Die beiden Aspekte, „soziale Herkunft“ und „Studienalltag“ werden in Beziehung zueinander gesetzt und mit Hilfe qualitativer Methoden in dieser Arbeit erforscht. Zuerst wird auf die Kapitaltheorie Pierre Bourdieus eingegangen und eine Forschungsfrage daraus abgeleitet. Bourdieu bildet den Theorierahmen zu dem vorliegenden Forschungsbericht. Das problemzentrierte Interview nach Witzel als Erhebungsmethode, der Feldzugang sowie die Grounded Theorie von Strauss und Corbin als Auswertungsmethode werden im dritten Kapitel theoretisch unter Einbettung von Beispielen erläutert.
Die Bildungsexpansion und der wirtschaftliche Aufschwung in den 60er Jahren hat zu einer Anhebung des Bildungsniveaus geführt. Die nachfolgenden Generationen streben einen höheren Bildungsabschluss an, als die vorherige Generation. Aufstieg soll durch Bildung erfolgen. Bildungstitel haben einen bestimmten Marktwert, dieser verspricht einen sozialen Aufstieg. Beck bezeichnet dies als „Fahrstuhl-Effekt“. Bildlich gesprochen fahren Akteure eine Etage in der sozialen Hierarchie hoch. Dies führt nicht zu einer Verringerung der sozialen Ungleichheiten, diese bleiben bestehen.
Die Zahl der Abiturienten und somit auch der Anteil der Studierenden, die aus nicht akademischen Familien stammen, haben zwar zugenommen, dennoch ist der prozentuale Anteil der Studenten aus „Arbeiterfamilien“ im Verhältnis zu Studenten aus „Akademiker-Familien“ gering. Dahrendorf hat sich schon 1965 mit der Thematik der Arbeiterkinder an deutschen Universitäten beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Anteil der Studenten aus bildungsfernen Familien fünf Prozent. Die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat ermittelt, dass lediglich 23% der Hochschulzugangsberechtigten aus nicht akademischen Familien das Studium aufnehmen, aber 77% der aus Akademiker-Familien. Die Studenten aus bildungsfernen Familien sind nach wie vor in der Minderheit an den Hochschulen. Zum Alltag im Studium gehören nicht nur Besuche von Lehrveranstaltungen, Lernen, Schreiben von Hausarbeiten, Projektarbeit oder Recherche in der Bibliothek, sondern auch die Sicherstellung der Finanzierung des Studiums. Gerade die Finanzierung ist ein wichtiger Aspekt bei der Aufnahme des Studiums. Die Organisation des Alltags ist ein wichtiger Bestandteil, um das Studium zu absolvieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung:
2. Theoretischer Teil
2.1 Kapitaltheorie nach Bourdieu und Herleiten der Forschungsfrage
2.2 Stand der Forschung und Herleiten der Hypothesen
3. Empirischer Teil
3.1 Methoden
4. Ergebnisse
4.1 Modifizierung der Hypothesen
4.2 Beantwortung der Forschungsfrage
5. Fazit
Literarturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung:
Die Bildungsexpansion und der wirtschaftliche Aufschwung in den 60er Jahren hat zu einer Anhebung des Bildungsniveaus geführt. Die nachfolgenden Generationen streben einen höheren Bildungsabschluss an, als die vorherige Generation. Aufstieg soll durch Bildung erfolgen. Bildungstitel haben einen bestimmten Marktwert, dieser verspricht einen sozialen Aufstieg. Beck bezeichnet dies als „Fahrstuhl-Effekt“. Bildlich gesprochen fahren Akteure eine Etage in der sozialen Hierarchie hoch. Dies führt nicht zu einer Verringerung der sozialen Ungleichheiten, diese bleiben bestehen (Beck, 2012, S. 121ff). Die Zahl der Abiturienten und somit auch der Anteil der Studierenden, die aus nicht akademischen Familien stammen, haben zwar zugenommen, dennoch ist der prozentuale Anteil der Studenten aus „Arbeiterfamilien“ im Verhältnis zu Studenten aus „Akademiker-Familien“ gering. Dahrendorf hat sich schon 1965 mit der Thematik der Arbeiterkinder an deutschen Universitäten beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Anteil der Studenten aus bildungsfernen Familien fünf Prozent (Dahrendorf, 1965, S. 5). Die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat ermittelt, dass lediglich 23% der Hochschulzugangsberechtigten, aus nicht akademischen Familien das Studium aufnehmen, aber 77% der aus Akademiker- Familien (Middendorff, Apolinarski, Poskowsky, Kadulla, & Netz, 2013. S. 11ff). Die Studenten aus bildungsfernen Familien sind nach wie vor in der Minderheit an den Hochschulen. Zum Alltag im Studium gehören nicht nur Besuche von Lehrveranstaltungen, Lernen, Schreiben von Hausarbeiten, Projektarbeit oder Recherche in der Bibliothek, sondern auch die Sicherstellung der Finanzierung des Studiums. Gerade die Finanzierung ist ein wichtiger Aspekt bei der Aufnahme des Studiums. Die Organisation des Alltags ist ein wichtiger Bestandteil, um das Studium zu absolvieren. Die beiden Aspekte, „soziale Herkunft“ und „Studienalltag“, werden in Beziehung zueinander gesetzt und mit Hilfe qualitativer Methoden in dieser Arbeit erforscht. Der theoretische Teil dieser Arbeit wird in Kapitel zwei dargestellt. Zuerst wird auf die Kapitaltheorie Pierre Bourdieus eingegangen und eine Forschungsfrage daraus abgeleitet. Bourdieu bildet den Theorierahmen zu dem vorliegenden Forschungsbericht. Des Weiteren wird der Stand der Forschung dargestellt und daraus drei Hypothesen formuliert. Das problemzentrierte Interview nach Witzel als Erhebungsmethode, der Feldzugang sowie die Grounded Theorie von Strauss und Corbin als Auswertungsmethode werden im dritten Kapitel theoretisch unter Einbettung von Beispielen erläutert. Die Interpretation der Forschungsergebnisse findet im vierten Kapitel statt. Das Fazit in Kapitel fünf schließt die Arbeit ab. Zugunsten der leichteren Lesbarkeit, wird auf die Nennung von beiderlei Geschlechtsbezeichnungen in dieser Hausarbeit verzichtet und lediglich die maskuline Schreibweise benutzt, die gleichwertig für beide Geschlechter steht.
