Gehen Sie regelmäßig zur Wahl? Oder haben auch Sie sich schon einmal gefragt, ob man nicht mit anderen Formen politischer Partizipation dem Klimawandel, der Umweltverschmutzung und sozialen Missständen wie der Ausbeutung von Arbeitskräften viel besser „den Kampf ansagen“ kann? Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, dem es in jeder Hinsicht lohnt mehr als nur einen Gedanken zu widmen: den Lifestyle of Health and Sustainability, kurz: LOHAS.
Sie haben noch nie von diesem Trend gehört? Das ist kein Wunder! Nicht umsonst beschreibt Paul Ray, der „Entdecker“ dieser neuen Subkultur, die LOHAS folgendermaßen: „The Cultural Creatives are a coherent subculture – except for one thing: they are missing self-awareness as a whole people: […] they are like a nation that emerged overnight” . Und die amerikanische Autorin Patricia Aburdene stellt in ihrem Buch „Megatrends 2010“ die LOHAS-Ökonomie als “the biggest market you never heard of” vor. Wer also sind diese LOHAS?
Dies möchte ich Ihnen in dieser Arbeit vorstellen und weiter auf meine Forschungsfrage eingehen, die da lautet „Was kann der Lifestyle of Health and Sustainability in seiner Eigenschaft als politische Konsumform zur politischen Partizipation in Deutschland beitragen?“ Meine These dazu ist folgende: Ich gehe davon aus, dass der Lifestyle of Health and Sustainability in den nächsten Jahren als Trend und Subkultur immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Dies, so vermute ich weiter, wird die Wirtschaft nach und nach in ökologischer und sozialer Weise positiv verändern, so dass mit Blick auf die LOHAS von einer wirkungsvollen Weise politischer Partizipation gesprochen werden kann, die zu langfristigen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen führen wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. LOHAS: Lifestyle of Health and Sustainability
2.1 Definition und Werte der LOHAS
2.2 LOHAS-Märkte
2.3 Ausblick: Die Wirtschaft der Zukunft
3. Kritik
3.1 Selbst schuld!
3.2 Nachhaltigkeit aus Egoismus
3.3 Die Gefahr: Der Glaubwürdigkeitsverlust der Bio-Branche
4. Political Consumersim
4.1 Definition „Political Consumerism“
4.2 Analytische Kategorien
4.3 Instrumente des Political Consumerism
4.3.1 Kampagnen
4.3.2 Boykott und Buykott
5. Political Consumerism als effektive Form politischer Partizipation ?
5.1 Definition „politische Partizipation“
5.2 Politisierung des Konsums
5.3 Die Verbraucheröffentlichkeit aus Sicht von Beetz
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
Gehen Sie regelmäßig zur Wahl? Oder haben auch Sie sich schon einmal gefragt, ob man nicht mit anderen Formen politischer Partizipation dem Klimawandel, der Umweltverschmutzung und sozialen Missständen wie der Ausbeutung von Arbeitskräften viel besser „den Kampf ansagen“ kann? Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, dem es in jeder Hinsicht lohnt mehr als nur einen Gedanken zu widmen: den Lifestyle of Health and Sustainability, kurz: LOHAS[1]. Sie haben noch nie von diesem Trend gehört? Das ist kein Wunder! Nicht umsonst beschreibt Paul Ray, der „Entdecker“ dieser neuen Subkultur, die LOHAS folgendermaßen: „The Cultural Creatives[2] are a coherent subculture – except for one thing: they are missing self-awareness as a whole people: […] they are like a nation that emerged overnight”[3]. Und die amerikanische Autorin Patricia Aburdene stellt in ihrem Buch „Megatrends 2010“ die LOHAS-Ökonomie als “the biggest market you never heard of”[4] vor. Wer also sind diese LOHAS?
Dies möchte ich Ihnen in dieser Arbeit vorstellen und weiter auf meine Forschungsfrage eingehen, die da lautet „Was kann der Lifestyle of Health and Sustainability in seiner Eigenschaft als politische Konsumform zur politischen Partizipation in Deutschland beitragen?“ Meine These dazu ist folgende: Ich gehe davon aus, dass der Lifestyle of Health and Sustainability in den nächsten Jahren als Trend und Subkultur immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Dies, so vermute ich weiter, wird die Wirtschaft nach und nach in ökologischer und sozialer Weise positiv verändern, so dass mit Blick auf die LOHAS von einer wirkungsvollen Weise politischer Partizipation gesprochen werden kann, die zu langfristigen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen führen wird.
