Thomas Mann war nicht nur einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, vielen galt er als Inbegriff deutscher Kultur, insbesondere deutscher Bürgerkultur. Mit dieser Rolle konnte er sich durchaus identifizieren: „Ich bin ein Kind des deutschen Bürgertums, und nie habe ich die seelischen Überlieferungen verleugnet.“
Die enge Bindung zu seinem Geburtsland zeigte sich zunächst besonders in der politisch schwierigen Zeit der Weimarer Republik, in der er die deutsche Demokratie im Herbst 1930 gegen den aufkommenden Nationalsozialismus verteidigte. Auch nach der Machtübernahme der NSDAP bemühte sich der Schriftsteller vom amerikanischen Exil aus, die deutsche Bevölkerung zum Handeln gegen Hitler zu bewegen.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges folgte Thomas Mann jedoch nicht der Aufforderung und Bitte einer Vielzahl deutscher Persönlichkeiten, in sein Vaterland zurückzukehren. Seine Sicht von Deutschland hatte sich in den Jahren des Nationalsozialismus ins Negative gekehrt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Ursachen das Deutschlandbild Thomas Manns in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft, also in den Jahren 1933 bis 1945, verschlechtert haben. Hierbei werden zwei mögliche Gründe ins Blickfeld genommen. Einerseits sind dies Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen seine Person, nämlich die Ausbürgerung sowie die Aberkennung der Ehrendoktorwürde. Andererseits wird die Rolle Deutschlands bei den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges als ein weiterer Grund für die Veränderung des Bildes in Betracht gezogen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hintergrundinformationen
2.1 Biographische Daten zu Thomas Mann
2.2 Das Deutschlandbild Manns vor Hitlers Machterlangung
3. Gründe für die Veränderung Thomas Manns Deutschlandbildes
3.1 Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen seiner Person
3.1.1 Ausbürgerung
3.1.2 Aberkennung der Ehrendoktorwürde
3.2 Der Zweite Weltkrieg
3.2.1 Erste Phase
3.2.2 Zweite Phase
3.2.3 Dritte Phase
4. Schlussbetrachtung
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1 Quellen
5.2 Literatur
Internet:
1. Einleitung
Thomas Mann war nicht nur einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, vielen galt er als Inbegriff deutscher Kultur, insbesondere deutscher Bürgerkultur. Mit dieser Rolle konnte er sich durchaus identifizieren: „Ich bin ein Kind des deutschen Bürgertums, und nie habe ich die seelischen Überlieferungen verleugnet.“[1] Die enge Bindung zu seinem Geburtsland zeigte sich zunächst besonders in der politisch schwierigen Zeit der Weimarer Republik, in der er die deutsche Demokratie im Herbst 1930 gegen den aufkommenden Nationalsozialismus verteidigte. Auch nach der Machtübernahme der NSDAP bemühte sich der Schriftsteller vom amerikanischen Exil aus, die deutsche Bevölkerung zum Handeln gegen Hitler zu bewegen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges folgte Thomas Mann jedoch nicht der Aufforderung und Bitte einer Vielzahl deutscher Persönlichkeiten, in sein Vaterland zurückzukehren. Seine Sicht von Deutschland hatte sich in den Jahren des Nationalsozialismus ins Negative gekehrt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Ursachen das Deutschlandbild Thomas Manns in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft, also in den Jahren 1933 bis 1945, verschlechtert haben. Hierbei werden zwei mögliche Gründe ins Blickfeld genommen. Einerseits sind dies Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen seine Person, nämlich die Ausbürgerung sowie die Aberkennung der Ehrendoktorwürde. Andererseits wird die Rolle Deutschlands bei den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges als ein weiterer Grund für die Veränderung des Bildes in Betracht gezogen. Diese Aspekte wurden bewusst gewählt, da an ihnen die zunehmende Verschlechterung seines Deutschlandbildes deutlich wird. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass es sicherlich noch weitere Ursachen dafür gibt, auf Analyse derer aber verzichtet werden muss, da ansonsten der vorgeschriebene Umfang der Arbeit nicht eingehalten werden kann. Die zeitliche Abgrenzung wurde vorgenommen, da die nationalsozialistische Herrschaft die Grundvoraussetzung für das zunehmend komplizierte Verhältnis des Schriftstellers zu seinem Vaterland war.