2. Theoretischer Teil
2.1 Kapitaltheorie nach Bourdieu und Herleiten der Forschungsfrage
Bourdieus Kapitaltheorie wird für die vorliegende Arbeit als übergeordneter Theorierahmen gewählt. Mit ihr lässt sich die soziale Herkunft und deren Auswirklung auf den Studienalltag erklären. Bourdieu entwickelte angelehnt an Marx Kapitalbegriff in den 1970er Jahren, seine Kapitaltheorie. Er unterscheidet dabei ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital. Ökonomisches Kapital umfasst Besitz, Geld und Wertgegenstände und ist die dominanteste Kapitalart. Unter sozialem Kapital versteht Bourdieu Beziehungen und Netzwerke, die innerhalb der Familie weitergegeben und gepflegt werden müssen, um daraus einen Nutzen erzielen zu können. Besonderes Augenmerk legt Bourdieu auf das kulturelle Kapital und unterteilt es noch in die Untergruppen inkorporiertes, objektiviertes und institutionalisiertes Kulturkapital. Inkorporiertes Kulturkapital bezeichnet die Bildung und das Wissen, das wir uns aneignen. Dies geschieht über die Erstsozialisation in der Herkunftsfamilie, es benötigt Zeit und persönlichen Einsatz, um es zu verinnerlichen und kann nicht käuflich erworben werden. Objektiviertes Kulturkapital sind die Kulturgüter wie Bücher oder Gemälde an sich. Um diese Nutzen zu können, muss inkorporiertes Kulturkapital vorhanden sein. Institutionalisiertes Kulturkapital umfasst die erworbenen schulischen Abschlüsse und Titel (Bourdieu, 2005, S. 49ff.). Bei jedem Individuum setzen sich die Kapitalarten auf verschiedene Art und Weise zusammen. Das daraus resultierende Kapitalvolumen des Einzelnen bestimmt seine Klassenlage und damit verbunden die jeweilig soziale Position. Bourdieu unterscheidet die Herrschende, die Mittelklasse und die Volksklasse. Jede Klasse hat einen bestimmten Lebensstil, Vorlieben und Geschmäcker. Klassenlage und Lebensstile sind über den Habitus miteinander verbunden. Als Habitus bezeichnet Bourdieu die allgemeine Grundhaltung gegenüber der Welt, sprich die Denk- und Handlungsschemata des Individuums, sein Persönlichkeitsprofil. Seine Vorlieben, Geschmäcker und die Art zu sprechen. Am Habitus erkennen sich die Mitglieder einer Klasse, sie haben die gleichen Geschmäcker und Vorlieben. Daraus entwickelt sich der Klassenhabitus, der die unterschiedlichen Lebensstile ausdrückt. Dieser wird durch die Sozialisation erworben, ist veränderbar aber nicht ablegbar. Der Klassenhabitus setzt dem Individuum auch Grenzen für seine Bewegungen im sozialen Raum. Bestimmte Grenzen können nicht überschritten werden, dies trifft auch auf intellektuelle Fähigkeiten zu. Innerhalb der Grenzen kann sich das Individuum frei entwickeln (Bourdieu, 2005, S. 31 ff). Die Klassenzugehörigkeit, somit die soziale Herkunft, prägt das Leben des Einzelnen, insbesondere seine Bildungslaufbahn. Die unterschiedliche Kapitalausstattung hat bereits am Anfang der Bildungslaufbahn große Auswirkungen und verursacht dadurch soziale Ungleichheiten. Schüler aus Familien mit hohem Kapitalvolumen haben andere Grundvoraussetzungen und Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fordern und fördern als Schüler aus unteren sozialen Schichten. Es steht mehr Geld, Zeit und Verbindungen zur Verfügung, um die Bildungslaufbahn mit größtmöglichem Erfolg zu absolvieren. Diese Ungleichheit auf Grund der Kapitalausstattung bleibt während der gesamten Bildungslaufbahn bestehen. Die Ausstattung mit Kapital innerhalb der Familie spielt für die Aufnahme und Bewältigung des Studiums auch eine große Rolle. Aus diesem Grunde eignet sich Bourdieus Kapitaltheorie gut, um hieraus die relevante Forschungsfrage dieser Hausarbeit abzuleiten: Welche Auswirkung hat die soziale Herkunft auf den Studienalltag eines Bildungsaufsteigers aus der Sicht eines First Generation Studenten? In dieser Hausarbeit wird die Definition des Begriffs „ Bildungsaufsteigers“ von Bargel & Bargel (2010, S. 7) übernommen. Bildungsaufsteiger sind demnach alle Personen, deren Eltern keine Hochschule besucht haben. Synonym wird hierfür auch der Begriff „ Arbeiterkind“ oder die aus dem englischen abgeleitete Variante „First Generation Student“ verwendet (Miethe, Boxsen, Grabowsky, & Kludt, 2014, S. 17ff).