Um diese Fragestellungen zu beantworten und meine These zu überprüfen, werde ich in Kapitel 2 zunächst den Trend des Lifestyle of Health and Sustainability vorstellen. Dabei lasse ich mich von der Studie „Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert“ des deutschen Zukunftsinstitutes leiten und werde mich hauptsächlich mit dem LOHAS-Trend in Deutschland beschäftigen, womit ich den ebenso boomenden Trend in Nordamerika und Asien größten Teils ausklammere. Da Märkte die politischen Handlungsräume der LOHAS sind, werde ich daraufhin auch auf diese eingehen. In Kapitel 3 komme ich dann auf die an dem Trend geübte Kritik zu sprechen, bevor ich mich in Kapitel 4 mit Political Consumerism auseinandersetzen werde. Hier werde ich Political Consumerism definieren und auf dessen wichtigste Instrumente eingehen, um zum Verständnis einer politischen Konsumform wie die der LOHAS beizutragen und um auf das fünfte und letzte Kapitel überzuleiten, in dem ich mir die Frage nach Political Consumerism als effektive Form politischer Partizipation stellen werde.
2. LOHAS: Lifestyle of Health and Sustainability
2.1 Definition und Werte der LOHAS
Die Abkürzung LOHAS steht für Lifestyle of Health and Sustainability, was einen sich auf Gesundheit und Nachhaltigkeit gründenden Lebensstil meint. Anhänger dieses Trends beschäftigen sich in einem überdurchschnittlichen Maße mit ökologischen und sozialen Themen. Ihre politische Meinung zu diesen Themen, welche von Umweltverschmutzung über den Klimawandel bis hin zu einer Vielzahl von Menschenrechten reichen, drückt sich in ihrem Konsumverhalten aus, mit welchem sie politischen Druck aufbauen, um so die nationale und internationale Wirtschaft zu beeinflussen. Eine enorme Bedeutung spielen dabei die Werte der LOHAS, auf welche sich ihr Handeln gründet. Auf diese werde ich deshalb unten stehend genauer eingehen.
Erstmals dokumentiert findet sich der Lifestyle of Health and Sustainability (LOHAS) unter dem Namen „Cultural Creatives“ in dem gleichnamigen Buch von Paul Ray und Sherry Ruth Anderson aus dem Jahr 2000[5]. Schon im Untertitel des Buches, welches sich ausschließlich auf die Vereinigten Staaten von Amerika bezieht, schwingt die Tragweite des Trends mit: „How 50 million people are changing the world“. Dies bedeutet, dass der LOHAS-Trend knapp ein Viertel der gesamten US-Bevölkerung über 15 Jahre betrifft[6]. Die ebenfalls amerikanische Autorin Patricia Aburdene fasst LOHAS unter dem Begriff der „Values-Driven Consumers“ oder der „Conscious Consumers“ zusammen[7]. Aburdene geht im Jahr 2007 sogar von Schätzungen aus, die 63 Millionen Amerikaner zu den LOHAS zählen. Ebenso wie Ray, betont auch Aburdene, dass sich diese „neuen“ Konsumenten in ihrem Einkaufsverhalten sehr stark von Werten leiten lassen. So lasse sich ein „Values-Driven Consumer“ wie folgt erkennen: „If values, more than income, demographics, geography or other factors, profoundly influence your choice at the cash register, whether you purchase fair trade coffee, solar panels or that new Honda hybrid, you’re a Conscious Consumer”[8]. Schon hier zeigt sich, dass sich der Lifestyle of Health and Sustainability nur ungenügend in soziodemographischen Kategorien fassen lässt. So stellt auch die vom deutschen Zukunftsinstitut herausgegebene Studie „Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert“ fest, dass sich LOHAS weder in Alterskohorten noch in Schichten oder gar Milieus einordnen lassen[9]. Weiter stellt die auf Deutschland bezogene Studie fest, dass die Vorreiter der LOHAS in der Regel aus der akademischen Elite stammen, der Trend sich jedoch nicht ausschließlich auf höhere Bildungsschichten bezieht. Auch seien LOHAS weder Neo-Alternative noch „Neo-Ökos“, da sie „jenseits von Subkulturen sowie außerhalb ideologischer Welterklärungsmodelle und Glaubensbekenntnisse“[10] lebten. Schon im Jahr 2000 ging der oben erwähnte Paul Ray auf das Phänomen, LOHAS nicht demographisch fassen zu können, ein und brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „They are simply not homogeneous demographically“[11].
