Unter Gender Mainstreaming versteht man den Versuch die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen durchzusetzen. Zwar gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten die Emanzipationsbewegungen, aber diese orientieren sich vor allem an einer höheren Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft. Dies wurde in den letzten Jahren mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt, doch ist dabei ein anderes Problem nicht beachtet worden. Noch immer gibt es in der heutigen Gesellschaft Berufe, die größtenteils nur von Männern oder Frauen ausgeübt werden. Dort ist es dem anderen Geschlecht nur unter erschwerten Bedingungen möglich diesen Beruf zu ergreifen. Genau mit solchen Problemen beschäftigt sich Gender Mainstreaming. Doch wie kann man Gender Mainstreaming umsetzen? Es liegt die Vermutung nahe, dass Prozesse, die die Berufswahl von Frauen und Männern beeinflussen, bereits deutlich vor der tatsächlichen Entscheidung für einen Beruf einsetzen. Der Erfolg der Gender Mainstreaming-Strategie ist daher im hohen Maße davon abhängig, dass bereits Kinder davor bewahrt werden, solche Geschlechterstereotypen aufzubauen, die ihre Entscheidung für bestimmte Berufe negativ beeinflussen. An diesem Punkt setzt das im Folgenden vorgestellte Projekt an. Hier wurde versucht, Gender Mainstreaming in verschiedenen Lebensbereichen frühzeitig umzusetzen, indem jeweils die Ist-Situation analysiert, Handlungsbedarf erkannt und passende Maßnahmen ergriffen wurden.
Analyse und Maßnahmen zum Verhalten von Jungen und Mädchen im Fach Informatik
Im Bericht der „Fachstelle für Gleichberechtigungsfragen“ des Kantons Zürich für das Jahr 2005 weisen Annamarie Ryter und Kathrin Schafroth auf die Ergebnisse einer 1998/99 durchgeführten Evaluation der Leistungen von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 6 in den Fächern Deutsch und Mathematik hin. Was wir bis dato insbesondere aus Untersuchungen und Evaluationen aus der Bundesrepublik kennen, lässt sich demnach auch in der Schweiz nachweisen: „Für beide Fächer bzw. für beide Fachrichtungen (Sprachen einerseits und Naturwissenschaften andererseits) wurden zum Teil gravierende Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen festgestellt.“[1]
Dies nahm der Bildungsrat des Kantons Zürich zum Anlass in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Gleichberechtigungsfragen (FFG) konkreten Maßnahmen für eine gleichwertige Förderung der Geschlechter in der Schule zu erarbeiten und zu publizieren. Einen Schwerpunkt setzen der Bildungsrat und die FFG dabei auf das Fach Informatik, da hier ein grundsätzlicher Leistungsvorsprung von Jungen gegenüber Mädchen auszumachen ist.
Ich möchte deshalb in diesem Kapitel unserer Ausarbeitung zunächst einmal das Verhalten von Jungen und Mädchen in diesem Fach analysieren, um anschließend den Maßnahmenkatalog des Bildungsrats und der FFG vorzustellen, ihn durch weitere Vorschläge zu ergänzen und die Maßnahmen abschließend kritisch zu beleuchten. Die Untersuchungen orientieren sich dabei stets an der Fragestellung wie das Interesse der Mädchen am Fach „Informatik“ gefördert werden kann.
Analyse:
Spielt das Geschlecht eine Rolle im Schulalltag? Die Antwort auf diese habe ich eingangs bereits vorweggenommen. Besondere Aufmerksamkeit soll an dieser Stelle deshalb die Leistungsfähigkeit des Schulsystems erfahren. In mehreren internationalen Vergleichsstudien wurden Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Jahren hinsichtlich ihrer Kompetenzen im sprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereich getestet. Hierbei wurden auch Geschlechterdifferenzen nachgewiesen.[2]
Was in meinem Fall für die gesamte Schweiz zu beobachten ist, lässt sich nicht erst seit „Pisa“ auf fast alle europäischen Staaten, auch auf die BRD, übertragen. Laut „TIMSS III“ besteht ein grundsätzliches Problem darin, dass es nicht gelingt Voraussetzungen zu schaffen und Maßnahmen in die Wege zu leiten, die zu gleichen Lernerfolgen von Mädchen und Jungen führen.