2.2 Stand der Forschung und Herleiten der Hypothesen
Soziale Ungleichheiten im Bildungswesen werden schon lange erforscht. Überwiegend beziehen sich diese Untersuchungen auf den Zusammenhang von Leistung und sozialer Herkunft in den primären und sekundären Bildungsbereichen (Büchler, 2012, S. 7). Arbeiterkinder bzw. Bildungsaufsteiger sind eine wenig erforschte Minderheit an deutschen Hochschulen. Dahrendorf hat noch während der Bildungsexpansion auf die Problematik der Arbeiterkinder an deutschen Universitäten aufmerksam gemacht (1965). Doch beziehen sich die meisten Studien über Ungleichheiten an Hochschulen auf die Merkmale Geschlecht, chronische Behinderung oder Migrationshintergrund, weniger auf die Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienverlauf, Studienerfolg oder den Studienalltag (Bargel & Bargel, 2010, S. 5ff). In ihrer Studie „Ungleichheiten und Benachteiligungen im Hochschulstudium aufgrund der sozialen Herkunft der Studierenden“ setzten die Autoren den Fokus auf die Folgen im Studium auf Grund der sozialen Herkunft, explizit auf Chancengleichheit, Diskriminierung, Benachteiligung und Beeinträchtigungen (Bargel & Bargel, 2010, S. 6ff). Die Expertise gibt Hinweise und Anregungen, wie die Chancengleichheit und Fairness im Studium verbessert werden können. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass es kaum Aussagen in diesem Bereich über Studierende mit Migrationshintergrund oder Studierende, die nicht auf direkten Wege über das Gymnasium an die Hochschule gelangt sind, gibt (Bargel & Bargel, 2010, S. 34ff). Theresa Büchler beschäftigt sich in ihrem Arbeitspapier „Studierende aus nicht-akademischen Elternhäusern im Studium“ (2012) damit, welche Faktoren auf Grund der sozialen Herkunft zu Erfolg oder Misserfolg im Studium führen. Sie kommt zu dem Schluss, dass ein Förderbedarf für Bildungsaufsteiger an den Universitäten besteht. Ferner weist sie in dieser Studie daraufhin, dass Untersuchungen über das Zurechtkommen im Studienalltag kaum vorhanden sind und die wenigen Studien hierzu schwerpunktmäßig den finanziellen Aspekt im Auge haben (Büchler, 2012, S. 19). Die Studie „First Generation Students an deutschen Hochschulen“ untersucht die Studiensituation von Bildungsaufsteigern am Beispiel der Initiative „ArbeiterKind.de“. Die Schwerpunkte hier liegen auch im finanziellen Bereich und in der Beratung. Die Studie kommt unter anderem zu dem Schluss, dass ein erhöhter Beratungsbedarf vorhanden ist und die Finanzierung überwiegend durch die Familie, Förderung und Eigenleistung geschieht (Miethe et al., 2014, S 89ff). Auch hier liegt der Schwerpunkt in der Erforschung der finanziellen Situation der Studenten. Die Forschungslücke für diese Arbeit leitet sich aus der Interviewperson ab. Diese entstammt einer Arbeiterfamilie mit Migrationshintergrund und ist nicht auf direktem Weg zum Studium gelangt. Bei der Interwieperson handelt es sich um einen typischen Bildungsaufsteiger aus dem Arbeitermilieu. Ebenso wird mit der Forschungsfrage „Welche Auswirkung hat die soziale Herkunft auf den Studienalltag eine Bildungsaufsteigers aus der Sicht eines First Generation Studenten“ der Aspekt untersucht, wie der Student im Alltag zurechtkommt. Die beiden genannten Punkte sind, wie oben dargestellt, nicht hinreichend erforscht und bilden somit die Forschungslücke, die zur Forschungsfrage führte. Für diesen Forschungsbericht werden drei Hypothesen aus der Literatur abgeleitet. Die Wissenschaftssprache gehört zum Habitus der Akademiker, sie kann im Laufe des Studiums erlernt werden. Wagner bezeichnet dies als „heimlichen Lehrplan“ der Hochschulen (Wagner, 2007, S 62). Die universitäre Sprache ist eine ganz andere als unsere Alltagssprache. Sie ist unpersönlich, kompliziert und bürokratisch. Sie wird als aufgeblasen wahrgenommen. Dies prägt sich in der Schriftform noch weiter aus (Wagner, 2007, S. 50ff). Für Akademiker und ihre Angehörige ist sie Alltag. Es ist daher zu vermuten, dass Studenten aus nicht-akademischen Familien Schwierigkeiten mit dem Sprachgebrauch haben. Daraus ergibt sich die erste Hypothese:
H1: Es wird vermutet, dass Bildungsaufsteiger Schwierigkeiten im Umgang mit der akademischen Sprache an der Universität haben . Der finanzielle Spielraum der Studenten hängt eng mit der sozialen Herkunft zusammen (Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF], 2013, S 23). Studenten aus unteren sozialen Schichten verfügen über weniger ökonomisches Kapital als Studenten aus höherer Schicht, die eher seitens der Familie finanziell unterstütz werden. Die Studienfinanzierung ist somit ein ganz bedeutender Aspekt bei der Bewältigung des Studienalltags, daraus leitet sich die zweite Hypothese ab.
H2: Es wird vermutet, dass Bildungsaufsteiger ihr Studium vermehrt durch Erwerbstätigkeit finanzieren . Die Herkunftsfamilien von Bildungsaufsteigern stehen dem Studium häufig ablehnend gegenüber. Der Student hat keinen Rückhalt in der Familie. Es besteht ein Desinteresse am Studium seitens der Familie (Büchler, 2012, S. 22). Aus dem Aspekt leitet sich die letzte Hypothese ab:
H3: Es wird vermutet, dass Bildungsaufsteigern bei Problemen im Studienalltag Ansprechpartner im familiären Umfeld fehlen .