Die Autoren der Studie des Zukunftsinstitutes Dr. Eike Wenzel, Anja Kirig und Christian Rauch sagen voraus, dass LOHAS die existierenden Märkte hochgradig verändern werden[12]. Zustande komme dieser Wandel aufgrund der Individualisierung der Gesellschaft, dem Wertewandel derselben sowie der Entwicklung der „New Work“, d.h. dem veränderten Verhältnis von Arbeit und Freizeit. Im Folgenden möchte ich jedoch nur auf den Wertewandel genauer eingehen, da dieser besonders charakteristisch für den Lifestyle of Health and Sustainability ist. Von der traditionellen Pflichtkultur der 1950er und 1960er Jahre über die Werteskepsis und Modernisierung der 1968er und ihren Folgen hin zur Werte-Renaissance von heute, haben sich die Werte vielfach verändert. Während in der Mitte des 20. Jahrhunderts die gesellschaftlichen Werte durch den Staat, die Religion und die Familie aufoktroyiert wurden, stellte die 68er-Bewegung diese früheren Werte in Frage. Mit der Werte-Renaissance erleben Staat, Religion und Familie ein Revival. Werte wurden konsumierbar, was heute deutlich an den LOHAS zu sehen ist.[13]
Paul Ray beschrieb als erster die Werte, welche die LOHAS ausmachen. In seinem schon oben erwähnten Buch gibt er seine seit den 1980er Jahren gewonnenen Erkenntnisse über die „grüne“ Subkultur wieder. So sei Authentizität, d. h. die Übereinstimmung des Handelns einer Person mit den Dingen, an die sie glaubt bzw. die sie äußert, ein sehr hoher Wert der LOHAS[14]. „The people in this new subculture prefer to learn new information and get involved in ways that feel most authentic to them”[15]. D.h., sie legen Wert auf persönliche Erfahrungen von sich selbst und von anderen. Gleichzeitig möchten sie jedoch auch das Ganzheitliche, Ray nennt es „the big picture“, sehen. „They synthesize many bits and fragments of information from the media to make their own big picture, often using the perspective of whole systems and ecology“[16]. Ebenso, wie sie das Ganzheitliche wahrnehmen wollen, geht es ihnen auch um Handeln in einem ganzheitlichen Prozess. Ray nennt dies in Anlehnung an Margaret Mead den „whole process“, d.h., die LOHAS wollen Teil bei der Erschaffung eines Anfangs, einer Mitte, eines Endes und eines neuen Anfangs sein[17]. Außerdem geht es ihnen um eine persönliche Beteiligung in diesem ganzheitlichen Prozess. So seien ihnen dann auch, so Ray weiter, direkte, persönliche Erfahrungen sehr wichtig. „Many are convinced that if they are not engaged, their convictions are ‚just talk’. They express more idealism and altruism, and less cynicism, than other Americans”[18]. Weiterhin beschreibt Ray LOHAS als Menschen, deren große Sorge der Zustand der globalen Umwelt und dem Wohlbefinden der Menschen, die darin leben, gilt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er zu folgender Einschätzung kommt: „Cultural Creatives are the key opinion leaders of the growing movement beyond ordinary environmental concerns to a concern for ecology and for making a new way of life sustainable over the long run”[19]. Viele der Themen, die das Wertesystem der LOHAS prägen, lassen sich als so genannte „women’s issues” deklarieren. So kommt auch Ray darauf zu sprechen, dass LOHAS weibliche Verhaltensweisen als „gültig“ anerkennen. Beispielsweise sei die Art und Weise, wie Frauen Sympathie und Empathie gegenüber anderen ausdrückten, wie sie die Sichtweise ihres Dialogpartners einnähmen oder wie sie persönliche Erfahrungen schätzten bezeichnend für LOHAS. So sei es auch nicht verwunderlich, so Ray, dass 60 Prozent der LOHAS in den USA Frauen seien. Doch könne man LOHAS nicht nur nach Geschlecht aussagekräftig aufteilen, auch könne man zwischen „Core