Eine Mediatoranalyse verweist dabei auf die bis dato unberücksichtigte Relevanz geschlechtsindividuellen Interesses: Die Herbeiführung einer gleichen Interessensbasis kann demnach dazu führen, dass sich unter dem Strich keine Leistungsvorteile der Jungen gegenüber den Mädchen mehr nachweisen lassen.[3]
Hinzu kommt, dass sozialisationstheoretische Erklärungsansätze davon ausgehen, “dass das alltagstheoretische gesellschaftliche Stereotypisieren von Tätigkeiten und Leistungen in männliche und weibliche Domänen zu unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen und Bewertungen“[4] für Mädchen und Jungen führen. Dabei gilt: Werden Schulfächer als männliche Domäne charakterisiert, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass Jungen eher fähig sind in diesen Fächern gute Leistungen zu erbringen. Mädchen haben hingegen selbst bei gleichen Leistungen weniger Selbstvertrauen und schätzen ihre Begabung in technischen Fächern stets geringer ein als Jungen.[5]
In der bereits angesprochenen TIMSS-Studie wurden diese Stereotypisierungen genauer untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass sowohl Schülerinnen als auch Schüler naturwissenschaftliche Fächer, wie Informatik, als männliche Domäne ansehen, während Sprachen als eher „weiblich“ gelten.
Man kann demnach an dieser Stelle festhalten, dass Schulfächer ein Geschlecht haben. Ferner sind sie, je nach Zuordnung zum eigenen oder anderen Geschlecht, bei Mädchen und Jungen unterschiedlich beliebt. Dies hat wiederum Konsequenzen hinsichtlich des bereits angesprochenen geschlechtsindividuellen Interesses und dem daraus resultierenden Selbstvertrauen. Wird Informatik nämlich als männlich dominiertes Feld betrachtet, trauen sich Mädchen in diesem Fach weniger zu und erweisen sich darüber hinaus im fachspezifischen Problemlösen als weniger risikobereit. Sie entwickeln demnach immer weniger Interesse und Selbstvertrauen an diesem Fach. Mit zunehmendem Alter erweist sich schließlich die Wahl der Geschlechterrollen sowie das damit einhergehende Vermeiden der von dem anderen Geschlecht zugeordneten Rollen zudem als besonders bedeutend für die weitere Entwicklung der individuellen Geschlechtsidentität. Neben der Angst vor Misserfolg, hervorgerufen aufgrund des sinkenden Selbstvertrauens, wirkt sich nun auch die Angst vor Erfolg auf das Interesse und die Leistung der Mädchen im Fach Informatik aus[6] - denn: Gute Leistungen im naturwissenschaftlichen Bereich (abgesehen von Biologie, das weniger stereotypisiert ist und eher der weiblichen Domäne zugeordnet werden kann) stellen eine Bedrohung für die weibliche Geschlechteridentität dar, solange dieses Fach männlich besetzt ist.[7]
[...]
[1] RYTER, Annamarie & SCHAFROTH, Kathrin: Gleichwertige Förderung von Mädchen und Knaben in der Volksschule im Kanton Zürich. Bericht der Fachstelle für Gleichberechtigungsfragen des Kantons Zürich FFG. Zürich 2001. http://www.gleichberechtigung.zh.ch/internet/ji/ffg/de/downloads.SubContainerList.SubContainer1.ContentContainerList.0009.DownloadFile.pdf. S. 1. Stand: 21.02.2007.
[2] FAULSTICH-WIELAND, Hannelore: Geschlechteraspekte in der Bildung. In: Bundeszentrale für politische Bildung 2004. http://www.bpb.de/files/55B5YQ.pdf. S.4. Stand: 21.02.2007.
[3] Vgl.: Ebenda. S. 6.
[4] Ryter / Schafroth: Gleichwertige Förderung von Mädchen und Knaben. S. 5.
[5] Vgl.: Ebenda.
[6] Vgl.: Ebenda.
[7] Vgl.: HORNER, Martina: „Feminity and Sucessful Achievement: A Basic Inconsistency“. In: M.H. Garskof, ed., Roles Women Play: Readings toward Women’s Liberation. Belmont, Calif.: Books/Cole Publishing Co. 1970. S. 97–122.
- Arbeit zitieren
- Raoul Giebenhain (Autor:in), 2006, Analyse und Maßnahmen zum Verhalten von Jungen und Mädchen im Fach Informatik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92427
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