Zur Analyse des Themas wird insbesondere der Offene Brief Thomas Manns an den Autor Walter von Molo mit dem Titel „Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe“[2] vom September 1945 herangezogen, da der Verfasser darin die Gründe für seine Abkehr von Deutschland beschreibt[3]. Daneben sollen aber auch Auszüge von Ansprachen, Essays sowie Interviews seine schrittweise sich verändernde Sicht von Deutschland belegen. Die Einstellung Manns zu Deutschland vor der nationalsozialistischen Machtübernahme soll besonders an seiner Rede „Deutsche Ansprache - Ein Appell an die Vernunft“[4] vom Oktober 1930 aufgezeigt werden. Hier kann die starke Bindung an sein Vaterland herausgestellt werden. Die wichtigste verwendete Literatur für die Arbeit ist zum einen die 2003 erschienene Monographie von Angelika Abel mit dem Titel „Thomas Mann im Exil“[5]. Darin versucht Abel die Erfahrungen Thomas Manns und anderer bekannter Autoren im Exil anschaulich darzustellen und diese in einen zeitgeschichtlichen Kontext einzuordnen.[6] Zum anderen wurde die Monographie Heike Weidenhaupts „Gegenpropaganda aus dem Exil“[7] herangezogen, weil darin die veränderte Sicht des Schriftstellers anhand von Auszügen seiner Rundfunkbotschaften nach Deutschland im Zweiten Weltkrieg analysiert wird.
Bevor nun zum Hauptteil übergegangen wird, soll die Vorgehensweise der Arbeit vorgestellt und erläutert werden. Für das Verständnis unverzichtbar sind zunächst einmal die Darstellung wichtiger biographischer Informationen zu Thomas Mann sowie seiner Einstellung zu Deutschland vor der nationalsozialistischen Machtübernahme. Anschließend wird auf die möglichen Gründe für die Verschlechterung seines Deutschlandbildes eingegangen. Dabei soll in einem ersten Schritt Manns Reaktion auf die Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen seine Person untersucht werden. Der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft und die Aberkennung der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn werden hierbei näher beleuchtet. Die Analyse dreier Phasen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges soll in einem zweiten Schritt die zunehmende Abwendung des Schriftstellers von seinem Geburtsland herausstellen. Zuletzt werden die Ergebnisse zusammengefasst.
2. Hintergrundinformationen
2.1 Biographische Daten zu Thomas Mann
Der deutsche Schriftsteller Thomas Mann wurde am 6. Juni 1875 in Lübeck geboren.[8] Gleich mit seinem ersten Roman „Buddenbrooks“, der im Oktober 1901 erschien, gelang ihm der literarische Durchbruch.[9] Fortan galt Mann als Aushängeschild deutscher Kultur. Diese Rolle wurde durch die Übertragung der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn im Jahre 1919[10] und die Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Literatur 1929[11] verstärkt. Der preisgekrönte Autor nutzte seine einflussreiche Position in der Gesellschaft entgegen seiner früheren Einstellung, sich aus Politischem stets herauszuhalten, die Republik gegen den aufkommenden Nationalsozialismus im Jahre 1930 öffentlich zu verteidigen.[12] Doch die entstandene Rechtsunsicherheit im Land veranlasste den Künstler, bereits 1933 ins schweizerische Küsnacht bei Zürich zu ziehen. 1936 wurde Thomas Mann von den Nationalsozialisten sowohl die deutsche Staatsbürgerschaft als auch die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn abgesprochen.[13] 1938 übersiedelte der Schriftsteller mit seiner Familie schließlich nach Amerika.[14] Von dort bemühte er sich 1940 bis 1945 vergebens die deutsche Bevölkerung durch regelmäßige Rundfunkbotschaften zum Widerstand gegen Hitler zu bewegen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Thomas Mann, seit Juni 1944 amerikanischer Staatsbürger, von verschiedenen Seiten gebeten, nach Deutschland zurückzukehren, um die deutsche Bevölkerung moralisch zu unterstützen. Dies lehnte er aus bestimmten Gründen, auf die in den Punkten 3.1 und 3.2 näher eingegangen wird, ab. Die distanzierte Haltung zu seinem Vaterland zeigt auch sein Offener Brief „Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe“. Seine Entscheidung, in den USA zu bleiben, kränkte viele Deutsche und entflammte eine hitzige Debatte zwischen Mann und den Mitgliedern der „inneren Emigration“[15]. Er stattete dem Nachkriegsdeutschland erst im Goethe-Jahr 1949 einen Besuch ab und zog 1952 schließlich wieder in die Nähe von Zürich, wo er 1955 im Alter von achtzig Jahren starb.[16]
[...]
