einer ernst zu neh-menden, konkurrenzfähigen Stadt entwickelte. Lübeck besaß bereits im Jahre 1224 ein Privileg für Handel im Fürstentum Rügen und konnte sich somit die rügischen Heringsfangrechte sichern. Durch die Entstehung der neuen Stadt, wurde das Privileg der Lübecker zwar nicht aufgekündigt, den-noch verlor es stetig an Wert, wodurch sich schließ-lich ein Konkurrenzstreit entwickelte. Nach dem Überfall bauten die Einwohner ihre Stadt wieder auf und bereits 1254, 20 Jahre nach der Stadt-rechtsverleihung, wurde mit der ersten Stadt-erweiterung begonnen und die Stadt entwickelte sich weiter in südlicher Richtung. Ungefähr gleich-zeitig mit dieser Erweiterung erfolgte die Begrün-dung der Neustadt (1256 zum ersten Mal urkund-lich erwähnt). Neuere Forschungen haben ergeben, dass es sich bei der Neustadt vermutlich um eine zweite, parallel gegründete Stadt namens »Schade-gard« handelt, der man aber sehr früh die Stadt-rechte wieder entzogen hatte. Über diese Stadt exi-stieren nur zwei Aufzeichnungen, eine Urkunde aus dem Jahre 1269 und eine Notiz im Stralsunder Stadtbuch von 1271. Vermutlich handelte es sich um eine Burg- oder Befestigungsanlage nordwest-lich der Altstadt am Ufer des Strelasundes, welche zum Schutz von Stralsund errichtet wurde. 1256 begann man mit dem Bau der Stadtmauer, die letztlich auf einer Länge von 3.100 Metern die gesamte Stadt umgab und ursprünglich aus Erd wällen bestand. Um 1320 war die Stadtmauer fer-tig gestellt. Bereits vor Vollendung der Stadtmauer und auch während deren Erbauung entstanden zehn Tore, sechs Wassertore und vier Landtore. Diese ermöglichten den Zu- und Ausgang durch die Mauer, welche von etwa 30 Türmen gekrönt wurde. Der Mauergürtel und der die Stadt umgebende Ring von Teichen verlieh Stralsund den Charakter einer Wasserburg.
Entlang der Straßenzüge wurden, da ein Mangel am Baustoff Holz sowie an Lehm und Ton nicht bestand, die Gebäude vermutlich in Fachwerkbau-weise errichtet. 1271 zerstörte ein Großbrand große Teile der aufblühenden Stadt. Beim anschlie-ßenden Neuaufbau bedienten sich die Stralsunder im stärkeren Maße der Ziegelbauweise - so ge-nannte Steinhäuser - entstanden.9 Um 1283 gab es bereits drei Ziegeleien.
1289 wurde mit dem Bau der Marienkirche (in der Neustadt) begonnen. Um diese Zeit fügten sich die beiden Stadtteile - Alt - und Neustadt - zu einer-baulichen Einheit, innerhalb der Stadtmauer zusammen. Die Entwicklung Stralsunds ging rasch voran.
die stadtgeschichte der hansestadt stralsund Eine Voraussetzung für die ständig anwachsende Bevölkerung war eine leistungsfähige Entfaltung der Wirtschaft. Es entstanden verschiedenste Ge-werke um die Stadt um deren Bürger zu versorgen. So zum Beispiel Kaufleute, Handwerker, Maurer, Zimmerleute und Böttcher.
2.1.2 Die Zeit der Hanse
Aus wirtschaftlichen Gründen besiegelte Stralsund zusammen mit Greifswald, Rostock, Lübeck und Wismar im Jahre 1293 den Städtebund der Hanse. Im Zeitraum ihrer Mitgliedschaft in der Hanse lag auch die Blütezeit Stralsunds, wodurch sie im Schiffbaugewerbe bis heute hohes Ansehen er-reichte. Kaufleute trieben Handel in Russland, Skandinavien und Westeuropa. Die Stadt entwi-ckelte sich in kurzer Zeit zu einer aufstrebenden Zwischenhandels- und Kaufmannsstadt. Die alten Bürgerhäuser im gotischen Baustil waren ganz auf die Aktivitäten ihrer Bewohner als Handelskontor und Warenlager zugeschnitten. In dieser Zeit ent-standen viele der prächtigen Giebelhäuser, die Wohnhaus und Speicher zugleich waren.
Charakteristisch für Stralsund waren geschlos-sene Baufluchtlinien, die auf Grund des lübischen Stadtrechts10 entstanden. Die Straßen verliefen in gerader Linienführung in Richtung Hafen, was typisch für eine Handelsstadt ist.
Während des 13. und 14. Jahrhunderts stieg die Bevölkerung sprunghaft an. Dieses Wachstum wurde allerdings immer wieder durch das Auftre-ten der Pest und anderer Seuchen unterbrochen. Natürlich kam es in dieser Zeit auch oft zu kriegeri-schen Auseinandersetzungen. So besiegte Anfang des 14. Jahrhunderts der dänische König Erik Menved die Städte Lübeck, Wismar und Rostock und belagerte auch die Stadt Stralsund. Doch berei-teten Stralsunds Bürger den Feinden eine militäri-sche Niederlage. Auch der dänische König Walde-mar IV. Atterdag versuchte die Vormachtstellung der Hanse zu brechen, unterlag aber den vereinig-ten Städten. Am 24. Mai 1370 wurde Frieden zwi-schen den hansischen und holländischen Städten und dem Reichsrat des Königreichs Dänemark geschlossen. Der berühmte »Stralsunder Frieden« beendete das fast zehnjährige Ringen zwischen den Hansestädten und dem dänischen König Waldemar IV. In diesen zehn Jahren kam es in den Jahren von 1361 bis 1362 und 1367 bis 1370 zu zwei kriegerischen Auseinandersetzungen. Um diese Zeit nahmen die Handelsbeziehungen zwi-schen Stralsund und England besonderen Auf-schwung, welche jedoch stetig von Piraterie gestört wurden. Um 1400 zählte Stralsund etwa 13.000 Einwohner.
Von 1426 bis 1435 kam es zum Krieg zwischen Stralsund und Dänemark um die Vorherrschaft um den Nord- und Ostseehandel. Nach dem Tod des Herzogs Gerd von Schleswig versuchte das däni-sche Königtum das herscherlose Herzogtum anzu-eignen. Dies scheiterte aber am Widerstand durch die Grafen von Holstein. Beide Parteien suchten Unterstützung durch die wendischen Handels-städte. Diese schlossen letztlich 1243 einen Bündnisvertrag mit dem dänischen König Erich ab, in der Hoffnung ihre Handelsbeziehungen nach Norden wieder verbessern zu können. Jedoch erließ der dänische König ein Ausfuhrverbot für Waren und beschlagnahmte hansische Schiffe. Die Lage spitze sich zu und alle diplomatischen Versuche den Ausbruch des Krieges noch zu verhindern blieben erfolglos.