3. Empirischer Teil
3.1 Methoden
3.1.1 Das problemzentriertes Interview nach Witzel
Die vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit dem Problem der Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienalltag. Das zu untersuchende Problem steht hier im Mittelpunkt. Das problemenzentrierte Interview eignet sich hierfür als Erhebungsmethode, dass es die subjektive Sicht der interviewten Person in Bezug auf das Problem in den Mittelpunkt stellt. Das theoriegenerierende Verfahren des problemzentrierten Interviews lehnt an die Grounded Theory von Strauss und Corbin an. Diese wird unter Punkt 3.1.3 noch näher erläutert. Der Erkenntnisgewinn bei dem problemzentrierten Interview findet durch eine Wechselwirkung zwischen induktiver und deduktiver Vorgehensweise, sowohl im Erhebungs-, als auch im Auswertungsprozess, statt (Witzel, 2000, Absatz 3).
Witzel nennt vier Instrumente für die Durchführung des problemzentrierten Interviews: Kurzfragebogen, Leitfanden, Tonbandaufzeichnung und das Postskriptum. Mit dem Kurzfragebogen werden die Sozialdaten der interviewten Person angefragt. Dies erfolgt vor Beginn des Interviews und kann u.a. auch einen Einstieg in das Gespräch ermöglichen. Auch können diese Daten für die spätere Auswertung des Interviews von Bedeutung sein (Witzel, 2000, Absatz 6). Für das anliegende Interview wird nach dem Beruf der Eltern, der eigene schulische und berufliche Werdegang sowie nach dem Studiengang gefragt (Anhang, S. 22).
Die Tonbandaufzeichnung ermöglicht eine detaillierte Erfassung des Interviews, dieses wird vollständig transkribiert. Die interviewte Personen muss mit der Aufzeichnung einverstanden sein (Witzel, 2000, Absatz 7, Anhang S. 25ff).
Der Leitfanden dient als Orientierungshilfe und Gedächtnisstütze. Er beinhaltet eine vorformulierte, erzählgenerierte Einstiegsfrage und Stichpunkte zu interessanten Aspekten des Forschungsbereichs. Der Interviewer kann so flexibel auf die erhaltenen Informationen eingehen, relevante Aspekte geraten nicht in Vergessenheit. Die Vergleichbarkeit der Interviews soll mit dem Leitfaden sichergestellt werden (Witzel, 2000, Absatz 8, 14, Anhang S. 23).
Das Postskriptum ergänzt das aufgezeichnete Interview. In ihnen werden Anmerkungen zu dem Gesprächsverlauf festgehalten. Dabei kann es sich um nonverbale oder situative Aspekte oder Auffälligkeiten handeln. Diese können Anregungen für die Auswertung geben (Witzel, 2000. Absatz 9, Anhang S. 32).
3.1.2 Feldzugang
Der Kontakt zur Interviewperson (IP1) wurde im Umfeld der Initiative „Arbeiderkind.de“ geknüpft. Die Initiative ermutigt und unterstützt Personen aus nicht -akademischen Familien bei dem Wunsch nach einem Studium.
Die Interviewperson ist 28 Jahre alt und stammt aus einer typischen Arbeiterfamilie mit Migrationshintergrund. Der Vater arbeitet als Taxifahrer, die Mutter ist Hausfrau. Außer dem älteren Bruder gab es in der Familie bisher keinen akademischen Werdegang. Die Interviewperson kann somit zu den „First Generation Studenten„ und Bildungsaufsteigern gezählt werden. Die Interviewperson hat nach dem Abschluss der Gesamtschule erst eine Ausbildung zur Erzieherin absolviert. Im Anschluss daran folgte ein Studium an der örtlichen Fachhochschule im Studiengang „Bildung und Erziehung in der Kindheit“, das mit Erfolg abgeschlossen wurde. Vor, während und auch nach dem Studium, war die Interviewperson als Erzieherin beschäftigt. Diese Tätigkeit ist während des Studiums in Teilzeit ausgeübt worden. Aufgrund der sozialen Herkunft und dem Studium eignet sich IP1 als Interviewperson.
3.1.3 Die Grounded Theory nach Strauss und Corbin
Witzel verweist in dem Abschnitt über die Auswertung des problemzentrierten Interviews auf die Grounded Theory von Strauss und Corbin (Witzel, 2000, Abschnitt 24). Es liegt somit auf der Hand, die Grounded Theory als Auswertungsmethode für das problemzentrierte Interview heranzuziehen. Strauss und Corbin haben eine Methode entwickelt, die durch systematisches Erheben und Analysieren von Daten, die sich auf das untersuchte Phänomen beziehen, induktiv eine gegenstandsverankerte (grounded) Theorie ableitet. Es besteht eine wechselseitige Beziehung zwischen Datensammlung, Analyse und Theorie (Strauss & Corbin, 1996, S. 7ff.). Die vorliegende Arbeit wertet lediglich ein Interview aus. Der wechselseitige Prozess ist somit nur zwischen den Kodierschritten, nicht aber zwischen Datenerhebung und Datenverarbeitung anzutreffen.
Offenes Kodieren
Der erste Analyseschritt ist das offene Kodieren. Die Daten werden hierbei aufgebrochen, konzeptualisiert und neu zusammengestellt. Für jede Beobachtung, die den Datenmaterialen entnommen werden, wird ein Konzept vergeben, sprich es wird konzeptualisiert (Strauss & Corbin, 1996, S. 44ff). Für diese Arbeit wird das Interview vollständig transkribiert. Der Aussagewert wird mit Hilfe von Fragestellungen hinsichtlich der Interviewperson und der Forschungsfrage auf ihre Relevanz geprüft. Die Kernsausagen werden mit der entsprechenden Zeilennummer des Interviews in einer Tabelle gesammelt (Anhang, Tab.1, S. 33ff). Es werden hierbei alle Aussagen aufgenommen, die von Bedeutung sein können. Dies entspricht den Anforderungen an das offene Kodieren. Beispielhaft wird die folgende Textzeile genannt. Wir waren halt mehr unter uns, also wir hatten nicht so viel (…) Kontakt zu anderen Studiengängen und Studenten (ZN 23-24). Hier wird das Konzept „geschlossene Gruppe“ vergeben. Es kommt vor, dass die interviewte Person selbst einen treffenden Begriff für ein Konzept nennt. Man spricht in dem Fall dann von einem „In-vivo-Kode“ (Strauss & Corbin, 1996, S. 50). Die Interviewperson erklärt, dass sie „DIE Erste und ihr Bruder DER Erste in der Familie war, der studiert“ (ZN 62-63). Daraus wird das Konzept DIE Erste, DER Erste erstellt (Anhang Tab.1, S. 38).
