Schenkt man den Worten des Politikwissenschaftlers Kurt Sontheimer Glauben, so ist davon auszugehen, dass das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschaland unbestritten einer der tragenden Grundpfeiler der bisherigen Stabilität und demokratischen Legitimität der BRD gewesen ist. So sei der fundamentale Systemfunktionswandel der einzelnen Parteien bereits dadurch zu erkennen, dass diese im Kaiserreich noch außerhalb des institutionalisierten Entscheidungsprozesses standen, während der Weimarer Republik zwar Träger der ersten deutschen Demokratie waren, aber im Gegensatz zur gesellschaftlich nach wie vor bestehenden Sehnsucht zum alten Obrigkeitsstaat standen und folglich als ‚Systemparteien’ verleumdet wurden. Erst mit der Entstehung der Bundesrepublik sei die dauerhafte Verschmelzung zwischen dem Parteiensystem und Demokratie vonstatten gegangen. Ob Kurt Sontheimer Recht hat, wenn er davon ausgeht, dass das Parteiensystem Auswirkungen auf die innenpolitische Stabilität hat, versuche ich in dieser vergleichenden Seminararbeit zu klären. Ich werde also zum Schluss versuchen eine Antwort auf die Frage zu geben ob eine Veränderung im Parteiensystem Auswirkungen auf die innenpolitische Stabilität hat oder eben nicht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Entwicklung von Instabilität bzw. Stabilität in der Weimarer Republik bzw. in der Bundesrepublik Deutschland
3. Einflüsse auf die innenpolitische Stabilität: Direkte Faktoren / Rahmenbedingungen
4. Antisystem-Parteien in der Weimarer Republik – radikale Parteien in der BRD
5. Die ökonomische und soziale Situation
6. Das Demokratieverständnis
7. Das Wahlsystem
8. Schluss
9. Literaturangaben
1. Einleitung
Schenkt man den Worten des Politikwissenschaftlers Kurt Sontheimer Glauben, so ist davon auszugehen, dass das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschaland unbestritten einer der tragenden Grundpfeiler der bisherigen Stabilität und demokratischen Legitimität der BRD gewesen ist. So sei der fundamentale Systemfunktionswandel der einzelnen Parteien bereits dadurch zu erkennen, dass diese im Kaiserreich noch außerhalb des institutionalisierten Entscheidungsprozesses standen, während der Weimarer Republik zwar Träger der ersten deutschen Demokratie waren, aber im Gegensatz zur gesellschaftlich nach wie vor bestehenden Sehnsucht zum alten Obrigkeitsstaat standen und folglich als ‚Systemparteien’ verleumdet wurden. Erst mit der Entstehung der Bundesrepublik sei die dauerhafte Verschmelzung zwischen dem Parteiensystem und Demokratie vonstatten gegangen (vgl.: Kaack / Roth 1980: 289, 290).
Ob Kurt Sontheimer Recht hat, wenn er davon ausgeht, dass das Parteiensystem Auswirkungen auf die innenpolitische Stabilität hat, versuche ich in dieser vergleichenden Seminararbeit zu klären. Ich werde also zum Schluss versuchen eine Antwort auf die Frage zu geben ob eine Veränderung im Parteiensystem Auswirkungen auf die innenpolitische Stabilität hat oder eben nicht. Die abhängige Variable meines Vergleichs ist in diesem Fall also die innenpolitische Stabilität, auf die ich in einem der eigentlichen Arbeit vorangestellten Kapitel noch einmal eingehe, um keine Missverständnisse hinsichtlich der breiten Definitionsmöglichkeiten des Begriffs „Stabilität“ aufkommen zu lassen.
In einem weiteren Schritt gehe ich schließlich auf die unabhängigen Variablen ein. Ein Vergleich der Antisystem-Parteien in der Weimarer Republik mit den radikalen Parteien des 21. Jahrhunderts wird die unterschiedlichen Auswirkungen der Parteiensysteme auf die innenpolitische Stabilität ebenso aufzeigen wie der anschließende Vergleich der ökonomischen und sozialen Situation, des Demokratieverständnisses sowie des Wahlsystems.
Sowohl zu den politischen Fragen der Weimarer Republik, als auch zu den zu untersuchenden bundesrepublikanischen Fragen des frühen 21. Jahrhunderts liegt eine umfangreiche Literatur vor. Zum Einstieg ist zunächst einmal „Die Weimarer Republik“ von Eberhard Kolb (1993) sowie H. Kaacks und R. Roths „Handbuch des deutschen Parteiensystems“ (1980) zu empfehlen. Zur Thematik der Antisystem-Parteien ist Walter Schöns „Grundlagen der Verbote politischer Parteien als politische Gestaltungsfaktoren in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik" (1974) ebenso hilfreich und empfehlenswert wie Axel Eggerts Untersuchung zum „Niedergang der bürgerlichen Parteien in der Weimarer Republik“ (1996) zum Vergleich des Wahlsystems.
2. Entwicklung von Instabilität bzw. Stabilität in der Weimarer Republik bzw. in der Bundesrepublik Deutschland
Um die Auswirkungen des Parteiensystems von Weimar und der Bundesrepublik auf die innenpolitische Stabilität vergleichen zu können, scheint es erforderlich zunächst einmal zu klären was denn überhaupt mit innenpolitischer Stabilität gemeint ist, bevor in einem weiteren Schritt die Entwicklung dieser in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland beleuchtet wird.