Am 22. September 1426 schlossen Lübeck, Ham-burg, Lüneburg, Wismar, Rostock und Stralsund ein Kriegsbündnis gegen König Erich ab.
Während dieser Auseinandersetzung entwickel-ten sich verschiedene Handelsruten auf dem Über-landweg zwischen dem Ost- und Nordseeraum sowie auf dem Stecknitzkanal zwischen Trave und Elbe, welcher als erste künstliche Wasserstraße Deutschlands 1398 in Betrieb genommen wurde. Leider sollten diese Verbindungen keinerlei Nutzen für Stralsund haben. Die Handelsbeziehungen zu den skandinavischen Ländern und Mitgliedern des hansischen Bundes normalisierten sich erst als König Erich im Jahre 1435 Frieden mit den Hanse-städten schloss.
Auch im 15. Jahrhundert war die wirtschaftlich wichtigste Industrie der Fernhandel und die Schiff-Fahrt. Besonders der Handel mit Schottland wurde weiter ausgedehnt. Innerstädtisch zeichnete sich rege Bautätigkeit ab. Die Stadtbefestigungen wur-den ausgebaut und neue Außenbastionen entstan-den. Entlang dem Frankentor wurde die gesamte Stadtmauer neu errichtet. Auch das Frankentor und Kütertor wurden erneuert. Sein heutiges Aussehen erhielt das Kniepertor ebenfalls bereits zu dieser Zeit. Giebelhäuser mit Geschäfts-, Wohn- und Wirt-schaftsräumen entstanden. Einige dieser Zeitzeu-gen existieren heute noch. So zum Beispiel die Häuser Badenstraße 40, Mühlenstraße 3 und 21, die Jacobikirche, 1464 die Marienkirche und natür-lich die Nordfassade des Rathauses. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts erreichte die mittelalterliche Stadt mit der Vollendung der großen Backsteinbau-ten ihren Höhepunkt in der Stadtentwicklung und die Bautätigkeit stagnierte.
Wie schon im 15. Jahrhundert spielten auch im 16. Jahrhundert die Handelsbeziehungen nach Skandinavien eine große Rolle. Im Stralsunder Hafen legten vor allem Schiffe aus den Niederlan-den, Schweden und aus Dänemark an. [[Abb. 7, S.13]] Auch ein Handel ins Landesinnere bestand, wobei hauptsächlich landwirtschaftliche Erzeugnisse exportiert wurden.
Die Abbildung zeigt die älteste überlieferte Stralsunder Stadtansicht, samt Hafenbereich. Es stammt aus der »Cosmographia« des Sebastian Münster, welches erstmals 1592 veröffentlicht wurde. Jedoch wurde dieser Holzschnitt bereits deutlich früher angefertigt, denn die noch erhalte-nen Holzstöcke datieren um 1548/1549.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7
Stadtansicht aus der »Cosmographia« von Sebastian Münster (Holzschnitt 16. Jahrhundert)
( vgl. Kulessa, 2003, S. 35.) Obwohl darauf eindeutig Stralsund abgebildet ist, trägt das Bild die Über-schrift »der herrlichen und weitberhümpten Statt Stettin in Pommern wahrhaffte abcontrafactur«. Vermutlich war mangelnde Ortskenntnis die Ur-sache für diesen Irrtum. Wichtige Stralsunder Bauten, wie z. B. das Rathaus und die Kirchen sind recht detailliert argestellt und mit entsprechenden Beschriftungen versehen. Der Hafenbereich zeigt Schiffe und Anlegebrücken sowie realistisch darge-stellte Stadttore. Eine Hafenvorstadt ist allerdings nicht abgebildet. Zwischen dem Ufer und der Stadtmauer ist nur ein schmaler, unbebauter Streifen zu sehen.
Das Stadtbild änderte sich in dieser Zeit durch den niederländischen Renaissanceeinfluss. Ursprüng-lich spätgotische Grundformen wurden durch Ver-putzen der Giebel und mit vertikalen, horizontalen und geschwungenen Elementen neu gestaltet. Damit wurde diese neue Bauepoche in der Stral-sunder Architektur eingeleitet.
Zum Beispiel am Haus Badenstraße 12 oder am Hause Semlowerstraße 13 lässt sich diese neue Ent-wicklung erkennen. Diese Stilelemente finden bis hinein ins 17. Jahrhundert Anwendung.
Zu dieser Zeit gab es in Stralsund ca. 2400 Wohn-gebäude und etwa 14 - 15.000 Einwohner.
2.1.3 Die Schwedenzeit
Die Schwedenzeit begann, als vor den Toren der Stadt die Heerscharen des Generals Albrecht von Wallenstein standen.
Von Mai bis Juli 1628 belagerten die kaiserlichen Truppen die Stadt. Bei der Verteidigung der Stadt kamen den Einwohnern dänische und schwedische Truppen zur Hilfe. Am 24. Juli scheiterten Wallen-steins Bestrebungen die Stadt zu erobern und er musste seinen Rückzug antreten. Mit der Unter-zeichnung des Allianzvertrages zwischen der Stadt und dem Königreich Schweden begann 1628 für Stralsund die Schwedenzeit. Am 10. September 1630 traf der Schwedenkönig Gustav Adolf II. in Stralsund ein. Zwischen 1630 und 1640 wurden umfangreiche Erneuerungen an den Befestigungs-anlagen der Stadt vorgenommen. So entstanden Bollwerke, Palasidierungen und Erdschanzen am Hafen und auf den Dämmen. Diese Bastionen umgaben wie ein Festungsgürtel die Stadt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8
Staudeplan
»Sciagraphica Stralesundis Pomeranie« von 1647
Die Bautätigkeit war vorrangig auf diese Baumaß-nahmen begrenzt. Wie aus einer Zeichnung aus dem Jahre 1647 des Schweden Johannes Staude11 [[Abb. 8, S. 14, ]] zu ersehen ist, war das innerhalb der Stadtmauer liegende Stadtgebiet nahezu voll-ständig bebaut, weshalb sich im Stralsunder Bau-wesen kaum Aktivität zeigte.
Der Staudeplan zeigt Stralsund aus der Vogel-perspektive. Er wurde im Auftrag der Schwedischen Regierung angefertigt. Auf diesem Plan sind alle Gebäude der Stadt eingezeichnet. Er gilt als reali-stischste Abbildung der historischen Altstadt und stellt, da auf dieser Zeichnung mittelalterliche Anlagen sowie die historische Bausubstanz dieser Zeit sehr exakt abgebildet sind, eines der bedeu-tendsten Dokumente Stralsunds dar. 1650 wurde eine Kopie dieser Zeichnung in der »Cosmographia« des Matthäus Merian, als so genannter Merianplan, veröffentlicht. (vgl. Kulessa, 2003, S. 38.)