Im nächsten Schritt werden die Konzepte in einer Tabelle zu Kategorien zusammengefasst. Die Textstellen, Kernaussagen und Konzepte werden immer wieder miteinander verglichen, um sie zu aussagefähigen Kategorien zusammenzufassen. Beispielhaft wird hier aufgeführt, dass die Konzepte „Erweiterung Wortschatz“, „Verbesserung Sprachbarriere“, „geänderte Persönlichkeit“, „nachdenklicher“ und „offenen Neuen gegenüber“ zu der Kategorie „ Persönlichkeitsveränderung“ zusammengefasst wurden. Alle Kategorien werden durchnummeriert. Es haben sich 13 Kategorien herauskristallisiert.
Axiales Kodieren
Dem offenen Kodieren folgt im nächsten Analyseschritt das axiale Kodieren. Dabei werden die gefundenen Kategorien nun in Beziehung zueinander gesetzt, um einen sozialen Prozess aufzuzeigen. Dies geschieht über ein kausales Handlungsmodell (Strauss & Corbin, 1996, S. 76ff). Dargestellt wird der soziale Prozess durch das Phänomen, die Bedingung, die Strategien sowie der Konsequenz (Strauss & Corbin, 1996, S. 78ff). Für das hier untersuchte Phänomen „ Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienalltag“ wird eine Bedingungsmatrix entworfen (Anlage, Abb.1 S. 63). Unter Bedingungen sind alle Kategorien erfasst, die zum Auftreten des Phänomens führen. Sie bilden den schwer veränderbaren Rahmen der Handlungen der Beteiligten. In der anliegenden Matrix sind es die „Familie“ und die „First Generation Student“ Kategorie. Die Strategien umfassen alle Kategorien, die Handlungen und Interaktionen aufzeigen, die zur Bewältigung des Phänomens beitragen. Beispielhaft sind hier die „Persönlichkeitsveränderung“ und die „ Finanzierung“ zu nennen. Die Konsequenzen bilden alle Kategorien ab, die das Resultat aufzeigen. In der vorliegenden Arbeit ist die „Dauer des Studiums“ eine Folge der Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienalltag (Anlage, Abb.1, S. 63).
Selektives Kodieren
Der letzte Schritt der Analyse ist das selektive Kodieren. Es wird eine Kernkategorie festgelegt, die das zentrale Phänomen beschreibt. Alle anderen Kategorien werden um diese Kernkategorie angeordnet und in Beziehung gesetzt. Daraus ergibt sich eine analytische Geschichte, durch die sich ein roter Faden zieht (Strauss & Corbin, 1996, S. 94ff). In der vorliegenden Arbeit wurde die „Auswirkung auf die soziale Herkunft im Studienalltag“ als Kernkategorie bestimmt. Mit den vorhandenen Daten lässt sich die folgende analytische Geschichte schreiben:
Im Zentrum steht die Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienalltag. First Generation Studenten sind die ersten Studenten in der Familie. Die Vorbereitung auf das Studium sind auf Grund mangelnder Informationen sehr arbeitsintensiv und werden vor der Familie verheimlicht. Die Familien reagieren nicht unbedingt positiv auf den Studienwunsch. Es herrscht ein Unverständnis, warum nach einer erfolgreichen Ausbildung noch ein Studium erfolgen soll. Dies führt häufig zu Konflikten, so dass das Studium und deren Inhalte innerhalb der Familie wenig thematisiert werden. Dadurch kommt es zu einer Veränderung der Beziehung zur Familie. Der Student selber macht auch eine Persönlichkeitsveränderung durch, um sich dem Umfeld an der Hochschule anzupassen. Hervorzuheben ist hier die Veränderung der Sprache im Verlauf des Studiums. Der Sprachgebrauch wird der wissenschaftlichen Sprache zumindest mündlich, angepasst. Der Alltag an der Hochschule besteht aus Besuchen von Vorlesungen, Seminaren und der Bibliothek, andere Aktivitäten werden aus Zeitmangel auf Grund der Erwerbstätigkeit nicht besucht. Soziale Netzwerke konnten nur teilweise aufgebaut werden, waren aber nicht von Dauer. Während des Studiums wird keine Benachteilig auf Grund der sozialen Herkunft gegenüber anderen Studenten wahrgenommen, erst zum Ende hin, als Kontakte zu der Organisation „Arbeiterkind.de“ bestanden, sind diese Benachteiligungen sichtbar geworden. Die mangelnde Unterstützung durch die Familie und der Hochschule bereitet aber Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Studienalltags. Vor allem Informationen über die verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung des Studiums fehlen, so dass zur Finanzierung eine Teilzeittätigkeit aufgenommen wurde. Die berufliche Tätigkeit hat Einfluss auf die Dauer des Studiums, die Regelstudienzeit wird überschritten. Mit Abschluss des Studiums fehlt die berufliche Perspektive und der Mut etwas Neues zu beginnen, begründet wir dies mit der fehlenden Hilfestellung beim Übergang vom Studium in den Beruf und den fehlenden Netzwerken auf Grund der sozialen Herkunft.