Mit innenpolitischer Stabilität ist in diesem Falle nicht Regierungsstabilität gemeint. Der Begriff basiert also nicht auf „Führungs- und Lenkungsfunktionen, personalisiert durch die effiziente Verzahnung der Ebenen Parlament, Regierung und Parteien in Spitzenpositionen“ (Kaack / Roth 1980: 288, 289). Vielmehr geht es um „Regimestabilität“, d.h. in Bezug auf die Weimarer Republik auf jene Faktoren bezogen, die zum Niedergang der Republik geführt haben. Politische Stabilität basiert in diesem Sinne auf Teilnahme und Teilhabe aller gesellschaftlichen Bevölkerungsgruppen an der Wahrung von Freiheit, innerem Frieden und Demokratie. Der Begriff berührt darüber hinaus die ökonomische und soziale Entwicklung, die einen entscheidenden Beitrag zum gesellschaftlichen Konfliktpotential leistet, was – wie in Weimar geschehen – im Zusammenbruch der Republik und der Etablierung einer Diktatur enden kann.
Die vierzehnjährige Geschichte der Weimarer Republik ist so komplex und voll überreicher Ereignisfülle (vgl.: Kolb 1993: Vorwort), dass es nahezu unmöglich ist eine detaillierte Entwicklung der Stabilität in Zusammenhang mit den zahlreichen Ereignissen, die die Zeit von 1918 bis 1933 geprägt haben, zu bringen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass seit der Revolution und der Republikgründung die neue Demokratie immer wieder von links und rechts in die Zange genommen wurde, was der innenpolitischen Stabilität ebenso Schaden zuführte, wie die wirtschaftliche Situation, beeinflusst durch Kriegsfolgen, Inflation und Reparationen (vgl.: Gessner 2002: 12). Der durch den konservativen Schwenk eingeleitete „Sieg des deutschen Revisionismus“ (Gessner 2002: 19) endete schließlich spätestens mit den Reichstagswahlen von 1930 mit einer Eskalation der Gewalt, in deren Folge weitaus mehr Konflikte entstanden als in den mittleren Jahren der Republik. Schuld am daraus resultierenden Höhepunkt der Entwicklung von Stabilität zu Instabilität waren die Nationalsozialisten (vgl.: Schumann 2001: 271), die spätestens mit dem Tod Hindenburgs und der endgültigen Machtübernahme Hitlers als Führer und Reichskanzler am 2. August 1934 das Ende der ersten deutschen Demokratie besiegelten (vgl.: Lehnert 1999: 10).
In der 55jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben wir es - anders als in der Weimarer Republik - mit einer Entwicklung hin zu mehr Stabilität zu tun; auch wenn diese des öfteren durch gesellschaftliche und ökonomische Konflikte bedroht war.
Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 festigten sich die innenpolitische Verhältnisse rasch. Trotz der schlechten Ausgangslage für den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft setzte ein Wirtschaftswunder ein, das zur Erhöhung des Lebensstandards, dem Aufbau von Betrieben, einem Exportüberschuss, neuen Arbeitsplätzen und 1960 sogar zu Vollbeschäftigung führte.
In Gefahr schien die innenpolitische Stabilität zu sein als aufgrund der Lage an den deutschen Hochschulen und dem Vietnamkrieg die Studentenproteste der späten sechziger Jahre terroristische Splittergruppen wie die R.A.F. hervorbrachten, die fortan die Republik aufs Korn nahmen, letztlich jedoch zum Scheitern verurteilt waren.
Die Wiedervereinigung brachte wiederum wirtschaftliche Herausforderungen mit sich, die der innenpolitischen Stabilität der Bundesrepublik jedoch glücklicherweise ebenso wenig Schaden zufügen konnten, wie die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus des frühen 21. Jahrhunderts oder die immer noch nicht verbotenen demokratiefeindlichen, neofaschistischen Kräfte des deutschen Parteiensystems.
3. Einflüsse auf die innenpolitische Stabilität: Direkte Faktoren / Rahmenbedingungen
Bereits in der Einleitung habe ich die Thematik meiner Arbeit verdeutlicht und darauf hingewiesen, dass ich mich mit einem Vergleich des Parteiensystems der Weimarer Republik mit dem bundesrepublikanischen Parteiensystem des frühen 21. Jahrhunderts beschäftige. Ich habe zudem die innenpolitische Stabilität als abhängige Variable genannt und sie im vorangegangenen Kapitel näher definiert.
Der Vergleich der Parteiensysteme wird schließlich zeigen, dass das Parteiensystem die innenpolitische Stabilität tatsächlich beeinflusst.
Bevor ich nun auf die abhängigen Variablen im einzelnen eingehe möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich hierbei zum einen Faktoren heranziehe, welche die innenpolitische Stabilität direkt beeinflussen (hierzu zählen beispielsweise Antisystem-Parteien oder das Wahlsystem) und zum anderen auf Rahmenbedingungen, wie die ökonomische und soziale Situation, eingehe, die einen ebenso entscheidenden Einfluss auf die abhängige Variable haben, wie die folgenden Kapitel im einzelnen zeigen werden.
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- Citation du texte
- Raoul Giebenhain (Auteur), 2003, Das Parteiensystem der Weimarer Republik im Vergleich mit dem Parteiensystem des frühen 21. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92417
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