Durch den 1648 geschlossen »Westfälischen Frieden«, gehörte Stralsund , so wie ganz Vorpom-mern, völkerrechtlich zu Schweden. Stralsund ge-hörte nun bis 1815 zum schwedischen Königreich.
Im Juli 1675 erklärte das Deutsche Reich Schweden den Krieg und bereits im Oktober dessel-ben Jahres stand der Kurfürst von Brandenburg vor den Toren Stralsunds. Dieser verbündete sich mit der Armee des Königs von Dänemark und der Dänenkönig landete am 7. September 1676 auf Rügen, um von hier aus Stralsund einzunehmen.
Nach dem Beschuss der Stadt im Jahre 1678 zeigten alle Stadtteile Spuren der Zerstörung. Ein Brand zwei Jahre später stellte zudem einen weiteren Tiefpunkt in der Entwicklung der Stadt des 17. Jahrhunderts dar. Jedoch setzte nach diesen Ereignissen keine intensive Bautätigkeit ein, so dass auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch viele freie Plätze existierten. Doch nach und nach verän-derten Bauten der Renaissance und des Barock (z. B. Fährstraße 29) das Bild der Stadt. Dabei bezog sich diese Bautätigkeit ausschließlich auf Wohnhäuser, da öffentliche Gebäude zu dieser Zeit nicht errich-tet wurden.
Ein Bild von Stralsund zu dieser Zeit zeigt die Schwedische Stadtaufnahme von 1706/1707.12 Das Kataster wies, trotz der Auswirkungen der Zerstörungen von 1678/1680, bereits 1601 Grund-stücke aus. Demnach befanden sich 1392 innerhalb der Stadtbefestigung und 209 auf den Dämmen, den suburbanen Siedlungen. Die häufigste Bebau-ung verzeichnete das Marien -Viertel mit 431 und die geringste Bebauung das St. -Jürgen -Viertel mit 192 Grundstücken. Besonders im Nicolai -Viertel mit 386-und Jakobi-Viertel mit 383 Grundstücken ging der Neuaufbau rasch voran und neben Giebel-häusern traten immer mehr Traufhäuser in das Stralsunder Stadtbild. Siedlungsschwerpunkte der Kaufleute waren besonders das Nikolai- und St.-Jürgen-Viertel, was sicher auch aus den vorhan-denen freien Stellen, auf Grund der Zerstörungen von 1678 und 1680 resultierte.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts betrug die Einwohnerzahl, auf Grund von Pocken- und Pest-epidemien, nur noch rund 8000.
Nach anfänglicher Belagerung zwischen 1711/1712 zerstörten von 1713 bis 1715 Truppen aus Sachsen, Dänemark und Russland, die Vorstädte der Stadt, schnitten die Landzufahrts-wege ab, legten den Schiffsverkehr lahm und zwan-gen schließlich Stralsund zur Kapitulation. Durch diesen Nordischen Krieg, in dem Schweden die Vorherrschaft über die Ostsee verlor, wurde der Seehandel für längere Zeit unterbrochen, so dass die Stadt bald ihre Bedeutung als Hauptexporteur von Malz und Getreide verlor und nur noch pom-mersche Produkte ausfuhr. Zudem bewirkten die Abtritte landwirtschaftlicher Anbauflächen eine Verringerung des Handelsvolumens.
Seit etwa 1720 erholte sich die Situation wieder und es kam zu neuen Handelsbeziehungen nach Holland, England, Frankreich, Spanien und Portu-gal. Dies war aber auch nur eine kurze Episode des Aufschwungs, denn im Allgemeinen blieb die Situ-ation eher unbefriedigend und fand erst mit der französischen Besatzung und mit der Kontinental-sperre 1810 ihr Ende.
Mitte des 18. Jahrhundert lebten ca. 10.000 Einwohner in Stralsund, während sich das Stadtbild des 18. Jahrhunderts topografisch nicht veränderte.
Bereits 1806 wurden Vorstädte abgebrochen und 1807 besetzten Napoleons Truppen die Stadt. In den Jahren 1808 und 1809 wurden die Mauern auf Befehl Napoleon Bonapartes geschleift. Im Jahre 1808 zogen sich die französischen Besatzer aus der Stadt zurück und ersetzten diese durch eine kleine französisch - polnische Wachtruppe. Der preußische Major Ferdinand von Schill setzte sich diesen Besatzern entgegen. Dennoch verlor er am 31. Mai 1809 sein Leben in der Fährstraße. Nach weiteren politischen Rangeleien um die Länder Schweden, Dänemark und Preußen wurde, am 7. Juni 1815 während des Wiener Kongresses, ein für Stralsund bedeutsamer Vertrag zwischen Schweden und Preußen abgeschlossen.
Die Schweden traten am 23. Oktober 1815 ganz Neuvorpommern an Preußen ab. Es endete die schwedische Zeit, es begann die preußische.
2.1.4 Die Preußenzeit
Bei einer Preußischen Volkszählung am 1. Dezem-ber 1815 wurden 13.209 Einwohner registriert. Das hatte weniger zu Beginn, vielmehr erst ab Mitte des Jahrhunderts viel Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung. Der traditionelle Seehandel mit Nord-europa und die Landwirtschaft begannen sich neu zu entwickeln. Der Schiffbau wurde zu einer der wichtigsten Erwerbsquellen für die Stralsunder Bevölkerung. Fabriken wurden errichtet und Ge-werbetreibende trieben Handel, wobei das Hand-werk einen bedeutenden Stellenwert einnahm. Der Unterschied zwischen der wohlhabenden Bevöl-kerung, zu denen besonders Kaufleute, Pädagogen oder Ärzte gehörten und der armen Bevölkerung wurde immer größer.
Zu dieser Zeit begannen sich die Stralsunder Vorstädte - Frankenvorstadt, Kniepervorstadt und Tribseer Vorstadt - immer stärker zu entwickeln. Die Einwohner dieser Vorstädte standen dabei auf der untersten Stufe im Sozialgefüge und durften nicht einmal das Bürgerrecht erwerben. Dennoch lebten 1847 bereits fast 2000 Menschen in den drei Vorstädten.
Am Abend des 18. März 1848 kam es auch in Stralsund zur Revolution und zum Kampf um die Demokratisierung des kommunalen und öffent-lichen Lebens. Angeführt wurde dieser Aufstand durch fortschrittliche Einwohner, vor allem Arbei-ter, die auf Miss - Stände aufmerksam machen woll-ten und Veränderungen forderten. In einer Volks-befragung vom 9. Juli desselben Jahres entschieden sich die Stralsunder Einwohner gegen die alte Stadtverfassung und für durchgreifende Reformen.