Daraus lässt sich die folgende G rounded Theory ableiten:
Die Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienalltag zeigt sich vor allem durch die fehlende Unterstützung seitens der Familie und Institutionen, insbesondere bei finanziellen Dingen. Der Studienalltag gestaltet sich schwieriger, was sich auch auf die Dauer des Studiums auswirkt.
4. Ergebnisse
4.1 Modifizierung der Hypothesen
Vorweg soll angemerkt werden, dass es sich bei dem vorliegenden Forschungsbericht um eine Einzelfallstudie handelt, es wird nur ein Interview geführt und ausgewertet. Die Ergebnisse sind somit nicht generalisierbar.
Unter 2.2 wurden die dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothesen vorgestellt, die nun nach Auswertung des Interviews modifiziert werden. Die erste Hypothese lautet: „Es wird vermutet, dass Bildungsaufsteiger Schwierigkeiten im Umgang mit der akademischen Sprache an der Universität haben“ Die Interviewperson gibt an, Schwierigkeiten mit der wissenschaftlichen Sprache zu haben, besonders schriftlich, spezielle beim Verfassen der Bachelorarbeit (ZN 101,118,119). Hausarbeiten waren weniger problematisch (ZN103). In den Vorlesungen hat sie Sprachbarrieren wahrgenommen und sieht dabei einen Zusammenhang mit dem lange zurückliegenden Schulabschluss und auch mit der sozialen Herkunft (ZN 38,39,40115). Diese Sprachprobleme haben ihr Studium beeinflusst (ZN 117). Der Wunsch nach mehr Unterstützung beim Verfassen von wissenschaftlichen Texten ist vorhanden (ZN101). Positiv wird erwähnt, dass sich der Wortschatz verbessert hat (ZN 116) und die Sprachbarrieren im Mündlichen generell abgenommen haben (ZN 124). Ebenso fand keine Diskriminierung auf Grund der Sprachbarrieren statt (ZN 130). Die Aussagen lassen darauf schließen, dass sich die Schwierigkeiten mit der Schriftsprache und der verbalen Kommunikation unterscheiden und sollten differenziert betrachtet werden. Die erste Hypothese unterscheidet diese nicht. Auf Grund der vorliegenden Befunde ist sie für die Schriftsprache im Studium zutreffend. Für die verbale Kommunikation trifft diese Vermutung nur zum Studienbeginn zu, die Studenten passen sich im Laufe des universitären Lebens dem Sprachgebrauch an. Die modifizierte Hypothese lautet:
Bildungsaufsteiger haben anfangs Schwierigkeiten sich verbal in der wissenschaftlichen Sprache auszudrücken, passen sich dem Sprachgebrauch aber an. In der Schriftsprache bleiben die Sprachschwierigkeiten im ganzen Studium bestehen .
Die zweit Hypothese lautet: „Es wird vermutet, dass Bildungsaufsteiger ihr Studium vermehrt durch Erwerbstätigkeit finanzieren“. Die befragte Person bezieht kein BAFÖG (ZN 75) und hat kein Stipendium. Die Möglichkeiten der verschiedenen Finanzierungsarten, wie ein Stipendium des Studiums waren ihr nicht bekannt (ZN 77). Es gab keine Informationen über Stipendien (ZN 77), speziell zu dem Aufstiegsstipendium (ZN 79) oder Stiftungen, die diese vergeben (ZN 80). Mit mehr Informationen zu dem Thema wäre eventuell ein Stipendium beantragt wurden (ZN 78). Finanzielle Unterstützung durch die Familie fand auch nicht statt (ZN 95), obwohl dies von dem Studenten gewünscht war (ZN 190). Mangelnde Informationen über die Studienfinanzierungsmöglichkeiten (ZN 193,197) führte dazu, dass das Studium durch Ersparnisse aus der vorherigen beruflichen Tätigkeit (ZN 84), sowie einer Teilzeittätigkeit im ursprünglich erlernten Beruf, (ZN 84, 85, 86) finanziert wurde. Die direkte Verknüpfung von Theorie und Praxis im Beruf wird als positiv angesehen (ZN 191). Negativ wirkt sich die Berufstätigkeit auf die Studiendauer aus (ZN 91). Die Auswertung der vorliegenden Daten erlaubt folgenden Schluss, dass Bildungsaufsteiger vermehrt erwerbstätig sind, auf Grund fehlender Informationen über andere Finanzierungsmöglichkeiten. Die Hypothese wird wie folgt modifiziert: Mangelnde Informationen über andere Finanzierungsinstrumente für das Studium führen zu einer vermehrten Erwerbstätigkeit bei Bildungsaufsteigern während des Studiums.
Die dritte Hypothese lautet: Es wird vermutet, dass Bildungsaufsteigern bei Problemen im Studienalltag Ansprechpartner im familiären Umfeld fehlen . Ein thematisiertes Problem in den anliegenden Daten ist die Zugangsvoraussetzung des Studiengangs (ZN 14) sowie die ganze damit verbundene Bewerbungsphase um einen Studienplatz (ZN 19, 149, 182). Es gab keine Unterstützung seitens der Familie, im Gegenteil, die Vorbereitung für die Zulassungsprüfung erfolgte heimlich (ZN 17,183,184, 186). Lediglich ein Onkel hat mental unterstützt (ZN 178,179). Das Studium wird innerhalb der Familie tot geschwiegen (ZN 167) und nicht thematisiert (ZN 168). Studierende Geschwister sind keine Hilfe und dienen nicht als Informationsquelle, da diese einen anderen Studiengang und einen anderen Hochschultyp besuchen (ZN 60, 61 ,63 ,64). Die Familie fällt damit als Ansprechpartner bei Problemen aus, die befragte Person ist auf Hilfe angewiesen. Ihr ist nicht bekannt, an wen sie sich wenden kann (ZN 101). Speziell beim Verfassen der Bachelorarbeit oder hinsichtlich finanzieller Probleme gibt es keine Ansprechpartner innerhalb der Familie (ZN 177, 1785190). Es kristallisiert sich sehr klar aus den vorliegenden Daten heraus, dass Bildungsaufsteiger keinen familiären Rückhalt bei Problemen mit dem Studium haben. Die Hypothese wird wie folgt modifiziert: Bildungsaufsteiger fehlt die familiäre Unterstützung bei Problemen im Studium.