Cultural Creatives“ und „Green Cultural Creatives“ unterscheiden, so der Entdecker der LOHAS. Das ausschlaggebende Unterscheidungsmerkmal sei hier die Intensität der Werte und Glaubensgrundsätze der jeweiligen Gruppe. Dabei zählte zu dem Kern der Gruppe (Core Group) vor allem der kreative Teil der LOHAS, welcher knapp die Hälfte der Anhänger des „grünen“ Lifestyles ausmacht. Dies seien die höher Gebildeten, die größeren Wert auf ökologischen Aktivismus, persönlichen Wachstum, Spiritualität und altruistisches Handeln legten als die Green Cultural Creatives. Diese seien im Vergleich dazu eher säkular und extravertiert. „Their values are centered on the environment, relationships, and social issues, and they often regard nature as sacred“[20]. Obwohl sie sich nur mit „grünen” Themen auseinandersetzten, so Ray, meine dies nicht, dass sie dies mehr oder intensiver täten als die Core Group. Auffällig sei lediglich, dass sie absolut durchschnittliche Interessen auf dem Gebiet der Spiritualität, Psychologie und personenbezogenen Werten hätten.
Neben all den Dingen, die die LOHAS befürworten, gibt es natürlich auch eine ganze Reihe von Dingen, die sie ablehnen. Ray hat dies wunderbar zusammengefasst: „They are disenchanted with ‚owning more stuff’, materialism, greed, me-firstism, status display, glaring social inequalities of race and class, society’s failure to care adequately for elders, women, and children, and the hedonism and cynicism that pass for realism in modern society. They also reject the intolerance and narrowness of social conservatives and the Religious Right. They are critical of almost every big institution in modern society, including both corporations and government”[21]. Wie schon oben erwähnt, legen LOHAS großen Wert auf persönliche Erfahrungen und das Gesamtbild einer Sache. So lehnen sie weiterhin folgerichtig auch engstirnige oder allzu aufgedunsene Berichterstattungen der Medien ab, die nicht ihre eigenen Erfahrungen widerspiegeln.
Zusätzlich zu dem hohen Stellenwert der Werte im Lifestyle of Health and Sustainability betont die LOHAS-Studie des Zukunftsinstitutes das hybride „Sowohl-als-auch“, welches charakteristisch für den Lebensstil ist. So nennen die Autoren der Studie mehrere Beispiele. LOHAS seien technikaffin und hätten dennoch einen intensiven Naturbezug. Sie verbänden ebenso Gesundheit und Genuss wie Wirklichkeitsbezug und Spiritualität und sähen keinen Widerspruch in einem selbstbezogenen und gleichzeitig gemeinwohlorientierten Leben. Auch seien sie durchaus modern, aber dennoch wertebewusst, ebenso anspruchsvoll, lehnten jedoch Statusluxus ab und seien trotz ihrer Individualität nicht elitär[22]. Wie wir in Kapitel 3 noch sehen werden, geraten LOHAS jedoch oft gerade wegen eben dieser „Kompromisslosigkeit“ und den auf den ersten Blick offensichtlich scheinenden Widersprüchen in die Kritik.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Lifestyle of Health and Sustainability ist ein Trend, der sich vor allem in der westlichen Welt, aber auch immer mehr im asiatischen Raum durchsetzt. Über Jahrzehnte (Ray bezieht sich auf seine seit den 1980er Jahren durchgeführte Forschung!) hat sich dieser Lebensstil fast unwahrgenommen entwickeln können und wird dies nun auch im stärkeren Fokus der Öffentlichkeit weiterhin tun. LOHAS sind eine „grüne“ Lifestyle-Avantgarde, die sich vornehmlich mit ökologischen und sozialen Themen auseinandersetzt und vor allem auch ihre Vorstellungen von einem gesunden, genüsslichen und gerechten Leben mit Hilfe monetärer Leistungen umsetzt. Dabei berufen sie sich auf einen ausgeklügelten Wertekatalog, der durchaus auch scheinbar Widersprüchliches in sich vereint.