Am 19. November kam es erneut zu Unruhen, doch wurden diese mit militärischer Macht nieder -geschlagen und die alte Ordnung wieder herge-stellt. Es folgte eine regelrechte Abrechnung mit den Aufständigen und die erhoffte demokratische Entwicklung kam nicht zu Stande. Dennoch zog auch in Stralsund der Industriekapitalismus ein, Schiffbau und Handel erreichten ihren Höhepunkt und die wirtschaftlichen Beziehungen entwickelten sich zusehends. 1848 wurde der erste deutsche Kriegshafen auf dem Dänholm gebaut wurde. Das war die Geburtsstunde der ersten preußisch -deutschen Marine. Jedoch war die Stationierung der Flotte nicht von langer Dauer, denn 1871 wur-den die Kriegsschiffe nach Kiel verlegt. Doch schon um 1880 kam es durch die rasante technische Ent-wicklung des Seefahrtswesens, zu einem raschen Verfall und zu einem starken Rückgang in der Entwicklung der Schiff- Fahrt und dem Schiffbau, wodurch der Stralsunder Hafen Ende des Jahrhun-derts wirtschaftlich nur noch eine untergeordnete Rolle spielte.
Da aber der Rückgang des Seehandels abzuse-hen war, bemühten sich die Stralsunder schon sehr früh um die verkehrsgeografische Anbindung der Stadt an das Einsenbahnnetz. 1863 erfolgte die Fertigstellung der Eisenbahnstrecke Berlin Prenzlau-Stralsund - die so genannte Nordbahn - und 1878 lief der erste Zug in den Stralsunder Bahnhof ein. Obwohl Stralsund in der Industriellen Entwicklung wieder einmal hinter Städten wie Hamburg, Stettin oder Bremen zurücklag, spiegeln doch der Ausbau
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9
Stadtplan mit neuen Straßenbezeichnungen von 1869
der Hafeninsel, der Bau der großen Speicher, die Veränderungen in der Nachrichtenübermittlung, dem Telefon sowie die erstmals 1857 erstrahlenden Gasleuchten die neue aufwärtsführende Entwick-lung wieder.
1869 erfolgte eine Grundlegende Änderung der Stralsunder Straßennamen.14 [[Abb. 9, S. 17 ]]
Die Preußen hoben um 1873 den Festungs-charakter der Stadt auf. In einem Vertrag von 1879 in welchem Preußen die Stadtbefestigungen der Stadt Stralsund übertrug, begannen die Stralsun-der die Stadtmauer und Befestigungsanlagen zügig zu schleifen, doch ist der ursprüngliche Festungs-verlauf und deren Formgebung noch heute ables-bar. Gründe für das Schleifen waren der Platzbedarf für Neubauten und die Zunahme des Verkehrs, der durch Mauern und Stadttore behindert worden war. 1887 sollten die Abbrucharbeiten an dem größten Teil der ehemaligen Befestigungen abgeschlossen sein. Die Stadt wuchs über ihre bisherigen Grenzen hinaus. Bereits schon vor Aufhebung des Festungs-charakters fanden Verhandlungen über Erteilung der Baufreiheit auf dem Vorstadtgelände statt, da die Wohnungsnot in der eng bebauten Innen-stadt einer raschen Lösung bedurfte. Doch warte-ten die Bürger nicht die Entscheidung der Militär- verwaltung ab, sondern begannen zu Bauen. Es ent-standen in der Frankenvorstadt zwischen 1860 und 1895 ca. 100 Häuser mit rund 500 Wohnungen und sie entwickelte sich zum Industriezentrum Stralsunds.
Zur gleichen Zeit setzte auch außerhalb der Stadtmauern eine rege Bautätigkeit ein. Die Hafen-insel wurde mit schiffbaren Kanälen und massiven Kaimauern ausgebildet und Speichergebäude errichtet.15 Der Handel erblühte und in der gesam-ten Stadt lebten nahezu 18.000 Menschen.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwick-lung der Stadt war die Inbetriebnahme des Eisen-bahntrajektverkehres Stralsund - Altefähr - nach Rügen - da Rügen immer mehr touristisch erschlos-sen wurde. Die Bauarbeiten dafür begannen 1882. Das erste, in Elbing erbaute Trajektschiff, die »Prinz Heinrich«, traf am 13. November 1882 in Stralsund ein und hatte am 1. Juli 1883 den regel-mäßigen Fährverkehr aufgenommen. Vor allem die Hafenwirtschaft und der Schiffbau profitieren davon.
Um 1900 hatte die Stadt ihre Einwohnerzahl auf 31.150 verdreifacht und 1914 verzeichnete man bereits 35.747 Bürger. Es entstanden weitere Vor-städte und wichtige öffentliche Bauwerke, wie die Pommersch - Provinzial - Heilanstalt (heutiges Kran-kenhaus West), die Post am Neuen Markt, die Poliklinik und kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, das Krankenhaus am Sund.
Außerdem fuhr im Jahre 1900 die erste Straßenbahn. Leider sollte ihr Betrieb zugunsten der Omnibusse, bereits 1966 eingestellt werden.
Da der Verkehr nach Rügen immer mehr zunahm, reichte die bestehende Trajektverbindung nicht mehr aus. Während der Zeit der Weimarer
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10 Das Semlower Tor um 1910
1880 waren 266 Kaufleute und Gesellschaften im Handelsregister eingetragen. Dadurch mussten wertvolle Profanbauten der einzelnen Kulturepo-chen weichen um Kaufhäusern, Banken, Hotels und Verwaltungsgebäuden Platz zu machen. Die Stadt wandelte sich zu einer Beamtenstadt. Man sprach seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von vier Vorstädten: - der Knieper-, Tribseer-, Franken-und der Hafen -Vorstadt. Besonders betroffen von diesen Baumaßnahmen waren die mittelalterlichen Befestigungsanlagen samt Stadttore. Von den ehe-mals zehn Stadttoren, welche 1850 noch alle erhal-ten waren, stehen heute noch zwei, das Kniepertor und das Kütertor. Den Abriss begann man mit dem Heiliggeisttor und 10 Jahre später war auch das Frankentor entfernt. Das Semlower Tor [[Abb. 10, S. 19]] existierte noch während der Preußenzeit, wurde aber im zweiten Weltkrieg zerstört.
Republik von 1919 bis 1933 stieg die Zahl der Einwohner von 38.185 auf 43.360. Das Wachstum der Einwohner-zahl resultierte außerdem aus der Eingliederung umliegender Gemeinden im Jahre 1928. Die Anzahl der Wohnhäuser erhöhte sich bis 1933 von 2380 im Jahre 1925 auf 3128.
2.1.5 Der Nationalsozialismus
Auch Stralsund war von der 1929 ausbrechenden Weltwirtschaftskrise betroffen, die 1932 ihren Höhepunkt mit rund zwei Drittel Erwerbslosen erreichte. Der aufkommende Faschismus setzte zudem mit aktiver Unterstützung des Staates ein und auch das politische Leben in der Stadt wurde von den Nazis beeinflusst. So gelang es den Nazis in den Jahren von 1928 bis zur Reichstagswahl am 5. März 1933 einen deutlichen Sieg zu erlangen. Trotzdem bestand immer auch eine rege antifaschi-stische Bewegung durch kleinere Gruppierungen.