4.2 Beantwortung der Forschungsfrage
Nach Auswertung und Analyse des Interviews lässt sich nun die unter Punkt 2.1 vorgestellte Forschungsfrage „ Welche Auswirkung hat die soziale Herkunft auf den Studienalltag eines Bildungsaufsteigers aus der Sicht eines First Generation Studenten“ wie folgt beantworten: Die Daten zeigen auf, dass sich die soziale Herkunft sich in vielerlei Weise auf den Studienalltag eines Bildungsaufsteigers auswirkt. First Generation Studenten sind Erwerbstätigkeit, um das Studium zu finanzieren, da andere Finanzierungsarten nicht bekannt sind und die Familien keine finanzielle Unterstützung leisten können. Das geht zu Lasten des Zeit-Kontingents zum Lernen, das hat wiederum Auswirkungen auf den Studienverlauf. Das Studium wird nicht in der Regelstudienzeit abgeschlossen. Die Studenten müssen ihren Alltag so organisieren, dass Studium und Erwerbstätigkeit miteinander funktionieren. Das ist ein großer Stressfaktor.
Die Studenten haben auf Grund ihrer Herkunft wenige Möglichkeiten Hilfe beim Studium in der Familie zu bekommen, weder praktisch noch emotional. Familienmitglieder selbst können nicht helfen oder mit entsprechenden Ansprechpartnern dienen. Die First Generation Studenten sind sehr auf sich selbst gestellt, in der Bewältigung des Studienalltags. Die Daten zeigen auch auf, dass es zu Konflikten mit der Familie kommt und das Studium nicht thematisiert wird, der familiäre Rückhalt ist nicht da. Die Situation ist belastend für den Studenten und wirkt ebenfalls in seinen Studienalltag ein.
Eine weitere Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienalltag zeigt sich im Sprachgebrauch. Für Bildungsaufsteiger ist die akademische Sprache differenziert von der Sprache, die sie Zuhause erlernt haben und nutzen. Die Art und Weise, des Sprachgebrauchs, wird in der Familie über die Erst -Sozialisation vermittelt und zählt zum inkorporierten Kapital (Bourdieu. 1997, S. 49ff). Studenten aus akademischen Familien haben hier Vorteile gegenüber den Bildungsaufsteigern, sie finden sich in der Sprachwelt der Universität besser zurecht. Das Verfassen von schriftlichen Arbeiten birgt Hindernisse für First Generation Studenten und sie benötigen Unterstützung. Generell fehlt es Bildungsaufsteigern an Unterstützung und Informationen in allen Bereichen, die das Studium betreffen. Dies ist auch auf die fehlenden sozialen Netzwerke zurückzuführen, oder, anders gesagt, das entsprechende soziale Kapital fehlt. Die soziale Herkunft der First Generation Studenten bringt Nachteile für den Bildungsaufsteiger im Studienalltag mit sich, aber keine Diskriminierung oder Ausgrenzung, bezogen auf die hier vorliegenden Daten. Studenten haben Anfangs Startschwierigkeiten, überwinden diese dann und passen sich an. Festgestellt wurde auch, dass sich das Studium auch auf den Habitus des Bildungsaufsteigers auswirkt. Es kommt zu einer Persönlichkeitsveränderung, andere Denk- und Wahrnehmungsmuster werden eingeübt. Das Verhältnis zur Herkunftsfamilie verändert sich, nicht unbedingt zum Positiven. Der Student pendelt zwischen zwei Welten, seiner Herkunftsfamilie und der „neuen Welt“ als Akademiker. Diese Diskrepanz wirkt sich belastend auf den Studienalltag des Bildungsaufsteigers aus.
Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die größten Belastungen im Studienalltag, die die soziale Herkunft mit sich bringen die Erwerbstätigkeit, fehlende Unterstützung durch die Familie und Institutionen, sowie die Persönlichkeitsveränderung sind. Diese Aspekte nehmen Einfluss auf den Studienverlauf und führen auch zu einer Entfremdung zu der Herkunftsfamilie.
Vergleicht man die hier vorliegenden Ergebnisse mit der Literatur, kommt Therese Büchler in ihrem Arbeitspapier von 2012 zu ähnlichen Ergebnissen. Sie zeigt auf, dass Studenten aus sozial schwächeren Familien überdurchschnittlich häufig erwerbstätig sind, um das Studium zu finanzieren. Die Folge daraus ist, eine unfreiwillige Studienzeitverlängerung. Das wiederum bringt Folgekosten mit sich. Diese Situation belastet die Studenten und behindert sie nicht nur im Studienverlauf, sondern führt auch zu psychischen Belastungen (Büchler, 2012, S. 26ff). Sie stellt auch fest, dass Arbeiterkinder mehr Probleme bei der Planung des Studiums und bei der Prüfungsvorbereitung haben. Hierbei können Sie nicht auf familiäre Unterstützung zurückgreifen. Folge der fehlenden Unterstützungen und Informationen, sowie des mangelnden familiären Rückhalt sind Überforderung und Überlastung, gerade zu Beginn des Studiums. Der Student ist demotiviert. Studenten aus nicht akademischen Familien ist nicht bewusst, das Studieren vor allem selbstständiges Arbeiten bedeutet (Büchler, 2012, S. 38ff). Büchler befasst sich auch mit dem Zusammenhang von Habitus und Studienerfolgt. Sie kommt zu dem Schluss, dass das Beherrschen der Wissenschaftssprache wesentlich zum Studienerfolg beiträgt und dieser Mangel auf Grund der sozialen Herkunft am Schwersten wiegt (Büchler, 2012, S. 29).