2.2 LOHAS-Märkte
Nachdem ich den Lifestyle of Health and Sustainability vorgestellt habe, möchte ich nun auf die ökonomische Seite des Trends eingehen. Denn nicht zuletzt ist der Begriff LOHAS auch eine Bezeichnung des Marketings für eine ökologisch und sozial orientierte Zielgruppe, oder anders gesagt, für ein „grünes“ Marktsegment und somit eine Verdienstchance für zukunftsorientierte Unternehmen. In der Studie „Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert“[23] beschreiben die Autoren des Zukunftsinstitutes Dr. Eike Wenzel, Anja Kirig und Christian Rauch wie einzelne Märkte in Deutschland durch die LOHAS verändert werden[24]. So stellen die Autoren sieben Märkte vor, die schon jetzt aber auch in Zukunft von den LOHAS beeinflusst werden. Zu diesen Märkten zählten die Lebensmittelbranche, die Bekleidungsbranche, die Gesundheitsbranche, die Designbranche, die Tourismusbranche, die Sport- und Freizeitbranche sowie die Medienbranche.
Die Lebensmittelbranche, so die Autoren der Studie, zählt zu den wichtigsten LOHAS-Märkten überhaupt. So entstünden in Folge des LOHAS-Trends unternehmerische Kooperationen, die vor kurzem noch undenkbar schienen: der Fastfood-Riese McDonald’s verkauft Bio-Milch und die wegen ihrer Mitarbeiterpolitik kritisierte Discounter-Kette Lidl Bio- und Transfair-Produkte sowie das Greenpeace-Magazin. In der Lebensmittelbranche spiele vor allem auch die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Unternehmen und ihrer Produkte eine große Rolle, da immer mehr Verbraucher sich – nicht zuletzt aufgrund der sich häufenden Lebensmittelskandale – mehr Gedanken um die Qualität ihrer Nahrungsmittel machten. So sei auch der Trend hin zur Regionalität, d.h. zu lokalen Anbietern (z.B. Hofläden auf Bauernhöfen), mit der Skepsis gegenüber Großkonzernen und Billiganbietern zu erklären. Wichtig sei jedoch, dass sich LOHAS nicht ausschließlich von lokalen Produkten ernährten sondern eine Hybridform zwischen lokalen und globalen Produkten präferierten. Bei der Auswahl der Produkte achteten die stets auf eine hohe Genussqualität und wählten Produkte, die ihnen ein gutes Gewissen verschafften, ohne dabei auf etwas verzichten zu müssen. LOHAS beschrieben das „Ende der puritanischen Enthaltsamkeit: Genuss wird inszeniert und zelebriert“[25], so die Autoren der Studie. Da LOHAS ungern Kompromisse eingehen, ist die Revolutionierung des Marktes für Zeitspar- und Convenience-Produkte nur eine logische Folge. „Das Bewusstsein der Verbraucher für Convenience-Food unterliegt derzeit einem starken Wandel – weg vom Junkfood ohne Nährwerte hin zu qualitativ hochwertigen, gesunden und gut schmeckenden Fertiggerichten“[26]. Aber nicht nur Convenience-Produkte boomen, auch die Bio-Lebensmittelbranche verzeichnet von Jahr zu Jahr mehr Umsatz und soll der Studie zufolge noch weiter wachsen.
Doch nicht nur in der Lebensmittelbranche werden Qualität und Herkunft immer wichtiger, auch die Bekleidungsbranche stellt sich um, so die weitere Aussage der Studie. Gerade prominente Persönlichkeiten wie Leonardo DiCaprio, Meryl Streep oder Bono brächten den neuen „Öko-Chic“ zum Mainstream. Dabei befinde sich der gemeine LOHAS-Anhänger in einem tiefen Gewissenskonflikt: „Einerseits sind sie [die Verbraucher] es seit der globalen Präsenz von Billig-Ketten wie H&M, Zara oder Mango gewohnt, sich mehrfach im Jahr neu einzukleiden. Andererseits möchten sich die Fashion Victims verantwortungsbewusst verhalten und ihren Mode-Jieper nicht auf Kosten von Ressourcen und Arbeitskräften stillen“[27]. Dass in Europa „Öko-Mode […] jahrzehntelang ein Synonym für unförmige Kleidung aus sackartigem Leinen- oder Hanfstoff in ‚Naturtönen’ wie Beige, Rostbraun oder Senfgelb und ein reines Nischenprodukt war“[28], mache sich in der Bekleidungsbranche nun verstärkt bemerkbar. Nur langsam ändere sich hierzulande das Bewusstsein für sozial und ökologisch korrekt produzierte Kleidung. Vor allem müssten die Kleidungsstücke modisch sein, was große Markenfirmen dazu brächte eigene Fashion-Labels in dieser Branche zu etablieren[29]. Jüngere Unternehmen verkauften ihre Produkte vor allem mittels e-Commerce, was die Stellung des Internets als wichtigstes Medium beim ethischen Einkaufen bestärkt.