Von 1933 bis Mai 1939 erhöhte sich, nach weiteren Eingemeindungen 1938, die Einwohnerzahl von 44.739 auf 49.342.
1935 verlor die Stadt auch noch das Privileg, Regierungssitz zu sein. Neuvorpommern gehörte künftig dem Regierungsbezirk Stettin an. Besonders zur Errichtung von Einrichtungen der Wehrmacht, sowie der Verbesserung der Verkehrsbedingungen gab es Aktivitäten in der Stralsunder Bauwirtschaft.
Das bedeutendste und größte wirtschaftliche Projekt in Stralsund fand von 1933 bis zum 13. Mai 1937 statt. Die Errichtung des 2,5 km langen Ver-kehrsstrangs zwischen Stralsund und der Insel Rügen - dem Rügendamm. Bereits am 5. Oktober 1936 konnte die Strecke für den Eisenbahnverkehr freigegeben werden, gefolgt von der sechs Meter breiten Autobahn und dem 2,5 Meter breiten Fußgängerweg. Bis dahin bestand lediglich eine Fährverbindung (zusammen mit der Ziegelgraben-brücke). Dieser Bau spielte natürlich in der Kriegs-vorbereitung einer entscheidende Rolle. 1936 wurde beschlossen eine Infanterie - Bataillon nach Stralsund zu verlegen. In Folge dessen entstanden bis 1939 etwa 700 Wohnungen, hauptsächlich zur Unterbringung von Militärangehörigen, was in der
Nazipropaganda als der lobend erwähnte Woh-nungsbau propagiert wurde. Ende desselben Jahres zählte Stralsund 49.705 Einwohner und zusätzlich noch ca. 3000 militärische Angehörige. Die Zahl der Bürger stieg bis zum 1. Juli 1944 auf 50.320.
Bereits am 20. Juni und am 18. Juli erfolgten erste Bombardements auf die Stadt. Das Gesicht der Stadt änderte sich aber entscheidend nach dem 6. Oktober 1944 für immer. Die englischen und amerikanischen Geschwader vernichteten große Teile der Altstadt und der Frankenvorstadt mit mehr als 8.000 Wohnungen sowie viele historisch wertvolle Gebäude. Darunter auch das Semlower Tor, die Kirche des Johannisklosters und die Hafen-anlagen. Die Spuren zeichnen sind auch heute noch durch die vielen Baulücken ab. Die deutschen Truppen zogen sich über den Rügendamm zurück und es wurde zuerst die Ziegelgrabenbrücke und am 1. Mai 1945 der Rügendamm gesprengt um einen zu schnellen Vormarsch der Russischen Truppen in Richtung Rügen zu verhindern. Die Stadt wurde kampflos an die Russen übergeben. Der Krieg war beendet. [[Abb.11, S19]]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 11
Ruinen an der Wasserstraße
2.1.6 Stralsund nach dem Krieg und heute
Nach dem Krieg nahm Stralsund eine sprunghafte Entwicklung, die sie vor allem dem Aufbau der »Volkswerft Stralsund« verdankte. Im Süden der Stadt entstand auf Befehl der sowjetischen Militär-administration auf dem Gelände der ehemaligen Kröger-Werft, die weltgrößte Spezialwerft für Fischereischiffe - die Volkswerft. Dadurch wurde der Hafen aufgrund seines Anschlusses an das Binnenwasserstraßennetz zu einem wichtigen Um-schlagplatz für den Ostseehandel. Neben der Werft gab es natürlich auch andere Industriezweige, wie die Zuckerfabrik, die Molkerei, Möbelwerke, Brauerei, Kaffeerösterei.
Die industrielle Entwicklung und das Anwachsen der Bevölkerungszahl erforderten zugleich den Bau neuer Wohnungen. Dabei entstanden weiträu-mige Vorstädte mit insgesamt mehr als 18.000 Wohnungen, während die Bausubstanz der Alt-stadt mehr und mehr verfiel. Vereinzelt wurden aber auch in den vorhandenen Baulücken Woh-nungsbauten errichtet, welche mit traditioneller Backstein-Bauweise ausgeführt wurden. Jedoch wurden dabei meist die historischen Parzellierun-gen aufgegeben.16 Im Jahre 1962 erklärte man die noch erhaltenen mittelalterlichen Bauten, durch eine Verordnung des Kultusministers, zum Flächen-denkmal.17 und nahm sie 1969 in die Denkmalliste auf. Allein in den 40 Jahren DDR- Geschichte wur-den auf dem Altstadtgelände ca. 570 Häuser abge-brochen.
Die politische Wende in Deutschland brachte große tief greifende Veränderungen für Stralsunds Wirtschaft mit sich. Viele Betriebe verschwanden. Der Verlust der Industrie wurde teilweise kompen-siert durch die Ansiedlung vieler großer Ämter und Institutionen und Stralsund wurde zunehmend zum Verwaltungszentrum ausgebaut.
Die Volkswerft wurde zu einer hochmodernen Kompaktwerft umgebaut, mit einer 300 m langen, 108m breiten und 74 m hohen Schiffbauhalle. Heute arbeiten dort noch etwa 1000 Menschen. Damit erhielt die Stadt Anfang 1997 ein neues Wahrzeichen.
In den Jahren 1990/1991 begann man endlich auch mit Maßnahmen zur Altstadtsanierung. Diese bezogen sich nicht nur auf vorbereitende Planungs-leistungen, vielmehr auf Sofort- und Sicherungs-maßnahmen, die den weiteren Verfall historisch bedeutender Gebäude verhindern sollten. Trotz die-ser Bautätigkeit existieren auch heute noch große Baulücken. Die zukünftige Baulückenschließung unterliegt dabei städtebaulichen Vorschriften, die die Erhaltung der Bauflucht und Parzellierung vor-sieht, jedoch eine historisierende Neugestaltung oder gar eine Rekonstruktion ausschließt.18 Da in Stralsund rund 2/3 der Fläche unter dem Straßen-pflaster erhalten sind, bildet diese Situation einen außergewöhnlichen Schatz. Denn durch bereits erfolgte archäologische Grabungen konnten viele Informationen zu Stralsunds Geschichte zu Tage gefördert werden. Aus diesem Grund wurde der Untergrund zum Bodendenkmal erklärt und jede Baumaßnahme archäologisch begleitet.
Mit dem Wiederaufbau der Altstadt und an-grenzender Gebiete geht es sichtbar vorwärts, aller-dings wird die Sanierung des alten Stralsunds, mit seinen heute ca. 60.000 Einwohnern, zum städte-baulichen Kleinod noch Jahre dauern.