[1] Thomas Mann: Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft, in: Hermann Kurzke und Stephan Stachorski (Hrsg.): Thomas Mann Essays. Ein Appell an die Vernunft 1926-1933, Band 3, Frankfurt am Main 1994, S. 262.
[2] Thomas Mann: Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe, in: Hermann Kurzke und Stephan Stachorski (Hrsg.): Thomas Mann Essays. Meine Zeit 1945-1955, Band 6, Frankfurt am Main 1997, S. 33-42.
[3] Thomas Mann verfasste den Offenen Brief, an den in Deutschland gebliebenen Schriftsteller Walter von Molo, vom 2. bis 7. September 1945. Das Schreiben wurde von Mann meist als „Brief nach Deutschland“ bezeichnet. Hier trägt er den Titel „Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe“. Dem Brief vorausgegangen war ein Offener Brief von Molos, der am 4. August 1945 in der Hessischen Post erschien und den Thomas Mann wenige Tage später, am 10. August, erhielt. Darin bittet Walter von Molo den emigrierten Schriftsteller inständig, nach Deutschland zurückzukehren, da man dort seine Hilfe benötige. Vgl. Hermann Kurzke und Stephan Stachorski (Hrsg.): Thomas Mann Essays. Meine Zeit 1945-1955, Band 6, Frankfurt am Main 1997, S. 386f.
[4] Mann: Deutsche Ansprache, S. 259-279.
[5] Angelika Abel: Thomas Mann im Exil. Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund der Emigration, München 2003.
[6] Für die vorliegende Arbeit war insbesondere das erste Kapitel „Thomas Mann 1933-1938“ relevant, da darin die Reaktionen Manns auf die kränkenden Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen ihn aufgezeigt werden.
[7] Heike Weidenhaupt: Gegenpropaganda aus dem Exil. Thomas Manns Radioansprachen für deutsche Hörer 1940 bis 1945, in: Hans Bohrmann und Horst Pöttker: Journalismus und Geschichte, Konstanz 2001.
[8] Vgl. Donald Prater: Thomas Mann. A life, Oxford 1995, S. 1.
[9] Zu weiteren bedeutenden Werken zählt Thomas Manns selbst: „Der Zauberberg“, „Joseph und seine Brüder“ und „Doktor Faustus“. Vgl. Reinhard Mehring: Thomas Mann. Künstler und Philosoph, München 2001, S. 71.
[10] Vgl. Theo Stammen: Politische Welt, in: Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas Mann Handbuch, 3. Aufl., Frankfurt am Main 2005, S. 42.
[11] Vgl. Prater, S. 179.
[12] Gemeint ist die Rede „Deutsche Ansprache - Ein Appell an die Vernunft“, auf die im nächsten Punkt ebenso wie auf Manns politische Einstellung und sein Deutschlandbild vor Hitlers Machtergreifung näher eingegangen wird.
[13] Vgl. André Banuls: Leben und Persönlichkeit, in: Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas Mann Handbuch, 3. Aufl., Frankfurt am Main 2005, S. 14.
[14] Als Grund wird hier zwar der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich gesehen, doch der Bruch mit Hitler-Deutschland war bereits 1936 mit der Ausbürgerung und der Aberkennung der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn. Vgl.: Ebenda.
[15] Zu den „inneren Emigranten“ zählten sich Künstler wie die Schriftsteller Walter von Molo und Frank Thieß, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland blieben und das NS-Regime weder bekämpft noch unterstützt haben. Vgl.: Abel, S. 203 und Manfred Görtemaker: Thomas Mann und die Politik, Frankfurt am Main 2005, S. 182.
[16] Vgl. Banuls, S. 15.
- Citation du texte
- Lutz Feike (Auteur), 2008, Gründe für die Verschlechterung Thomas Manns Deutschlandbildes in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92589
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