Erving Goffmans Werk „The Presentation of Self in Everyday Life“ („Wir alle spielen Theater - Die Selbstdarstellung im Alltag“) thematisiert die Interaktion, also das wechselseitige aufeinander Einwirken von mindestens zwei Akteuren. Jegliche Form von Interaktion wird von Goffman als eine Darstellung verstanden. Diese Selbstdarstellung dient dem Gegenüber als vorrangige Informationsquelle um den Interaktionspartner zu deuten. Die Akteure versuchen sich möglichst vorteilhaft darzustellen:
„Jemand kann z. B. einen guten Eindruck von seinem Beruf oder seiner religiösen Einstellung vermitteln, indem er sich selbst gut darzustellen weiß.“
Die Akteure nutzen laut Goffman Darstellungsmittel wie sie auch in der Theaterwelt vorkommen.
Daraus schlussfolgert die Frage: Sind Konsum und Konsumgüter wirklich übertragbar auf Goffmans Theatermetaphorik und somit definierbar als Requisiten der Selbstdarstellung?
Erving Goffmans Werk „The Presentation of Self in Everyday Life“ („Wir alle spielen Theater - Die Selbstdarstellung im Alltag“) thematisiert die Interaktion, also das wechselseitige aufeinander Einwirken von mindestens zwei Akteuren. Jegliche Form von Interaktion wird von Goffman als eine Darstellung verstanden. Diese Selbstdarstellung dient dem Gegenüber als vorrangige Informationsquelle um den Interaktionspartner zu deuten.1 Die Akteure versuchen sich möglichst vorteilhaft darzustellen:
- emand kann z. B. einen guten Eindruck von seinem Beruf oder seiner religiösen Einstellung vermitteln, indem er sich selbst gut darzustellen weiß.“2
Die Akteure nutzen laut Goffman Darstellungsmittel wie sie auch in der Theaterwelt vorkommen.
Daraus schlussfolgert die Frage: Sind Konsum und Konsumgüter wirklich übertragbar auf Goffmans Theatermetaphorik und somit definierbar als Requisiten der Selbstdarstellung?
Im Folgenden werde ich den Zusammenhang von Wirtschaft und Konsum mit der alltäglichen Selbstdarstellung verdeutlichen. „Für verschiedene Gruppen der Oberschicht war Wirtschaft die Grundlage von Status und aufwendigem Lebensstil gewesen. Heute hingegen orientiert sich die Wirtschaft in großem Maße an den Forderungen der Kultur.“3 Die Relevanz von Individualisierung, also dem mit der Industrialisierung und der Modernisierung der westlichen Gesellschaften einhergehenden Prozess eines Individuums von der Fremd- zur Selbstbestimmung, hat stetig zugenommen.
Individualität lässt sich unter anderem durch den Konsum bestimmter Güter zum Ausdruck bringen. Der Kauf bestimmter Produkte setzt ein implizites Statement und trägt zur Imagepflege bei, beispielsweise unterstreicht der Konsum von Fairtrade oder Bio Produkten einen alltäglichen Gerechtigkeitssinn, sowie ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Ein weiteres Beispiel ist der Kauf spezifischer Kleidung, um sich selbst als zugehörig zu bestimmten Gruppierungen, Milieus oder Schichten darzustellen. Unteranderem zählen hierzu Fußballfans die Trikots ihrer bevorzugten Vereine tragen, zugehörige der rechten Szene mit szenetypischer Kleidung, im Allgemeinen also der Kauf von Statussymbolen. Wobei Statussymbol nicht als Synonym für Prestigeobjekt gesehen werden darf, da sie lediglich den Status eines Akteurs darstellen. Die Symbole können abhängig von der Zugehörigkeit zu einer Szene oder Gruppe sowohl einen höheren als auch einen niedrigeren Status geben.
In Bezug auf Goffmans Theatermetapher spielt sich dieser Konsum ebenso wie Geltungskonsum, also eine Aufrechterhaltung des Sozialen Status, durch Statussymbole4 auf der Vorderbühne ab. Der Akteur versucht den Eindruck, den er bei anderen hinterlässt, zu kontrollieren und die Requisite Konsum kann entsprechend seiner eingenommenen Rolle angepasst werden, um als Teil der Selbstdarstellung eine Fassade zu schaffen, die die Situation des Publikums bestimmt.
Die Fassade bestehend aus dem persönlichen Verhalten, der Erscheinung und dem Bühnenbild dient auf der Vorderbühne also der Verkörperung gesellschaftlich anerkannter Normen und Werte um seine Rolle perfekt und stimmig darzustellen.
Auf der Hinterbühne wird das Selbst zu Ausdruck gebracht, welches auf der Vorderbühne eine idealisierte und normenorientierte Rolle einnimmt.
Ebenso wie Konsum schafft auch Nicht-Konsum eine Fassade, welche Bescheidenheit, Unzufriedenheit (z.B. Hungerstreik, Konsumentenboykott) oder die Zugehörigkeit zu einem Ensemble (Team) mit einer gemeinsamen Rolle und gemeinsamem Konsumverhalten zu Ausdruck bringen kann.5
In Goffmans Werk „Techniken der Imagepflege“ beschreibt er, dass das Image eines Akteurs entstehen und bewahrt werden kann, wenn durch ihr Verhalten ein konsistentes Image vermittelt wird und dieses durch andere Teilnehmer und die Umwelt bestätigt wird.6 Dieses konsistente Image kann zum Beispiel durch ein konsistentes Konsumverhalten manifestiert werden. Ein Sportler kann sein Image beispielsweise als konsistent bewahren, indem er sportliche Kleidung trägt, sich gesund ernährt und sich in der Interaktion mit anderen stark auf Sport bezieht.