2.2 ZUR VORGESCHICHTE DES GRUNDSTÜCKS (HISTORISCHE QUARTIERSBESCHREIBUNG)
2.2.1 Die Lage in der Stadt
Die Stadt Stralsund gliedert sich in vier Stadtquar-tiere. St. Jürgens, St. Nikolai, St. Jakobi und St. Marien-quartier. Das heutige St. Jürgensviertel wird im Norden durch das Kniepertor, im Süden durch das Heilgeisttor, im Westen durch den Knieperwall und im Osten durch die Ossenreyerstraße begrenzt. Das heutige St. Nikolaiviertel grenzt im Norden an das Kniepertor, im Süden an die Heilgeiststraße, im Westen an die Ossenreyer- und Knieperstraße und im Osten an den Fischmarkt und den Fährwall. Das heutige St. Jakobiviertel wird im Norden von der Heilgeiststraße, im Süden vom Frankenwall, im Westen vom Knieperwall und im Osten von der Ossenreyer-, Unnützer-, Filter- und Blauturmstraße umschlossen. Und das heutige St. Marienquartier-viertel begrenzt im Norden das Heilgeisttor, im Süden der Frankenwall, im Westen die Ossenreyer-, Unnützer-, Filter- und Blauturmstraße und im Osten die Klosterstraße und das Heilgeistkloster.
Das zu Untersuchende Areal befindet sich öst-lich des Nikolaiviertels, zwischen Semlowerstraße und Badenstraße, zum Teil außerhalb des histori-schen Verlaufes der Stadtmauer. Es wird westlich von der Mauerstraße und östlich von der Wasser-straße begrenzt.
Bereits ab dem 13. Jahrhundert wurde das Gebiet der Hafenvorstadt durch Auffüllungen als Bauland gewonnen. Die von West nach Ost verlau-fenden Hauptstraßen - Baden-, Knieper-, Fähr- und Semlowerstraße - der Stadt wurden verlängert und Schiffsbrücken in den Sund vorgetrieben. Es ent-stand eine Hafenvorstadt, in welcher erste Holz-bauten errichtet wurden. Diese wiederum wurden durch eine, das Wasser vom Lande trennende mas-sive Mauer, geschützt.
Bereits im 17. Jahrhundert war die Fläche durch weitere Aufschüttungen vergrößert worden. Durch diese Baulandgewinnung verschob sich die Ufer-linie noch weiter nach Osten.
2.2.2 Die Parzellierung
Zur Einteilung und Bestimmung der einzelnen Parzellen und deren Größen wurden von mir die Gebäudebeschreibungen der Schwedischen Stadt-aufnahme von 1706/07 zur Untersuchung heran-gezogen. Diese Dokumente geben aber keine kon-kreten Hinweise auf den genauen Verlauf der ein-zelnen Parzellengrenzen. Dennoch wird hier sehr gut die Beschaffenheit, Bauart und Geschossanzahl der damaligen Hauptgebäude sowie evtl. vorhan-dener Anbauten beschrieben. Dadurch können zumindest Rückschlüsse auf die Parzellengrößen gezogen werden. Durch einen anschließenden Vergleich der einzelnen Parzellengrößen unterein-ander lassen sie sich nun in verschieden große Grundstücke unterteilen. Wobei zu erkennen ist, dass die Grundstücksgrößen abhängig von der Lage der Gebäude sind. So sind die Gebäude entlang der Mauerstraße als ein- bis zweigeschossig, mit Keller und ohne weitere Anbauten beschrieben. Denn durch die östliche Angrenzung an die Stadtmauer und den westlichen Verlauf der Mauerstraße wur-den die Grundstücke begrenzt, so dass sich sehr schmale, wenig tiefe (Stadtmauerbegrenzung) Grundstücksgrößen ergaben. Die Gebäude entlang der Badenstraße, einer wirtschaftlich wichtigen Ost-West -Verbindung zum Hafen, besaßen dem-nach eine höhere Wertigkeit und waren Repräsen-tativer gestaltet.
So ist das Haus Badenstraße 113 (30) als zwei-geschossig mit Keller, Hintergebäuden und Pferde-ställen beschrieben. Demnach war zusätzlich ein nach Norden verlängertes Grundstück vorhanden. Das gesamte Grundstück wurde westlich vom Haus Mauerstaße 114 (3) und östlich vom Eckhaus Badenstraße/Wasserstraße 112 (29/17) begrenzt. Das Grundstück war also im Vergleich mit den zuvor beschriebenen erheblich größer. Ebenso ver-hält es sich mit dem Grundstück des o. g. Eckhau-ses, welches durch Haus 113 (30) und die Wasser-straße begrenzt wurde. Die Grundstücke der Gebäude Wasserstraße 16/16a verliefen westwärts bis an die Stadtmauer heran. Daher waren diese ebenfalls größer als die der Mauerstraße.
Allein durch den Vergleich der Gebäudebeschrei-bungen der Schwedischen Stadtaufnahme können Aussagen zu den Grundstücksgrößen gemacht und auf den möglichen Verlauf der Parzellengrenzen geschlossen werden.
Weitaus genauere Hinweise auf den Verlauf der Parzellen geben Zeichnungen mit dargestellten Parzellengrenzen zu dieser Zeit. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts können auf Grund archivarischer Aufzeichnungen die Parzellengrenzen sehr genau nachvollzogen werden. [[Abb. 12, S.22]] Zudem griff ich auf die Ergebnisse der Untersuchungen von Stefan Kroll und Gyula Pàpay, die die Grundstücks-größen um 1706/07 beschreiben, zurück. Entspre-chend der Karte »Grundstücksgröße« und der darin beschriebenen Einteilung nach Grundstücksgrößen, bestand entlang der Mauerstraße um diese Zeit eine kleinteilige Bebauung auf Parzellen von weni-ger als 150m².
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 12 Die Parzellenstruktur der Altstadt von 1706
2.2.3 Straßenbezeichnungen
Einige Straßen in Stralsund sind nach den Namen an ihr wohnender Familien benannt. Ursprünglich war es wohl so, dass sich die entstehenden Straßen-namen auf ein besonders hervorstechendes Ge-bäude der Familien bezogen, bis im Laufe der Zeit die gesamte Straße nach den Familiennamen benannt wurde.
Dabei war es Anfangs so, dass die Bezeichnung der Straßen nach dem Besitztum eines Anwohners benannt wurden und nicht sofort nach dessen Namen. Nur ein äußerlich ganz besonders hervor-stechendes Besitztum konnte eine Benennung nach dessen Eigennamen veranlassen und sollte fortan als ein Kennzeichen dieser Straße stehen. Es wurden sechs Straßen nach bedeutenden in Stralsund ansässigen Geschlechtern benannt.
Neben der Badenstraße auch die Franken-, Knieper-, Semlower-, Tribseerstraße und der Wesenshagen. Kleinere Straßenabschnitte bezeich-nete man im Mittelalter oft mit besonderen Lokal-namen, bzw. Platz- und Teilbenennungen. Zum Bei-spiel hießen die Straßenabschnitte zwischen den Stadttoren nach dem jeweiligen Tor in der Stadt-mauer, Wassertore genannt. Sechs Wassertore gab es in Stralsund: Fährtor, Semlower Tor, Badentor, Frankentor, Langentor und Heilgeisttor.