Auch Bargel & Bargel führen an, dass eine Erwerbstätigkeit die Beteiligung am Hochschulleben erschwert und verweisen noch explizit darauf, dass sich bei der Erwerbstätigkeit nur um die Sicherung des Lebensunterhalt geht und nicht um Luxus zu finanzieren, wie es häufig in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird (Bargel & Bargel, 2010. S. 15ff). Statistisch lässt sich belegen, dass 72% der Studenten mit niedriger sozialer Herkunft, erwerbstätig sind, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren (BMBF, 2013, S. 393ff).
Soziale Herkunft macht sich in unterschiedlichem Ausmaß bemerkbar, es kommt auf den gewählten Fachbereich an. Keine Auswirkung hat die soziale Herkunft auf die Kontakte zu den Kommilitonen und die Leistungsanforderung im Studium. (Bargel & Bargel, 2010, S 17ff).
Bisher erschienene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Bildungsaufsteigern Ansprechpartner in der Familie fehlen. Sie werden zwar emotional unterstütz seitens der Familie, aber praktische Hilfe kann nicht gegeben werden. Ansprechpartner außerhalb der Familie sind auch nicht vorhanden. Bildungsaufsteiger scheuen sich ihre schichtspezifischen Probleme mit anderen Studenten zu besprechen. Ein Grund hierfür ist, dass die Benachteiligung von Bildungsaufsteigern in der Gesellschaft noch nicht thematisiert ist. Der Mangel an Ansprechpartner in der Familie und an der Universität ist ein wiederkehrendes Problem. Bildungsaufsteiger haben einen erhöhten Beratungsbedarf (Miethe et al., 2014, S. 150ff).
Aladin El–Mafaalanie beschäftigt sich mit der Frage, was mit der Persönlichkeit während des Aufstiegs passiert. Er kommt zu dem Schluss, dass sich der Habitus des Aufsteigers umfassend ändert. Es findet eine Habitustransformation statt. Er nennt dafür drei Kriterien: Wandlung des Notwendigkeitsdenkens zu Entwicklungsdenkens, Wandlung des Selbst-Welt-Verhältnisses und Distanzierung zur Herkunftsfamilie. Beim Bildungsaufstieg wandeln sich nicht nur der Sprachgebrauch, Erscheinungsbild und Lebensstil, sondern die Milieuzugehörigkeit und die Persönlichkeit. Dieser Wandlungsprozess ist mit sozialen und psychischen Hürden verbunden (El-Mafaalani, 2014, S. 24ff). Die Ergebnisse dieses Forschungsberichts decken sich in etwa mit denen in der Literatur.
5. Fazit
Die vorliegende Arbeit hat mit qualitativen Methoden der empirischen Forschung untersucht, wie sich die soziale Herkunft auf den Studienalltag eines Bildungsaufsteigers auswirkt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, da nur ein Interview ausgewertet wurde. Viele der Ergebnisse decken sich mit den im Theorieteil herangezogenen Forschungen und bringen keine neuen Erkenntnisse. Aus jeder wissenschaftlichen Arbeit lässt sich ein Nutzen ziehen. Nach der Auswertung und Analyse der Daten zeigt sich ein erhöhter Beratungsbedarf für Bildungsaufsteiger. Dieser Beratungsbedarf ist sowohl vor dem Studium nötig, als auch nach Abschluss des Studiums, beim Berufseinstieg. Die anliegende Handreichung empfiehlt Maßnahmen, die seitens der Institutionen ergriffen werden sollten, um die Chancenungleichheit für Bildungsaufsteiger zu minimieren (Anhangs, S. 64). Die Interviewperson brachte allerdings einen Aspekt an, der intensiver erforscht werden sollte. Sie spricht von der Perspektivenlosigkeit nach dem Studium. Trotz abgeschlossenem Studium arbeitet sie in ihrem ursprünglichen Beruf und hat keine neue berufliche Perspektive. Es stellt sich hier die Frage, wie viele Bildungsaufsteiger von diesem Phänomen auch betroffen sind. Die vorliegenden Forschungsberichte beschäftigen sich nur mit der Thematik Bildungsaufsteiger an Hochschulen und die damit verbundenen Ungleichheiten und Benachteiligungen. Der weitere Weg des Bildungsaufsteigers nach dem Studium scheint bisher nicht erforscht.
Hinsichtlich der Erstellung dieser Hausarbeit wird darauf hingewiesen, dass auf Grund der restriktiven Einschränkungen bezogen auf den Umfang der Arbeit, viele Ausführungen nur oberflächlich behandelt werden. Unzureichende Fragestellung im Interview lässt sich auf die mangelnde Erfahrung in der Anwendung es problemzentrierten Interviews zurückführen. Die Grounded Theory hat sich als gute Auswertungsmethode herausgestellt, um das Problem zu analysieren. Das analytische und abstrakte Herangehen an das Phänomen mittels der Grounded Theory hat neue Sichtweisen eröffnet.
Während der Recherche zur diesen Forschungsbericht wurde Kontakt zu der örtlichen Gruppe der Initiative „Arbeiterkind.de“ geknüpft. Es konnten einige Beratungsgespräche der Mentoren verfolgt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Initiative eine gute Alternative zu den Beratungsangeboten der Hochschulen ist. Die Beratung erfolgt individuell, je nach Fragestellung. Das Beratungsangebot ist für alle offen, egal ob Arbeiterkind oder Akademikerkind, bereits Student oder zukünftiger Student.
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- Citation du texte
- Petra Drewitz (Auteur), 2015, Auswirkung der sozialen Herkunft auf den Studienalltag eines Bildungsaufsteigers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/925970
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