Auch im Bereich der Gesundheit zeigt die Studie neue Trends auf. So werde die eigene Verantwortung für die physische und psychische Gesundheit immer wichtiger. „Gesundheit ist nicht mehr nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern wird für das Individuum zu einem Ziel, dem er [sic!] sich schrittweise anzunähern versucht“[30]. Gerade die Lebensmittel- und Gastronomie-Branche müsse sich den neuen Ansprüchen der Verbraucher anpassen. Tut sie dies, prophezeit die Studie jedoch auch satte Gewinne. Doch nicht nur die Lebensmittel- und Gastronomie-Branche profitiere von dem LOHAS-Trend, auch Health- and Beauty-Salons seien auf der Gewinnerseite. Alles in allem seien sie DIE Zutaten für eine ausgeglichene Work-Life-Balance und damit der Schlüssel zum Lifestyle of Health and Sustainability.
LOHAS lieben Design und deshalb machen sie auch vor der Ästhetik unserer Lebensräume nicht halt. In der Architektur spräche man vom Motto des „Building Green“, so die LOHAS-Studie. So entstünden begrünte Dächer und Wände, würden natürliche Baustoffe immer öfter verarbeitet und kämen alternative Formen der Energiegewinnung immer häufiger zum Einsatz. Doch nicht nur die Häuser der LOHAS erhielten in Zukunft ein neues Design. Auch Produkte und deren Verpackungen müssten sich, sofern sie von LOHAS gekauft werden sollen, einem Trend hin zum ökologischen Design unterwerfen. Kurzum, LOHAS schätzen die Vereinbarkeit aus Ethik und Ästhetik.
Wie bei der Bekleidung befinden sich LOHAS auch in der Tourismusbranche in einem Dilemma. Auf der einen Seite möchten sie möglichst nachhaltig und ökologisch ihren Urlaub verbringen. Auf der anderen Seite zieht es sie in ferne Länder. LOHAS, die trotz ökologischer Überzeugung in ein Flugzeug stiegen, überwiesen deshalb einfach einen, nach bestimmten Kriterien berechneten, Betrag an einen der vielen Klimaschutz-Fonds[31], so die Studie des Zukunftsinstitutes. Der eigentliche Urlaub der LOHAS stünde dann ganz im Zeichen des „sanften Tourismus“ und stelle hohe Ansprüche an den Service, Stil und Luxus des Urlaubszieles. Reiseveranstalter, Autovermietungen und Hotels seien gefragt den LOHAS eine ökologisch korrekte Variante ihres Angebots zu bieten.
Gerade auch im Sport- und Freizeitsektor sind die LOHAS aktiv. Ihr Motto lautet: „Spaßhaben ist kein Tabu, solange es nicht auf Kosten der Gesellschaft und der Umwelt geht“[32]. Außerdem ist Outdoor „in“, denn die LOHAS zieht es in die Natur. Sportbekleidungs- und Sportzubehörhersteller[33] führten verstärkt Produkte aus Naturmaterialen ein, so die LOHAS-Studie. Die „Rückbesinnung auf Natur bedeutet nicht Verzicht auf Ausrüstung und Gadgets. Stattdessen wird die Ausstattung zum ‚Green Equipment’ – und da entsteht ein margenträchtiger Megamarkt“[34].