Die Straßenabschnitte, die außerhalb der Stadt-mauern lagen, hießen Außerm Fährthor, Außerm Badenthor etc.19 So war die Sraßenbezeichnung zur Zeit der Schwedischen Stadtaufnahme von 1706/07 der Mauerstraße - Der Flachs - Hagen, die Badenstraße hieß - Vor den Baden Thor und die Bezeichnung der Wasserstraße war - Zwischen dem Semlawer- und Fehr-Thor. Letztere wurde um 1858 auch Giergraben genannt.20
Im Jahre 1869 erfolgte eine grundlegende Ände-rung der Stralasunder Straßennamen.21 Die Baden-straße ist eine der vier ältesten Straßen (Knieper-,22 Fähr-,23 Semlowerstraße24 und eine der bedeuten-sten innerstädtischen West- Ost-Verbindungen. Sie verläuft südlich des Rathauses, von der Osseneyerstraße aus, direkt bis zum Hafen.25
Bereits 1272/1276 existiert eine »hereditas, que fuit domini Bodonis«.26 Sie wurde des weiteren 1276/1278 als »platea Bodonis« erwähnt und ist nach der Familie Bode, welche am Anfang der Straße wohnte benannt. Bei dieser Familie und den weiteren Bewohnern der Straße handelte es sich wahrscheinlich um sehr wohlhabende Kaufleute, wie die Bürgerhäuser belegen. Denn in der Zeit von 1310 - 1342 werden im zweiten Stadtbuch »domus lapidae« 19 Steinhäuser genannt, die mit Abstand meisten dieser Zeit.27
Anfang des 14. Jahrhunderts, genauer 1303, taucht der Familienname zum letzten Mal auf. 1323 wird sie in der latinisierten Form »platea nun-ciorum« unter Bezug auf Boten oder Ratsdienern (nuncii), den »ridenden und ganden baden«, be-schrieben und aus der »Bodestrate«, »Badenstrade« wurde die Badenstraße. Das einst an der Ecke zur Wasserstraße stehende Badentor wurde 1877 auf Ratsbeschluss hin abgerissen.
Die Mauerstraße verlief westlich, entlang der einstigen Stadtmauer, noch innerhalb der Stadt und die Wasserstraße östlich, entlang der einstigen Stadtmauer zur Seeseite hin. Diese erhielt ihren Namen 1858. Die Wasserstraße war neben der Ossenreyerstraße eine sehr beliebte Einkaufs-straße.
Zudem besaß Stralsund zehn Stadttore. Einige wurden bereits vor der eigentlichen Stadtmauer, welche erst Ende des 14. Jahrhunderts fertig gestellt wurde, errichtet. Die Anlage der Tore erfolg-te als Innentor bzw. Landtor (zur Stadt hin errichte-te Tore) und Außentor bzw. Wassertor (zur Seeseite Stralsunds errichtete Tore). Zwischen diesen befand sich ein Gang (Zwinger), der zum Außentor hin brei-ter wurde. Dieser Gang wurde zumeist leicht wink-lig angelegt, um ein Durchschießen durch die geöff-neten Tore zu verhindern. Zu den Stadttoren gehör ten weitere Bestandteile wie Zugbrücken, Sperr-ketten und hölzerne, eisenbeschlagene Torflügel, die nachts und im Verteidigungsfall schnell ge-schlossen werden konnten. Die Stadttore standen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang offen. Die Räume in den Stadttoren wurden den Kaufleuten verpachtet - diese lagerten hier ihre Waren - um notwendiges Geld zur Instandhaltung der Stadt-befestigungen zu erhalten. Heute sind nur noch zwei der Stadttore (beides Innentore bzw. Landtore) erhalten. Diese sind das Kniepertor und das Kütertor.
[...]
1 Ewe, Herbert (Hrsg.): Geschichte der Stadt Stralsund: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund, Bd. X; Weimar. 1984, S. 10.
2 Die Handelsstraßen, welche von Lübeck nach Rostock ins Odermündungsgebiet verliefen, kreuzten sich mit dem von Demmin und Tribsees nach Rügen gerichteten Verkehrswegen. Eine der wichtigsten Handelsstraßen war wohl die »via regia«. Außerdem existierte bereits seit wendischer Zeit eine Fährstelle nach Rügen. (Ewe, Weimar, 1984)
3 Dieses Buch enthält u. a. Eintragungen wie Rechts- und Schuldgeschäfte aus den Jahren 1270 - 1310, sowie das städti-sche Einnahmeregister von 1278 - 1308 und ist in lateinischer Sprache verfasst. (Ewe, Weimar, 1984, S.195.)
4 Die Bezeichnung »forum anticuum« für den Alten Markt taucht erstmals 1288 in schriftlichen Quellen auf. Er war der Mittelpunkt des städtischen Lebens und diente als Zentrum des Handels innerhalb der Stadt. Das wichtigste Gebäude am Alten Markt war das Rathaus. (Hansestadt Stralsund(Hrg.): Illustrierte Denkmalliste, Stralsund 1999, S. 62.)
5 Diese Bezeichnung taucht zum ersten mal im Stadtkataster von 1789 auf und beruht vermutlich auf einer Fehlinterpreta-tion der Bezeichnung »plunde, plunne«. Dies bedeutete soviel wie »schlechtes oder altes Zeug/Gerümpel« und war der gängi-ge Begriff für alte Kleider. Der Verfertigter des Katasters hielt den Begriff »plunne« vielmehr für das ähnlich lautende Wort »plonnie«, der niederdeutschen Form für »Appolonia«. (Hanse-stadt Stralsund (Hrg.): Illustrierte Denkmalliste, Stralsund 1999, S.14.)
6 Mit Pape oder auch Pfaffe bezeichnete man früher die Geistlichkeit. Diesen Namen führten einige Zeit zwei Parrallel-straßen gleichzeitig. Seit 1446 wurde der Straßenabschnitt zwi-schen heutiger Filterstraße und Jakobiturmstraße Papenstraße genannt. (Hansestadt Stralsund(Hrg.): Illustrierte Denkmalliste, Stralsund 1999, S. 62.)
7 Kroll, Stefan; Pápay, Gyula: Wohnen und Wirtschaften in Stralsund um 1700. Ein Historisches Stadtinformationssystem. In: Krüger, Kerstin; Kroll Stefan; Pápay, Gyula (Hrsg.): Stadt-geschichte und Historische Informationssysteme. Der Ostsee-raum im 17. und 18. Jahrhundert, Beiträge des wissenschaft-lichen Kolloquiums in Rostock vom 21. und 22. März 2002, Münster 2003.