Werbung mit einem hohen Identifikationspotential und einem spezifisch dargestellten Image färbt auf den Konsumenten ab, indem der Konsum oder Nicht-Konsum des beworbenen Produktes in der Interaktion mit anderen immer einen Teil der gesamten Selbstdarstellung ausmacht. Die Intensität der Einflussnahme des Konsums bzw. des Konsumguts auf den Akteur ist unbestimmt und abhängig von der Interpretation des Gegenübers, sowie dem Umgang/der Darstellung des Akteurs mit der oder dem jeweiligen Konsumform Konsumgut.
Des Weiteren kann der Akteur seinen Konsum sowohl unbewusst, als auch bewusst nach Rollenerwartungen7 und Fremddarstellungen ausrichten und ihn sich als Requisite seiner Darstellung zu Nutze machen, indem er ein stimmiges Image von sich schafft, beispielsweise indem sich ein Umweltaktivist ein Elektroauto kauft, indem sich ein Musiker Karten für Konzerte oder Instrumente kauft oder indem ein Menschenrechtsaktivist zu Ausdruck bringt, dass er keine Produkte von Firmen konsumiert, die verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen sind. Konsumgüter in der heutigen Zeit dienen also keinesfalls nur der Abdeckung von Grundbedürfnissen, sondern sind vielmehr zentrale Identitätsstifter, die dem Selbstzweck und der Selbstdarstellung dienen.
Der von Gottfried Keller verwendete Titel seiner Novelle „Kleider machen Leute“, sowie das Werk „Leben als Konsum“ von Zygmut Bauman und das Sprichwort „Du bist, was du isst!“ zeigen deutlich, wie stark die Konsumentenrolle die Identität und das Selbstwertgefühl beeinflussen. Des Weiteren wird deutlich, dass sich Konsum historisch gesehen mehr und mehr wandelte, von einer einfachen Befriedigung der Grundbedürfnisse hin zu einer Darstellung und Auslebung eines bestimmten Lifestyles. Laut Zygmut Bauman ist der entscheidende Zweck des Konsums in der Konsumgesellschaft „nicht die Befriedigung von Bedürfnissen, Sehnsüchten und Wünschen, sondern die Kommodifizierung oder Rekommodofizierung des Konsumenten: Der Konsument wird in den Status einer verkäuflichen Ware gehoben.“8
Es gilt also, sich selbst gut zu verkaufen um Wertschätzung, Anerkennung und Status zu erlangen. Deutlich wird dies in den sozialen Netzwerken, in denen sich jegliche Konsumform als Möglichkeit der Selbstdarstellung versteht. Es genügt ein Video oder Foto einer gut in Szene gesetzten alltäglichen Konsumform, sprich einer Mahlzeit, eines neu gekauften Outfits, einer Band, eines Getränks oder eines Festivals, um sich selbst als möglichst positiv darzustellen. Ähnlich wie Konsumgüter in der Werbung präsentiert werden, versucht man sich mit eben diesen Requisiten auf der Bühne der alltäglichen Selbstdarstellung gut zu vermarkten und ein positives Image seines Selbst zu vermitteln. Der Akteur bedient sich an den Konsumgütern um sich und seine Identität regelmäßig neu zu erfinden und darzustellen. Entsprechend einem theatralischen Darsteller, der sich an Requisiten bedient, um seine Rolle neu darzustellen und diese authentisch wirken zu lassen.
In Anbetracht verschiedener Theorien und meiner Überlegungen ergibt sich, dass Konsum und Konsumgüter, übertragen auf die von Goffman verwendete Theater Metaphorik, als Requisiten der alltäglichen Selbstdarstellung auf der Bühne der sozialen Welt verstanden werden können.
Schlussendlich lässt sich sagen, dass die Selbstdarstellung im Alltag in der heutigen Gesellschaft eng mit sämtlichen Konsumformen und Konsumgütern zusammenhängt. Der Konsum oder eben Nicht-Konsum bestimmter Artikel bietet eine relevante Differenzierungsmöglichkeit zur Darstellung von Individualität und macht einen Großteil dessen aus, wie man von anderen wahrgenommen wird. Konsum und Konsumgüter können in einer Konsumgesellschaft wie unserer also definitiv als Requisiten der Selbstdarstellung verstanden werden.
[...]
1 vgl. Goffman, Erving. (1959): S.1 ff.
2 Goffman, Erving (1971): S. 10
3 Bell, Daniel (1991): S.93 f.
4 vgl. Veblen, Thorstein. (2000): S.79ff.
5 vgl. Goffman, Erving. (1959): S.47ff.
6 vgl. Goffman, Erving (1971): S.11
7 Dahrendorf (2006): S.35
8 Bauman, Zygmunt (2007): S.57
- Citar trabajo
- Nick Schilken (Autor), 2017, Selbstdarstellung durch Konsum, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/923051