LOHAS seien medienkritisch, aber informationsaffin, weiß die Studie weiter zu berichten. Und so ist dann auch die Medienbranche, die letzte, die die Autoren näher beleuchten. Neben Büchern und Magazinen nutzten LOHAS vor allem das Internet um sich zu informieren. Aber nicht nur als Informations- sondern auch als Networking-Plattform sei das Internet DAS Medium der LOHAS. Obwohl die Studie „das Comeback des Printmediums“[35] in Form von Lifestyle-Ratgebern feiert, betont sie gleichzeitig, dass Printmedien aus Mangel an Interaktion mittelfristig für die LOHAS eben doch nur die zweite Wahl nach dem Internet sein werden.
[...]
[1] Lifestyle of Health and Sustainability (LOHAS) wird im nachfolgenden Kapitel genauer definiert. Grob gesagt meint der Begriff einen an Gesundheit und Nachhaltigkeit orientierten Lebensstil.
[2] In der Literatur finden sich sowohl Stimmen, die besagen, dass LOHAS und Cultural Creatives ein und dasselbe sind (Wenzel 2007), aber auch andere, die lediglich auf einen Großteil an Überschneidungen hinweisen, jedoch nicht näher auf die Unterschiede eingehen (Aburdene 2007). Da ich mich in dieser Arbeit im Wesentlichen mit der Studie von Wenzel auseinandersetzen werde, werde auch ich keinen Unterschied zwischen LOHAS und Cultural Creatives machen.
[3] Ray, Paul/Sherry Ruth Anderson (2000): The Cultural Creatives. How 50 million people are changing the world. Three Rivers Press: New York. S. 39.
[4] Aburdene, Patricia (2007): Megatrends 2010. The Rise of Conscious Capitalism. Hampton Roads Publishing Company, Inc.: Charlottesville. S. 92.
[5] Siehe Ray, Paul/Sherry Ruth Anderson (2000): The Cultural Creatives. How 50 million people are changing the world. Three Rivers Press: New York.
[6] Vgl. Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 21f.
[7] Vgl. Aburdene, Patricia (2007): Megatrends 2010. The Rise of Conscious Capitalism. Hampton Roads Publishing Company, Inc.: Charlottesville. S. 92f.
[8] Ebd. S. 92.
[9] Vgl. Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 16.
[10] Ebd.
[11] Ray, Paul/Sherry Ruth Anderson (2000): The Cultural Creatives. How 50 million people are changing the world. Three Rivers Press: New York. S. 22.
[12] Um welche Märkte es dabei vor allem geht, lesen Sie in Kapitel 2.2 und 2.3.
[13] Vgl. Grafik des Zukunftsinstitutes: Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 20.
[14] Vgl. Ray, Paul/Sherry Ruth Anderson (2000): The Cultural Creatives. How 50 million people are changing the world. Three Rivers Press: New York. S. 8.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Vgl. Ray, Paul/Sherry Ruth Anderson (2000): The Cultural Creatives. How 50 million people are changing the world. Three Rivers Press: New York. S. 9.
[18] Ebd. S. 10.
[19] Ebd. S. 11.
[20] Ray, Paul/Sherry Ruth Anderson (2000): The Cultural Creatives. How 50 million people are changing the world. Three Rivers Press: New York. S. 14.
[21] Ebd. S. 17.
[22] Vgl. Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 33.
[23] Siehe Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim.
[24] Zu den entsprechenden Märkten in den USA siehe Aburdene, Patricia (2007): Megatrends 2010. The Rise of Conscious Capitalism. Hampton Roads Publishing Company, Inc.: Charlottesville. S. 90ff.
[25] Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 53.
[26] Ebd. S. 54.
[27] Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 59.
[28] Ebd. S. 61.
[29] Die Studie nennt hier u.a. Levi’s, Mavi, Marc O’Polo und H&M.
[30] Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 64.
[31] Die Studie nennt hier Climate Care (www.climatecare.org), Atmosfair (www.atmosfair.de) und den World Land Trust (www.carbonbalanced.org) als gängige Beispiele.
[32] Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 79.
[33] Die Studie nennt hier u.a. Patagonia (www.patagonia.com), Globetrotter (www.globetrotter.de) und Xylon Bikes (www.xylonbikes.com) als Beispiele.
[34] Wenzel, Eike et.al. (2007): Zielgruppe LOHAS – Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Zukunftsinstitut: Klekheim. S. 82.
[35] Ebd. S. 85.
- Quote paper
- Stefanie Aue (Author), 2008, Lifestyle of Health and Sustainability (LOHAS). Eine neue Form politischer Partizipation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92714
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