8 Hansestadt Stralsund (Hrg.): Stadtbildplanung, 2. Auflage, Stralsund April2 001, S. 9.
9 Ewe, Herbert, Das alte Stralsund. Kulturgeschichte einer Ostseestadt, 2. Auflage, Weimar 1995, S. 80.
10 Lübisches Baurecht: Bestandteil des lübischen Stadtrechts sind die Verordnungen über das Baurecht, dessen ursprüng-licher Leitgedanke die Feuerverhüttung durch Ziegel - an Stelle von Holzbau in der Stadt war. Insbesondere aber die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisbare Baufluchtvorschrift ist für die Grundrisse und das Bild einer mittelalterlichen Stadt mit von entscheidender Bedeutung. Die Fluchtlinie, hauptsächlich festgelegt, um Behinderungen im Straßenverkehr zu vermeiden, wies den Straßen ihren gleichmäßigen Zug und den Grundstücken ihre Begrenzung zu. ( ) Bauliche Neuerungen aller Art, durften dabei nicht von an gleicher Stelle zuvor vor handenen abweichen. Darin liegt wohl der wichtigste Grund für die Unveränderlichkeit des Mittelalterlichen Stadtbilds. (Ewe, Herbert (Hrsg.): Geschichte der Stadt Stralsund: Veröffentli chungen des Stadtarchivs Stralsund, Bd. X; Weimar. 1984.)
11 ;ko Ewe, Herbert: Das alte Stralsund: Kulturgeschichte einer Ostseestadt, 2. Auflage, Weimar 1995; S. 22; vgl. auch Kulessa, 2003, S. 38.
12 Nähere Informationen dazu von Hacker, Hans -Joachim. S. 193 ff und Kusch, Reinhard 222 ff. In: Ewe, Herbert (Hrsg.): Geschichte der Stadt Stralsund. Veröffentlichungen des Stadt-archivs Stralsund, Bd. X, Weimar. 1984.
14 Im Interesse eines vereinfachten Postverkehrs wurde diese Maßnahme durchgeführt. Dabei verschwanden ca. 70 Namen, welche meist Teilabschnitte einzelner Straßenzüge bezeichne-ten. Auch die Nummerierung der einzelnen Straßen wurde ver-ändert. Denn bis dahin wurden die Hausnummern durch ganze Stadtviertel fortlaufend gezählt. (Ewe, Herbert: Geschichte der Stadt Stralsund: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund, Bd. X; Weimar. 1984, S. 261 f., Abb. 150)
15 Dehio, Georg. Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg -Vorpommern. Berlin 2000. S.579 (Stralsund ab S. 576-629)
16 Die historischen Städte Stralsund und Wismar; Welterbean-trag, Antrag der historischen Altstädte Stralsund und Wismar auf Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO (deutsche Fassung des im Dezember 2000 eingereichten Auftrags); S. 126.
17 Deutsche Bauakademie (Hrsg.), 1958: Die Altstadt von Stralsund. Untersuchungen zum Baubestand und zur Städte-baulichen Benkmalpflege. In: Die historischen Städte Stralsund und Wismar; Welterbeantrag, Antrag der historischen Altstädte Stralsund und Wismar auf Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO (deutsche Fassung des im Dezember 2000 eingereich-ten Auftrags); S.120
18 Die historischen Städte Stralsund und Wismar; Welterbean-trag, Antrag der historischen Altstädte Stralsund und Wismar auf Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO (deutsche Fas-sung des im Dezember 2000 eingereichten Auftrags); S. 128 ff.
19 Die Altstadtinsel Stralsund. Illustrierte Denkmalliste. Die Baudenkmale der Altstadt in Text und Bild, Stralsund 1999, S.72.
20 Brüggemann, Stefanie: Der Stralsunder Kellerplan, Erste Ergebnisse einer systematischen Erfassung. In: Grossmann, G. Ulrich; de Vries J. Dirk; Freckmann Klaus; Klein Ulrich: Histori-scher Hausbau zwischen Elbe und Oder; Jahrbuch für Hausfor-schung Band 49, Arbeitskreis für Hausforschung e. V. (Hrsg.) Marburg, 2002, S. 275.
21 Vgl. dazu Kapitell 2.1.4 Anm. 14, S. 17
22 Diese Straße zählte im Mittelalter wohl mit zu den wichtigsten Straßen und wurde nach der dort ansässigen Familie Knep benannt. 1295 taucht sie unter der Bezeichnung »Knepstrate« urkundlich auf. Nach ihr wurde das 1293 erstmals erwähnte Kniepertor benannt. (Die Altstadtinsel Stralsund. Illustrierte Denkmalliste. Die Baudenkmale der Altstadt in Text und Bild, Stralsund 1999, S.40)
23 Diese Straße ist bereits um 1270 urkundlich nachgewiesen.Sie führt auf den Platz zu, von dem aus der Fährverkehr nach Rügen erfolgte. An diesem Platz kreuzten sich drei große Verkehrsstraßen, welche zu den im Mittelalter sehr ergiebigen Heringsfanggebieten führten. (Vgl. Anm. 22, S. 22)
24 Diese Straße ist bereits 1279 nachgewiesen und nach der bedeutenden und mächtigen Familie Semlow benannt. Bereits1256 ist ein Johannes von Semlow im Stralsunder Rat benannt.((Vgl. Anm. 22, S. 68) sowie Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Mecklenburg-Vorpommern. Berlin 2000. (Stralsund ab S. 576-629) S. 577)
25 Zu den einzelnen Grundstücken innerhalb der Badenstraße siehe: Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg - Vorpommern: Vorpommersche Küstenregion: Mit Stralsund, Greifswald,Rügen und Usedom/bearb. von der Abteilung Forschung undDokumentation durch Gerd Baier, Horst Ende, Beatrix Dräger,Dirk Haudorf und Brigitte Oltmanns; Mit Aufnahmen voknThomas Helms und Achim Börefür, 1. Auflage 1995; S.176 - 179 und Die Altstadtinsel Stralsund: Illustrierte Denkmalliste;Die Baudenkmale der Altstadt in Text und Bild1, Stralsund 1999: S. 15-18
26 Die Altstadtinsel Stralsund. Illustrierte Denkmalliste. Die Baudenkmale der Altstadt in Text und Bild, Stralsund 1999.
27 Brüggemann, Stefanie, Der Stralsunder Kellerplan, Erste Ergebnisse eier systematischen Erfassung: In: Grossmann, G.Ulrich; de Vries J. Dirk; Freckmann Klaus; Klein Ulrich: Historischer Hausba zwischen Elbe und Oder; Jahrbuch für Hausforschung Band 49, Arbeitskreis für Hausforschung e.V. (Hrsg.) Marburg, 2002, S. 274.
- Quote paper
- Swen Krause (Author), 2006, Nutzungs- und Gestaltungskonzeption für eine Lückenschließung in der Stralsunder Altstadt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92805
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